Kapitel 1: Die Siedlung Zu beiden Seiten des Trampelpfades wuchsen die Bäume in die Höhe. Die Äste und Laub der Krone ließen nur wenige goldene Sonnenstrahlen hindurch. Wie so oft nahm Laramea diesen Pfad durch den Wald mit ihrem treuem Pferd Pegasus. Sie liebte den Geruch von Erde, Laub und Borke. Vor allem nach dem Regen. Die Kapuze ihres weinrotem Umhangs war nach dem Regen wie davor über ihre pechschwarzen Locken gestülpt. Der Umhang verdeckte auch den Großteils ihrer feingliedrigen Kettenhemdes, das sie sehr gerne auf der Haut spürte. Das Hemd wurde vom Rüstschmied Hodges eigens für sie
geschmiedet. Nur er hatte es geschafft die kleinen Metallringe so zu verbinden, dass es eng an ihrem trainierten Körper saß, ohne dass es sie bei ihren Bewegungen behinderte. Das Kettenhemd war erstaunlicherweise Leicht. Die Metallringe waren so fein, dass mal es bei nähere Betrachtung als solches erkannte. Die Kunst das Kettenhemd so zu schmieden, wie es Hodges getan hatte, gab es kein zweites mal auf der Welt, da diese Technik so ausgeklügelt und ausgereift war, dass es nur sehr wenige Schmiedemeister beherrschen konnten. Manchmal vergass Laramea, dass sie das Hemd überhaupt trug, da es kein Gewicht zu haben schien. Das Kettenhemd betonte
sogar ihren Körperbau, wie es auch die schwarzen Leggins taten, die sie trug. Die ledernen Schnürstiefel reichten ihr knapp unter die Knie. Als Laramea den Wald verlies, sah sie bereits die Häuser der Siedlung und aus den Schornsteinen emporsteigenden Rauch. Es waren nur noch wenige hundert Meter bis zur Siedlung. Sie konnte kaum erwarten ihr geliebtes Pferd in den hiesigen Stall zu bringen und im Gasthaus eine warme Mahlzeit und einen Schluck vom köstlichem Wein zu sich zu nehmen. Je näher sie der Siedlung kam, um so erregter war sie vor Freude. Erst als sie nur noch hundert Meter vor der Siedlung entfernt war, merkte sie,
dass der Rauch nicht nur aus den Schornsteinen emporstieg. Hellwach vor rasendem Blut und auf alles gefasst, griff sie nach dem Schwert, dass neben den Provianttaschen hing und trieb Pegasus zur Eile an. Als sie an der Siedlung ankam, wurde sie von zwei Wachen, die sie noch nie gesehen hatte, aufgehalten. Der eine war ein Langhaariger mit einer angriffslustigen Miene. Der andere war ein bärtiger Glatzkopf, der es offensichtlich schon immer eine Finstere Miene getragen hatte. »Wer seit ihr?«, wollte der langhaarige zur ihrer Rechten wissen. »Ich bin Laramea Wilde. Tochter des Torben Wilde. Ich bin Botin und Gardistin aus
Destinea. Und wer zur Hölle seit ihr?« »Wir stellen hier die Fragen«, zischte er sie an. »Und wir sollen euch glauben, dass ihr eine Gardistin aus Destinea seit? Einfach so?« »Lasst sie passieren!«, fauchte eine wilde Stimme hinter den beiden Wachen. »Sie ist hier häufig zu Besuch und überbringt Botschaften an den Ältestenrat. Wenn ihr Schwachmatten nicht so viel Zeit mit dem Schnaps in der Taverne verbringen würdet, wäre sie auch euch Idioten bekannt. Geht jetzt und macht euch endlich mal nützlich!« »Jawohl«, steckten die beiden Wachen ihre Schwerter ehrfürchtig vor Logan McNeal in die Scheiden und zogen von dannen. »Was ist passiert?«, wollte Laramea wissen,
als die Wachen nicht mehr in Hörweite waren. »Wir wurden von einigen Banditen überfallen.« Erschrocken von der direkten Antwort war sie für einen Moment wie gelähmt. »Sie haben nur einige Wohnhäuser in Brand gesetzt. Glücklicherweise wurde niemand verletzt. Wir konnten sie ohne weiteres vertreiben«, berichtete Logan. »Steig ab und begleite mich zum Gasthaus. Ich kann mir vorstellen, das der Ritt dich müde gemacht hat und du hungrig bist.« Sie stieg von Pegasus ab und umarmte ihren ehemaligen Gefährten. Einst waren sie in der selben Rangertruppe eingeteilt, bis Logan um die Versetzung für diese Siedlung bat.
Laramea hatte es nie verstanden warum er das Abenteuer und den dazugehörigen Nervenkitzel für einen langweiligen Posten in dieser Einöde eingetauscht hatte. Insgeheim verzieh sie es ihm nie, auch wenn er meinte, dass er einen Tapetenwechsel gebraucht hatte. Als sie dann erfuhr, dass eine Stelle als Bote für diese Siedlung freigeworden war, bewarb sie sich sogleich. Mit Logan's Empfehlung und Ranger Varlo's Einfluss, auch wenn der ihr es dringlichst davon abgeraten hatte, bekam sie die Stelle dann doch. Auch wenn sie nun weniger Sold bekam als bei der Rangertruppe, wollte sie ihre Gefährten nicht aus den Augen verlieren. Da sich die Truppe schließlich aufgelöst wurde, war sie froh als Botin beschäftigt zu
sein, da sie auch in die Lager, Siedlungen und Dörfer geschickt wurde, in denen ihre Gefährten stationiert waren. Als das Duo Laramea und Logan zum Gasthaus spazierten, bestand Logan darauf die Zügel von Pegasus zu nehmen und ihn zum Gasthaus zu führen. Dies kam ihr sehr recht, da sie ihren eingeschlafenen Hintern wach massieren wollte. Ihr war nicht entgangen, dass er nicht ganz freudlos auf ihren Hintern starte. »Wo schaust du denn hin?«, fragte sie übertrieben neugierig. »Auf die sexy Kurven einer schönen Frau«, antwortete Logan lächelnd. »Wie charmant ausgedrückt«, lächelte sie ihn an und stupste ihn mit der Schulter
an. Der ehemaliger Rangertruppler lächelte mit. Seine dunklen Haare gingen ihm bis zu den Schultern. Er war ein maskuliner Mann, der kaum in seine verstärkte Lederrüstung passte. Obwohl er nicht mehr bei den Rangern war, und in der Siedlung ein eher ruhiges Leben führen konnte, trainierte er dennoch jeden Tag. Nur Versager und Verlierer lassen sich gehen und sich von der Natur schlapp machen, war eins seiner Leitmotive des Lebens. »Weiß man, wer die Banditen waren?«, fragte sie schließlich. »Leider noch nicht, liebste Laramea«, schüttelte er traurig den Kopf. »Aber das soll nicht deine Sorge sein. Du hast sicherlich
eine Botschaft an den Ältestenrat zu überbringen.« »Dieses mal nicht«, schüttelte sie den Kopf. »An wen dann?«, hob Logan eine Augenbraue. »An niemanden.« Verwirrt sah er sie an: »Wie soll ich das verstehen?« »Ich habe Urlaub. Da dachte ich mir, dass ich meine freien Tage gerne hier verbringen würde«, lächelte Laramea ihren ehemaligen Gefährten an. »Du hast sie nicht mehr alle. Das weißt du schon, oder?«, schüttelte Logan den Kopf, woraufhin sie zu lachen anfing. »Du bist ja auch freiwillig hier«, gab sie ihm zu
bedenken. »Ich lebe auch hier. Du nicht. Ausserdem gibt es bessere Orte um die freien Tage zu genießen.« »Die da wären?« »Am Kratersee in der Nähe von Destinea zum Beispiel.« »Du stellst dir doch nur vor, wie ich mich am Ufer nackig liege und mich sonne. Gib es zu«, machte sie theatralisch einen Schmollmund. Er knurrte lustvoll, als er sagte: »Das ist ein heiliger Anblick eines jeden Mannes mit einem Schwanz in der Hose.« »Du bist ein Spinner«, lachte sie auf. »Genau das vermisse ich an dir so sehr.« Als sie denn Stall des Gasthauses erreichten,
übergaben sie Pegasus an den Stallburschen, nachdem Laramea ihre Habseligkeiten, wie ihr Schwert und den Goldbeutel, an sich nahm. Dann gingen beide in das Gasthaus. Das Gasthaus wurde mit Kerzen, Fackeln und Kronleuchter erhellt. Die Gäste assen und tranken, als seien sie nie überfallen worden. Hinter dem Tresen, das die ganze Wand einnahm, standen Wirte und brüllten die Bestellungen nach hinten in die Küche. Über den Alkoholschrank hinter dem Tresen, war ein roter Banner mit der gordovanischen Aufschrift: Wir kamen, wir sahen, wir siegten. Logan führte die Botin in eine Nische, nahe des Wirtstresens.
»Wer waren eigentlich die beiden Helden am Eingang?«, wollte Laramea wissen, als sie sich an einem noblen Buchentisch setzten. Auch die Sitzbänke waren aus Buche gefertigt worden, wie eigentlich der ganze Raum, und bildeten einen farblichen Kontrast zu den pechschwarzen Sitzpolstern. »Das waren Silvio und Bullco«, antwortete Logan. »Sie sind schon seit Jahren hier. Das einzige, was sie hier tun ist den Verstand mit dem Schnaps zu benebeln.« »Warum behältst du sie dann in der Siedlung?«, wunderte sich Laramea, die ganz genau wusste, dass Logan keine undisziplinierte Gardisten mochte, und alles daran setzte solchen die Hölle heiß zu
machen. »Ich hatte schon mehrfach versucht die beiden Faulpelze loszuwerden. Doch das stellte sich als schwieriger heraus als gedacht. Es ist nämlich so, das sie ein hohes Ansehen beim Stadthalter Hakon haben. Denn laut ihm haben die beiden bei der Belagerung von Pandora dabei. Angeblich sollen sie einige Orks zur strecke gebracht haben.« »Orks in Pandora?«, hob Laramea ungläubig die Augenbrauen. »Wir waren bei der Belagerung dabei und haben die Gegend gründlich abgesucht. Sind dir irgendwelche Orks aufgefallen?« »Keineswegs. Dies hatte ich auch dem Stadthalter gesagt. Doch der wollte mir nicht
glauben, dieser närrischer Sack. Dann wollte er von mir wissen, ob ich ihn als Lügner bezeichnen würde. Was auf Ketzerei steht, muss ich dir ja nicht erklären, oder?« »Er wurde offensichtlich von den beiden Vollpfosten hinters Licht geführt«, sprach Laramea ihren Gedanken laut aus. »Das sehe ich auch so«, pflichtete Logan ihr bei. »Der Überfall auf die Siedlung war die einzige Motivation für die beiden ihre faulen Ärsche aus der Taverne zu bewegen.« »Wenn du schon das Thema absprichst, was kannst du mir darüber berichten?« »Nicht viel«, gestand Logan. »Es waren Banditen in Wolfspelzen und einer Art Kriegsbemalung im Gesicht. Ich habe Redford und Drax hinausgeschickt, damit sie
das Lager der Banditen ausfindig machen.« »Redford und Drax? Die Jäger?« »Genau die. Es sind die besten Späher und Jäger weit und breit. Genau das, was Silvio und Bullco von sich behaupten zu sein.« »Und was haben sie herausgefunden?« »Sie sind noch nicht zurück.« Laramea sah ihn verwundert an. Die Botin spürte, dass Logan irgendwas im Schilde führte. Und egal, was es war, sie wollte dabei sein. Sie öffnete den Mund, um was zu sagen, schloss es aber wieder, da sie nicht wusste, wie sie ihr Gespür zur Sprache bringen sollte. »Geh jetzt in deine Stube und ruh dich aus. Du musst ganz müde von der Reise sein«, lächelte Logan sie sanft an. »Ich lasse dir
dann von einer Bediensteten frische Kleidung bringen.« Wo er es erwähnte, konnte sie tatsächlich eine Runde Schlaf gebrauchen. Aber vorher sollte sie sich noch baden, um den Gestank von Schweiß loszuwerden. »Was wirst du jetzt eigentlich machen?«, wollte sie noch wissen, eher ihr ehemaliger Gefährte den Tisch verlassen konnte. »Als erstes werde ich einen Happen zu mir nehmen«, zwinkerte er ihr zu. »Ach ja«, rollte Laramea nachdenklich die Augen nach oben. »Ich wollte ja auch was essen.« Logan stieß einen Lacher aus: »Warum hast du dann nichts bestellt? Du weißt doch, dass der Koch seine Zeit braucht um das Essen
zuzubereiten.« »Gut. Dann kann ich in der Zwischenzeit ins Bad steigen.« »Mach das. Wenn du mich suchst, ich bin dann in der Kaserne oder in der Taverne«, verabschiedete sich Logan. Nachdem Laramea beim Wirt ihre Bestellung aufgab, machte sie sich auf den Weg zur hauseigenen Badeanstalt. Dies war eins der wenigen Einrichtungen in der Siedlung, das technisch so weit fortgeschritten war, dass es mit der Ingenieurskunst der imperialen Hauptstadt Gordovan mithalten konnte. Und das mochte was heißen. Denn in der Hauptstadt gab es nichts, was man nicht als Meisterwerk der Ingenieurskunst nennen
konnte. Vor etlichen Jahren durfte sie als Leibgarde des Fürsten die Hauptstadt besuchen. Sie war überwältigt von der Größe, der Pracht und Einfallsreichtum der Stadt. Noch nie hatte sie eine solche Dichte an Häusern erlebt wie in Gordovan. Noch nie eine solch große Menschenmasse erlebt. Sie hatte sogar das Glück gehabt bei den Gladiatorenspielen im Amphitheater auf der Tribüne der Senatoren beiwohnen zu dürfen. Danach war sie in eins der prunkvollsten Bäder der Stadt eingeladen worden. Doch was sie daran störte, war die Trennung der Geschlechter. Als einzige Frau in der Leibwache fühlte sie sich einsam im Bad. Da sie die grollende Gejohle ihrer männlichen
Kameraden bereits aus dem Umkleideraum kannte, schämte sie sich nicht dafür, da ihr klar war, dass ihre Kameraden über ihre Kräfte wussten. Und verdammt, wenn auch nur ein einziger auch nur den Gedanken gehabt hätte, über sie herzufallen, so hätte sie ihn längst mit ihren blanken Händen entmannt. Als der Geruch des Dampfes und der Rosenblüten aus dem Bad in ihre Nase drang, kam sie wieder in die Gegenwart zurück. Eine junge Frau in einer weißen Tunika mit goldenem Saum empfing sie in den Baderäumen. Sie zeigte der Botin ein noch freien Baderaum. Der Boden bestand aus weißem Kacheln, das mit Gold umrandet
war. In der Mitte des Raumes war ein Becken in den Boden eingelassen, dass von vier schmuckvollen Säulen umrundet war. Auf den Säulen waren einige Figuren abgebildet, die einen Krug Wasser in ein Becken kippten, dass von glücklich wirkenden Figuren benutzt wurde. »Hier sind ein paar frische Handtücher«, öffnete die Bedienstete eine Kommode, die an eins der Säulen gelehnt war. »Ausserdem findet ihr hier einen Bademantel. Ihr könnt eure Kleidung hier in den Korb werfen. Ich wasche es für euch, wenn es euer Wunsch ist.« »Das wäre lieb«, lächelte Laramea die Bedienstete an. »Wie ist dein Name?« »Wie meint ihr?«, war die Bedienstete
sichtlich irritiert. »Du hast sicherlich einen Namen. Und den wünsche ich zu erfahren.« »Mein Name ist Aurora, Herrin«, neigte sie den Blick gen Boden. »Aurora«, wiederholte Laramea den Namen. »Morgenröte. Ein schöner Name.« »Danke schön«, strich sich die Bedienstete schüchtern eine goldbraune Strähne hinters Ohr. »Wenn ihr mich zu sehen wünscht, dann ruft nach mir, Herrin.« Als Aurora den Baderaum verließ, zog sich Laramea das Kettenhemd aus. Darauf hatte sie sich schon den ganzen Tag gefreut. Ein gut trainierter Bauch kam zu Vorschein. Als Laramea den ledernen Büstenhalter auszog und ihre strafen Brüste endlich baumeln
konnten, fühlte sie sich von einer Last befreit. Als sie auch die Stiefel und die Leggins los wurde, konnte sie endlich ins warme, nahezu heißes Wasser steigen. Sie trieb im Wasser wie in einem flüssigem Himmel. Der Duft der auf dem Wasser treibenden Rosenblüten lag in ihrer Nase. Wie in Trance lag sie in der wohltuenden Nässe. Ihre Lider wurden schwer. Die Anspannung löste sich allmählich in Luft auf. Wann war sie das letzte mal mit sich und der Welt im reinen? Sie konnte sich nicht mehr erinnern, wann sie sich das letzte mal so wohl gefühlt hatte. Mit einem zufriedenem Lächeln trieb sie im Dämmerzustand, umhüllt vom himmlischen Wasser. Das erste mal seit langem war ihr Kopf nicht mehr von so vielen
Gedanken überfüllt. Ihr war, als würde sie von einer Wolke getragen. Könnte es doch nur immer so sein. Ein Geräusch weckte sie auf. Ihr war so, als würde ein Augenpaar sie beobachten. Mit geschärften Sinnen blickte sie sich im Badesaal um. Es war niemand zu sehen. Doch das hatte nichts zu heißen. Auch wenn ihre Augen nichts sahen, hatten ihre Ohren etwas gehört. Und nun vernahm auch ihre Nase einen schwachen Geruch von strengem Schweiß, das mit Fäkalien und Dreck gepaart war. Woher kam der Geruch? Und vor allem, wem gehörte es? Adrenalin pumpte durch ihre Adern, als sie
aus dem Wasser sprang und nach ihrer Kleidung griff. Doch die waren verschwunden. Nur das Schwert und der Beutel mit dem Gold blieb ihr erhalten. Wer würde Kleidung klauen und das Gold da lassen, überlegte sie sich, als sie das Schwert aus der Scheide zog und kampfbereit in die Lüfte erhob. Ihre Augen suchten nach dem Fremden, der sich hier versteckt haben musste, als ihr wieder einfiel, dass die Bedienstete ihre Wäsche zum waschen mitgenommen haben musste. Aus einer dunklen Ecke trat eine Silhouette hervor. »Du bist nicht von hier«, knurrte die in Schatten gehüllte Gestallt. »Du aber auch nicht«, entgegnete Laramea,
das Schwer in der Hand kreisend, das jeden Moment zum zuschlagen bereit war. »Da irrst du dich, Püppchen«, lachte die Gestallt hämisch auf, als er den Lichtkegel der Kerze betrat. Dabei zeigte er seine übermässig entwickelten Reiszähne. Er trug einen Wolfspelz als Umhang, der den marineblauen Wams zum Teil umhüllte. Seine wilden Haare waren provisorisch zu einem Zopf gebunden. Sein Bart wucherte auf seinem Gesicht. Ein tiefer Kratzer verlief quer durch sein Gesicht. Seine Nase und sein Mund waren ungewöhnlich weit nach vorne gebeult und ließ an einen Hund oder einen Wolf denken. »Wer zu Hölle bist du?«, stieß Laramea vor Schreck die Augenbrauen
hoch. Der Fremde begutachtete die Botin vom Scheitel bis zur Sohle mit einem lüsternen Grinsen: »Jemand, der schon lange nicht mehr geliebt wurde.« Erst jetzt wurde Laramea ihrer Nacktheit bewusst. Ihr nasser Körper schimmerte im Kerzenlicht, genau wie das Schwert in ihrer Hand. Verärgert über diesen perversen Kerl stieß sie mit dem Schwert zu. Überraschend leichtfüssig sprang der massige Leib zur Seite. Noch während sie versuchte ihren eigenen Schwung umzulenken, klatschte der Fremde seine Hand an ihren Hintern. Als sie sich umdrehte und brüllend versuchte den Kopf des Fremden abzuschlagen, kippte der
seinen Oberkörper nach hinten. Die Klinge verfehlte ihn nur um Haaresbreite. »Eine wilde Frau, die sich zu wehren versteht. Das wird ein geiler Ritt«, stieß der Fremde ein Grunzen aus, das wohl ein Lacher hätte sein sollen. Denn dritten Schlag hielt der Fremde mit der blossen Hand auf. Ein Rinnsal Blut floss aus der Handfläche. Laramea versuchte mit aller Macht ihr Schwert aus der Klaue des Fremden zu reissen. Vergebens. Das hilflose Zerren nutzte der Fremde aus um ihr einen Hieb in den Magen zu verpassen. Unfähig sich zu wehren, löste sich ihr Griff vom Schwert und krümmte unter Schmerzen zusammen. Sie glaubte jeden Moment ihre Eingeweide erbrechen zu
müssen. Der Fremde zog sie an ihren Haaren hoch, nachdem er das Schwert in einem hohen Bogen wegwarf. Ihr verschwommener Blick glitt über, denn im gehärtetem Wams gepanzerten Fremden. Auf dem Hals entdeckte sie eine Tätowierung, zwei sich kreuzende Blitze. »Jetzt wirst du zugeritten«, lachte der Fremde auf, der an eine Hyäne erinnerte. Panische Angst durchflutete ihre Adern, als er sie zu sich zog und sie in einem eisernen Griff umklammerte. Sein Mundgeruch versuchte ihren Mageninhalt herauszulocken. Mit aller mühe kämpfte sie dagegen an. Eine Hand glitt zu ihrem Hintern und knetete den Backen genüsslich, eher er sich an
seinem Hosenbund zu schaffen machte. Mit letzter Kraftreserve, dass ihr noch blieb, rammte Laramea ihr Knie in sein Schritt. Seine Augen waren weit aufgerissen. Schmerz spiegelte sich in seinem Gesicht, eher er zusammenbrach. »Egal wie groß und stark ein Mann ist. Weichteile bleiben Weichteile«, spuckte sie ihn an, als ihre Kräfte Stück für Stück zurückkehrten. »Du elendes Miststück«, kreischte der Fremde fluchend. »Möge Fenris deine Eingeweide fressen, eher du krepierst!« Humpelnd ging Laramea ihr Schwert holen. Dabei ignorierte sie seine Flüche und Verwünschungen. Als sie wieder über dem immer noch
kauernden Fremden stand, rammte sie das Schwert in seine Kehle. Das Blut spritze in alle Richtungen und verschonte auch Laramea nicht. Ihre Augen weiteten sich wie von Wahn befallen, als sie wieder und immer wieder in die Kehle zustach, bis sein Gurgeln verstummte und der Boden unter ihm sich rot färbte. Seine starren Augen blickten zu ihr hinauf, unfähig sie zu sehen. Der Fremde blieb regungslos liegen, selbst als sie ihn mit dem Fuss an stupste. Zitternd humpelte sie zur Kommode, aus dem sie den seidenen Bademantel herausfischte, denn Aurora ihr gezeigt hatte. Als sie sich zur Tür bewegte, erblickte sie die vor Angst erstarrte
Aurora. »Wie lange stehst du schon da?«, lief Laramea zu ihr, wollte ihren Arm um sie Legen, um sie zu trösten. Doch die Bedienstete zuckte zusammen und wich zurück. Ein greller Schrei verließ die Lippen der jungen Bediensteten. Ihr Verhalten kam Laramea einem Stich mit dem Schwert in ihr Herz gleich. Wenn wundert's, das die kleine verstört war? Schließlich hatte sie soeben mitangesehen, wie ein Mensch durch die Hand eines anderen starb. Und wenn die Mörderin denn Arm nach ihr ausstreckte, musste Aurora ja in Panik verfallen. Doch was hätte Laramea den tun sollen? Sich vergewaltigen lassen? Es ist besser so,
wie es war. Schließlich wollte sie nicht als irgend ein Gör angesehen werden, die sich nicht wehren konnte. Sie hatte nicht vor eine schlechtes Licht auf sich scheinen lassen. Schließlich war sie Gardistin. Und Gardisten waren nun mal die besten Krieger. Gepanzerte Stiefel schallten durch den Korridor. »Haltet ein!«, rief der langhaarige Wachmann, denn sie vom Eingang kannte. »Gut, dass ihr da seit«, kam Laramea auf die Gruppe bewaffneter Männer. »Halt, hab ich gesagt«, schnaubte der Wachmann sie an. »Da drinnen liegt ein Mann, der mich vergewaltigen wollte«, entgegnete Laramea. »Bullco, geh nachsehen«, forderte der
langhaarige Wachmann seinen glatzköpfigen Kumpanen an. Bullco verschwand für einen Augenblick im Badesaal. Als er wieder herauskam, schüttelte er den Kopf: »Da ist niemand. Nur eine große Lache.« »Was?«, riss Laramea ungläubig die Augen. »Das kann nicht sein.« »Du stehst ab sofort unter Arrest«, sagte Silvio streng.
Zum 2. Kapitel:
http://www.mystorys.de/b108923-Fantasy-und-Horror-Laramea-Wilde.htm
ArwenUndomiel Schöner Schreibstil und schöne Geschichte! |