Romane & Erzählungen
Wenn Zufall und Schicksal sich die Hand reichen - Teil 1-3 von 7

0
"Wenn Zufall und Schicksal sich die Hand reichen - Teil 1-3 von 7"
Veröffentlicht am 10. März 2014, 14 Seiten
Kategorie Romane & Erzählungen
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

Alles Infos unter artemzolotarov.com Ich schreibe seit 2010 Gedichte, Kurzgeschichten, Theaterstücke und Songs. Ich habe bis jetzt drei Gedichtbände und zwei Poetry Slam Textsammlungen mit Hörbuchfassungen veröffentlicht. Eine Übersicht gibts auf meiner Homepage. Auf meiner Facebookseite gibt es täglich aktuelle Infos, Gedichte, Geschichten, Videos, Musik und und und. Ich würde mich sehr über euren like ...
Wenn Zufall und Schicksal sich die Hand reichen - Teil 1-3 von 7

Wenn Zufall und Schicksal sich die Hand reichen - Teil 1-3 von 7

Teil 2

II Vom Stehen müde setze ich mich hin. Meine Jacke ist dick, meine Schuhe warm. Zwei Paar Hosen schützen meine Beine. Hier könnte ich lange sitzen und warten. Der Regen könnte mir nichts anhaben, der Wind ebenso wenig. Hotel Bushaltestelle. Hier hat man immer jemanden zum Sprechen, man ist nie allein. Und die Bekanntschaften bleiben nicht lange, sind alle unter Zeitdruck und unterwegs. Manche wollen gar nicht reden, sind in Gedanken irgendwo anders gefangen und nur physisch hier, an der

Haltestelle. Eine ältere Dame setzt sich neben mich. „Kalt heute“, sagt sie beiläufig mit einem Ausdruck des gespielten Ernstes auf dem Gesicht; – reibt sich die Hände. Ich nicke. „Wobei früher die Winter um einiges schlimmer waren. Kein so wischi-waschi Brei. Damals fror man im Winter und schwitzte im Sommer. Aber richtig – keine halben Sachen. Und jetzt kommt dieser Klimawandel, Erderwärmung, bla, bla, bla. Mein Enkel kennt sich damit aus. Er studiert. Da bekomme ich auch was mit, verstehe zwar nur die Hälfte, aber das reicht mir schon. Man muss ja nicht alles wissen, sonst wird man ja

ganz meschugge. Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß, hehe, Erderwärmung hin oder her, hehe. Sie sehen aber so aus, als ob Sie viel wüssten. Studieren Sie auch?“ „Nein. Ich arbeite.“ „Ja, arbeiten muss man. Natürlich. Arbeit macht … ach Gott, das darf man ja gar nicht mehr sagen. Ich hab früher als Näherin geschafft. Von nichts kommt nichts. Hat mir aber Spaß gemacht. Natürlich war nicht immer alles rosig, aber ein paar Sonnenblumen tuns auch zur Not. Doch, doch, ich bin zufrieden. Würde es noch mal genauso machen. Ach, jung müsste man sein. Sie haben noch alles vor sich, so viele Chancen,

Möglichkeiten und Freuden. Greifen Sie zu, Jüngchen!“ „Sind sie einsam?“, frage ich, ohne sie anzuschauen. „Wie bitte?“ „Sind Sie einsam?“, frage ich im selben Tonfall und schaue die Straße vor mir an. Sie schweigt. Eine Minute. Kein Wort. „Nein, ich bin nicht einsam. Ich habe meinen Enkel und … meine Tochter … ja.“ Der Bus kommt und nimmt sie mit. Ich bleibe sitzen und sinne ihren Worten nach. „Nein, ich bin nicht einsam.“ – Eine Lüge? Eine Fassade, ein Ornament der Leere, die das Alter mit sich bringt? Egal was sie sagt – sie ist einsam. Ich

weiß es. Ich habe es gesehen, an ihrem Verhalten erkannt. Allein ihres Alters wegen muss sie nahe Menschen verloren haben. Ihr Mann ist sicher tot, weil sie nichts von ihm sagte. Wieso sprach sie mich an? Aus Einsamkeit, aus dem Drang heraus, sich jemandem mitzuteilen, mit jemandem zu reden, seine Stimme zu hören und sich zu versichern, dass sie gehört wird. „Nein, ich bin nicht einsam.“ – Eine Lüge? Ich weiß es nicht, kann es nur vermuten. Wieso sollte sie mir ihre Einsamkeit anvertrauen? Auch wenn ich sie gefragt hätte, hätte sie mir nicht die Wahrheit verraten. Diese Geschichte wird unerzählt

bleiben.

III

III Vorstellung und Wirklichkeit verschmelzen in meiner Fantasie zu einem Buch, aus dem ich lese. Das Drehbuch meines Lebens. – Unergründliche, ziellose Dramaturgie trifft auf einen schlaffen Spannungsbogen. Ich lese aber immer noch jede Seite, überspringe keine Zeile. Der Stil gefällt mir. – Schöne Metaphern, Sprach- und Wortspiele schmücken die Leere des Inhalts. Selbst zwischen den Zeilen ist nichts zu finden, egal wie sehr man das dritte Auge bemüht. Die Dialoge sind

unrealistisch, weil immer nur einer spricht und auch antwortet. Eindimensionale Ansichten lassen Unreife und Ängstlichkeit vermuten. Nein, es ist nicht einmal Angst – Ängstlichkeit – eine Andeutung, Vermutung eines Gefühls. Theorie. „Wenn ich Sie bitten dürfte, mich ausreden zu lassen, könnte ich Ihnen erklären, worum es mir geht.“ – „Sie dürften und könnten.“ – „Also, der Punkt ist folgender: Der Mensch ist nur ein Tier, das zu viel nachdenkt. Dadurch wird er krank.“ – „Ach, was Sie nicht sagen.“ – „Sie glauben mir nicht?“ – „Doch sicher. Sie sind gerade das Paradebeispiel für Ihre These.“ – „Wie

meinen Sie das?“ – „Sie denken, dass sie denken, und das zu viel, mein Freund. So kommen Sie auf solch einen Unsinn, wie das eben.“ – „Aber dann ist es ja kein Unsinn. Dann hätte ich ja recht.“ – „Denken Sie?“ … „Entschuldigung, hätten Sie mal nen Euro?“ Ich schaue verwundert auf und sehe einen gut gepflegten Penner vor mir. Er trägt einen wohl gestutzten Drei-Tage-Bart, eine modische Jeans und eine Jacke mit einem flauschigen Kragen. Doch es handelt sich zweifelsohne um einen Penner, was der Pappbecher in seiner Hand bezeugt. Ich hole einen Euro aus meiner Tasche

und lasse ihn in den Becher plumpsen. Der Kaffee spritzt im hohen Bogen auf seine Jacke und Jeans. „Spinnst du, du Penner“, schreit er entsetzt, hält den Becher hoch und schaut sich die Spritzer an. Mit der nächsten Bewegung kippt er den Rest des Kaffees auf mich und stampft murrend davon. Nein, ich gebe ihm den Euro besser in die Hand, dann gibt’s auch keinen Ärger. Ich hole einen Euro aus meiner Tasche und gebe ihn dem Penner. Er bedankt sich herzlich. „Wieso tragen Sie so gute Kleider und betteln um einen Euro“, will ich wissen. „Betteln!?“, fragt er verwundert. „Ich

brauche Geld für den Parkautomaten.“ „Ach so“, nicke ich verständig. „Entschuldigen Sie meine Frage.“ „Kein Problem. Danke für Ihre Hilfe“, sagt er und geht davon. Und doch lügt er. – Ich gebe ihm keinen Euro, weil er sich davon eh nur Alkohol kaufen wird. Ich sehe ihm an, dass er trinkt: Sein Gesicht ist rot und aufgedunsen, die Nase wie eine reife Erdbeere – mit vielen kleinen Poren. „Nein, ich habe keinen Euro. Tut mir leid“, sage ich zu ihm. „Trotzdem danke.“ Er geht davon. Nimmt einen Schluck aus seinem Becher. So hätte ich das gemacht, wäre es dazu

gekommen. Hoffentlich. Aber auch diese Geschichte wird es nicht schaffen. Deswegen – zurück zur Wirklichkeit. Wo bin ich? Wer bin ich? Wo komme ich her? – Ich muss mich erinnern.

0

Hörbuch

Über den Autor

koollook
Alles Infos unter artemzolotarov.com

Ich schreibe seit 2010 Gedichte, Kurzgeschichten, TheaterstĂĽcke und Songs.
Ich habe bis jetzt drei Gedichtbände und zwei Poetry Slam Textsammlungen mit Hörbuchfassungen veröffentlicht. Eine Übersicht gibts auf meiner Homepage.

Auf meiner Facebookseite gibt es täglich aktuelle Infos, Gedichte, Geschichten, Videos, Musik und und und. Ich würde mich sehr über euren like freuen:

https://www.facebook.com/artem.poetry

http://www.bookrix.de/_ebook-artem-zolotarov-fuer-c/

http://www.bookrix.de/_ebook-artem-zolotarov-verstehst-du-mich-1/

Ich vertone meine Gedichte und Geschichten auch seit ein paar Monaten.
Auf soundcloud könnt ihr meinen letzten Band komplett vorgelesen hören (alle Gedichte sind auch downloadbar):

https://soundcloud.com/koollook_poesie

Seit Januar 2013 führe ich ein Projekt das "Ich schreibe über DICH!" heißt. Dabei kann mir jeder ein Bild von sich schicken und ich schreibe ein Gedicht dazu. Mit dem Projekt versuche ich Lyrik näher an den Leser zu bringen, um zu zeigen, dass sie nicht immer unverständlich und kompliziert sein muss ohne dabei in den Kitsch von Teetassenpoesie zu verfallen.
Wer mitmachen möchte, kann mir seine Bild an koollook_poesie@gmx.de schicken.
Hier könnt ihr die bisherigen 167 Bilder und Gedichte sehen:

http://ichschreibueberdich.tumblr.com/

Seit 2014 nehme ich auch an Poetry Slams teil. 2015 wurde ich Rheinland-Pfalz Meister in dieser Disziplin.
Videos von Auftritten gibt es bei youtube.

Leser-Statistik
1

Leser
Quelle
Veröffentlicht am

Kommentare
Kommentar schreiben

Senden
Zeige mehr Kommentare
10
0
0
Senden

108521
Impressum / Nutzungsbedingungen / Datenschutzerklärung