Ich denke mal, dass meine Schulzeit nicht anders verlief, wie an anderen Schulen zu dieser Zeit auch.
Morgens um halb 7 hieß es aufstehen (auch samstags). Nach dem Frühstück
(Kakao und ein paar Plätzchen waren meine Favoriten zu dieser Tageszeit), ging es dann noch mal ins Bad um die Zähne zu putzen und sich anzuziehen. Der Schulranzen wurde schon abends zuvor auf Vollständigkeit überprüft. Die Mutter machte morgens, wenn wir (meine Schwester und ich) im Badezimmer waren, noch schnell ein Pausenbrot.
Dann ging es ganz gemütlich los auf den Weg zur Schule. Zum Glück war es nicht weit. Gerade mal 10 Minuten. An der ersten Ecke kam uns meist schon eine meiner Klassenkameraden entgegen.
Ach ja und unsere Katze war mit von der Partie. Diese tobte dann den ganzen Morgen auf Nähe hinter dem Schulgelände herum. Wenn Schulschluss war, saß sie, wie um mich abzuholen vor dem Schultor und ging mit mir nach Hause zurück. Dies tat sie aber gezielt nur bei mir. Meine Schwester durfte allein nach Hause gehen, wenn sie eher Schluss hatte, das war unserer „Jette“
egal. ;-)
Bei der Schule angekommen ging es etliche Treppenstufen hinunter auf den Schulhof. Beim ersten Klingelzeichen hieß es sich mit den Anderen klassenweise aufstellen in Zweierreihen. Da standen wir also nun unten auf dem Schulhof und die „Herrschaften“ oben bei der Treppe, genau unter der riesigen Uhr. Sie zählten ihre Kadetten durch. Kam mir jedes Mal vor wie auf dem Kasernenhof.
Die morgendliche Zählung wurde von den Jungens gern zum Anlass genommen, um uns Mädels an den
Zöpfen zu ziehen oder einem Kameraden irgendwelche Zettelchen mit obskuren Bemerkungen auf den Rücken zu pappen. Unnütze Dinge landeten bei der Gelegenheit ebenfalls unbemerkt in den Ranzen des Vordermanns. Bald klingelte es ein zweites Mal und die „Herrschaften“ traten ein wenig von der Treppe zurück und los ging es im Gänsemarsch die Stufen hinauf (immer noch in Zweierreihen) und hinein in die „Erziehungsklause“, wie wir die Schule respektlos nannten. An dem jeweiligen Lehrer vorbei, dieser dann als Schlusslicht hinten an. Wer denkt, nun ging es geradewegs ins
Klassenzimmer, weit gefehlt. Der morgendliche Spuk nahm seinen Lauf. Nun hieß es vor dem Klassenraum in einer Reihe aufstellen (immer 10 Mann, der Rest blieb erstmal zusammen auf dem Flur stehen). Füße nebeneinander, Bauch rein, Brust raus, Schultern gerade nach hinten, Arme waagerecht vorgestreckt und die Hände vorgezeigt hieß nun die Parole. „Madame“ (unsere langjährige Klassenlehrerin) schritt mit wichtiger Miene die Reihe ab. Zupfte hier, zupfte da an der Kleidung herum, bemängelte dreckige Fingernägel und Schuhe. Habe sie dafür gehasst. Musste sie
wirklich lauthals „meckern“? Schürte das denn nicht die Hänseleien untereinander? Ich hätte sie wirklich glatt lynchen können. Aber das artige Mädchen, dass ich nun mal war, fügte ich mich ergeben drein, wie all die anderen auch.
Nicht dass es an meinem Äußeren hätte was zu meckern gegeben, trotzdem - es regte mich jeden Tag aufs Neue auf. Danach dann die Erlösung. Aber nur scheinbar. Setzen war auch jetzt noch nicht angesagt. Nun konnten wir uns hinter unsere Stühle stellen und durften erst mal anständig einen „schönen guten Morgen“ wünschen. Ach war das „nett“!
Ich lasse es mal dahingestellt, wer von uns Schülern dieses „Guten Morgen“ ehrlich meinte oder nicht. Nun ja, ich war keine auffällige Schülerin. Immer lieb und brav. Zumindest nach außen hin. „Betragen – gut“, als Markenzeichen in meiner Kopfnote, wurde ich einfach nicht los. All die neun Jahre nicht. Na logisch, ich hatte genauso meinen Spaß an kleinen Streichen. Nicht immer war ich aktiv dabei. Aber ich war fast immer diejenige welche, die wusste wer der oder die Anstifter waren. Kein Sterbenswörtchen kam jemals über meine
Lippen. Im Laufe der Jahre avancierte ich zur Klassensprecherin (3 Jahre lang in Folge). Wie ich zur der Ehre kam, obwohl ich eigentlich eine sehr ruhige, ja manchmal sogar „mundfaule“ Natur bin? Das mag wohl an meinem ausgeprägten Gerechtigkeitssinn, meiner Kameradschaft und meinem diplomatischen Geschick gelegen haben. Aber andererseits…. oha, wehe, wenn ich „los lege“, dann bremst mich nichts mehr. So kam es vor (und das nicht selten), dass „Madame“ ohne mit der Wimper zu
zucken liebend gern Strafarbeiten oder Nachsitzen anordnete. Es war dann eines Tages so, dass sie zum wiederholten Male eine Klassenkameradin zur Strafarbeit verdonnern wollte, weil wieder mal die Stifte nicht angespitzt waren und eine Hausaufgabe nicht vorlag. Ich sprang vom Stuhl auf. Es wurde mir einfach zu bunt und fragte nun ganz erbost und über mich herauswachsend unsere „Madame“ einfach gerade heraus, ob meine Klassenkameradin nicht schon gestraft genug sei, weil sie nach der Schule bis abends um „5“ auf ihre drei kleinen Geschwister aufpassen
müsse. Die Mutter ginge arbeiten. Einen Vater gab es wohl nicht. Madame machte große Augen und schaute mich, die immer liebe, ordentliche und unauffällige Schülerin, verdutzt an. Natürlich - die Jungens am Grölen und einige Mädels am Kichern. Wieder andere taten, als wenn sie nichts gehört hätten. Aber es war mir einfach piepschnurzegal. Madame bat energisch um Ruhe. Und das war’s. Nicht ganz – nach der Stunde rief Madame „die“ mit einer Strafarbeit behafteten Schülerin und mich zu sich an den Pult. Und siehe da – keine Strafarbeit!
An mich aber die Bitte, meine Schulkameradin öfters mal an die Schulsachen und Hausaufgaben zu erinnern. Das war es mir alle Mal wert. Was mir aber gar nicht schmeckte, war die Tatsache, dass unsere „Madame“ mich nun ständig und überall in den Himmel hob. Das war nicht Sinn und Zweck der Übung! Ich wollte ganz einfach unsere „Madame“ nicht nett finden wollen und basta! Zu meiner Schande, ja fast unglaublich für die „Herrschaften“, fing ich mir doch tatsächlich im vorletzten Schuljahr
selbst eine Strafarbeit ein und war obendrein vollkommen uneinsichtig. So gab ich einem Schulkameraden in der „Großen Pause“ ein paar Groschen, damit er sich beim Bäcker nebenan ein Brötchen mit Mohrenkopf kaufen konnte. Er klagte mir sein Leid, dass er großen Hunger habe. Die Mutter war im Krankenhaus und der Vater verrichtete an dem Tag eine Doppelschicht. Der Junge war auf sich allein gestellt und das Brot zu Hause ausgegangen. Soweit, so gut. Ich also mit ihm während der Pause bis ans Schultor. Ich stand nun Schmiere. Es
dauerte nicht lang und unser Chemielehrer kam auf mich zu und fragte, warum ich so lange da am Tor herumstehe. Ich sagte keinen Ton. Der Lehrer bohrte und bohrte. Mein Schulkamerad kam just in dem Moment angeschossen, den Chemielehrer übersehend. Das Ende vom Lied: Wir mussten beide 100 Mal den Satz schreiben: „Wir dürfen während der Pausen den Schulhof nicht verlassen“. Das natürlich schön akkurat und ordentlich in eigener Handschrift. Das erboste mich dermaßen. Denn ich fand, dass unser Chemielehrer einfach kein Herz im Leibe hatte. Ich nicht faul
und schrieb den Satz 130 Mal ins Heft. Wohl wissend, dass dies einen Kommentar vom Lehrer geben wird. Darauf brauchte ich auch nicht lange warten. „Hast du dich verzählt“? kam auch prompt die Frage. Meine Antwort: „ Nein zählen kann ich schon noch – aber Sie sind herzlos“, schmeckte ihm gar nicht. Fortan nahm dieser herzlose Mensch mich beim Unterricht nicht mehr dran. Ich ignorierte das geflissentlich. Mochte ich ihn doch schon immer nicht leiden. Denn er nuschelte im Unterricht und sprach oftmals so leise, dass ich kein Wort verstand (bin etwas schwerhörig).
„Na warte“, dachte ich und legte dafür im Schriftlichen einen Zahn zu. In den darauf folgenden letzten drei Halbjahres-Zeugnissen prangte unter weiteren Einsen in dem Fach Physik u. Chemie eine Eins (vorher gar nur befriedigend). Der gute Mann sprach mich dann bei unserer Abschlussfeier kleinlaut an, ob ich der Schule meine letzte Hausaufgabenkladde vermachen würde. Er spürte meine Abwehr und legte die Betonung auf „für die Schule“, nicht für sich. Ich willigte nun doch etwas
stolz ein. Diese Arbeitsmappe existierte nach gut 15 Jahren noch immer. Bei einem Besuch auf meiner Schule legte man sie mir vor. Ach, das war ein seltsames Gefühl. Ich erkannte meine eigene Schrift nicht als die Meine und die Tinte war nun doch schon arg verblasst. Aber kein Eselsohr lachte mir entgegen und die Zeichnungen von mir, waren dermaßen detailliert, dass sie aussahen wie gedruckt. Vom Inhalt waren es nun „böhmische Dörfer“ für mich. Für meinen Traumberuf (Chemielaborantin) habe ich seinerzeit
letztendlich nicht studieren dürfen. Wie alle Mütter, oder zumindest die Meisten dieser Generation, meinte die Meinige auch: „Wozu studieren, wenn man doch eh’ heiratet und Kinder bekommt“? Eine Empfehlung zur höheren Schule hatte ich alle Mal. Aber nein, Frau Mutter hat bestimmt und fertig ab. So landete ich dann als „Tippse“ auf dem Büro. Wie auch immer – wenn meine Kindheit und Jugendzeit auch nicht so schön war (aus anderen Gründen) - so erinnere ich mich sehr gern an die Schulzeit. Denn zu der Zeit waren Wohnungen mit
Kinderzimmern im „Kohlenpott“ schlicht und einfach Mangelware. So blieb uns „Kindern“ nur die Straße bzw. der Spielplatz oder Hinterhof und eben der Schulhof, um uns zu treffen. Sich in Cafés oder dgl. als Jugendliche zu treffen, war eine Unsitte und gehörte sich nicht und wenn doch, stand dies nur den besser gestellten Schülern zu. Standardspielzeuge waren fast bei allen (egal ob Mädel oder Bub) halt Fußbälle, Roller oder Fahrrad, Springseil, Kreide, Murmeln, Gummi-Twist und Bücher. Gesellschaftspielesammlungen waren in den Familien ohnehin ein absolutes Muss.
Nun ja, wir waren dennoch zufrieden und zumindest waren die Schulfreundschaften fest verwurzelt. Da gab es noch keine allgemeine Hektik und übermäßige Konsumgüter, die uns im Zwischenmenschlichen oberflächlich werden ließen.
(c)2010 P. Agnes Ruthsatz/pepsi55
Übrigens – mein Pseudonym ist mein Spitzname aus Kinderzeiten. Den bekam ich in der Schule verpasst. Weil ich dunkles Haar habe und alle meinten ich sei so „süß“ wie PEPSI-Cola die
seinerzeit aktuell war. Paradox – ich mag gar keine Cola – *graus schüttel’ mich – viel zu süß!!!