Diese Geschichte erzählt von dem Schicksal des jungen Sam Jones, der nach einem schweren Autounfall keinen Sinn im Weiterleben sieht. Er will kein Mitleid und auch keine Hilfe. Eigentlich wünscht er sich nichts sehnlicher als die entgültige Erlösung.
Die junge Tiertrainerin Grace Williams bildet Hunde Therapiezwecken aus und hilft mit der einfachen Nähe und Fürsorge der liebenswerten Vierbeiner, Menschen mit Handycaps oder ohne Perspektiven in ihrem Leben, eine Aufgabe im Leben zu finden und einen neuen Anfang zu wagen.
Als sich beide treffen sieht es zunächst nicht ansatzweise nach einem Happy-End aus, doch als Grace Sam einen kleinen zauseligen Welpen aufdrängt, verändert sich nicht nur ihr eigenes Leben und das von Sam, sondern auch das aller Menschen,
die durch diese Geschichte berührt wurden. Schiksale gibt es viele. Hindernisse im Leben gehören dazu. Und jeder muss für sich selbst einen Weg finden, um damit klarzukommen. In diesem Fall war es ein kleines, für die Welt scheinbar unbedeutendes Tier, was einem Hoffnungslosen Menschen Mut und ein neues Leben schenkte. Und damit erkannte ein, für die Welt scheinbar unbedeutender Mann, was im Leben wirklich zählt..
"Wie geht es Ihnen heute, Mr. Jonas?"
Diese Frage war definitiv überflüssig.
"Gut.", sagte ich trocken. "Was sonst? Ich sitze hier so herum, starre aus dem Fenster und überlege mir, was ich statt des Herumsitzens alles tun könnte. Aber ansonsten... Ja, es geht mir prächtig."
Ich nehme an, dass die Dame, welche soeben mein Zimmer betreten hatte, den bissigen Unterton kaum überhören konnte. Trotzdem sagte sie mit enthusiastischer Stimme: "Das freut mich wirklich sehr, Mr. Jonas!"
Sie war eine kräftige Frau, mit rosigen Wangen und einer schrillen, immer fröhlichen Stimme. Für einige mochte das erfrischend sein, doch für meinesgleichen war es manchmal eher Vergleichbar mit einer anstrengenden Nervenprüfung.
Sie schüttelte das Kissen in meinem Bett auf und richtete die Decke. Sie kam jeden Tag und richtete mein Zimmer wieder her, so als hätte sich innerhalb
der letzten vierundzwanzig Stunden irgendetwas mehr in dem Raum verändert, als die zurückgeschlagene Decke und der Staub, der sich seinen Platz auf dem Mahagoniregal sicherte.
"Danke.", murmelte ich und starrte in die Ferne.
Sophie, so hieß die herzliche, junge Frau, sah sich noch einmal in meinem Zimmer um, so als suche sie irgendeinen Fleck an Unordnung, der noch zu beseitigen war. Tja, ich gebe zu, ich war wohl leider nicht in der Verfassung duch den Raum zu fegen, und einen Ort der Zerstörung zu hinterlassen. Wie gerne ich es getan hätte. Einfach diese verdammten Wände einreißen, aus diesem Stuhl aufstehen und einfach mal eine Runde joggen gehen. Und doch waren mir solch unbedeutende Kleinigkeiten eine unermessbar kostbare Vorstellung geworden. Denn ich konnte nicht einfach aufstehen und das Zimmer verlassen. Alles hinter mich bringen, was mir hier dermaßen auf den Keks ging. Nein, es musste immer eine euphorische Sophie mit einem kleinen Zirkus an einsatzbereiten Notärzten dabei sein, selbst wenn mir mal ein intimeres Grundbedürfnis kam. Aber
damit musste man als Sohn eines wohlhabenden und einflussreichen Firmenchefs und gleichzeitig erfolgreichen Politikers wohl klar kommen.
Sophie ging zu mir herüber, lächelte mich an und rückte meinen Rollstuhl zurecht, damit mir das Sonnenlicht nicht zu sehr ins Gesicht viel. Vermutlich hatte sie verstanden, dass ich kein nettes Pläuschchen zwischendurch halten wollte, wie sonst auch nicht.
Sie drehte sich zum Gehen, doch bevor sie hinter der Tür verschwand, viel ihr noch etwas ein. "Ach, Mr. Jonas. Ihre Mutter hat sich für heute Nachmittag angemeldet." Mit diesen Worten verschwand sie entgültig und ließ mich in einem Raum, in dem ich nicht sein wollte, mit einem Handycap, welches ich nicht haben wollte , mit einer in Aussicht gestellten Nachmittagsbeschäftigung zurück, die ich am liebsten niemals in Aussicht gehabt hätte.
Ich stöhnte auf und schloss die Augen. Meine Mutter hatte mir jetzt gerade noch gefehlt. Ich meine, sie war eine wunderbare Frau, aber seit meinem Unfall hatte sie sich, wie alles in meiner Umgebung, völlig
verändert. Sie wollte wieder für mich da sein, wie zu den Zeiten als ich mir mit drei Jahren noch nicht alleine den Hintern abwischen konnte.
Ich erinnere micht nicht mehr, was genau geschehen war, nurnoch, dass ich schreckliche Schmerzen gehabt hatte.
Ich war auf dem Weg zu meiner Freundin Nici. Sie war das Beste, was ich in meinem Leben hatte. Doch das wusste ich erst, als es zu spät war. Ich wusste nicht wo Nici jetzt lebte, was sie beruflich tat oder ob sie einen neuen Partner hatte. Anfangs wollte ich mir eingestehen, dass es egal wäre, dass sich gegangen ist. Ich wäre ihr ohnehin bloß eine Last gewesen. Aber in Wirklichkeit sehnte ich mich nach ihr. Sie war die Frau, mit der ich mein Leben verbringen wollte. Ich wollte ihr an dem Abend, an dem ich zu ihr fuhr, einen Antrag machen. Wir hatten uns im Roles verabredet, dem eldelsten Restaurant der Stadt. Und beinahe hatte ich sie überredet, sie abzuholen. Doch sie hatte abgelehnt, weil sie vorher noch etwas erledigen musste. Vielleicht hatte ihr diese Entscheidung das Leben
gerettet. Meines hat dieser Abend zerstört. Manchmal fragte ich mich, ob es ein Ruf des Schicksals war, eine Warnung vom Herrn persönlich, dass es falsch war, diese Frau heiraten zu wollen, dass es falsch war, mit ihr den Rest meines Lebens verbringen zu wollen.
Ich saß in dem teuren Maserati meiner Eltern, das Schmuckstück unserer Familie, abgesehen von dem Haus, der Inneneinrichtung, den Feriendomizilen in Südfrankreich, Kanada, Neuseeland und Italien und all der anderen Dinge, die man sich mal so nebenbei anschafft, wenn man mit seinem Job Millionen gemacht hat.
Auf jeden Fall war dieses Auto der Schatz meines Vaters und ich hatte ihn mehr oder weniger ungefragt... ausgeliehen.
Vermutlich hätte niemand gedacht, dass ein Millionärssohn in einem öffentlichen Pflegeheim untergebrach ist, aber ich wollte es so. So, oder ein Zimmer in der Villa meiner Eltern, mit einem persönlichen Team an "Langeweile-Vorbeugern", die alles in ihrer Macht stehende tun würden, um, für das
Geld, welches ihnen in den Rachen gestopft werden würde, meine Laune aufrecht zu halten. Aber kein normalsterblicher Mensch kann solche Dinge verlangen und ich wollte nie eine derartige Extrawurst. Zumindest hatte ich mir zu dem Zeitpunkt im Maserati meines Vaters noch keine Gedanken zu diesem Thema machen müssen.
Es war auf einer ländlichen Schnellstraße.
Ich war richtig in Stimmung, war mir meines Erfolges am heutigen Abend schon sicher.
Doch dann war da ein LKW und noch etwas, aber daran kann ich mich nicht mehr erinnern. Ich fuhr zu schnell. Ich habe nicht nachgedacht, was passieren könnte. Doch dann waren da zwei helle Lichter direkt neben mir. Es war eine Kreuzung und ich hätte eigentlich garnicht fahren dürfen. Als der LKW meine Seite rammte, wurde ich fünfzehn Meter weiter auf ein Feld geschleudert, wo sich der Wagen noch dreimal überschlug und endlich kopfüber zum Stehen kam.
Das erzählten die Notärzte. Sie sagten auch, dass es ein Wunder wäre, dass ich überhaupt noch lebte.
Aber als ich nach drei Wochen Koma aufwachte und man mir erzählte, ich wäre für den Rest meines Lebens vom Hals abwärts gelähmt, habe ich mir gewünscht, ich hätte nicht überlebt.
Es hat sich alles verändert. Meine Freunde wussten auf einmal nichts mehr mit einem Krüppel anzufangen und meine Familie passte auf mich auf, wie auf einen Dreijährigen. Ich wollte einfach sterben und niemandem mehr zur Last fallen, ganz besonders nicht mir. Nici hat mich noch ungefähr drei Mal besucht, bis sie endlich sagte, dass sie das nicht mehr aushalte. Und dann ist sie gegangen.
Seit dem sind fast drei Jahre vergangen.
Und kein Tag vergeht, an dem ich nicht darüber nachdenke, was das hier soll. Was bringt es, Tag ein, Tag aus herumzuhocken, ohne einen glücklichen oder erfüllenden Moment zu erleben?
Ich fühlte mich so leer. Als würde ich mein Leben einzig und allein fortsetzen, um meiner Familie diesen Gefallen zu erweisen.
Für mich war die ganze Welt ein einziger Arsch und alles pisste mich von der Seite an. Warum ich?
Warum musste mir das passieren? Weil ich ein verwöhnter Millionärssohn war und mein Leben damit verbracht hatte, Daddys Maserati zu entführen, statt mich auf meinen Job zu konzentrieren? Ich wollte nicht einmal das Geschäft meines Vaters übernehmen, welches ihn so stinkreich gemacht hatte. Solche ernüchternden Gedanken quälten mich jeden Tag. Ich hatte einfach keine Perspektive mehr und sah keinen Sinn mehr in meinem Leben.
"Samuel, Liebling!" meine Mutter schritt zielstrebig auf meinen Rollstuhl zu und drückte mir einen Kuss auf die Stirn. Ich konnte mich ja nicht wehren.
Sie war eine echte englische Lady, streng und diszipliniert, aber auch warmherzig und liebevoll - solange es seinen Zweck erfüllte und sie dem ihr gegenüber wohlgesonnen war. Ansonsten konnte sie auch ein wahres Biest sein.
Sie scheuchte Sophia, die sich gerade in mein Zimmer gebracht hatte, aus dem Raum und schloss die Tür hinter ihr.
"Hallo, Mutter.", sagte ich und versuchte mich an einem lächeln.
"Ja ja, vergessen wir mal die Formalitäten. Ich weiß, dass du dich nicht wirklich freust mich zu sehen."
Sie setzte sich an den kleinen Tisch mit dem gestickten Tischtuch und der gigantischen Vase, welche meine Mutter hier eingeschleppt hatte, um dem Raum etwas Leben einzuhauchen. Sie war völlig kitschig bemalt und für meinen Geschmack absolut altmodisch und hässlich, aber ich tat ihr den Gefallen und miemte den Dankbaren.
Sie faltete bedächtig die Hände, so als wolle sie das, was sie gleich vorhatte zu sagen, auf keinen Fall falsch formulieren.
"Sam, mein Lieber, dein Vater und ich haben lange geredet und ich habe viel darüber nachgedacht..."
Worauf wollte sie nun wieder hinaus?
"Und wir sind zu dem Schluss gekommen, dass wir dich wieder etwas mehr ins Leben einschließen wollen. Hier herumsitzen, das muss furchtbar langweilig sein!"
Ich zog die Augenbrauen hoch. "Was du nicht sagst.
Wie kommst du denn darauf?"
"Und aus diesem Grund bin ich der Meinung, dass der eine Therapeut, der dich betreut, vielleicht nicht reicht."
Ich verdrehte die Augen.
"Mutter, auch wenn du es gerne hättest, ob ein oder zwei oder meinetwegen auch fünfzig angeheuerte Seelenklempner, meinen Körper kann mir niemand wiedergeben."
"Ja, aber vielleicht das Gefühl..."
"Nein! Du verstehst das nicht, Mum! Ich bin an diesen Stuhl gekettet, ich bin so unselbstständig wie wie ein Kind! Und dank der Unfähigkeit der Ärzte hier wird das auch immer so bleiben!"
Der erste Therapeut kam mit der angefangenen Reha, sozusagen als Extra-Rüschchen. Aber das hielt nur einige Monate, bis er mich aufgegeben hatte, weil ich nicht mit ihm reden wollte.
Der Zweite kam, nachdem meine Eltern mir einen Rollstuhl gekauft hatten, den man mit dem Kinn lenken konnte. Man unerstellte mir eine große Suizitgefahr, nachdem ich das Ding das Treppenhaus
heruntergejagt hatte. Dieser Therapeut hielt zumindest seit einem knappen Jahr durch, doch das Wahre war es auch nicht. Immerhin brachte es mir keinen Cent Leben zurück welches ich verloren hatte. Und jetzt war es wohl an der Zeit für den dritten Therapeuten, bis meine Mutter sich endlich eingestehen würde, dass es hoffnungslos war.
"Ich habe an eine besondere Selbsthilfegruppe gedacht."
Großer Gott.
"Da sind lauter Menschen ohne Perspektiven und eine Therapeutin, die mit Hunden arbeitet."
"Was, sie lässt die Hunde an die Rollstühle ihrer Klienten pinkeln und erwartet, dass die sich freuen?"
"Nicht jeder von denen ist querschnittsgelähmt, Sam."
"Fantastisch!", gaukelte ich. "Wann soll dieser tierische Spaß anfangen?"
"Nächste Woche, die Sitzungen sind immer Mittwochs und Donnerstags.", sagte sie.
"Was?" ich riss die Augen auf, einer der wenigen Muskeln, die in meinem Körper noch
funktionstüchtig war.
"Du hast mich schon angemeldet?!"
"Ach, Schatz ich dachte, das wäre kein Problem für dich, du bist ja meistens nicht zu sehr verplant..."
"Ach, komm schon!"
Sie wusste, dass ich mir nicht helfen lassen wollte. Da füllten sich ihre Augen mit Tränen.
"Ich will doch nur, dass du glücklich bist! Das ist auch für mich nicht leicht!"
Damit stand sie auf und verließ mit schnellen Schritten das Zimmer.
Ich stöhnte, denn genauso wie sie wusste ich, dass mir jetzt garkeine andere Wahl blieb. Also, auf zur Hunde-Therapie!
"Hey, Grace." Tom klopfte an der Tür meines Büros und bahnte sich dann vorsichtig einen Weg durch das Akten-Chaos, welches sich im Laufe des Vormittags angesammelt hatte.
Ich zuckte entschuldigend mit den Schultern. "Verdammte Verwüstung! Jetzt finde ich diese verfluchte Akte nie!"
"Ganz ruhig! Was für eine Akte?", wollte Tom wissen und beugte sich gekonnt über einen Stapel Papiere, um in meinen Bereich sehen zu können.
"Ach, das sind die Papiere für Chucky, das ist die schwarze Katze, die letzte Woche hier abgegeben wurde."
"Ja, ich weiß. Die Kratzbürste hat mir den halben Arm zerfetzt als ich sie ins Gehege bringen wollte."
"Unverschämtheit!", witzelte ich und riss die nächste Schublade auf. "Was meinst du, was sie mit Dr. Hornicht gemacht hat?"
Tom zog scharf die Luft ein. "Wie könnte ich das
vergessen?" Dann sah er sich genauer um. "Was ist mit ihr?", fragte er und begutachtete seinen verwundeten Arm. drei rote Striemen zogen sich darüber.
Ich beugte mich vor und deutete auf seine Verletzung. "Ist das dein Ernst?"
"Was? Dafür, dass das Vieh mich letzte Woche erst angegriffen hat, ist das immernoch ziemlich schlimm!" "Ja, sicher...", murmelte ich gedankenverloren und widmete mich wieder meinen verschollenen Akten.
"Also? Was ist mit ihr?" Tom tat sich als Neuling schon ganz gut, aber manchmal ließ er einfach nicht locker.
"Sie muss in ein anderes Heim, wir haben kaum noch Platz und sie ist nicht gerade umgänglich was andere Katzen angeht. Ist wohl ein ziemlich kritischer Fall, da brauchen wir einen Profi, der sich ihrer annimmt. Ich habe mit Nicholas telefoniert und die hätten Interesse."
"Also muss jemand sie einfangen..." "Worüber du dir jetzt schon Gedanken machst." "Naja, vermutlich
bleibt das wieder an mir hängen." "Blödsinn! Wir lassen unsere Neulinge doch nicht die Drecksarbeit machen!" Ich grinste ihn hinterhältig an. Der Arme. Er musste ja noch nicht wissen, dass er als Frischling sowas garnicht machen durfte.
"Aha!" Triumphierend hielt ich die gesuchte Akte in die Höhe. "Die muss jetzt zu Jenna, die schickt sie zu Nick und wenn wir Glück haben, hat Chucky bald ein schönes, neues Zuhause." "Du redest schon wie diese Werbe-Frauen, die dir ein Shampoo verkaufen wollen und dir erzählen, dass deine Haare davon alle sechzehn Sekunden die Farbe ändern."
Ich lachte. "Also eigentlich hatte ich an die vertrauensvolle Tiervermittlerin von nebenan gedacht, die Rentnern tollwütige Hamster andrehen wollen."
"Du weißt schon, dass wir gerade über unseren eigenen Job reden?", meinte Tom schmunzelnd.
"Na und? Kann ein Polizist nicht über Verbrecherwitze lachen?" Ich knuffte ihn Freundschaftlich. Mit der Zeit hatte ich den Kleinen echt lieb gewonnen. Er hatte eigentlich eine
Ausbildung zum Tierarzt, war also ein schlaues Köpfchen, und jetzt hatte er hier neu angefangen, um unserem alten Dr. Hornicht unter die Arme zu greifen.
"Ich bin dann mal weg." Ich schwenkte noch einmal die Akte und ließ den armen Tom im Raum der Verwüstung zurück.
Gast Wunderbar geschrieben - spannend und gefühlvoll. Man kann und möchte gar nicht aufhören zu lesen. Kaum zu glauben, dass diese Werke von einer 16jährigen „Amateur“-Schreiberin stammen. Super!! Ich freue mich auf die nächsten Geschichten! Viele Grüße - Deine Tante / Mutter von Anka04 :-) |