Als ich erwachte war es dunkel. Nein, dunkel trifft es nicht ganz. Es war stockfinster und ich konnte nicht sagen wo ich war. Weder ob ich im Freien war, noch woher dieser seltsame muffige Geruch kam, den ich in der Nase kribbeln spürte. Es war ein sehr eigener Geruch der in der Luft hing. Moderig, alt, im Hintergrund leicht süßlich, als habe jemand versucht den Geruch von Dachboden mit Parfum zu überdecken. Und seltsam vertraut war mir dieser Geruch auch, auch wenn er nur eine wage, weit entfernte Erinnerung ohne Bild in mir weckte. Ich stand da, in der
Dunkelheit, um mich nur Schwärze und der Geruch nach Dachboden. Aber da war doch noch etwas im Hintergrund. War das Musik? Ja, wo ich genau hin hörte merkte ich das es im Hintergrund Musik spielte. Sie schien aus weiter Entfernung zu kommen. Es war eine äußerst kuriose Musik, noch nie im Leben hatte ich so etwas gehört! Und würde auch nie wieder etwas ähnliches hören. Es war eine altmodische Musik. Sie erinnerte irgendwie an Jazz aber auch nur entfernt. Es waren Instrumente die ich nie benennen könnte. Sie gaben schrille, schiefe, wenn nicht sogar schaurig-unheilvolle Töne von sich. Im Hintergrund gaben mehrere dumpfe
Instrumente den Takt während ein greller Ton besonders hervorstach. Die Musik war stets die Selbe. Mit Hochs und Tiefs und wiederholte sich ständig. Ich fragte mich woher diese ungewöhnliche, ja außerirdische, Musik kam und ich taumelte blind durch die Dunkelheit, der Musik nach. Meine Hände suchten durch die Finsternis und leiteten mich immer nähr zur Musik, bis ich einen Lichtstrahl bemerkte. Er lag quer auf dem Boden und zeigte mir das ich vor einer Tür stand, hinter der Licht und Musik lag. Ich tastete mich zur Türklinke und drückte sie hinunter. Ich öffnete die Tür und das Licht schlug mir ins Gesicht. Vor mir lag ein winziger
Raum. Er war wirklich von zwergenhafter Größe, nur das die Decke so weit oben lag, das sie irgendwann in den Schatten verschwand und ich nicht sehen konnte wie hoch sie war. Die Tür fiel hinter mir ins Schloss, ohne das ich sie groß bewegt hatte. Nun stand ich in diesem Raum, dessen Boden und Wände mit roten und schwarzen Kacheln ausgelegt waren. In der Mitte des Raumes stand ein Tischchen und daneben stand eine Person. Die eine Hand ruhte auf dem altmodischen Tischchen aus dunklem, edlem Holz. Das Haar trug sie offen, so das es ihr über die Schultern fiel. Es war schneeweiß und an den Spitzen dünn,
ausgewaschen und zerstört. Die Person die sie gehörten war etwas größer als ich und sie hatte mir den Rücken zu gewandt, so das ich nur den pechschwarzen Anzug von hinten sah, den sie trug. Nirgendwo stand ein CD-Spieler oder ein Kassettenrekorder oder ähnliches aus dem die Musik kommen könnte, sie schien von nirgendwo her zu kommen. Der Mann schlug mit dem Zeigefinger den Takt nach. Leise und dumpf konnte ich hören wie der lange Nagel auf dem Holz aufschlug. Ich stand die ganze Zeit über nur da doch irgendetwas machte den Mann plötzlich aufmerksam und er drehte sich zu mir um. In dem Moment
als sich seine glasigen, fischigen Augen in meine bohrten, schlug die Musik plötzlich um und die Töne begannen zu wanken, aus einander zu fallen und immer gellender zu werden, bis es nur mehr wage an das Stück von vor ein paar Minuten erinnerte. Der Mann hatte ein schneeweißes Gesicht, noch bleicher als sein Haar, obwohl das unmöglich sein musste. Seine Haut sah auf gewisse Weise mehlig aus, als läge eine dicke Staubschicht darauf. Genauso waren auch seine blassroten Augen, die auf getrübtem Eigelb schwammen. Wie zwei große Suppenaugen starrten sie mich durch einen weißen Schleier aus an, während seine schmalen, harten Lippen
zu einem übernatürlich-breitem Lächeln wurden. Seine Wangen schoben sich dabei kaum hoch und auch keine Falten umspielten dabei seine durchdringend blickenden Augen. Ich schreckte bei seinem Anblick ein wenig zurück. Es lief mir sofort ein kalter Schauer durch den ganzen Körper und jede Zelle meines Körpers wünschte sich so viel Abstand wie möglich zwischen mich und diesen Mann, obgleich er nur wenig Menschliches an sich hatte. Allein schon wie weit seine Mundwinkel bei diesem Lächeln auseinander gingen, bestätigte mir den Gedanken das er kein Mensch war. Spätestens da hatte ich die zwei kleinen Beulen bemerkt die ihm links
und rechts aus der Stirn ragten. Spitze Beulen, die mehr an Hörner erinnerten und es wahrscheinlich auch waren. Als seine Mundwinkel den weitesten Abstand zwischen sich gebracht hatten, öffnete er den Mund und sprach mit ungewöhnlicher Stimme: „ Guten Tag, meine Liebe. Wie schön, dass du nun endlich hier bist.“ Seine Stimme war so laut dass es klang, als säße sie mir direkt in meinen Ohren. Und sie war hoch und quietschig aber mit einem gewissen dunklen Unterton der sie mehr furchterregend als lustig klingen ließ. Und genau das war ich, von Furcht durch geschüttelt. Noch nie hatte ich auf Anhieb so tiefe Abscheu gegenüber einer
Person verspürt und der Ekel den ich empfand haute mich fast um. Als hätte sich alles aus meinen schlimmsten Albträumen verkörpert und währe Wirklichkeit geworden. Und das Furchtbarste daran war, das ich nicht sagen konnte, ob es Traum oder Wirklichkeit war. Er drehte sich ganz zu mir rum, so dass ich seinen langen Oberkörper gut sehen konnte, der nach unten hin immer schmäler und knochiger wurde. Eine leuchtend rote Krawatte verschwand unter der Jacke und die kleinen Knöpfe leuchteten weiß. „ Ich bin froh, das du hier bist, Marlena. Komm her.“ säuselte er schon fast und streckte mir seine riesige Hand entgegen,
unter dessen Haut ich jeden Knochen und Knöchel ausmachen konnte. Ich wollte ihn nicht berühren. Nicht für alles Geld der Welt aber ich tat es und legte meine Hand in seine. Seine Hände waren groß und seine Finger dürr und knochig, das sie wie Hexenhände aussahen. Er zog mich an der Hand näher an sich heran. Nicht so nah, dass seine langen ausgewaschenen Spitzen meine Schultern berührten, aber nah genug das ich riechen konnte, das der modrige Geruch von ihm und seinem Anzug ausging. „ Wieso bin ich hier?“ fragte ich, um gleich auf den Punkt zu kommen. Er grinste wieder, das seine Mundwinkel unnatürlich weit
auseinander gingen. Seine glasigen Fischaugen blitzten mich an. „ Immer direkt, was Marlena?“ entgegnete er. „ Tu nicht so als würdest du mich kennen.“ Blaffte ich ihn an. „ Nana.“ Sagte er und wirbelte den dürren Zeigefinger tadelnd durch die Luft. „ Werd mal nicht frech, obwohl ich weiß dass dir das oft schwer fällt.“ Ich zog angewidert die Oberlippe hoch und er lachte amüsiert darüber. Es war ein trockenes Lachen. Ehrlich aber einfach unsympathisch und wenn nicht gleich unnatürlich widerlich. „ Ist gut, Marlena. Du willst wissen wo du bist, ich sag‘ es dir.“ Ich hatte bis jetzt gar nicht gemerkt wie er begonnen hatte uns
im Takt der schrägen Musik hin und her zu wiegen. „ Du bist in dir selbst.“ „ In mir Selbst?“ wiederholte ich. „ Ja, in dir Selbst. Du bist in einem Raum der extra für mich geschaffen wurde.“ „ Für dich?“ ich verstand nicht. Das schien er zu merken und grinste wieder amüsiert. „ Ach, Marlena. Ja, du hast diesen Raum nur für mich geschaffen. Und weißt du was? Du hättest auch gern einen Raum, nur für dich, in den keiner rein kann außer du. Wo du geschützt und behütet bist. Ist es nicht so?“ Ich schwieg und ließ die Worte auf mich wirken. „ Ist es nicht so das jeder Mensch gern einen Ort nur für sich hätte, in dem ihm die Welt nichts anhaben kann, in dem keiner
erwünscht ist außer er selbst, in dem man sein kann wie man ist und wie man will? Und“ Plötzlich schien die Lichtquelle(wo auch immer sie lag)schwächer zu werden. Die Schatten legten sich tiefer und alles wurde etwas dunkler und die Musik begann auf einmal endgültig aus dem Takt zu kommen und jedes Instrument schien das zu spielen was es wollte, als er sagte: „ sich vor nichts mehr fürchten muss?“ Ich fand meine Sprache wieder: „ Aber wovor sollte man sich denn fürchten?“ Ich versuchte mich gegen den sanften Tanz zu wehren, doch er hielt mich eisern fest und schwenkte uns hin und her. „ Wovor haben die Menschen denn
Angst, sag es mir.“ Fragte er hingegen. Ich überlegte kurz: „ Vor Gefahren und dem Bösen.“ Seine Fischaugen weiteten sich als er das hörte und er drängte: „ Ja! Und was ist das Böse?“ Wieder überlegte ich und die Art wie er mich ansah, als währe ich ein Stück Fleisch, ließ mich stottern: „ Äh, nun ja, ich weiß nicht.“ Der irre Glanz aus seinen Augen war verschwunden, aber er lächelte mich weiterhin verzückt an. „ Na vor den Menschen!“ Er unterbrach mich bevor ich auch nur den Mund aufmachen konnte: „ Was ist denn gefährlicher als Verrat und Misstrauen? Zwei Dinge die die Menschen sehr gern verspüren und hegen. Die Menschen
haben Angst davor Vertraute als Feinde wieder zu sehen und von denen verraten zu werden, denen sie vertraut haben. Kurz, sie haben Angst vor sich selbst und ihren Geschwistern. Und was macht man wenn man Angst hat?“ „ Man bekämpft sie.“ Dieses mal zögerte ich nicht. Die Antwort war einfach aus mir heraus gekommen, ohne das ich groß nachgedacht hatte. Aber war es wirklich dass was ich glaubte? „ Je genau.“ Summte er und sein Grinsen wurde zu einem breiten Lächeln. Er sah mich zufrieden an. Als währe ich ein Kind das eine Mathe Formel endlich begriffen hatte. „ Und wie bekämpft man Angst, sag es mir, Marlena?“ Das wusste ich
beim besten Willen nicht. Es war leichter zu sagen als es zu erklären. Wie sollte man auch erklären wie man Angst bekämpft? Man stellt sich ihr, sieht ihr in die Augen, begegnet ihr und akzeptiert sie und überwindet sie. Ich weiß nicht ob er wusste was ich sagen wollte oder dachte, denn er schüttelte den Kopf, dass seine ausgewaschenen Spitzen hin und her wippten. „ Nein, nein, Liebes. Man schaltet sie ab. Und weißt du wie man die Angst abschaltet?“ Diese elende Fragerei ging mir auf die Nerven aber hing ich doch sehr an den Worten des Mannes und fragte mich wie man nun Angst abschaltet. Er lächelte wieder. „ Man verdrängt die Angst
einfach mit einem neuen Gefühl. Die Angst wird verdrängt und anstatt derer nimmt ein anderes Gefühl seinen Platz ein. Und weißt du wer dir dieses Gefühl gibt?“ Ich wusste irgendwie das es eine Frage war die ich nicht zu beantworten hatte. Also schwieg ich und beobachtete wie das Licht abgedämpft wurde. Die Schatten in den Ecken und an der Decke hingen nun so tief das das bleiche Gesicht des Mannes in Schatten lag und Falten dort warf, wo keine waren. Doch das Licht schien weiter in seinen Augen zu bestehen, die mich gierig anblitzten. Er öffnete den Mund und entblößte zwei Reihen scharfer, langer Zähne die mir nun endgültig bestätigten dass er kein
Mensch war. Sein Mund sah aus wie der Rachen eines Hais und genauso gierig auf mein Fleisch blickten mich seine Augen lüstern an: „ Ich! Ich bin der Schlüssel! Ich mache die Menschen Immun gegen Angst und nie mehr wieder müssen sich Menschen fürchten und in ihrem Raum verkriechen. Sie können machen was sie wollen, sich entgegenstellen wem sie wollen, sein wer sie wollen! Und weißt du noch was? Auch ich kann dir helfen. Auch du kannst Immun gegen Angst, Furcht und Misstrauen sein. Willst du das? Klar willst du das! Du musst nur einen Pakt mit mir eingehen und mit einem Fingerschnippen wirst du nie wieder
dieses grauenhafte, böse, widerliche Gefühl spüren.“ In jedes Wort setzte er einen bekräftigenden Ton, der nichts Gutes verhieß. Mein Misstrauen wuchs und wuchs aber in mir wuchs und wuchs auch die Neugier. Nie mehr fürchten. Nie mehr bangen. Nie mehr hassen und misstrauen! Es klang so verlockend. Wie liebliche Worte, lag mir der Dämon in den Ohren. Seine scharfen Zähne blitzten, dazu seine riesigen Fischaugen, die mich wild und lüstern anfunkelnden. „Einen Pakt, hm?“ Er nickte und drückte meine Hand etwas fester. Ich konnte sehen wie sein Körper zitterte, als stünde er unter Strom. So begierig war er auf meine Antwort und so begierig
hing er an meinen Lippen. „Ich werde mich nie wieder fürchten?“ Ich wusste das er mich nun dort hatte wo er mich wollte aber ich ließ es zu, sosehr sich mein Verstand gegen seine bösartig funkelnden Augen wehren wollte. „Besser, du wirst nie mehr schwach!“ Klick! Da war er, der Schalter in mir der umgelegt wurde. Ich Blieb abrupt stehen und begann sein unnatürliches Lächeln zu erwidern: „Ja, ja, ich will es!“ Der Dämon hob die Hand und führte seine langen, knochigen Finger an meine Stirn, bis seine spitzen Nägel meine Haut berührten und mit einem Mal tiefe Dunkelheit über den Raum fiel. Wie Raubtiere stürzten sich die Schatten auf
mich und mir schien als lägen sie mir wortwörtlich auf den Schultern und drückten mich auf den Boden. Ich versuchte mich mit aller Kraft dagegen zu stemmen doch eine unsichtbare Schwerkraft zog mich dem Boden zu, bis ich auf den Knien und schließlich auf den Boden fiel. Der Dämon war verschwunden. Seine Präsenz war nicht mehr im Raum, der jetzt mehr eine unendliche Weite aus Finsternis war. Und ich war allen in darin, inmitten dieser erstickenden Finsternis. Mein Herz hämmerte laut gegen meine Brust und mein Atem ging unkontrolliert. Hatte mich der Dämon reingelegt? Hatte er mich betrogen und jetzt musste ich für
meine Naivität büßen in dem ich in der Dunkelheit verrottete? Aber nein….. Da war ein Licht. Es war kein Licht. Es war einfach ein heller Fleck, wässrig und verschwommen, als würde man helle Farbe auf ein schwarzes Blatt Papier tropfen lassen. Ich fühlte mich zu dieser Erscheinung hin gezogen. Eine unwiderstehliche Kraft ging von ihm aus und ich streckte die Hand danach aus. „Willst du es wirklich? Willst du wirklich all der Furcht und all der Angst entsagen und mein Partner werden? Hand in Hand mit mir in deine Zukunft schreiten und nie wieder zurück blicken?“ ertönte plötzlich eine quäkende, verzerrte Stimme. Doch ich
erkannt das es die des Dämons war auch wenn sie sich plötzlich unendlich fern anhörte. „Ja, ich will.“ Keuchte ich und mit einem Mal wurde das matte Licht überwältigend hell und fuhr mit einem stechenden Schmerz in die Augen. Nun bin ich wieder allein. Ich bin hier im Licht. In einem falschen Licht und ich spüre nichts. Ich fühle mich wie taub geschlagen. Als hätte man meinen Kopf mit Watte ausgefüllt und kein Geräusch dringt an mein Ohr und meinen Verstand. Und obwohl jenes Gefühl nicht mehr vorhanden ist, weiß ich das es mir fehlt. Der Dämon hat sein Versprechen gehalten und ich muss lachen. Ich muss laut lachen, so laut und
heftig das sich mein ganzer Körper schüttelt und sich mein Bauch zusammen zieht. Und nun weiß ich welches Gefühl den Platz der Angst eingenommen hat.
Wahnsinn.
Wolfspfote Oha... Wow, das ist... Ich weiß nicht was ich sagen soll. Wahnsinn! Ich konnte garnicht mehr aufhören, so gefesselt war ich von deiner Story! ^^ Du hast einen fantastischen Schreibstil und der kommt am besten raus wenn du solche "abgedrehten" Kurzgeschichten schriebst :) Weiter so! Lg deine Wölfin |
Schattenpuppe Ui danke, wölfchen *^* freu mich immer wenn jemandem meine texte so gefallen ^^ |