DIE LINDE
Eine Linde steht beim Nachbarn – wunderschön.
Die Blätter leicht im Winde weh’n,
Vögel nisten in ihren Zweigen,
die Äste weit in den Himmel zeigen.
Im Sommer kann sie Schatten spenden,
die Blätter rascheln an den Wänden
des Hauses. Doch leider, es darf nicht sein,
wachsen die Wurzeln ins Mauerwerk rein.
Das bedeutet das Aus für den Baum,
so schnell kann’s gehen, man glaubt es kaum.
Die Genehmigung wird sehr schnell gegeben,
nun geht es dem schönen Baum an sein Leben.
Der Kampf beginnt, er kann sich nicht wehren,
erst schneidet der Mensch Äste ab, die ihn stören,
doch immer tiefer geht die Säge ins Holz hinein,
wenn der Baum könnte, er würde schrei’n.
Nun steht er nicht mehr, hat beendet sein Leben,
wird keinem Vogel mehr Heimat geben.
Nun wird er nicht mehr zerstören die Wände.
Das Leben der Linde hat heute ein Ende.
Kein Baum lebt ewig, auch wenn es so scheint,
es war also gar nicht böse gemeint.
Der Stamm war schon faulig und innen ganz hohl,
der Wind hätte ihn geknickt, da wär gar nicht toll.
Dann wär er gefallen, hätte Schaden gemacht,
auf das Haus oder das Garagendach.
So war das Ende wohl doch noch richtig,
denn die Sicherheit ist schon sehr wichtig.
Eine Linde ist beim Nachbarn jetzt nicht mehr zu sehen.
Keine Blätter mehr leicht im Winde wehen.
Keine Vögel nisten mehr in ihren Zweigen,
kein Ast kann nun mehr in den Himmel zeigen.
©Sylke Eckensberger
Titelbild S. Eckensberger