Die Puppenmacherin
Weiter, immer weiter, immer zu gut gelaunt. Immerzu ein Liedchen auf den Lippen. Immer weiter, meine Nadel, tanze nur, hüpfe und springe und lebe und singe.
Was ich kann nicht beenden, will ich andren geben das Leben und will sehen wie sie leiden. Steche ihnen die Augen aus, kein Tropfen des Blutes, rot, tropft hinab wie kalte Träne. Schneide ihnen den Bauch auf, Gedärme, die weiße Watte, quillt hervor, streichelt mich
samtweich.
Singe immer weiter, der Chor nie erklingen will, die Nadel murrt, der Stoff brummt, die Maschine summt. Die Nadel, ihre kleine Stimme, so zart und lieblich, wie sehr ich liebe ihren Klang. Wenn ich sie lasse für mich spielen und lasse dich leben.
Breche ihnen jeden Finger, krumm den Winkel, ich form‘. Kein Schrei, der Qual, des Leids, trifft meine Ohren, entflieht nicht ihren kirschroten Lippen, nein. Ihre Augen starren leer, wenn ich sie ihnen in die Höhlen bohr, wenn ich ihnen Säure ins Gesicht schütt‘.
Zierlich, hold und rein, die Unschuld selbst, wie sie in ihren Kleidern, lieblich, leise für mich singen. Wenn sie stumm geschlagen um mich, vereint zu einer Familie, ja, vereint zu einem Herz, mich leer und gläsern, ihr Blick mich durchdringt, könnt ich laut lachen.
Könnt ich laut singen, das Summen, das Murren, das Brummen, übertönen, lasse nur die Nadel für mich tanzen. Eure Füße taugen nicht, hab sie euch jeden Einzelnen gebrochen.
Die weiße Haut, wie königliches
Porzellan, edel und wohlhabend, ihr eure Kinne in die Höhe reckt. Als habet ihr je gewusst, wie Würde ist, was Würde heißt, wie sie euch beißt.
Grenzenlos, ich lieb‘ euch so! Meine Kinder, wie sie mein Herz zum flattern bringen, wie ihn ihrer Bruste nichts kann schlagen! Wie ihre Adern sind leer und der Blick so tot und doch so wahr! Schaut ihr auf mich herab, als währet ihr besser dran!
Wer steht hier höher? Wer steht über wem? Wer darf, voll Abscheu, auf den Andren sehn hinab? Spottet ihr mich, wo ich euch das unechte Leben gab!
Undankbar lacht ihr mich aus. Doch habt ihr recht.
Erbärmlich, will und kann nicht, mein Leben zunichte führen. Habe nie selbst gelebt, nie selbst mein Kinn erhebt, nie selbst das Blut geschmeckt, wie es warm durch meine Adern fließt. Habe nie das Recht besessen, mir Würde aneignen zu lassen.
Krank und verboten, ist meine Seele längst verdorben. Das Kinderherz ist verdorben, verrottet es, mir im Leib, macht mich krank, frisst mich auf, laugt meinen Verstand aus. Wollt ich nur, mir selbst das Bild bewahren, wollt etwas
schaffen, etwas Schönes, etwas Reines, etwas Wahres!
Wollt nie sein ich, wollt nie sein, nie leben dieses grässlich Leben! Krank, mein Verstand, der Arme, schuf er euch und gab jedem euch das Leben, das ich wollte auch.
Bin ich nur eine verbotene Puppenmacherin, krank und verdorben, unrein und befleckt, meine Sünde ist, die gelebt zu haben. Nichts gibt es mehr, ich verabscheue als mich, die, die euch das Leben gab! Meine Kinder, meine Lieben, schaut nur auf mich nieder, lachet und spottet über mich, weil ich die
verdorbene Puppenmacherin bin.