Kurzgeschichte
....und führe uns nicht in Versuchung ... - -zum Thema Kindesmissbrauch -

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"....und führe uns nicht in Versuchung ... - -zum Thema Kindesmissbrauch -"
Veröffentlicht am 20. März 2014, 10 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

Ich wohne in der Oberlausitz und schreibe gern über meine schöne Heimat, schon seit der ersten Klasse. Ich liebe meine vier Kinder und bin sehr stolz auf sie. Nun sind sie in die Welt gezogen von Berlin bis Tokio, also besorgten wir, mein Mann und ich uns zwei neue Babies: Katze Nala und Hund Willy. Jeder von uns hält einen im Arm.
....und führe uns nicht in Versuchung ... - -zum Thema Kindesmissbrauch -

....und führe uns nicht in Versuchung ... - -zum Thema Kindesmissbrauch -

Die Schwüle drückte unbarmherzig, ich hätte das Fenster wohl doch nicht öffnen sollen. Statt abendlicher Kühle hatte ich nun heiße Luft im Zimmer, die mir die Zunge am Gaumen kleben und die Kehle austrocknen ließ. Genau wie damals im Sommer 76, der eben zu Ende gegangene Film wühlte mich auf und weckte Erinnerungen, die ich längst abgespeichert glaubte. Ich knipste den Fernseher aus. Ja, damals, das war auch so ein schwüler Sommer, als ich sie zum ersten Mal traf.

Ich, damals mittlerweile Urgestein im 3. Studienjahr, hatte mich bereiterklärt, die Neuen im Vorpraktikum zu betreuen. Der Job war einfach. Tagsüber faulenzen,

während die Küken die Produktion beschnupperten, nachmittags Post verteilen, Lebensmittel fürs Abendbrot im nahen Dorf besorgen, abends am Lagerfeuer für Unterhaltung sorgen, Fragen beantworten.

Peter und Nele leisteten mir Gesellschaft, zu dritt schafften wir den „Hühnerhaufen“ schon.

Uns umgab nur die gesunde Mecklenburger Landluft, PC und Handy war noch nicht und Fernseher gab es dort keinen. Dafür besaßen zwei Jungen Gitarren, jeden Abend wurde gesungen, dazu Unmengen an Witzen erzählt, ich konnte mir die nie merken.

Tina fiel mir wegen ihrer großen rehbraunen Augen auf, das markanteste an ihr. Ansonsten war sie ein Mädchen von 18 Jahren wie die meisten anderen auch, die gerade ihr Abitur bestanden hatte und im Harz zu Hause war. Sie war still und zurückhaltend, doch mir fiel auf, dass sie mich oft beobachtete, deshalb sprach ich sie an. Wir gerieten in ein lockeres Gespräch.

Eine Woche später, ich klapperte gerade fröhlich mit meiner Rundstricknadel, Pulloverstricken war damals absolut angesagt, kam sie zu mir und bat mich schüchtern, etwas fragen zu dürfen.

„Alles, was du willst, dazu bin ich ja hier.“

„Kann man auch Kinder mitbringen?“

Ich klapperte ohne aufzusehen weiter. Studentinnen mit Kind waren zur damaligen Zeit das normalste auf der Welt. In unserem Wohnheim war die unterste Etage extra als moderne Mütteretage eingerichtet worden, wo die jungen Muttis mit ihren Babies alles vorfanden, was sie benötigten, um Studium und Kind unter einen Hut zu bekommen. Die Lehrpläne wurden speziell für sie abgestimmt. Ich berichtete Tina ausführlich von der Mütteretage.

„Du musst nur ganz schnell einen Antrag für den Krippenplatz stellen, sonst wird es damit kompliziert. Es warten ja immer

sehr viele darauf. Aber die Uni hat ein Extrakontingent.“

Sie druckste herum. „Nein, ich benötige einen Kindergartenplatz, mein Sohn ist 5.“, stammelte sie schließlich kleinlaut. Jetzt ließ ich mein Strickzeug sinken und sah dem jungen Mädchen ins Gesicht, das daraufhin errötete. „Es ist nicht, wie du vielleicht denkst.“, schob sie hastig nach.

Ich war viel zu sprachlos, um irgendetwas zu denken geschweige denn zu sagen.

Und so erzählte Tina mir an diesem schwülen Augustnachmittag ihr halbes Leben.

Aufgewachsen war sie, wie schon gesagt, mit ihrer etwas jüngeren Schwester im östlichen Teil des Harzes. Das ist zweifelsohne ein herrliches Fleckchen Erde und eigentlich hätte alles gut sein können. Die Familie besaß ein kleines Häuschen, Mutter und Vater verdienten gut. Da kam der Vater auf die Idee, doch einmal nachzuschauen, wie die Wälder auf der anderen Seite des Harzes so beschaffen sind. Was er sah, ließ ihn vergessen, dass eine junge Frau mit zwei kleinen Töchtern auf ihn wartete.

Einige Jahre später fand die Mutter einen neuen Wegbegleiter, der ihren Töchtern ein väterlicher Freund wurde. Endlich

war die Familie wieder komplett. Zur größten Freude wurde das neue Glück durch die Geburt eines kleinen Bruders gekrönt. Tina und ihre Schwester liebten ihren kleinen Bruder; der neue Vater ebenfalls. Er liebte auch seine Frau sehr, doch im Laufe der Jahre fiel ihm auf, dass die dunkeläugige Tina sich durchaus zu einer hübschen jungen Dame mauserte, und somit stand seine Wahl nun fest.

Die Mutter bemerkte nichts und das Kind schwieg. Bis zu dem Tage, als selbst der Mutter klar wurde, dass ihre Tochter unmöglich durch die Ernährung so zugenommen haben konnte.

Das 13 jährige Mädchen hatte zu diesem

Zeitpunkt selbst noch nicht einmal richtig realisiert, was mit ihr geschehen war. So brachte sie ihren Sohn Pasqual zur Welt, ein inzwischen lustig plappernder 5 jähriger, der die gleichen dunklen Augen hatte wie seine Mutter.

In ununterbrochener Folge erzählte er mir von seinen zwei Müttern, der Mama und der Mama Tina. Ich habe mich, so oft ich durfte, mit dem kleinen Wirbelwind beschäftigt und Tina so gut es mir möglich war unterstützt. Begreifen, wie so etwas geschehen konnte, das gelang mir nicht.

Ich traf sie nach Jahren wieder und lernte ihren Mann und ihren zweiten Sohn kennen.

„Wir sind glücklich.“, sagte sie zu mir.

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Hörbuch

Über den Autor

Albatros99
Ich wohne in der Oberlausitz und schreibe gern über meine schöne Heimat, schon seit der ersten Klasse.
Ich liebe meine vier Kinder und bin sehr stolz auf sie.
Nun sind sie in die Welt gezogen von Berlin bis Tokio, also besorgten wir, mein Mann und ich uns zwei neue Babies: Katze Nala und Hund Willy. Jeder von uns hält einen im Arm.

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Moscito Leider ist das ja nix, was an akutalität verloren hat, aber schön zu hören, wenn die betroffenen Hilfe finden und mit dem Erlebten abschließen könenn, zumindest ein Stück weit. Ganz vergessen wird wohl nicht mögich sein.
Du hast es hervorragend aufgeschrieben und diese Geschichte mit uns geteilt. Nicht aufgebauscht, sondern einfach die Empfindungen aufgeschrieben.
Danke und Liebe Grüße
Silke
Vor langer Zeit - Antworten
NORIS Leider sind das nicht unbedingt Seltenheiten ... doch begreifen kann das niemand. Und schuldig sind beide - die schweigende Mutter und der Stiefvater/Vater ... glücklich, wenn das betroffene Mädchen das verdauen kann.
LG Heidemarie
Vor langer Zeit - Antworten
Bleistift 
"....und führe uns nicht in Versuchung ..."
Die tiefsten Abgründe die ich kenne,
sind mit Abstand
immer noch die menschlichen...
lG Louis
Vor langer Zeit - Antworten
Albatros99 Ja, diese Erinnerung kann ich nicht vergessen. Sie hat mich all die Jahre sehr bewegt.
Danke dir.
Vor langer Zeit - Antworten
AmeeBrooks Liebe Christine, ich bewundere Deine Art mal nicht alles über einen Kamm zu scheren. Hinter jedem Menschen, steckt auch eine Geschichte und Vorurteile werden so schnell gefällt. Danke Dir dafür das Du eben auch hinter den Kulissen schaust.

http://www.ameebrooks.berlin

Vielleicht gefällt Dir ja auch meine Geschichte
einen herzlich lieben Gruß
Amee
Vor langer Zeit - Antworten
Gabriele *Liebe Christine* - ich habe die Geschichte mit großer Aufmerksamkeit gelesen und finde es klasse, dass du sie aus deiner Sicht aufgeschrieben hast. Sie ist dir gut gelungen!! Das Thema ansich ist sehr schwierig, als selbst Betroffene erlebt man es so sehr vielschichtig..... Ich freue mich über deinen Mut, dich dem Thema zu widmen, danke!
Viele liebe Grüße, Gabriele
Vor langer Zeit - Antworten
pekaberlin Diese Scham ist es, die mich immer wieder bedrückt.
Dabei sind die unfreiwilligen Mütter doch nicht Schuld. Und das Wissen, das sie heute haben, hatten sie auch nicht, als es ihnen geschah. Man muss es ihnen immer wieder sagen, dass es eine "unbefleckte Empfängnis" war.
Toll geschrieben, Cristine!
Liebe Grüße Peter
Vor langer Zeit - Antworten
Albatros99 Danke dir, diese Geschichte hat mich schon jahrelang bewegt. Es war einfach so unglaublich. Liebe Grüße Christine
Vor langer Zeit - Antworten
erato 
Beundernswert - mit welcher
zurückhaltenden Distanz du
das Geschehen und die Thematik
behandelst.....Mein Blutdruck bekam
gerade höhere Werte::::
Herzliche Grüße
vom Thomas
Vor langer Zeit - Antworten
FLEURdelaCOEUR 
Es war damals in der DDR so wie jetzt auch, die absolut meisten Fälle von Kindesmissbrauch passierten im familiären Umfeld ... Ganz schlimm für die Opfer, die selbst noch Kinder sind, wenn sie Mütter werden.
Du hast die Geschichte sehr zurückhaltend und sensibel aufgeschrieben, der Leser hat viel Raum für eigene Gedanken.

Liebe Grüße
fleur
Vor langer Zeit - Antworten
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