Jonas Jetzt hatte Stefan es echt zu weit getrieben. Er konnte nicht einfach jemanden töten, weil er sauer war. Und wie bitte war er da raus gekommen? Tila hatte ihm bestimmt nicht geholfen. Jacy hatte noch immer ihr Gesicht an meiner Brust vergraben und weinte leise. Ihr Ohr lag über meinem Herz und ich spürte, das sie sich langsam wieder beruhigte. Bestimmt war es nicht so leicht für sie. Selbst für mich, jemanden der mit dem Tod aufgewachsen war, war es nicht leicht. Ich hatte Tila nicht so gut gekannt, aber den Tod hatte sie
nicht verdient. Ich führte Jacy zum Sessel und sie ließ sich langsam drauf sinken. In ihren Augen schimmerten noch Tränen, die sie zu unterdrücken versuchen. Ich kniete mich vor sie und hob ihren Kopf an. Sie sah mich an. Es sah aus als wären die Lichter an, aber niemand zu Hause. „Jacy.“ sagte ich leise. Sie blinzelte, sagte aber nichts. Ich seufzte und stand wieder auf. Vielleicht war im Kühlschrank noch eine Flasche Wasser. Ich öffnete ihn, wurde aber enttäuscht. Nur Blut. Ich wand schnell den Blick ab, da meine Eckzähne sich verlängerten und gegen die Unterlippe drückten. Aber jetzt war nicht der richtige Moment Blut
zu Trinken, auch wenn ich mich fühlte wie kurz vor dem Austrocknen. Ich schlug die Tür wieder zu und drehte mich zu Jacy um. Sie sah betreten zum Boden. Sie tat mir leid. So gesehen war ich Schuld daran und das Wissen machte es auch nicht besser. Ich ging zu einem von Tilas Bücherregalen und zog ein in Leder gebundenes Buch heraus. Es hatte keinen Titel. Ich schlug es auf und Unmengen von einzelnen Blätter fielen heraus. Allesamt über Portale zur Menschenwelt. Schnell überflog ich alles, aber nirgends war etwas über den Aufenthalt zu finden. „Jacy?“ Ich sah zu ihr hin. „Ja?“ fragte sie
leise. „Ich könnte deine Hilfe gebrauchen. Du musst ein Buch finden, womit wir das Portal von Tila finden können.“ Jacy stand langsam auf und schlürfte zu mir herüber. Sie sah sich das Regal an, es war fast einen Kopf größer als sie. Dann strich sie vorsichtig mit den Finger über die Bücher. Sie fing oben an und arbeitete sich weiter vor. Als sie die letzte reihe abgetastet hatte, erhob sie sich. Ich sah sie fragend an. Sie erwiderte meinen Blick müde. Es war jetzt schon zu viel für sie. Dabei war sie grade mal drei Tage hier. Ich wollte sie grade fragen, was sie gemacht hatte, da flog mit voller Wucht ein Buch aus
dem Regal und blieb geöffnet auf dem Tisch liegen. Ich hob überrascht die Augenbrauen und starrte das Buch an. Offensichtlich waren diese drei Tage mehr als genug um ihre Hexenseite erwachen zu lassen. „Das Buch wird dich nicht fressen Jonas. Du kannst ruhig hingehen.“ sagte Jacy sarkastisch, als ich es immer noch anstarrte. Ich sah sie an und lächelte. „Klar.“ Ich ging hin und sah mir das Buch an. Es sah sehr alt aus. Die Seiten waren gelblich und stellenweise abgebröselt. Auf der Seite sah man das Portal und die passende Erklärung. Darunter die Koordinaten, des Standortes und ein Zauberspruch. Ich
runzelte die Stirn. Tila war wirklich ein schlauer Hund. Gewesen. Sie war ein schlauer Hund gewesen. Ich verdrängte den Gedanken und holte tief Luft. „Und? Wo ist das Portal?“ fragte Jacy hinter mir. Ich schnaufte belustigt auf. Das ich es nicht bemerkt hatte! Ich hatte das Gefühl, das meine Jagtfähigkeiten langsam nachließen. „Du stehst drin, Jacy. Das ganze Haus ist das Portal.“ Jacy sah mich an, als wolle ich ihr erzählen, der Himmel sei Grün. „Du sagst einfach den Zauberspruch auf und fertig.“ sagte ich optimistisch. Natürlich wusste ich nicht ob das so einfach war, hoffte es aber. Sie zog die
Stirn in Falten und sah mich an. „Glaubst du, ich schaff das?“ fragte sie mich leise. „Ich wäre Überrascht wenn nicht.“
Jacy Das ganze Haus. Tila hatte ihr Haus in dem Portal gebaut. Auf so eine Idee musste man erst mal kommen! Ich hatte zwar keine Ahnung, aber Jonas Reaktion entnehmend war das nicht Typisch. Ich sah das Buch an und wusste nicht recht was sich machen sollte. Ich hatte Angst etwas falsch zu machen und, was weiß ich, alles in die Luft zu jagen? „Jacy, das Buch wird dich nicht fressen.“ Jonas wiederholte ironisch meine Wort von eben. Sehr witzig, dachte ich bissig und nahm das Buch in die Hand. Ich steuerte die
Tür an, aber Jonas fragte hinter mir. „Wo hin?“ „Ich will nicht hier drin sein, wenn alles in die Luft geht.“ sagte ich nüchtern. Jonas verdrehte die Augen. Als ich sie das erste mal gesehen hatte, dachte ich sie wären schwarz aber das Stimmte nicht. Vielleicht sah ich sie erst jetzt richtig, weil meine Sinne sich sehr verbessert hatten. Jonas Augen waren von einem wunderschönen, dunklen Königsblau. Schnell wand dich den Blick ab. Es waren sehr komische Schriftzeichen. Kein Buchstaben. „Ich kann das nicht lesen, Jonas. Was ist das?“ fragte ich verwirrt. Wäre ja zu einfach gewesen. Aber Jonas hörte mir
nicht zu. Er war dabei etwas auf einen Zettel zu schreiben. „Was machst du da?“ Jonas legte den Stift weg und reichte mir den Zettel, zusammen mit einer Kette. „Du wirst einfach beide Zaubersprüche zusammen vorlesen. Dann öffnest du ein Portal und gleichzeitig überträgst du dein Kraft auf diese Kette. Ich hab dir den Zauber aufgeschrieben.“ Ich sah mir den Zettel an. Auch so komische Zeichen. „Was ist das?“ fragte ich erneut. „Das ist die Schrift der Hexen. Sie benutzen keine Buchstaben.“ „Und wieso kannst du das?“ fragte ich
misstrauisch. „Hat mir eine Hexe beigebracht als ich klein war. Glaubst du etwa ich war nicht in der Schule? Diese Qual wurde mir leider nicht vorenthalten.“ „Ich kann das nicht lesen.“ Jonas sah mich an. „Natürlich kannst du das lesen. Du musst dich nur Konzentrieren.“ Ich runzelte die Stirn und betrachte die Wörter. Dann verschoben sie sich, so lange bis sie Wörter ergaben die ich lesen konnte. Dort stand: Derante esbo emarodte. Das Portal erhebt sich. Und auf dem Zettel den Jonas mir gegeben hatte: Metche ismos matulte. Die Kraft überträgt sich.
Ich holte tief Luft und sagte die Worte leise auf. Erst passierte nichts. Ich dachte schon ich hätte etwas falsch gemacht. Aber das stimmte nicht. Über den Boden zog sich etwas, was aussah wie Wasser. Es floß über den Boden, und die Wand hoch. Es sammelte sich von Boden bis zur Decken. Ich sah auf die Kette in meiner Hand. Sie leuchtete. Sie hatte meine Kräfte und obwohl ich sie erst seid wenigen Tagen hatte vermisste ich sie jetzt schon. Wie sollte ich mit diesem Wissen normal in der Menschwelt leben? “Das musst du nicht.” sagte Jonas. Ich sah ihn verwirrt
an. “Wie meinst du das?” “Du bist ohne die Kette ein Mensch. Und Menschen vergessen alles aus der Welt der Übernatürlichen wenn sie sie verlassen.” Jonas versucht gelassen zu klingen, aber man hörte das ihn etwas bedrückte. Ich streckte zitternd die Hand aus. Es kostete mich unfassbare Kraft, die Kette in Jonas Hand fallen zu lassen. “Pass gut drauf auf.” sagte ich leise. Jonas nickte und sah mich an. “Sei vorsichtig.” Ich lachte auf. “Auf einem Bauernhof, was für eine Herausforderung.” “Ich meins ernst.”
Ich nickte. “Mach ich. Versproche.” Ich sah das Portal an und machte einen Schritt darauf zu. Ich würde alles vergessen. Ich machte noch einen Schritt und konnte die Kälte des Portales spüren. Ich würde meine Kräfte vergessen. Das Portal war jetzt so nah das ich fast durchsehen konnte. Ich würde Jonas vergessen. Als hätte er meine Gedanken gelesen machte er einen Schritt auf mich zu und drückte mich fest an sich. Ich erwiderte die Umarmung und rief mir ins Gedächnis, das man nichts vermissen konnte, woran man sich nicht erinnerte.
Ich sah zu Jonas hoch. Er senkte den Kopf. Einen Kuss konnte man das nicht nennen, nur ein Streichen von seinen Lippen über meine. Dann drehte er sich um und ging aus der Tür. Ich drehte mich ebenfalls um und sah mir das Portal an. Dann schritt ich durch.