Die drei kleinen Schürzenjäger
Drei kleine Schürzenjäger ziehen durch den Wald. Schippel, Schnutz und Schnurpsel heißen die drei holden Jäger. Sie halten sich für Schürzenjäger, weil sie alle drei Schürzen tragen. Himmelblau! Zumindest, was die Schürzen von Schnutz und Schippel angeht.
Schnurpsels Schürze erinnert in Form und Farbe an ein Kirschblütenblatt. Nicht auszuhalten, wie sehr er deswegen von den anderen beiden aufgezogen wird! Ständig schnipseln sie kleine Stückchen von Schnurpsels Schürze ab!
Und so wird sie immer, immer kleiner. Mit Messern bewaffnet jagen sie Pilze.
So ein Pilz reicht für die ganze Familie.
Für eine gebratene Pilzscheibe mit Sahnehäubchen obendrauf – ja, dafür lohnt es sich zu jagen. Selbst wenn es im Wald gefährlich ist!
Im trägen Dämmerlicht ziehen sie im Gänsemarsch durch das feuchte Dickicht. Hier müssten sie eigentlich sprießen! Aber nichts, nur ein einzelner Stängel. Welk und wabbelig, übriggelassen und minderwertig.
Schnutz schüttelt gewichtig den Kopf: „Schon die dritte Stelle, an der es so aussieht! Irgendwer muss vor uns unterwegs gewesen sein.“
„Jemand mit großem Hunger würde ich
sagen“, brabbelt Schippel dazu.
„Sicher waren es viele“, äußert Schnurpsel vorsichtig.
Die anderen beiden sehen ihn skeptisch an, dann zucken sie mit ihren Schultern und gehen voran.
Schweigend folgen sie dem Pfad durch den Wald. Hintereinander, weil er so schmal ist.
„He! Warum gehen wir nicht einmal anders – dort entlang!“, ruft Schnurpsel von seiner hinteren Position aus und zeigt mit dem ausgestreckten Finger dorthin, wo es viel heller zu sein scheint.
Die anderen beiden drehen sich genervt um: „Weil wir uns sonst verlaufen! Schließlich wollen wir zum Mittagessen Zuhause sein!“
„Aber ohne Pilz gibt es gar kein Mittagessen!“ schnabbelt Schnurpsel in seinen nichtvorhandenen Bart und zieht seine Stirn kraus. Er strengt sich an, kann den beiden anderen nicht so recht folgen.
„Deshalb bleiben wir auf dem Weg! Genau auf diesem Weg wachsen die Pilze. Und wenn wir nur weit genug gehen, werden wir auch einen finden. Das war schon immer so. Wie oft haben wir das schon geklärt!“ Schippel und Schnutz schütteln die Köpfe und gehen weiter.
„Also, ich gehe jetzt hier lang! Macht doch was ihr wollt!“ Mit diesen Worten macht Schnurpsel eine Vierteldrehung
nach Rechts und stapft geradewegs in die Richtung.
Schnutz und Schippel bleiben stehen, sehen dem Dritten hinterher. Schnutz schnabbelt an einem Ästchen herum.
„Und was machen wir jetzt?, fragt Schippel. Mit zusammengepressten Lippen denkt Schnutz eine ganze Weile nach. Schippel überlegt derweil, was sein Freund wohl an diesem Ästchen findet.
„Hinterher! Schnell!“, reißt er seinen Freund aus den komplizierten Gedanken, „bevor Schnurpsel sich verirrt!“
„Ja! Bevor er sich verirrt!“, ruft auch Schippel und schon jagen sie los.
Schnurpsel ist derweil schon ein gutes Stück gelaufen. Hier ist es warm und trocken. Die Luft riecht fremd und süßlich, so dass er ohne Unterlass niesen muss. Der Schnupfen lässt ihn ein wenig straucheln, doch von der Wärme angezogen läuft er immer weiter über die Blumenwiese.
Über ihm surren die Bienen und ein Grashüpfer schaut ihn im Vorbeisprung irritiert an. Wie magisch angezogen folgt er dem süßlichen Duft, der immer stärker zu werden scheint. Plötzlich! Und beinahe hätte er sich seine Schürze zerrissen!
Schnurpsel traut seinen Augen nicht! Vor ihm ragt eine riesige Pflanze empor. Äste wie Dolche! Aber der Duft! Tief zieht er die Schwaden in seine Nase ein. Was so himmlisch riecht, kann nur umwerfend gut schmecken. Dunkelrote Perlen aus Saft drängen sich zu einem Ganzen zusammen.
Vorsichtig zückt er sein Messer. Ein Perlenball kollert vor seine Füße. In Gedanken schließt er mit dem Leben ab. Weiß er doch um die Gefahren, die in der Ferne lauern. Zu viele Geschichten hatte er bereits gehört.
Ein kurzes Stoßgebet und dann nimmt er den Perlenball mit beiden Händen auf. Ein letztes Mal schnuppert er daran. Dann wagt er es. Er beißt mitten hinein.
Wie Blut ergießt sich der Saft über seine Hände, seine Schürze und seine Beine.
Für einen Augenblick denkt er, er müsse tatsächlich sterben. Doch dann prickelt die liebliche Süße auf seiner Zunge. Wild schlabbernd versucht Schnurpsel möglichst viel Saft mit seiner Zunge abzufangen. Hastig verschlingt er die ganze Frucht und lässt sich zufrieden ins Gras fallen.
Mit geschlossenen Augen genießt er die Sonnenstrahlen auf dem Gesicht und den herrlichen Geschmack in seinem Mund.
Zuerst dringen nur Klangspitzen an sein Ohr. Und dann, wie im Sturm ereilen ihn die Stimmen seiner bestürzten Schürzenjägerfreunde.
„Schnurpsel, Schnurpsel! Was um alles …! Was ist geschehen?“ Schippel und Schnutz sehen ihren besten Freund im Gras liegen. Blutüberströmt!
„Oh nein, oh nein!“
Schnurpsel grinst breit, „was habt ihr denn?“ Lachend erhebt er sich. Mit aufgerissenen Augen und offenen Mündern stehen die beiden vor ihm.
„Nun starrt mich nicht an!“ meint er belustigt und schupst Schippel leicht an der Schulter. „Von diesen Perlenbällen müsst ihr unbedingt kosten! Das wird ein Fest, wenn wir damit Zuhause eintreffen!“
Er zeigt weit um sich, „seht doch nur! Die Sonne! Spürt ihr die Wärme? So viele Blumen, so viel Gesumm! Die reinste Zauberzone! Kommt!
Lasst uns soviel davon mitnehmen, wie wir tragen können. Pilze jagen wir ein anderes Mal!“