Kapitel 5
Als ich wach wurde lag ich im Bett dicht an Toni gekuschelt, in seinen Armen.
„Wie spät ist es?“
Komisch, ich spürte das er wach war. Toni gab mir einen Kuss auf die Stirn.
„Es ist erst kurz nach fünf Uhr. Willst du aufstehen?“
Langsam verschwand die Trägheit aus meinem Körper und ich befreite mich vorsichtig aus seinen Armen.
„Ja, lass uns aufstehen.“
Also kroch ich aus dem Bett und stellte fest das meine Jeans weg war.
Toni sah mich grinsend an, „ Wolltest du in deiner Jeans schlafen?“
Ich seufzte, „Nein, aber ich weiß auch nicht wie ich ins Bett kam.“
Lachend schwang er seine Beine auf der anderen Seite des Bettes raus und setzte sich auf die Bettkante.
„Gehst du zuerst Duschen oder soll ich.“
Er machte Anstalten aufzustehen. Und ich holte mir schnell frische Sachen.
„Ich geh zu erst!“ sagte ich als ich aus seinem begehbaren Schrank kam.
Toni stand direkt vor mir und sah mich an. Seine Arme schlossen sich um mich und er küsste mich sehr intensiv und lang. Dann schob er mich ins Bad.
„Beeile Dich!“
Um sechs Uhr saßen wir in der Küche und frühstückten.
„Ich will gleich noch mal mit Tom sprechen, vielleicht haben sie jetzt raus bekommen wo Nicolas steckt.“
Wir machten uns fertig und gingen zum Aufzug.
Tom war gerade am telefonieren als wir kamen. Mit der Hand gab er uns ein Zeichen, einen Moment zu warten. Er schien wütend zu sein. Als er auflegte reichte er uns ein paar Blätter.
„Morgen ihr zwei. Wir haben gestern Abend Nicolas gefunden.“ Tom sah mich direkt an, „Er war in deiner Wohnung Juli und hat eine Nachricht hinterlassen.“
Mit dem Finger tippte er auf das oberste Blatt. Ich lass es vor.
„Liebe Julia,
seid langem bin ich mal wieder im Land.
Es wäre mir ein Vergnügen, sie wiederzusehen.
Ich erinnere mich noch sehr genau an unsere Stunden langen Gespräche.
Oder an die Nächte, die wir durch tanzten.
Mir liegt viel daran sie zu sehen!
Leider habe ich sie nicht angetroffen, aber ich weiß sie sind im Augenblick sehr beschäftigt.
Ich werde mich kurzfristig bei ihnen melden.
Ihr ergebener Nicolas“
Toni hatte seinen Arm besitzergreifend um meine Taille gelegt. Ich glaube wir haben es beide nicht bemerkt. Ich sah wieder auf den Zettel und dachte bei mir. So viel dazu das ich Nicolas nicht mehr wiedersehe.
Als ich damals ermittelt hatte und mich mit ihm verabredete, wollte ich Informationen. Da ging ich noch davon aus das er meine Tarnung nicht durchschaut hatte. Aber da täuschte ich mich sehr! Bei unserer dritten Verabredung schwang er mich gerade über die Tanzfläche, als er mir eröffnete das er ganz genau wusste wer ich war.
Panik hatte mich damals plötzlich gepackt. Aber ich hatte keine Chance mich aus seinen Armen zu befreien, er hielt mich fest und tanzte weiter mit mir.
„Julia, sie brauchen keine Angst vor mir zu haben. Aber ich wollte das sie wissen, das ich schon vor unserer ersten Verabredung genau wusste wer sie sind. Ihre Gesellschaft ist mir sehr viel wert! Es wäre bedauerlich wenn sie jetzt keine Lust mehr hätten sich mit mir zu treffen. Vielleicht könnte ich ihnen eine Anreiz vorschlagen?“
Über ein halbes Jahr lang haben wir uns immer wieder getroffen. Ich wusste vor ihm brauchte ich keine Angst haben und
bald entwickelte sich eine starke Platonische Bindung zwischen uns.
Tom räusperte sich und ich erwachte aus meinen Tagträumen. Beide sahen mich fragend an.
„Hast du auch was über Bartel rausgefunden?“
Toni hatte mich schon längst wieder los gelassen und sah mich forschen an.
Tom zeigte auf die anderen Blätter, „ Der Typ hat sich mit der russischen Mafia angelegt und so wie es aussieht hat er was mit dem Tod von Nicolas Slowinskis Neffen zu tun. Das wird der Grund sein für die Anschläge.“
Hörbar zog ich die Luft ein.
„Bartel muss wirklich größenwahnsinnig
sein. Er bringt seine Familie in Gefahr und uns gegenüber ist er am Lügen. Und dann legt er sich noch mit Nicolas an.“
Ich sah Toni an, „Ich werde mich mit ihm treffen und mit ihm sprechen, das er Bartels Familie nicht weiter bedroht.“
Beide starrten mich an als hätte ich sie nicht mehr alle.
„Julia, vergiss es! Du glaubst doch nicht im Ernst das ich das zulasse?“
Diese Worte kamen gefährlich leise aus Tonis Mund und sein Gesichtsausdruck ließen keinen Zweifel daran das er es ernst meinte.
„Das ist Wahnsinn!“ schoss Tom hinterher.
Aber ich ließ mich nicht beirren, „Ihr
könnt mich nicht vierundzwanzig Stunden einschießen!“ sagte ich mit fester Stimme.
„Bring mich nicht in Versuchung!“
Tonis Alarmbereitschaft war auf höchster Stufe und ich würde es schwer haben. Obwohl Nicolas hat immer einen Weg gefunden mich zu sehen. Auch damals als Mark mich überwachte, hat mich Nicolas nach Berlin entführt. Im ersten Augenblick hatte ich Angst vor ihm, was ich die ganze Zeit vorher nicht hatte aber das wäre nicht nötig gewesen. Beim Abschied auf dem Flugharfen hatte mich Nicolas das einzige mal geküsst und ich weiß heute noch wie mich dieser Kuss aus der Fassung gebracht hatte.
Es hatte die ganze Nacht geschneit und jetzt lagen zirka zwanzig Zentimeter Neuschnee. Wir kamen deshalb erst kurz nach acht Uhr bei den Bartels an. Unterwegs herrschte ein bedrücktes Schweigen. Wir hielten auf dem Vorplatz und ich wollte aussteigen.
Toni hielt mich am Arm fest, „ Wir werden nicht zulassen das du ein unkalkulierbares Risiko eingehst, egal was du sagst!“
Ich riss mich los und stieg aus. Es hätte keinen Sinn gehabt mit ihm darüber zu diskutieren und ich kannte Toni, jetzt würde er sich einen Rivalen zum Verbündeten machen. Mark würde mir genau so wenig gestatten Nicolas zu
treffen. Das konnte ja eine tolle Schicht werden!
In der Einsatzzentrale kam mir Karin entgegen, sie hatte ein leicht genervtes Lächeln im Gesicht, „Karl Bartel hat sich gestern mit seiner Frau laut stark gestritten. Das war die Hölle! Er wollte das sie sich außerhalb des Hauses zeigt, einkaufen geht, zum Frisör oder mit ihm auf Veranstaltungen sich sehen lässt. Damit endlich der Killer gefasst werden würde.“ Karin schüttelte den Kopf, „ Lisa hat fast die ganze Nacht geweint und ist erst vor ein paar Minuten eingeschlafen. Der Typ gehört wirklich erschossen, wie kann er so was von
seiner Frau verlangen?“
Ich war entsetzt, „ Da hat sie sich wirklich einen tollen Ehemann ausgesucht!“
Karin drückte kurz meinen Unterarm, „ Egal! Ich muss ins Bett!“
Toni war schon durchgestartet zu Mark und als er wütend immer wieder zu mir sah, wusste ich Sie haben über Nicolas gesprochen. Karin war gerade gegangen da stürmte Mark auf mich zu und zog mich in eine Nische.
„Julia, du wirst dich nicht mit diesem Nicolas treffen! Ist das klar!“
Seine Stimme war leise aber nicht weniger gefährlich wie Toni seine. Nah, Klasse! Jetzt hatte ich zwei verrückte
Aufpasser. Das hatte mir noch gefehlt!
Aber ich wollte nicht Streiten, „Guten morgen Mark!“ sagte ich Zucker süß.
Ungläubig sah er mich an. Er hielt mich an beiden Oberarmen fest. Ich dachte schon er wolle mich durchschütteln, aber er hielt mich nur fest.
„Ist das alles was du zu sagen hast?“
Ich riss meine Arme los und rieb sie.
„Du hast doch den Verstand verloren!“ fuhr ich ihn leise an.
Etwas betreten sah er mich an, „Entschuldige!“
Ich drehte mich um und ging zu Kalle, Mark direkt hinter mir Toni war neben Kalle. In Monsters Gesicht konnte ich nicht lesen ob er jetzt auch zu dem Bund
gehörte. Aber das würde ich gleich merken!
„Morgen Kalle, wie sieht es aus.“
Es war ihm nichts an zu sehen, „Morgen Juli! Hat dir Karin schon erzählt was Bartel sich gestern geleistet hat?“
Ich seufzte, „Das hätte ich nicht von ihm gedacht, erst immer der fürsorgliche Ehemann und dann das.“
Wir sprachen noch eine Zeitlang über Bartel. Dann machte ich mich auf den Weg zum kleinen Salon. Vorsichtig öffnete ich die Tür, Lisa lag auf dem Sofa und schlief. Ich schloss die Tür, da vibrierte mein Handy in der Hosentasche. Ich ging ein paar Schritte weiter in Richtung Küche, stellte mich dort hinter
eine Säule und ging ran.
„Ja?“
„Mit wem spreche ich?“ fragte eine Männerstimme, die ich sofort erkannte.
„Julia Bauer und wer ist da?“
„Es tut gut nach den ganzen Jahren ihre Stimme zu hören.“
„Nicolas ich hatte das Gefühl das sie es sind.“
Ich hörte ein lachen. „Ich muss sie sehen.“
„Ihr Brief hat meine Aufpasser stark beunruhigt und ich glaube nicht das sie mich aus den Augen lassen.“
„Wie ich höre haben sie sich nicht verändert, das ist schön! Wie kommen sie jetzt an zwei Aufpasser?“
Ich seufzte, „Den einen kennen sie Mark Stein und der andere ist mein Boss und Freund.“
„Antonio Marcello.“
„Ja, sie sind genau so gut informiert wie früher.“
„Ich werde einen Weg finden. Bis bald, ich freue mich schon!“
Und er legte auf.
Ich ging wieder zurück in die Einsatzzentrale und holte mir und Kalle erst mal einen Kaffee. Mit den zwei Tassen in der Hand stand ich vor seinem Tisch.
„Kalle nimm mir mal eine Tasse ab.“
Er grinste mich an und nahm mir die
Tasse ab, die ich ihm hin hielt.
„Danke! Juli, was ist eigentlich los? Toni und Mark rennen hier herum wie aufgezogen und einer von beiden will immer wissen wo du bist.“
Ich verzog das Gesicht. „Hat dir keiner was von Nicolas Slowinski erzählt?“
Kalle überlegte, „Doch sicher, das er für die Anschläge verantwortlich ist, weil Bartel ihn reingelegt hat und wahrscheinlich am Tod seines Neffen beteiligt war.“
Schweigen!
„Sonst hat man dir nichts erzählt?“
„Juli, was hätten sie erzählen sollen?“
Ich schwieg einen Moment. „Ich kenne Nicolas!“
„Wie du kennst ihn? Persönlich?“ fragte er überrascht.
„Vor fünf Jahren hatte ich einen Fall bearbeitet für Jan und um an Infos zu kommen bin ich eine ganze Zeit mit ihm Ausgegangen.“
„Under cover also und hat er deine Tarnung auffliegen lassen?“
„Als wir das dritte mal ausgingen, sagte er mir das er von Anfang an über mich Bescheid wusste.“
„Hat er dir keine Angst gemacht? Ich meine er gehört doch zur russischen Mafia.“
„Im ersten Moment habe ich Panik bekommen, aber ich habe schnell festgestellt das ich keine Angst vor ihm
haben brauchte. Über sechs Monate haben wir uns getroffen. Angst hatte ich nie bis zum Schluss!“
„Was ist passiert?“
„Zwei Wochen lang hat Mark versucht das Nicolas nicht an mich rann kam. Nicolas ist Klever! Er hat mich entführt und mich mit dem Wagen bis Berlin mitgenommen.“
„Da hattest du Muffen sausen!“
„Ja, da habe ich es erst wirklich mit der Angst zu tun bekommen. Für Nicolas wurde es hier zu gefährlich und er wollte wieder nach Moskau. Und ich hatte seine zwei Schläger Dimitri und Sven ans Messer geliefert. Die beiden hatte er vorher ganz schön vermöbelt, als sie
mich entführten. Da habe ich ihn auch kennen gelernt.“
„Da war er bestimmt stinkend sauer auf dich.“
„Nein, Nicolas war kein Stück wütend auf mich. Die zwei Typen waren ihm egal, seid meiner Entführung. Er wollte das ich mit ihm nach Moskau komme.“
„Als Geisel.“
„Nein!“
Schweigen!
„Was?“
„Er wollte das ich ihn Heirate!“
Kalle fiel bald vom Stuhl, „Du verarschst mich.“
„So war es und ich hatte Angst das er mich einfach so mitnahm, egal was ich
wollte. Aber auch da täuschte ich mich! Ich brachte ihn zum Flugplatz, verabschiedete mich von ihm und er flog.“
„Wow! Was für eine Story! Aber das erklärt noch nicht warum sie so Angespannt sind.“
„Nicolas war in meiner Wohnung und hat mir eine Nachricht hinterlassen.“
„Und?“
„Er will mich sehen und ich machte den Fehler zu sagen das ich mit ihm sprechen will. Das er Frau Bartel in Ruhe lässt.“
„Jetzt blicke ich durch! Mark und Toni sind eifersüchtig!“
„Ganz so einfach ist es nicht, sie glauben das er mir was antut oder das er mich
wieder entführt und diesmal wirklich nach Moskau bringt.“
Kalle sah mich ernst an. „Die Frage ist was glaubst du?“
„Ich glaube es nicht! Aber darauf kommt es nicht an, Toni und Mark werden versuchen das ich mich auf gar keinem Fall mit ihm treffe.“
„Ich beneide dich nicht!“
Ich musste lachen! „Ja die zwei werden mich die nächste Zeit auf schritt und tritt verfolgen.“
„Na dann viel Glück!“
Ich stand auf, „Ich sehe noch mal nach Frau Bartel.“
Den Rest der Schicht hörte ich nichts mehr von Nicolas. Toni und Mark
schlichen ständig um mich herum. Ich hätte fast Verfolgungswahn bekommen. Meine Laune war dementsprechend. Als endlich die Ablösung kam war ich mehr als froh!
Toni und ich stapften durch den Schnee zum Auto. Schweigend setzten wir uns rein. Als wir vom Bartels Gelände herunter waren, sah er mich von der Seite an.
„Juli, soll es so weiter gehen?“
Erstaunt sah ich ihn an, „Wie?“
„Das du nur noch schweigst!“
Toni musste vorsichtig fahren es war sehr glatt heute Morgen.
Ich sah aus dem Fenster, „Mir geht eure
Kontrolle auf den Nerv! Jetzt habe ich zwei Wachhunde und meine Freiheiten werdet ihr auch einschränken.“
Schweigen!
Was sollte er auch sagen? Er wusste das es so war. Und wir wussten beide das ich keinen Schritt aus seinem Gebäude machen werde und Mark würde ihm dabei helfen. Ich kochte vor Wut und Toni war einfach nur frustriert. Also waren wir den Rest der Fahrt still und hingen unseren Gedanken nach.
In der Tiefgarage stiegen wir aus und gingen zum Aufzug. Immer noch schweigend betraten wir seine Wohnung. Ich zog im Flur meine Stiefel aus und hängte meinen Mantel auf. Müde ging ich
in die Küche und nahm mir etwas zu essen was Elle für uns hingestellt hatte. Toni gesellte sich zu mir und wir aßen schweigen.
Als ich fertig war stand ich auf, „ich gehe duschen und schlafen.“ sagte ich.
„Nacht!“ murmelte er.
Toni sah mir hinter her. Die Situation war deprimierend für alle Seiten! Ich hasse es mich Bevormunden zu lassen. Wozu sich Mark und Toni sich genötigt sahen.
Frisch geduscht zog ich mir eine Unterhose an und ein T-Shirt, um mich direkt unter die Decke zu kuscheln.
Es war vierzehn Uhr als ich wach wurde
und der Geruch von Mittagessen stieg mir in die Nase. Das Bett neben mir war zerwühlt, also musste Toni auch geschlafen haben.
Ich kroch aus dem Bett und zog mich an. Als ich ins Esszimmer kam saß Toni schon am Tisch.
Als er mich sah musste er grinsen, „Nah, ausgeschlafen oder vom Mittagessen geweckt worden?“ Ich warf ihm ein giftiges Lächeln zu, „Warum hast du mich nicht geweckt? Ich wollte noch mit Biene sprechen.“
Er zog die Schultern hoch, „Ich dachte wenn du ausgeschlafen wärst könnte man wieder normal mit dir Reden. Aber lassen wir das! Setzte dich und iss erst
mal. Elle hat sich übertroffen mit ihrer Fischsuppe.“
Im gegenüber zog ich den Stuhl unter den Tisch vor und setzte mich.
„Gibt es was Neues?“ fragte ich belanglos.
„Mark und seine Leute sind dabei Bartel einen Strick zu drehen. Aber er ahnt noch nichts davon.“ Wir aßen eine Zeitlang schweigend.
„Ich habe deinen Anrufbeantworter abgefragt.“ erzählte er nebenbei.
Was ihm einen wütenden Blick von mir einbrachte. Was fiel ihm eigentlich ein?
„ Deine Mutter hat ein paar mal angerufen ob du Samstag mit Mark zum Essen kommst.“
Nah Toll! Das auch noch!
„Ach ja und dein Hausarzt Dr. Nico hat angerufen du sollst heute unbedingt in die Sprechstunde kommen, dein Blutbild wäre schlecht und das müsste besprochen werden.“
Mir kribbelte es im Magen. Dr. Nico? Das war niemand anderes als Nicolas. Beim Arzt war ich schon lange nicht mehr. Also hatte er doch eine Möglichkeit gefunden mich zu treffen. Ich musste aufpassen das meine Aufregung Toni nicht auffiel.
„War sonst noch was?“ fragte ich und steckte mir einen Löffel der Fischsuppe in den Mund.
Toni überlegte, „Ach ja, er sagte was
davon das er schon früher mit der Praxis umgezogen ist, also seid Montag im Ärztehaus am Phönixsee.“
„Da muss ich mich beeilen! Damit ich fünfzehn Uhr in Hörde bin.“
Ich sah zu das ich mich fertig machte.
„Fährst du mich hin oder soll ich selber fahren? Du müsstest ziemlich lange warten.“
Er schüttelte den Kopf, „ Tut mir leid Süße, sonst gerne aber heute ist noch ein Meeting. Nimm dir ein Audi.“
Ich zog gleichgültig die Schultern hoch, obwohl ich froh war das er mich nicht fuhr.
„Zum Abendessen bin ich wieder da.“
Schnell fuhr ich mit einem Audi nach
Hörde zum Phönixsee. Die Straßen waren mittlerweile frei geräumt und ich brauchte nicht mehr so vorsichtig fahren. Wärmer war es auch geworden, so das der Schnee anfing zu tauen. Es Nieselte und wollte den ganzen Tag gar nicht richtig hell werden. Ich war so nervös wie seid meiner Kindheit nicht mehr.
Das war eine gute Idee! Dr. Nico, ich musste lachen. Das fiel wirklich nicht auf, wer würde einen Anruf vom Arzt in Frage stellen?
Ich parkte vor dem Neuen Ärztehaus und stieg aus. Meinen Mantelkragen klappte ich hoch und zog den Schal enger, das Wetter war wirklich unangenehm. Unruhig drehte ich mich in alle
Richtungen aber ich sah ihn nicht. Bis plötzlich jemand mir eine Hand auf die Schulter legte, erschrocken drehte ich mich um und sah mich einem Grinsenden Nicolas Slowinski gegenüber.
„Hallo Julia!“
Seine Stimme klang sanft und männlich fast wie ein Streicheln. Er sah einfach fantastisch aus und sein Geruch nach seinem Rasierwasser, weckte sofort Erinnerungen.
Ich lächelte ihn an, „Hallo Nicolas!“
Er harkte sich bei mir unter, „Lass uns etwas spazieren gehen.“
Wir stapften durch den Schneematsch auf dem Weg um den Phönixsee.
„Wie geht es dir?“ fragte er.
Mir fiel auf das er das „Du“ benutzte.
„Eigentlich ganz gut!“
Er blieb stehen um mir ins Gesicht zu sehen, seine Augenbrauen zogen sich hoch.
„Was heißt `eigentlich´?“
Ich versuchte seinem Blick auszuweichen, was er mit einer Hand unter meinem Kinn unterband. „Sven Bergmann, wie er sich jetzt nannte, hat auf mich geschossen und ist bei mir eingebrochen. Hat mir per Telefon und Brief gedroht.“ sagte ich etwas nervös. „Das Problem ist gelöst, wie du weist!“
Langsam gingen wir weiter.
„Das ist aber nicht alles was dich bedrückt!“ sagte er wissend.
Er kannte mich einfach zu gut und das machte mir die Sache nicht leichter. Es dauerte etwas bis ich mich traute was zu sagen.
„Darf ich ehrlich sein?“ fragte ich schließlich.
„Musstest du dir je Gedanken darüber machen?“
Ich seufzte, „Nein! Es fällt mir trotzdem nicht leicht. Ich weiß das Karl Bartel dich übers Ohr gezogen hat und das mit deinem Neffen tut mir auch leid. Ehrlich!“
Ich blieb stehen und sah ihn an, „Aber ich finde es nicht gut das Elisabeth Bartel angegriffen wird. Sie ist so eine liebe Person! Sie kann ja nichts dafür
das ihr Mann ein Schwein ist.“
Nicolas lachte mich an, „Julia du bist bezaubernd!“
Kopfschüttelnd sah er mich ernst an. „Glaubst du wirklich das ich jagt nach seiner Frau machen lasse?“ fragte er und sah mich forschend an.
Jetzt war ich dran mit dem Kopfschütteln, „Nein, eigentlich glaube ich es nicht. Aber da bin ich wohl die Einzige.“
Langsam setzten wir unseren Weg fort.
„Deshalb bin ich auch nur hier. Sven und Dimitri haben auf eigene Kappe gehandelt. Das eine Problem hat sie erledigt! Und das andere ist untergetaucht! Morgen kommt Vladimir
Stroganov an, er kümmert sich um das zweite Problem.“
Nicolas legte einen Arm um meine Schultern und zog mich etwas näher.
„Jetzt möchte ich aber von dir hören, was du in den letzten Jahren gemacht hast. Und warum warst du nur so kurz mit Mark Stein verheiratet?“
Ich warf ihm einen Seitenblick zu und er lachte wieder.
„Vor dir kann man nichts verbergen! Mark und ich waren immer mal wieder zusammen und dann haben wir uns Monate lang nicht gesehen. Vor ein ein viertel Jahr machte er mir den Hof und wir heirateten. Bei einem Fall mussten Jan, Marks Bruder und ich einen Mann
im Auge behalten. Für unsere Tarnung wohnten wir als Pärchen in einem Hotelzimmer. Mark war da gerade in Hamburg für zwei Wochen. Als er zurückkam glaubte er, es lief was zwischen Jan und mir... Wütend vor Unglauben sagte ich Toni zu, Susi zu vertreten und bin als Personenschützerin, mit ihm vierzehn Tage quer durch Europa gereist. Wir haben auf so ein Popsternchen aufgepasst. Da flogen bei uns die Fetzen. Mark hatte mir vorgeworfen ich hätte was mit Toni und seinem Bruder. Er misstraute mir!“
Eine Zeitlang war ich schweigsam. Er drückte mich etwas fester.
„Und?“ fragte er.
Mir war klar das ich sowieso nichts vor ihm Verheimlichen konnte, also blieb ich ehrlich. „Mark hat reichte die Annullierung ein. Als wir zurück kamen sprach Toni mit Mark und der wollte alles rückgängig machen, aber da war ich so sauer und habe auf die Annullierung bestanden.“
Ich zog meine Schultern hoch, „Als es zu spät war tat es mir leid und ich stürzte mich in Arbeit.“
„Julia, immer noch so hitzköpfig wie früher. Und jetzt?“
„Jetzt bin ich ganz durcheinander!“
„Was heißt das?“
„Als ich nach Monaten nach Hause kam holte mich Toni ab, anstelle meines
Chefs. Seit dem arbeite ich wieder als Personenschützerin für ihn. Als Dimitri bei mir einbrach, bin ich zu Toni gezogen.“ Weiter sprach ich nicht.
„Also bist du jetzt mit Toni zusammen?“
„Nein, er ist nur ein Freund, auch wenn er lieber mehr wäre. Ein Tag nach meiner Rückkehr stellte sich raus das wir mit der Polizei zusammenarbeiten und das Mark den Einsatz leitet. Der hatte sich in den Kopf gesetzt mich zurück zu gewinnen und er brachte mich nach Hause.“
Vor lachen musste sich Nicolas schütteln.
„Jetzt hast du also zwei und wer macht das Rennen?“
„Mit Mark habe ich mich gestritten, kurz bevor ich den Einbruch bemerkte. Also rief ich Toni an und seid dem Wohne ich erst mal bei ihm. Und er meinte nur ich müsse mich entscheiden. Dann kam raus das du hier Auftauchst und man hat deine Nachricht in meiner Wohnung gefunden. Also haben sich beide verbündet um mich vor dir zu beschützen.“
Nicolas blieb plötzlich stehen zog mich in seine Arme, langsam senkte er seinen Kopf und unsere Lippen trafen sich. Sein Kuss war so weich und zärtlich. Meine Beine waren dabei nachzugeben und nur seine starken Arme hielten mich aufrecht. Ich hatte das Gefühl die Zeit blieb stehen und meine Hände
klammerten sich an seine Mantelaufschläge. Langsam ging er auf Abstand hielt mich aber immer noch fest. Seine Augen waren ganz dunkel und sahen mich sehnsüchtig an.
„Ich wünschte ich könnte hier bleiben, dann hätten die zwei jungen Kerle keine Chance!“ Seine Stimme war leise und wie ein Streicheln.
Lange sah ich ihn an, „Nicolas, es...“ Meine Worte brachen ab.
Er zog mich wieder fester in seine Arme und küsste meine Stirn.
„Julia, ich weiß... wir haben keine Chance. Aber ich träume seit Jahren von dir und ich muss dich wenigstens in meinen Armen spüren. Ich bin vernünftig
genug um dich nicht zu verführen, sonst könnte ich dich nicht mehr gehen lassen. Das wäre nicht gut für dich!“
Nicolas nahm mich bei der Hand und wir gingen weiter um den See. Wir unterhielten uns, machten Scherze und lachten viel. Und Plötzlich waren wir wieder am Ärztehaus. Vor meinem Auto blieben wir stehen und er gab mir noch einen kurzen Abschiedskuss.
„Bevor ich wieder nach Moskau muss sehen wir uns noch einmal.“ Mit diesen Worten ließ er mich stehen und ging weg.
Die ganze Fahrt nach AM Security ging mir Nicolas nicht aus dem Kopf. Zu
meiner Schande musste ich zugeben das er leichtes Spiel mit mir hatte, viel zu leichtes Spiel! Ich war hin und her gerissen zwischen Toni und Mark und verstand da schon nicht meine Gefühle. Aber was war das heute mit Nicolas? Am liebsten hätte ich ihm widersprochen, als er meinte das er mich nicht verführen würde. Aber er hatte Recht! Wenn er gewollt hätte wäre ich nicht fähig gewesen nein zu sagen. Was war nur los mit mir? War ich Manns toll? Eins war mir klar ich empfand für alle drei etwas, aber was? Bei Mark gab es keine Frage! Mark liebte ich irgendwie! Und Toni? Da war eine unheimliche Sexuelle Anziehungskraft! Aber war da mehr? Ich
fühlte mich sicher bei ihm und er hatte seine Geheimnisse und seine Angst einflößenden Seiten. Toni war Geheimnisvoll! Aber liebe? Dann wohl eher nicht! Was war jetzt mit Nicolas? Er war wie ein Märchenprinz! Ein Böser mit weichem Kern. Nicolas verzauberte die Welt für mich und an manchen Tagen wollte ich daran glauben. Er war eher ein Kleinmädchentraum!
Was jetzt? Es war lachhaft! Mein Leben wurde von klein auf von Starken Männern geprägt, erst von meinem Vater, dann von meinem großen Bruder und jetzt von Mark, Toni, Nicolas.
Kurz vor achtzehn Uhr fuhr ich in die
Tiefgarage, stieg aus und fuhr direkt in die siebte Etage. Kurz blieb ich vor seiner Wohnung stehen und holte noch mal tief Luft, um dann die Karte ins Schloss zu stecken und die Tür zu öffnen. Ich nahm meinen Schal ab er war nass und ich hing ihn an die Garderobe. Als ich meinen Mantel aufknöpfte stand Toni auf einmal hinter mir und nahm mir den Mantel ab um ihn aufzuhängen.
„Bist du draußen spazieren gegangen, du bist ganz nass!“ Er sah mich durchdringend an.
Verflucht! Wenn er jetzt was merkt ist das Theater groß.
Ich verzog das Gesicht, „Machst du Witze? Mir hat es voll und ganz gereicht
durch den Nieselregen bis zur Arzt Praxis zu gehen.“ Ich zog mir meine Schuhe aus.
„Und? Was sagt er?“ fragte Toni.
Zum Glück konnte er mein Gesicht nicht sehen, da diese Frage mich doch etwas aus dem Konzept brachte. Bis mir einfiel das er den Arzt meinte.
Ich zog die Schultern hoch, „Meine Eisen Werte stimmen nicht, er wollte mir was über Ernährung erzählen.“
„Gut, Elle hat gerade das Essen auf den Tisch gebracht.“ schmunzelte Toni und schob mir den Stuhl zurecht.
Wir bedienten uns und Toni schüttete den Wein ein.
„Was gibt es Neues?“ fragte ich.
„Dimitri wurde in der nähe deiner Wohnung gesehen. Manchmal habe ich das Gefühl es geht nicht um Frau Bartel, sondern um dich.“ Durchdringend beobachtete er mich.
Ich trank einen Schluck Wein. „Toni, du weist genau das Nicolas sie fast Krankenhaus reif geschlagen hat, weil sie mich damals entführt hatten und ich ihn und Sven in den Knast gebracht habe.“
Er nickte zustimmend, „ Es ist trotzdem seltsam.“
Ich sah ihn überrascht an, „Auf mich sind sie nur durch Zufall gekommen. Ich glaube nicht das sie hinter mir her sind, beziehungsweise jetzt nur noch Dimitri
her ist.“
Als wir fertig waren mit Essen räumten wir noch auf bevor ich ins Schlafzimmer ging um mich umzuziehen. Aber vorher ging ich noch unter die Dusche.
Im Wohnzimmer saß Toni auf dem Sofa und grinste mir entgegen, „Wie ich sehe hast du dir was Bequemes angezogen.“
Ich setzte mich zu ihm aufs Sofa und nahm mein Glas Wein in die Hand. Meine Füße zog ich unter meinen Körper. Er hatte leise Musik angeschaltet und legte jetzt seinen Arm um mich.
„Ich möchte das Kriegsbeil begraben.“ kam es auf einmal unvermittelt.
Mein leeres Glas stellte ich auf den Tisch und sah ihn an mit hochgezogenen Brauen.
„Ich habe es nicht ausgegraben!“
Toni spielte in meinen nassen Haaren. „Vielleicht war ich etwas zu voreilig. Aber Mark hat die Lage genau so eingeschätzt und er hält Nicolas Slowinski für sehr gefährlich.“
„Lassen wir das!“ werte ich ab.
Er nippte an seinem Glas.
„Markus hat vorhin angerufen und verlangt das du morgen früh endlich eure Mutter anrufst.“
Die Belustigung in seinen Augen war mir nicht entgangen.
Ich warf ihm einen bösen Blick zu, „Verdammt! Ja ich werde sie anrufen!“
Er drückte mir mein wieder gefülltes Glas in die Hand, „Markus hat erzählt
das Mark schon zugesagt hat, da sie ihn auch schon mehrfach angerufen hat.“
Sein grinsen wurde breiter und stieß mit mir an.
„Sei vorsichtig Toni!“ warnte ich ihn mit zusammengekniffenen Augen. „Sonst sorge ich dafür das du auch eingeladen wirst!“
Schmunzelnd meinte er nur, „Ich bin ja nicht dein Freund. Oder?“
Auf diese Spitze wusste ich nicht was ich antworten sollte. Seine Hand streichelte meinen Nacken. Irgendwie hatte ich schon wieder ein Volles Gas in der Hand. Langsam merkte ich die Wirkung des Weins. Er machte mich träge und müde, so das ich mich nicht werte als er mich
in seine Arme zog und ich mich an ihn kuschelte.
Ganz wie nebenbei fragte er, „War der Spaziergang am Phönixsee schön mit Nicolas.“
Aber da hatte die Wirkung des Weines sich schon voll ausgebreitet! Was ich nicht mehr registrierte. „Ja sehr!“
Toni streichelte mir über den Kopf. „Macht er jagt auf Lisa?“
„Nein, nur auf Herr Bartel.“ lallte ich beinahe.
Seine Stimme klang so ruhig, das sie mich nicht aus meinem Dämmerzustand raus holte.
„Wer macht jagt auf Lisa und dich?“ fragte er leise.
„Sven und Dimitri, aber nicht mehr lange.“ Vorsichtig hakte er noch mal nach.
„Wer sorgt dafür?“
„Das erste Problem ist gelöst, das zweite wird Vladimir Stroganov lösen.“
Ich gab ein leises Seufzen von mir und Toni holte mich zurück in den Dämmerzustand in dem er mich am Hals streichelte.
„Was will Nicolas?“ fragte er wieder ganz leise. So das ich durch den Wein eingelullt blieb.
„Karl Bartel.“
Er stellte mir noch eine Frage, „Triffst du Nicolas noch mal?“
Aber da war ich schon fest eingeschlafen.