Im Wartezimmer
Seit einigen Tagen schmerzen mich die Finger der linken Hand und in bestimmten Bereichen macht sich dort sogar Taubheit breit. Also beschließe ich wohl oder übel doch mal den Arzt aufsuchen. Eigentlich bin ich ja ein ziemlicher Ärztemuffel, doch das beängstigt mich doch etwas. Gesagt – getan !
Die freundliche Arzthelferin bedeutet mir am Telefon, doch gleich am nächsten Tag um 9.oo zu kommen, da sie nächste Woche im Urlaub sind, was ich dann auch tue.
Fröhlich, ich habe ja gestern erst
geschworen, jedem ein Lächeln zu schenken, mache ich mich auf den Weg.
Im Wartezimmer sitzen schon 6 Personen, die allesamt wahrscheinlich ein Ohrenleiden haben. Mein fröhlicher Guten Morgengruß wird nämlich nicht erwidert.
Eine Dame fällt mir als erstes auf, die wahrscheinlich gerade frisch aus dem Schönheitssalon entstiegen ist. Perfektes make up und knallrote Fingernägel. Die Haare in kleine Löckchen gedreht und hochgesteckt. Neben die kann ich mich nicht setzen. Der Unterschied wäre doch zu krass.
Ein junger Mann, der seinen Schal zweimal um den Hals geschlungen hat
und immer vor sich hinhustet. Ne , ne , das will ich mir auch nicht antun.
Dann sind da noch eine junge Frau mit einem Kleinkind, 2 Herren älteren Semesters, wovon der eine permanent an die Decke starrt und der andere seinen Fuß über das andere Bein geschlagen, nervös immerzu mit diesem wippt. Nein, ich will mich nicht nervös machen lassen.
Ich entscheide mich für eine etwas füllige ältere Dame ganz in Rot, die mich forschend über ihre Brille hinweg ansieht.
Gerade wie ich mich setzen will, springt der nervöse Herr auf. Doch nicht etwa wegen mir? - Er geht zum Tresen, hinter
dem die Sprechstundenhilfen hektisch zwischen Telefon und Computer herum hantieren.
„Dauert das noch lange hier?“ fragt er. Ich glaube, einen leicht gereizten Unterton heraus zu hören. Na ja, typisch Mann“ denke ich.
„So ca. 25 Minuten“ bekommt er zur Antwort. Darauf er: „Na, dann kann ich ja noch eine Tasse Kaffee trinken gehen.“ Das kann die junge Dame aber nicht befürworten, denn es könnte ja auch mal schneller gehen. Genervt setzt er sich wieder hin.
Ich schiele mit einem Seitenblick in die Illustrierte meiner Nachbarin und stelle fest, daß unser Borisle sich doch schon
wieder von seiner Lilli trennt. War ja auch nicht anderes zu erwarten. Meine Nachbarin indes nahm diese kleine Unterbrechung zu Anlass mit ihrem Nachbarn ein kleine Schwätzchen zu beginnen.
„Das ist ja auch nicht unsere Art, den Kaffee so schnell herunter zu kippen, nicht wahr ? Wir wollen ihn noch genießen. Das machen heutzutage die jungen Leute, die haben ja auch keine Kultur mehr. Schlafen lange und dann muss das Frühstück hopp hopp gehen.“ Der nervöse Herr brummte etwas Unverständliches in sich hinein, doch meine Nachbarin ließ nicht locker. „Heutzutage ist mit der Jugend auch
wirklich gar nichts mehr los. Die sitzen ja auch nur noch vor dem Computer.“
Ich schaute zu meinem Gegenüber, den jungen Mann mit dem dicken Schal. Doch dieser war voll und ganz mit seinem Handy beschäftigt, was er alle 3 Minuten aus der Hosentasche zog um zu sehen, ob eine SMS angekommen war. Er schien von dem ganzen Geplänkel nichts mitgekriegt zu haben.
Jetzt begann das kleine Kind zu greinen. Die Mutter hatte ihm die Zeitungen, was es gerade so schön zerreißen wollte, entwendet. Mit hochrotem Kopf versuchte sie vergeblich das Kind zu beruhigen. Etwas genervt schaute der nervöse Herr zu ihr herüber. Ich war
stark in Versuchung, ihm den Rat zu geben, beim nächsten Mal eine Thermoskanne mit Kaffee zum Arzt mit zu nehmen.
Ein erneuter Seitenblick in die Zeitung sagte mir, dass das englische Königshaus eine Fotosession mit dem neuen Erdenbürger und der ganzen Königsfamilie veranstaltet hat. Sieht süß aus der Kleine. Ganz der Vater.
Diese Nachricht scheint auch die Dame in Rot zu fesseln, denn sie ist inzwischen verstummt. Schade, dass ich meine Brille nicht dabei habe. So kann ich nur die fett gedruckten Schlagzeilen sehen.
Ruhe ist hier eingekehrt. Auch das
greinende Kind liegt jetzt selig lächelnd im Arm de Mutter.
In diese Idylle platzt die Sprechstundenhilfe. „Frau Homann bitte“
Schade, ich hätte doch zu gern noch gewusst ob Heidi Klumm sich wirklich wieder mit ihrem Seal vertragen hat.
Der Doktor schickt mich zum Röntgen. Diagnose: Arthrose in beiden Händen.
Da kann man nichts machen. Eine Sache des Alters.
Wie gut, dass wir im Zeitalter des Computer leben, auf dem ich schreiben kann, wenn mir der Bleistift aus der Hand fällt.