Geboren in der fliegenden Stadt, ist Kellvian lange mit einem Leben konfrontiert, das sich manch einer Wünschen würde. Doch als er sich eines Tages entscheidet, sein behütetes Leben als Sohn des Kaisers hinter sich zu lassen , beginnt für ihn eine Reise, von deren Ausgang plötzlich das Schicksal des ganzen Kaiserreichs abhängen könnte. Nichts ahnend, das bereits eine Macht in den Schatten lauert, die nur auf ihre Gelegenheit gewartet hatte, bricht Kellvian auf in eine Welt, die am Rand eines Bürgerkriegs
steht.
Bildquelle : Jochen Pippir / pixelio.de
Cyrus konnte nur zusehen, was sich auf dem Deck abspielte. Der junge Zachary stand dem Großmagier fast genau gegenüber. Keiner von beiden rührte sich oder sprach auch nur ein Wort.
Einen Augenblick überlegte Cyrus, die Axt auf Aurelius zu schleudern, doch bevor er dazu kam, hielt jemand seine Hand fest. Er brauchte den Kopf nur kurz drehen um zu erkennen, dass es Flemming war. Langsam schüttelte der Arzt den Kopf. ,, Im besten Fall nutzlos, im schlimmsten gefährlich.“ , sagte der
Mann leise. Die Aufmerksamkeit aller, selbst der Gardisten, war auf den Zauberer und Zac gerichtet. Wenn es eine günstige Gelegenheit zur Flucht gegeben hätte, dann jetzt. Aber Cyrus sah sich unfähig zu handeln. Das seltsame geschehen an Deck hatte auch ihn in den Bann geschlagen. Minuten schienen zu vergehen, in denen weder Aurelius noch Zachary ein Wort sagten. Schließlich jedoch legte der Großmagier eine Hand an die Spange seines Mantels und legte den türkisgrünen Stoff mit dem Symbol des Sanguis-Ordens ab. Darunter trug er weite, schwarze Kleidung, aber auch diese konnte nicht verbergen, das
Aurelius kaum mehr als Haut und Knochen war. Ein seltsames Lächeln huschte über seine Züge, das weder gehässig noch siegessicher war. An einem Band hing eine Ansammlung gesprungener Kristalle um seinen Hals. In manchen davon schien noch ein schwacher Funke zu glimmen. ,, Ihr… Ihr habt Eden verletzt.“ Zacharys Stimme bebte, während der Magier ungerührt zurück zu der gefallenen Kapitänin sah. Ob sie überhaupt noch lebte schien Cyrus fraglich. Der Saphir, den der Junge in einer Silberfassung trug schien von innen zu leuchten. Auch dem Zauberer entging das schwache Licht
nicht. ,, Sicher, das du das willst ? Du kannst mich nicht besiegen.“ Aber war das da nicht eine kleine Spur von Unsicherheit in Aurelius Stimme? Cyrus sah zwischen dem jungen Mann und dem Magier hin und her. Was hing hier bloß vor… Für ihn hatte der Zauberer Recht. Was sollte ein halbes Kind gegen einen ausgebildeten Großmagier des Ordens ausrichten. Aurelius gehört schon allein von seinem Rang her zu den mächtigsten Wesen, die über Cantons Boden wandelten. Statt einer Antwort sammelte sich das Licht aus dem Edelstein plötzlich in Zacharys Hand und formte dort eine
weißblaue Kugel. ,, Ich kann es kontrollieren.“ , sagte er beinahe verwundert. ,, Und ich glaube es will, das ich euch vernichte.“ Der Zauberer machte tatsächlich einen Schritt zurück. ,, Du kannst es gerne versuchen.“ Aurelius machte eine Handbewegung, worauf die Luft zwischen ihm und Zachary in Brand zu geraten schien. Mit einem Schlag verdichteten sich die Flammen und jagten als rot glühende Wand auf den Jungen zu. Cyrus konnte die Hitze des magischen Feuers über das ganze Deck hinweg spüren und er war nicht der einzige, der zurückwich. Anders als viele andere rief
er jedoch nicht nach dem Jungen. Etwas war anders. Die Flammen versperrten ihm die Sicht, aber… es konnte etwas in der Luft sein. So wie er einen Sturm riechen konnte, kurz bevor er losbrach. Vermischt mit dem schon fast vertrauten unangenehmen kribbeln der Magie. Zachary hatte den Kopf gesenkt, als die Flammen verloschen. Das Licht aus seinen Händen hatte sich in einer Glocke um ihn gelegt. Um ihn herum waren die Planken geschwärzt von den Flammen. Aurelius sah einen Moment mit weit aufgerissenen Augen auf die scheinbar unverletzte Gestalt. Ein grüner Bolzen aus Energie jagte aus seiner Hand auf den Jungen zu. Und wurde von diesen
Aufgefangen, wie andere einen Ball aus der Luft fischen mochten. Das grün wurde zu blau, dann schleuderte Zac den Zauber fast beiläufig zurück. Die Energiekugel holte Aurelies fast von den Füßen, als dieser einen raschen Schildzauber sprach, der dem magischen Projektil jedoch kaum etwas entgegenzusetzen hatte und einfach zerschmettert wurde. Der Großmagier machte einen Schritt zurück, während er einen neuen Zauber auf seinen Gegner schleuderte. Eine Reihe Blitze, die jedoch wirkungslos wenige Schritte vor Zachary verpufften. Weiter zurückweichend schienen seine Versuche zunehmend Panischer. Feuer,
verdichtete Luft, Energiespeere, alles verfehlte seine Wirkung am dem Schild, den der Junge m sich geformt hatte. Schweißperlen standen dem großen Zauberer auf der Stirn, als sein Rückzug schließlich durch die Reling und seine eigenen Leute begrenzt wurde, die sich auf das Deck der letzten Galeone zurückgezogen hatten. Seine Hände zitterten und seine Haut wirkte totenblass. Endlich sah der Junge auf und machte einen kleinen Schritt auf Aurelius zu. Die schimmernde Barriere um ihn fiel in sich zusammen. Statt sich jedoch dem Magier zuzuwenden, ließ er sich an Edens Seite auf ein Knie fallen. Mit einem warnenden
Blick bedeutete er dem Großmagier, zu bleiben wo er war. Erik trat an Cyrus vorbei auf das Deck und damit auf den Jungen zu und setzte sich auf der anderen Seite der gestürzten Kapitänin. Cyrus folgte ihm zögerlich, zusammen mit einigen der überlebenden Crew der Windrufer. Keiner der verbliebenen Gardisten versuchte noch einen Ausfall und der Großmagier hielt sich schwer atmend mit einer Hand an der Reling aufrecht. Eine seiner Hände war in den falten seines schwarzen Gewands verschwunden. ,, Ihr könnt ihr helfen ?“ , fragte Zachary unsicher. Was Cyrus eben gesehen hatte, das war Magie gewesen,
die selbst Aurelius offenbar erschüttert hatte. Doch nun klang der Junge fast hilflos, als er zu dem Arzt aufsah, der rasch nach einem Puls suchte und dann die verschiedenen Verletzungen Edens betrachtete. Rasch schlug er den Mantel und die Kleidung der Kapitänin um die Wunde beiseite. Auf dem fast weißen Pelz der Gejarn war das Blut unübersehbar, das bisher verborgen geblieben war. ,, Das weiß ich nicht.“ , gestand Erik , schnauzte dann aber im altgewohnten Plauderton die umstehenden an, ,, Macht euch nützlich. Hier muss irgendwo meine verdammte Tasche herumfliegen. Braun und ziemlich groß.
Wenn ich die in den nächsten fünf Minuten habe kann ich vielleicht was für eure Kapitänin tun. Na los.“ Die Crew zögerte nur kurz, bis die erste begannen, das Deck abzusuchen. Währenddessen schlug Eden die Augen auf. Trübe graue Augen blickten einen Moment verwirrt um sich, bis sie bei Zachary verweilten. ,, Ich hab mein Versprechen nicht gehalten.“ Ihre Stimme war schwach aber deutlich zu verstehen. ,, Madam, das wird schon wieder.“ , erwiderte Flemming, während ihm endlich jemand eine große Tasche aus Stoff in die Hand drückte. ,, Außerdem schuldet ihr mir eine Pfeife.“
Rasch entrollte der Arzt die Tasche, worauf dutzende Instrumente aus silbrigem Metall zum Vorschein kamen. Cyrus kniete sich neben ihn. ,, Kann ich irgendwas tun ?“ , wollte er wissen. Im Augenblick kam er sich bestenfalls nutzlos vor. Erik grinste. ,, Die Klappe halten. Die meiste Wunden sind oberflächlich. Die Kugel in der Schulter war ein Durchschuss, das hat Zeit. Was das Problem ist, das ist der Dolch.“ ,, Kann man den nicht einfach rausziehen ?“ , wollte einer der umstehenden Wissen. ,, Wenn ihr wollt, das sie mir unter den
Händen verblutet, bitte.“ , gab Flemming bissig zurück und förderte eine Reihe kleiner Messer und eine Phiole Zutage. In der kleinen Glasflasche befand sich etwas, das für Cyrus aussah, wie simple klare Flüssigkeit, in der einzelne schimmernde Splitter trieben. Als hätte jemand Blattsilber in Wasser gelöst. ,, Aber ihr habt recht. Die Klinge muss weg. Cyrus…“ Der Gejarn setzte sich an die Seite des Arztes. ,, Hört mir zu. Bei dem Winkel, den die Klinge hat, hat diese Eden Glück, wenn sie in Zukunft nur mit einer Niere herumläuft. Ich bin ganz ehrlich. Entfernen wir dieses Messer, ist sie in
einer halben Minute tot. Lassen wir es in vielleicht zehn.“ Erik drückte ihm die Phiole in die Hand. ,, Das ist etwas, das ich selbst in meiner Zeit in Vara entwickelt habe. Im Prinzip Säure. Versetzt mit einer Prise zerstäubter Magiekristalle, auf die ein Heilzauber geprägt ist. Es kauterisiert die Wunde sofort.“ Cyrus begutachtete das kleine Glasgefäß und die Lösung darin. Angenehm klang das nicht… ,, Was soll ich also tun ?“ ,, Den Dolch entfernen, wenn ich es sage. Und dann verhindern, dass sie mir den Schädel einschlägt. Das wird sie nämlich versuchen, glaubt mir.“ Eden was einen Moment zwischen ihnen
hin und her. Zwischen verstecktem Schmerz und Angst blitzte so etwas wie ein verschmitztes Lächeln über ihr Gesicht. ,, Warum tut ihr das ? Ihr habt keine Grund mir zu…“ ,, Ich sehe es als kleine Rache. Keine Sorge, ihr werdet vermutlich fast augenblicklich das Bewusstsein verlieren. Das wird nicht besonders angenehm, aber es rettet euch vielleicht das Leben.“ ,, Jetzt bin ich wirklich beruhigt.“ , sagte die Kapitänin leise. ,, Zac…“ Der Junge hatte bisher wortlos zugesehen. ,, Pass auf dich auf.“ Flemming entfernte den Verschluss der
Phiole. ,,Cyrus. Jetzt bitte.“ Cyrus packten den Dolchgriff. Eden zuckte zusammen. Es könnte schlimmer kommen, dachte er. Es konnte immer schlimmer kommen. Es hatte kaum Sinn, es hinauszuzögern. Mit einem Ruck riss Cyrus die Klinge aus der Wunde und versuchte dabei, die Waffe möglichst grade zu halten um nicht noch mehr Schaden anzurichten. Fast im selben Moment war auch schon Erik da und ließ wenige Tropfen aus der Phiole in die Wunde fallen. Eden bäumte sich Augenblicklich auf und Cyrus war froh, das Flemming ihn gewarnt hatte. Nur so konnte er einem ungezielten Fausthieb entgehen, der ihn ansonsten
am Kopf getroffen hatte. Erik hingegen sah derweil ungerührt auf die Wunde und zählte langsam. ,, Eins. Zwei. Drei. Vier…“ ,, Verfluchter Bastard ! Ihr seid mir ja ein schöner Arzt. Wenn…“ Edens Augen fielen zu und jegliche Spannung schien aus ihrem Körper zu weichen. ,, Fünfzehn.“ , sagte Flemming ruhig. ,, Das ist ein neuer Rekord. Und die wenigsten tun was anderes, als mich anschreien.“ Er stand auf und klopfte Zachary dabei beruhigend auf die Schulter. ,, Jetzt wird alles gut. Ich werde noch nach ihren übrigen Verletzungen sehen. Wenn jemand so freundlich wäre, mir zu helfen Madam
hier in ihre Kabine zu bringen? Die Zeit wo ich Verwundete allein von Schlachtfeldern schleifen konnte, die sind lange vorbei.“ Einige der Windrufer-Piraten setzten sich In Bewegung. Plötzlich jedoch fiel ein Schatten über Cyrus und den Arzt. Aurelius hatte die allgemeine Ablenkung ausgenutzt um sich angeschlichen, ein weiteres Messer in der Hand und offenbar zielte er mit der Klinge dieses Mal auf Zachary. ,, Jetzt hab ich aber genug von diesem Bastard.“ Blitzschnell fuhr Erik herum, eines seiner Silbermesser in der Hand und rammte es dem Großmagier in die Kehle. Mit einer weiteren Raschen
Bewegung Seitwärts durchtrennte er dem Zauberer den Hals. Aurelius blickte ungläubig auf das Blut, das seine Kleider durchtränkte. Dann kippte er einfach zur Seite um und blieb liegen. ,, Und der Rest von euch verschwindet jetzt auch.“ , sagte Flemming an die Gardisten gewandt, die sich noch an Deck aufhielten. Rasch säuberte er die chirurgischen Instrumente an der Kleidung des toten Magiers. Niemand mochte mehr länger bleiben. Friedlich und ohne Zwischenfälle verschwanden die Soldaten des Imperiums wieder auf ihr Schiff. ,, Was für eine Arzt seit ihr nochmal genau ?“ , wollte einer der
Windrufer-Piraten wissen, während andere Eden vorsichtig in Richtung der Kajüte brachten. ,, Die beste Sorte.“ , erklärte Erik Flemming, bevor er den Trägern folgte und Cyrus damit allein unter der Crew und Zachary zurückließ. Unruhig sah er einen Moment zu dem Jungen, der sich noch nicht wieder erhoben hatte. An der Seeseite wurden die Taue gekappt und die letzte verbliebene Galeone legte ab. Und damit die einzig andere Möglichkeit, die ihm geblieben war. Vielleicht war das ja besser. Er sah sich um. Die wenigsten der an Deck anwesenden Menschen oder Gejarn begegneten ihm feindselig. Eher Ehrfürchtig. Einige hatten ihn wohl auf
der zweiten Galeone gesehen, bevor er diese gesprengt hatte. Er hatte sich selten unsicher gefühlt, überlegte Cyrus. Jetzt jedoch schien es, das er nicht wusste, was die bessere Option wäre. Bleiben und warten, wie sich die Dinge entwickelten oder das Risiko eingehen doch zu schwimmen. Letzteres hieße Flemming zurücklassen und das… Nein das kam nicht in Frage. Die Schwarze Garde war für ihre Disziplinlosigkeit bekannt, aber sie achteten aufeinander. Und auch wenn der Arzt kein Gardist war, mittlerweile fühlte er sich dem aufgeweckten Alten verbunden genug. Sie hatten einiges durchgemacht. Wenn er an den Tag
zurückdachte, wo er Aurelius das erste Mal begegnet war… Hätte ihm da jemand gesagt, dass er sich auf einem Piratenschiff vor der Küste Cantons wiederfinden würde, er hätte denjenigen für verrückt erklärt, wenn nicht sogar eine Tracht Prügel verpasst. Er bemerkte kaum, wie die Crew ein Stück vor ihm zurückwich, als er an die Reling trat und der Galeone nachsah. Ohne den Magier und mit derart hohen Verlusten würden die Gardisten wohl kaum die Rückreise nach Kalenchor wagen. Aber auch die Windrufer schien nicht mehr im besten Zustand. Mehrere Kugeln hatten den Rumpf durchschlagen, wenn auch oberhalb des Wassers. Und
die Segel hingen teilweise zu Asche verbrannt herab.
Aber zum ersten Mal seit einer Weile lächelte er wieder. Das musste der absolute Tiefpunkt sein. Es konnte einfach nicht mehr viel schlimmer kommen, wie er nun doch zugeben musste.
Vielleicht hieß dass, das es endlich wieder ein Stück Bergauf ginge.
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