Journalismus & Glosse
Hört ihr auch die Zwischentöne?

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"Wenn sich die EU schon mal einig ist ..."
Veröffentlicht am 26. März 2014, 10 Seiten
Kategorie Journalismus & Glosse
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Über den Autor:

Einst brach ich auf, eine Welt zu erobern! Heut sitz ich in einem Käfig voller Narren! So kam ich zum Entschluss, "Will Hofnarr sein!" Und daran arbeite ich nun, in Berlin, das durch seine einmalige Nähe von Ost und West vielleicht schon einen Gedanken voraus ist. Mag sein, dass dieser Gedanke auch Nord und Süd einander etwas näher bringen kann.
Wenn sich die EU schon mal einig ist ...

Hört ihr auch die Zwischentöne?

Wieder einmal ist Russland das Feindbild Nummer eins! Es handelt wider das Völkerrecht, wühlt und untergräbt, strebt nach Hegemonie auf dem Gebiet der verflossenen Sowjetunion. Soweit die offizielle Berichterstattung. Es hat sich die Krim einverleibt! Die Krim, welche durch die Deutsche, Katharina die Große, Zarin von Russland 1774 erobert wurde. Erobert, weil es unerträglich war, dass Türken und Tataren immer wieder in den Süden Russlands einfielen, die Ernten vernichteten und Menschen massakrierten. Sie wusste wie schon Peter der Große, dass nur eine zuverlässige Seemacht am Schwarzen Meer diese Schmach beenden konnte. Also, wenn Russland die Krim annektiert hat, dann 1774! Zu dieser Zeit gab es kaum Verfassungen, Volksabstimmungen oder Demokratie auf unserer Erde. Die Welt wurde durch Kriege verteilt. Ein

Status Quo wurde erst nach dem schrecklichsten aller bisherigen Kriege festgeschrieben. Nach diesem gehörte die Krim zur Russischen Föderation, im Staatsgebilde der Sowjetunion. Aber auch dieser Status Quo wurde seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges mehrmals korrigiert, verändert oder gebrochen. Manchmal demokratisch und relativ unproblematisch, wie die Teilung der Tschechoslowakei. Manchmal ohne jede Volksabstimmung und mit militärischer Gewalt, um einer ethnischen Volksgruppe zu Hilfe zu kommen, wie die Abspaltung Kosovos vom Serbischen Staatsgebiet. Manches Mal geschah eine solche Teilung auch aus ideologischen Gründen, wie in Deutschland, Korea, Vietnam. Deren Wiedervereinigungen verliefen unterschiedlich. In Vietnam kriegerisch, mit Sieg für die eine Seite, in Deutschland friedlich, mit Sieg für die andere

Seite, in Korea gar nicht, mit anhaltender Lebensgefahr für beide Seiten. Eine Neuaufteilung geschah mit UN – Mandat. Die Teilung Palästinas. Aber die ist bis Heute nicht vollzogen, nicht vollzogen im Sinne des damaligen Mandates der UNO. Wer wirft hier also mit welchen Steinen? Wer fordert, dass eine Volksabstimmung über die Krim, gemäß der ukrainischen Verfassung, durch das gesamte ukrainische Volk zu erfolgen hätte, müsste gerechterweise nach der Volksabstimmung zur Verschenkung der Krim durch Chruschtschow 1954 durch sämtliche Völker der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik (RSFSR), also des heutigen Russlands fragen. Denn weder die damaligen Verfassungen der Sowjetunion, noch der RSFSR ermächtigten Chruschtschow dazu (genauso wenig wie Stalin, als er z.B. Abchasien an Georgien verschenkte) und auch im Statut der Kommunistischen Partei der Sowjetunion war

eine solche Aufgabe für den Generalsekretär nicht vorgesehen. Warum muss ich gerade an Guantanomo auf Cuba denken? Ach, ja! Wie lange läuft eigentlich der Pachtvertrag für diesen US – Stützpunkt noch? Und was geschieht nach dessen Ende? Oder ist er gar schon ausgelaufen, ist er gültig oder nicht? Ich weiß es nicht! Hat ja auch nichts mit dem wichtigsten russischen Marinestützpunkt im Schwarzen Meer zu tun. Wie auch? Hier ist ja die friedliebende NATO, die Hüterin des Völkerrechtes, ringsum präsent, auf Cuba der kommunistische Aggressor Castro! Und wenn wir gerade bei Verfassungen sind – wo, in der ukrainischen Verfassung steht, dass eine demokratische Wahl durch einen Putsch annulliert werden kann? Dass wir uns nicht falsch verstehen, ein Volksaufstand kann immer stattfinden, auch mit dem Ziel, vorzeitige Neuwahlen abzuhalten. Aber eine auf diese Art

eingesetzte Übergangsregierung, hat bis zum endgültigen Votum des Volkes die Füße stillzuhalten! Sie darf keine innen- oder außenpolitischen Fakten schaffen, über deren Sinn das Volk noch im Streite ist! Das ist Polarisierung! Das kann zu Bürgerkrieg und Spaltung führen. Daran soll auch Russland schuld sein? Die Ukraine selbst hat es in über zwanzig Jahren nicht geschafft, eine einigermaßen Korruptionsfreie Regierung zu bilden. Das Land wurde ausgeraubt, das Volk ausgesaugt bis zum Bankrott. Diese Phase erlebte Russland während der Jelzin – Ära. Seitdem ist aber das Pro Kopf Einkommen in Russland mächtig gestiegen. Die Löhne und Gehälter dort sind viermal, die Renten mehr als doppelt so hoch wie in der Ukraine. Und was ebenso wichtig ist, sie kommen inzwischen pünktlich. Das alles bei gleicher Ausgangslage nach dem Zusammenbruch der UdSSR. Wen wundert’s, wenn die

Russischstämmigen nach Russland schielen? Aus denselben Gründen wurde in der DDR aus „Wir sind das Volk!“, „Wir sind ein Volk!“, und nur aus diesen Gründen! Wer etwas Anderes behauptet, kennt Brecht nicht richtig („Erst kommt das Fressen, dann die Moral!“) oder ist ein totaler Ignorant und Ideologe. Die Skepsis gegenüber der EU resultiert natürlich aus der Kenntnis der Lage in Griechenland, Rumänien und Bulgarien. In wessen Händen sind denn dort die wenigen großen Industrien, der Handel und der Rohstoff- und Energiemarkt? Wer ist dort Herr und wer der Butler? Aber egal wie die wirkliche Stimmungslage und –gewichtung in der Ukraine ist, bevor sie bei Neuwahlen eventuell doch eine größere Distanz zum Westen fordert, müssen Fakten geschaffen werden. Und um deren Unrechtmäßigkeit zu verschleiern, muss halt Russland als Aggressor und Aufwiegler herhalten. Ist doch klar! Nicht Ukrainer russischer Abstammung schauen nach

Russland, nein, Russen werden in die Ukraine eingeschleust und provozieren und randalieren. Nicht die Ostukraine will zu Russland, nein, Russland will die Ostukraine! Warum muss ich nun wieder an den Fall Gleiwitz denken? Nun ja, sicher wird diesmal nicht zurück geschossen auf den, der gar nicht geschossen hat. Sicher wird auch keine nicht gefallene Bombe mit einer Bombe vergolten. Aber etwas Gleichnishaftes hat es wohl doch, wenn nun Sanktionen durchgesetzt werden. Und die EU – Staaten sind sich einig, auch mit Amerika! Wann gab es das zum letzten Mal? Ja, richtig, als es hieß die Banken zu retten (also eigentlich deren Profit auf Kosten der Völker der EU)! Wer steckt denn wohl diesmal hinter der Einigkeit? Die Banken doch eher nicht! Monetär ist Russland wohl zu

uninteressant. Aber da war so ein Zwischenton! Man werde ab sofort gemeinsam an einer größeren Unabhängigkeit Europas von russischen Gas- und Öllieferungen arbeiten. Das versteht jeder! Für seine Panzer schließt man keinen Kraftstofflieferungsvertrag mit der Feldtankstelle seines Gegners! Die Amerikaner sind ja inzwischen auch längst unabhängig von ausländischem Gas und Öl! Aha! Fracking heißt deren Zauberstab, den wir Europäer, bisher, nicht wollen, wegen der Umweltgefahren. Und deutsche Energieriesen schreiben rote Zahlen, weil man ihnen die Kernkraft verbietet, die Kohlekraft verekeln will und für die erneuerbaren Energien viel zu wenige Subventionen bereitstellt. Geht es also wirklich um die Ukraine? Geht es

um eine russische Gefahr? Oder baut man diese nur auf, damit Exxon und Co. wieder die großen Macher in Europa werden, weil Tod durch Fracking allemal besser ist als unter Russlands Fuchtel? Wird Kernkraft und Kohlestrom bald wieder akzeptiert, um sich des ewigen Feindes zu erwehren? Und werden wir bald alle Investitionen in die erneuerbaren Energien aus unseren Steuern bezahlen, weil die Energiekonzerne schon genug damit belastet sind, die Profite einzustreichen? Also, ich habe sie gehört, die Zwischentöne! Mal sehen, wann sie zu einer eigenen Melodie werden? Ich jedenfalls glaube, dieses Lied schon zu kennen! PeKa

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pekaberlin
Einst brach ich auf, eine Welt zu erobern! Heut sitz ich in einem Käfig voller Narren! So kam ich zum Entschluss, "Will Hofnarr sein!" Und daran arbeite ich nun, in Berlin, das durch seine einmalige Nähe von Ost und West vielleicht schon einen Gedanken voraus ist. Mag sein, dass dieser Gedanke auch Nord und Süd einander etwas näher bringen kann.

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Zentaur So lange die Oligarchen in Russland, Ukraine und dem Rest der Welt die Dirigenten sind, wird das Volk nicht mitsingen dürfen.
echt klasse dein Text
lg Helga
Vor langer Zeit - Antworten
pekaberlin Ja, Helga,
"... und dem Rest der Welt ..." nehme ich jetzt mal als den entscheidenden Zwischenton deines Kommentars.
Die russische Sprache geht einfach (vielleicht auch mangels eines eignen Wortes) ehrlicher mit der Sache um. Oligarchie ist ja ein (z.B. bei Marx) gebräuchlicher Begriff. Wenn also Einer ein Monopol nicht errichten kann, schmiedet er eben Oligopole, um wenigstens den Konkurrenzdruck zu mildern und eigene Interessen durchzusetzen.
Deshalb ist es Täuschung, wenn man von "Russischen Oligarchen" redet, auch wenn die sich selbst so nennen, die westlichen Oligarchien aber mit demokratischen Mäntelchen verkleidet!
Vielen Dank und liebe Grüße Peter
Vor langer Zeit - Antworten
Brigitte Politik ist nicht so mein Hobby, doch habe ich diese Geschichte über die Geschichte so mancher Länder sehr gerne gelesen. Ich bewundere immer wieder, wie du die kleinen sarkastischen Zwischentöne in deine Geschichten einfließen lässt. . Morgen fahre ich übrigens nach Berlin meinen Bruder besuchen. Liebe Grüße zu dir Brigitte
Vor langer Zeit - Antworten
pekaberlin Danke, Brigitte!
Nun, ich gebe zu, dass Politik auf den ersten Blick langweilig scheint, weil Phrasen gedroschen werden. Aber das sind eben die lauten, die Obertöne. Meine Freude an der politischen Diskussion und - Provokation liegt eben in der Interpretation der Zwischentöne. So hab ich es gelernt von meinen Eltern und Großeltern, und so entspricht es wohl auch der berliner Art, "Mit Herz und Schnauze". Die politischen Zwischentöne werden eben nicht argumentativ untermauert, aber sie sind oft der Kern der wahren Interessen.
Liebe Grüße Peter
Vor langer Zeit - Antworten
MerleSchreiber Eine muntere Diskussion, auf die man stolz sein kann? Nun ja, hierzu würde gehören, gegenteilige Meinungen nicht vorschnell als Blödsinn abzutun und in andere Zusammenhänge einzuflechten, sondern sich mit deren Entstehung aus einer vielleicht völlig anderen Perspektive und einer anderen Informationszugänglichkeit, auseinanderzusetzen. Das ist immer schwierig, wenn Einer meint, er hätte die Weisheit mit Löffeln gefressen und suggeriert, dass man zu eben solchen Schlüssen wie er kommen müsste, wenn man nur mit der nötigen Intelligenz ausgestattet wäre.
Die Frage war: Hört Ihr auch die Zwischentöne?
Ja, die höre ich!
LG, Merle
Vor langer Zeit - Antworten
Albatros99 Bravo, Merle, ähnliches wollte ich auch formulieren. Wat paar Tage nicht da, jetzt sind die anderen Kommentare weg. Schade. Peters Buch lohnt aber wirklich eine weiterführende Diskussion. Ich finde die piekenden Formulierungen gelungen, sie müssen ja nicht jedem gleichermaßen gefallen. Christine
Vor langer Zeit - Antworten
pekaberlin Ja, Merle!
Provozieren, im positiven Sinne, ist meine Lieblingsbeschäftigung!
Und wenn ein konstruktiver Streit daraus hervorgeht, ist das für mich der schönste Lohn. Aber, konstruktiv heißt eben auch fair und auf Augenhöhe, da hast du Recht!
Wie auch damit, dass es um die Zwischentöne und nicht die Obertöne, die wer weiß wer draufsetzt, geht.
Vielen Dank nochmals und liebe Grüße Peter
Vor langer Zeit - Antworten
FLEURdelaCOEUR 
DANKE!
fleur
Vor langer Zeit - Antworten
MerleSchreiber Nein, nein, die Kommentare sind alle noch da, liebe Christine. Du musst nur unterhalb des letzten sichtbaren Kommentars auf MEHR KOMMENTARE drücken. Ich kann Dein "lohnt eine weiterführende Diskussion" nur dick unterstreichen!!! LG, Merle
Vor langer Zeit - Antworten
MerleSchreiber s. o.
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