Kapitel 2 Böses Blut Der Lichtschein der kleinen Flamen, die von der Kerze geworfen wurden, ließ gespenstische Schatten auf den grauen Steinwänden tanzen. Laramea saß im Verhörraum der Kaserne. Sie hatte nach wie vor den seidenen Bademantel übergezogen. Die Blutflecken, die aus der Kehle des fremden Perversen wie eine Fontäne geschossen kamen, durfte sie noch nicht einmal abwischen. Aber wenigstens durfte sie die warme Mahlzeit, die sie im Gasthaus bestellt und bereits bezahlt hatte, bekommen. Immerhin war ihr Magen gefüllt, auch wenn jeder Bissen, den sie
herunterschluckte, den Hieb des Fremden wieder spürbar machte. Die Wachen hätten ihr einen Besuch beim Medicus gestatten müssen. Doch sie war zu Stolz um sich wie ein kleines Mädchen vor Schmerzen zu krümmen. Als Gardistin war sie in einigen Auseinandersetzungen beteiligt. Wenn sie sich da wie ein kleines, hilfloses Kind verhalten hätte, würde sie schon lange nicht mehr Atmen. »Du sagst also, dass da ein Fremder im Badesaal auf dich gelauert hatte?«, fragte Silvio, der über sich über den Tisch gebeugt hatte und seine Fäuste auf der Platte ruhten. Sein grimmig-verärgertes Gesicht verriet seine Skepsis. »Bist du taub?«, fauchte sie ihn
verärgert an. »Genau das hab ich doch gesagt. Oder etwa nicht?« »Pass auf, wie du mit mir redest, Schlampe!«, erhob er drohend seine Hand. »Oder es setzt was.« »Wie hast du mich genannt?«, Laramea zog ihre Augen zu Schlitzen, als würde sie gen Sonne schauen. Sie glaubte nicht recht gehört zu haben. »Hast du mich eben Schlampe genannt?« »Du kannst ja zuhören, Schlampe.« »Wenn ich eine Schlampe bin, was bist dann du? Ein Eunuch?« »Ein was?«, schrie wütend Silvio auf. »Ein Eunuch«, wiederholte sich Laramea. »Du weißt schon, ein Mann der nichts zwischen den Beinen
hat. Silvio riss sein Mund zu einem wutentbrannten Schrei auf, machte sich bereit für einen Sprung auf die Botin. So durfte sie nicht mit ihm reden! Ruckartig sprang die Botin von ihrem Hocker um die Schläge des irren Wachmannes zu parieren. Ein stechendes Ziehen machte sich in ihrem Bauch bemerkbar. Sie wollte dieses Handicap ihm gegenüber nicht offenbaren. Sie durfte es nicht. Kaum war Silvio in der Luft, landete eine Faust auf seinem Gesicht. Doch es war nicht die Faust von Laramea, sonder der von Logan McNeal. Schmerzend stand der Wachmann auf und rieb seine
wunde Wange. »Wehe du rührst sie an«, drohte Logan ihm. »Sie steht sowohl unter meinem Schutz, als auch der unter dem Schutz der imperialen Flagge. Wenn du ihr auch nur einen einzigen Kratzer zufügst, machst du dich des Verrates am Imperium schuldig. Hast du mich verstanden, Silvio?« Gedemütigt stand Silvio auf, rieb sich die wunde Stelle und nickte, wie ein gezüchtigtes Kind. Laramea kannte Typen wie ihn zu genüge. Sie prallten gerne rum, wie ach so großartig sie seine. Doch am Ende, wenn es hart auf hart kommt, sind gerade die, die heulend zu ihrem Weib
oder Mutter rennen, um an der Brust zu nuckeln. »Und du, Laramea, solltest dich auch zügeln. Schließlich bist du hier auch nur ein Gast«, schoss Logan auch sie an. Sie machte ihren Mund zu einem Widerspruch auf. Rauskam war ein nickendes: »Jawohl.« »Warum ist sie hier eingesperrt?«, richtete sich Logan wieder an Silvio. »Und warum ist sie blutbeschmiert?« »Sie ist auf die Bedienstete losgegangen. Wir sind noch rechtzeitig gekommen um schlimmeres zu verhindern«, erklärte der Wachmann mit fuchtelnden Händen. »Blödsinn«, rief Laramea ein. »Im Badesaal war ein Mann, der über mich
herfallen wollte.« »Und du hast ihn mit blossen Händen erwürgt«, nickte Silvio zynisch. »Und er hat dich mit Blut bespuckt. Ja, klar.« Laramea sah ihn mit einem scharfen Blick an: »Und was war mit dem Schwer, das du mir abgenommen hast, du Held?« »Also gibst du zu, gewalttätig gewesen zu sein?« »Dem Fremden gegenüber, der über mich herfallen wollte, ja«, wiederholte sie ihm zum x-ten mal. »Der plötzlich nicht mehr da war, wie?«, fauchte er sie an. »Die Blutlache auf den Kacheln ist von der Bediensteten. Da geh ich jede Wette
ein.« »Wo ist sie denn?«, mischte sich Logan ein. »Beim Medicus. Er untersucht sie«, knurrte Silvio. »Wenn er dann sagt, dass sie verletzt ist, dann bist du geliefert, Miststück.« »Sie wird meine Aussage bestätigen. Wenn es soweit ist, werd ich dir in den Arsch treten. Darauf kannst du dich verlassen.« »Beruhigt euch erst einmal«, hielt Logan die beiden Streifhähne von einander fern. »Laramea, was ist passiert?« Sie berichtete ihm das Ereignis bis ins kleinste Detail. Als sie ihm den Fremden beschrieben hatte, sah Logan sie
ungläubig an. Eine Finsternis legte sich über sein Gesicht, wie sie es bei ihm noch nie zuvor gesehen hatte. Laramea glaubte auch eine Spur von Angst in seinen Augen zu erkennen. »Das kann nicht sein«, flüsterte er so leise, dass keiner der Anwesenden sicher war, ob er was von sich gab. »Das ist unmöglich. Er kann es nicht sein.« »Wer?«, fragte Laramea nach. Ein kalter Schauer bannte sich ihrem Rücken hinab. »Wer kann es nicht sein.« »Hannibal«, stieß logen den Namen aus. Laramea hatte noch nie erlebt, dass Logan so viel Furcht davor hatte einen Namen zu auszusprechen. »Wer ist
Hannibal?« »Ein verdammter Krieger, denn ich bei der Schlacht bei Pandora in die Hölle geschickt habe«, antwortete Logan. »Dabei habe ich ihm vorher die Wunde im Gesicht zugeführt.« »Dann kann er es nicht sein. Die Schlacht ist sieben Jahre her. Niemand kann von den Toten wiederkehren«, belehrte Laramea ihren ehemaligen Gefährten. »Das muss jemand sein, auf dem dieselbe Beschreibung ebenfalls passt.« »Und wie erklärst du dir dann, dass der Fremde verschwunden ist, gleich nachdem du ihm die Kehle durchstochen
hast?« Darauf hatte Laramea keine Antwort parat, was bei ihr eine Seltenheit war. Da sie das Verschwinden des Fremden nicht mit eigenen Augen feststellen konnte, zweifelte sie an der Aussage der beiden Wachen. Apropos, wo steckte der andere? Langsam bekam Laramea den Verdacht, dass die beiden Wachen das geplant haben könnten. Aber aus welchem Grund? Bei bestem Willen konnte ihr kein halbwegs plausibler Grund einfallen. Wenn sie den Gedanken weiterspinne, wäre es doch möglich, dass Bullco, als er im Badesaal die Leiche aufm Boden liegen sah und sich
kurzerhand entschied, weshalb auch immer, zu behaupten, dass da niemand war. Und jetzt, wo sie im Verhörraum saß und von Silvio befragt wurde, hätte er alle Zeit der Welt die Leiche zu entsorgen. Doch welchen Zweck sollte es dienen? Was hätten die beiden Wachen davon, sie aus dem Weg zu räumen. »Solange keine Klage erhoben wird, ist Laramea freizulassen«, ordnete Logan an. »Wenn die Bedienstete sich wieder bei Kräften ist, wird sie ihre Aussage machen. Wenn es gegen Laramea Gunst sein wird, weiß ich wo ich sie finden kann.« »Dann werde ich in diesem Fall nicht angeklagt«, erhob sich Laramea
selbstsicher und marschierte erhobenem Hauptes zur Tür. Logan brachte Laramea zum Medicus, weil er ihren Stolz viel zu gut kannte. Nicht zu selten zog sie sich in Schlachten Wunden zu, die sie dann als harmlos herunterspielte. Ob sie sich vor ihren Kameraden beweisen wollte, oder ob sie einfach Angst vor dem Medicus hatte, vermochte Logan nicht zu sagen. Er hatte nie danach gefragt, da er sie gut genug kannte, um zu wissen, dass er auf solche Fragen auf keine klaren oder vernünftige Antwort von ihr erwarten konnte. Als das Duo in die Praxis eintraten,
führte Logan sie in das Büro des Medicus Joel Silva. Auf der Rechten Seite befand sich ein Kamin, in dem gerade die Flammen knisterten. Auf der linken Seite war die Wand von einem riesigen Regal bedeckt, das von Büchern und Pergamentrollen überhäuft war. Und gegenüber der Tür befand sich ein großer Bürotisch aus Ebenholz. Als Das Duo in sein Büro kamen, studierte der Arzt ein Buch, und schien seine Besucher nicht bemerkt zu haben. Ihn kannte Laramea von ihren regelmäßigen Botengängen aus Destinea. Er war einer der Ratsmitglieder der Siedlung. Als er über den Zwicker hinweg zu
seinen Besuchern blickte sprang er sofort auf, als er Laramea erkannte. »Wie geht es dir, mein Kind?«, fragte er väterlich, als er zu ihr kam. »Abgesehen von den Schmerzen, geht es mir gut«, antwortete Laramea gewohnt gelassen. »Aurora hat mir gesagt, was passiert ist.« »Und was war das genau?«, hackte Logan nach. »Das ein Mann in einem Wolfspelz über Laramea hergefallensei und das Laramea ihm die Kehle durchtrennte.« »Hab ich's doch gesagt«, rief sie auf und zuckte sogleich zusammen, da sich der Schmerz in ihrem Bauch wieder
meldete. »Das muss behandelt werden. Komm mit«, zog der Medicus die Botin hinter sich in eins der vielen Behandlungsräume. Das zuvor studierte Buch hielt er nach wie vor in der Hand. In der Kammer, in den der Medicus sie geschleift hatte, roch es nach verschiedenen Kräuter. Ein leichter, aber nicht unbemerkbarer Geruch von Arzneimittel mischte sich ein. In den Regalen waren einige Ampullen mit verschiedenfarbigen Flüssigkeiten darin. Die verschiedene Kräuter waren in Einmachgläser gestopft. Der Medicus ging geschwind die Regale durch, bis er die richtige Ampulle gefunden
hatte. »Hier, trink das«, reichte er Laramea das Fläschchen, das kaum größer war, als ihr Daumen. Die rötliche Farbe schimmerte im Licht der Kerze. Unschlüssig, ob sie den Inhalt tatsächlich trinken sollte oder nicht, sah sie zu Logan herüber, der sie mit einem Nicken ermunterte die Arznei zu sich zu nehmen. Sie zog den Deckel herunter und ein bitterer Geruch drang aus der Ampulle in ihre Nase. Ihre Nasenflügeln flatternden, bei dem unangenehmen Geruch. Sie musste jetzt da durch. Sie schloss die Augen und kippte denn Inhalt in sich. Überraschenderweise war der Geschmack nicht so bitter, wie sie
erwartet hatte. Einen leicht säuerlichen Geschmack einer Zitrone konnte sie erkennen. Laramea konnte fühlen, wie sich die Flüssigkeit ihren Weg zum Magen herunter bannte. Als das Arzneimittel dann den Magen erreichte, war ihr so, als würde sie von innen erstrahlen, als sich das Medikament in nur einem Wimpernschlag vom Magen im ganzen Körper verteilte. Es fühlte sich nicht unangenehm an. Im Gegenteil, sie fühlte sich eher beseelt. »Was ist das für ein Elixier?«, fragte Laramea nach, die merkte, dass die Schmerzen nachließen. »Ein Heilungselixier«, meinte der
Medicus. »Eine selbstgemischtes Arzneimittel.« »Kommen wir zurück zum Thema«, meldete sich Logan wieder zu Wort. »Was genau hat Aurora euch gesagt?« »Ach, ja«, öffnete der Medicus wieder das Buch. »Schaut es euch an.« Der Medicus zeigte ihm einen Buchartikel über den Mythos der Lykanthropen. »Hier steht geschrieben, dass es Wolfsähnliche Bestien gibt, die die Seelen von Menschen als auch die von Wölfen in sich tragen. Sie töten nicht nur um zu fressen. Es ist unglaublich, dass ihr solch ein Biest erledigt habt«, war der Medicus vor Begeisterung nicht
zu bremsen. »Aber wie kann er dann verschwunden sein, nach dem ich ihm die Kehle durchbohrt hatte?«, fragte Laramea. »Und vor allem, wieso macht ihr euch keine Sorgen um die Sicherheit der Siedlung?«, warf Logan ein. »Die können doch jederzeit wiederkommen.« Der Medicus hob nachdenklich die Augen. Daran hatte er wahrlich nicht gedacht. Aber es schien ihn nach wie vor nicht zu beunruhigen. Er schritt wieder zu den Regalen mit den Kräutern und Ampullen. »Die Lykanthropen sind empfindlich gegen Silber«, meinte der Medicus und kam mit einer Ampulle zurück und
überreichte es Laramea. Sie sah sich die silberne Flüssigkeit genauer an. »Was soll das sein?«, wollte sie vom Medicus wissen. »Das, meine teuere, ist Quecksilber. Bring es in den Blutkreislauf des Lykanthropen und schon ist er Geschichte.« »Und wie habt ihr es euch vorgestellt, wie das von statten gehen soll?« »Das ist eure Aufgabe.« Laramea sah ihn argwöhnisch an. Sagte aber nichts. Allesamt fuhren hoch, als die Tür aufgerissen wurde. Ein gehetzter Mann, der so schwer atmete, als sei er einige Kilometer am Stück gerannt, stand im
Türrahmen. Sein schweißnassen Haar klebte ihm im Gesicht. Seine Kleidung wollte nicht mehr richtig sitzen. »Drax«, eilte Logan zu ihm. »Was zur Hölle ist passiert? Und wo ist Redford?« »Wölfe... beim Totenwächter... angegriffen... schwer verletzt«, keuchte Drax.
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