Romane & Erzählungen
Zweites Leben - Teil 20

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"Zweites Leben - Teil 20"
Veröffentlicht am 07. März 2014, 38 Seiten
Kategorie Romane & Erzählungen
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Zweites Leben - Teil 20

Zweites Leben - Teil 20

20. Kapitel Das verlassene Fabrikgebäude „Ist für mich!“, rief ich und rannte die Treppe hinunter. „Morgen“, die Tür war noch nicht ganz offen, als ich schon losquasselte. „Hi“, Ronja klang ein wenig überrumpelt. Kein Wunder. „Gehen wir!“, befahl ich und zog meine Schuhe an. „Bis dann Elly. Ich bin dann zum Abendessen wieder da!“ „Ist gut, Kleines, dann viel Spaß!“ „Wo gehen wir hin?“, fragte ich sie zum dritten Mal. „Leo, ich will dir was zeigen und jetzt hör auf zu fragen!“, sie verschwand um

eine Ecke. Ich lief fast auf die Straße, kriegte aber noch schnell genug die Kurve. „Mach schon!“, befahl sie. Irgendwann blieb sie stehen und ich hatte total die Orientierung verloren. Wir standen vor einem riesigen Gebäude. Es war bestimmt ein altes Fabrikgebäude. Die Scheiben waren eingeschlagen, der Putz fiel staubig von der braunen Fassade. Bei jedem Windzug, der kam, raschelten die Blätter, die vor dem Gebäude auf dem Boden lagen. Unheimlichkeit und Spannung umhüllte diesen grauen und trüben Ort. Aus irgendeinem Grund, den ich mir nicht erklären konnte, wollte ich unbedingt in

dieses Gebäude hinein. Ronja ging, brach eine Stange aus dem morschen Zaun heraus und kletterte hindurch. Seufzend ging ich ihr nach. „Gehen wir da rein?“, fragte ich aufgeregt. „Was denkst du denn?“, fragte sie skeptisch. „Dass wir hier etwa spazieren gehen, oder was?“ „Nein, ich dachte vielleicht könnte das hier eine Abkürzung sein.“ „Vielleicht.“ Sie ging auf das mindestens fünfzehn Meter hohe Gebäude zu. Vor einer alten Stahltür, die vor lauter Rost einen roten Farbton angenommen hatte, blieb sie stehen. „Hast du zufällig eine Stoßstange

dabei?“ Ich sah mich forschend um. „Zufällig ja.“ Ich ging auf einen Stapel von Gerüststangen, die direkt neben dem Zaun lagen, zu. Eine davon, die ziemlich schwer war, hievte ich hoch. Ich rannte auf die schwere Tür zu. Mit einem Ruck sprang sie auf. „Wow“, mehr brachte Ronja nicht raus. Enttäuscht schaute ich mich um. „Hier ist doch gar nichts!“ „Das war mal ein Lagerhaus“, meinte sie. „Aber jetzt benutzen es die Freunde deines Bruders als Versteck.“ „Dachte ich mir schon!“ „Was?“ „Das Du mir, was von meinem Bruder

zeigst.“ „Aber nicht, was ich dir zeigen will“, sie ging in eine Ecke des großen Raumes. Der Raum war gar nicht mal so groß, wie er von außen erschien, auch gab es nur eine Etage. „Was gibt`s denn hier?“, irgendwie war es unheimlich hier. Das Licht, das durch die schmutzigen Fenster fiel, tauchte den Raum in einen unheimlichen Grauton. „Hier, hier wurde Frau Müller ermordet!“, stammelte sie. „Was?“, erschrak ich. „Ich dachte sie wäre in Berlin …“ „Das wurde sie auch, nur die Leiche wurde hier gefunden!“ Jetzt wurde es

noch unheimlicher hier. „Weiß Mandy davon?“, fragte ich. Mir standen die Tränen in den Augen. Aber woher wollte sie das wissen? „Ich dachte mir, dass du so reagierst. Elias meinte das auch. Er wollte nicht, dass du es weißt. Ich wollte es aber. Ich weiß es von meinen Großeltern. Sie haben noch alle Zeitungen seit 1930. Es tut mir leid, dass ich dir es nicht früher gesagt habe. Aber ich konnte ja nicht sicher sein, dass du es deiner Freundin sagst!“ „Warum darf sie es nicht wissen?“, schluchzte ich. „Ihr geht es am meisten an. Und warum haben ihre Großeltern es ihr nicht

gesagt?“ „Leo, ich bin nicht allwissend. Ich weiß nur von der Leiche hier. Und, dass Lars und seine Freunde oft hier sind und am Drachenfels.“ „Warte mal, wo?“, Drachenfels kam mir gekannt vor. Ich wusste ja von den Briefen Herr Müllers, dass es noch ein „Drachenauge“ gab. „Der Drachenfels ist ein ausgetrockneter Bach am Rand unseres Maisfeldes!“, erklärte sie. „Da war ich schon mal“, von der Höhle sagte ich besser nichts. „Ja, ich weiß. Du warst da mit Nikki, Iska und Lars.“ „Ja“, woher wusste sie das alles?

„Diese Iska ist ganz schön abgedreht!“, meinte sie. „Können wir erst mal hier raus gehen und dann über Lars´ tausendste Ex reden“, hier war es wirklich zu unheimlich. „Warte", sie grub in der Erde herum und holte einige Umschläge heraus und sie schaute mir dabei tief in die Augen. „Was glaubst du, was drin stand?“ „Keine Ahnung, es schien aber wichtig zu sein“, sie bohrte in meinen Gedanken. „Du kannst das auch?“, fragte ich ängstlich. „Was?“, erschrocken wich sie zurück. „Gedanken lesen!“, schrie

ich. Irgendwo weiter oben, flogen ein paar Vögel davon. „Du spinnst“, stellte sie fest. Ich nickte nur. Diesen Blick hatte Elias also von ihr. „Was ist denn noch hier?“, fragte ich. Ich wollte so schnell wie möglich hier heraus. „Hey, keine Panik, hier ist nichts!“, versicherte sie mir. Wahrscheinlich hatte sie die Angst in meinen Augen gesehen. „Hier hab ich noch was gefunden!“, sie ging auf einen stützenden Balken zu. Drei Schritte, große Schritte, ging sie weiter nach

rechts. Verwundert kniff ich die Auen zusammen und verfolgte jede ihrer Bewegungen. Plötzlich blieb sie stehen und sprang ein paar Mal auf der Stelle hoch und runter. Es gab ein dumpfes Geräusch von sich. „Hier ist es!“, meinte sie. Wieder schaufelte sie in dem sandigen Boden, der über den Fliesen lag. Eine Scherbe der Fliese wurde von ihr weggeworfen. Jetzt hielt sie triumphierend einen Schuhkarton hoch. „Tatarada!“, machte sie. Meine Augenbrauen wuchsen in die Höhe. Was sollte ich jetzt davon halten? „Was ist da drin?“, drängte ich

ungeduldig. „Wart´s ab!“, der Deckel war mit Tesafilm festgeklebt worden. Sie riss an dem gar nicht mehr klebenden Stoff. Mit ein wenig Gewalt schaffte sie es den Deckel abzunehmen, dabei fing sie unkontrolliert an zu husten. Der Staub hüllte sie in eine kleine graue Wolke ein. „Mann, ich war ewig nicht mehr hier“, meinte sie kleinlaut. „Komm mal her!“, forderte sie mich auf. Ich war viel zu neugierig, um nicht zu gehorchen. Also sah ich vorsichtig in die Schachtel, die auf ihrem Schoß lag. „Wow!“, entfuhr mir. Der Schuhkarton war voller Photos. Eine Kamera lag auch dabei. Ganz vorsichtig nahm ich die Kamera

heraus und betrachtete sie. „Wo hast du die her?“, verblüfft schaute ich sie an. „Äh, ich hab sie von.., ich hab sie gefunden“, anscheinend wollte sie mir nicht die Wahrheit sagen. Verständnislos starrte ich die Bilder an. Es waren Fotos vom Verbrechen an Nuni. Die meisten Bilder waren kaum zu erkennen. Sie wurden wahrscheinlich alle bei Nacht aufgenommen. Der Schein einer Taschenlampe war wohl viel zu schwach, um den leblosen Körper vollständig zu beleuchten. Man konnte nur erkennen, dass das kleine Mädchen ein weißes Nachthemd anhatte. Auf dem letzten Bild sah man ihr

Gesicht. Nur ganz kurz schaute ich mir dieses Bild an, dann legte ich alles wieder zurück in den Karton. Friedlich lag Nuni im Gras, als würde sie schlafen. Wenn man nicht wusste, dass sie ermordet worden war, dann … „Ronja, wo hast du die her?“, ich konnte mir nicht vorstellen, dass man es irgendwo gefunden hätte. Schuldbewusst schaute sie mich an. „Ich, ich, ich kann es nicht“, stotterte sie. „Was kannst du nicht?“, fragte ich wütend. Woher hatte sie die Bilder? Und hatte sie noch mehr solcher Funde gemacht? „Ronja, du musst es mir sagen! Nuni ist

meine Schwester“, na ja vielleicht Halbschwester. „Aber verpetz mich nicht!“, bettelte sie flehend. Ich legte eine Hand auf meine linke Brust und versprach es ihr. „Sag bitte nicht, dass Elias es auch weiß!", mit einem stechenden Blick, mit dem ich sie durchbohrte. „Nein, der weiß nichts von den Bilder…“, sie meinte es erst. Das versicherten ihre Augen mir. „Ich hab sie von …“, sie stockte. „Besser nichts sagen, sonst irritiere ich sie nur!“, dachte ich. „Hast du das gehört?“, fragte sie

ängstlich. Ich lauschte kurz, dann dachte ich, dass sie nur vom Thema ablenken wollte. „Nein, Ronja und jetzt raus mit der Sprache!“ „Ich hab sie vom Speicher“, gestand sie. Sie sprach es so schnell aus, dass ich erst nach einigen Sekunden Nachdenken auf die richtige Antwort kam. „Von Familie Müller?“ „Ja. Ich war auch da. Mit Lars, Iska und Nikki“, das fiel ihr gar nicht schwer, zu sagen. „Wissen die anderen?“ „Nein!“, unterbrach sie mich und hielt mir den Mund zu. „Hörst du das nicht?“,

sie flüsterte so leise, dass meine Ohren gegen das leise Rauschen der Blätter draußen, ankämpfen mussten. Gar nichts hatte ich gehört. Nur das Säuseln der Blätter im Wind. Man hörte auch, wie der Wind durch die kaputten Scheiben zog. Plötzlich wirbelte der ganze Staub auf. Der Sand und der Dreck, der auf dem Boden lag, flogen mir um die Ohren. Zum Schutz meiner Augen kniff ich sie zu und duckte mich so dicht es ging auf dem Boden. Auch Ronja presste sich an die alten Fliesen. Wir hörten Schritte, die schnell zum Ausgang liefen. Danach schlug die Tür zu und der Riegel fiel ins Schloss. Eine vertraute Stimme war zu

hören, dann war wieder alles still. Wer war das gewesen? Ich wusste nicht, zu wem diese Stimme gehörte. „Alles Okay bei dir?“, fragte Ronja und rappelte sich auf. „Ja, und bei dir?“ „Hab nur was Sand in den Augen“, sie klopfte ihre Strickjacke aus. Wir waren voller Sand, denn auch aus meinen Sachen regnete es Sand, als ich mich hinstellte. „Wo sind die Fotos?“, schrie sie fast. Ich schob den Sandhaufen, der sich um uns gebildet hatte beiseite. „Hier sind sie nicht!“ Sie ließ den Kopf in den Nacken fallen. „Wir wurden

beklaut.“ „Das waren bestimmt Lara und so!“, vermutete ich. „Nein, das waren nicht deine kleinen Freundinnen. Das waren Iska und ihre Gang“, jammerte sie. „Toll, der wichtigste Schatz ist weg. Diese Fotos waren bestimmt Gold wert!“ „Sag bloß, du hast sie nicht alle angesehen?“ „Nein, wie sollte ich denn? Den ganzen Tag waren die hier!“ „Und wie hast du den Schuhkarton hier versteckt?“, fragte ich aufgebracht. „Nachts“, ihre Stimme hatte einen seltsamen Unterton. „Warum hast du die Bilder überhaupt hier

versteckt?“, ihr Plan klang für mich unheimlich dumm. „Warum hast du den Karton nicht einfach unter dein Bett gestellt?“ „Unter meinem Bett?“, sie lachte. „Den hätte Ben doch sofort gefunden! Und dann hätte auch Elias ihn gesehen!“! „Wer ist Ben?“, fragte ich verwirrt. „Unser Hund!“ „Warum hier? Warum nicht auf dem Friedhof oder in eurem Vorgarten?“, mir wäre jeder andere Ort sicherer vorgekommen, als hier. „Glaubst du etwa, dass sie in ihrem eigenen Versteck ein feindliches Versteck vermutet hätten?“, sie klang sehr sicher und

selbstbewusst. „Okay, ist jetzt auch egal, wir müssen den Leuten folgen! Sofort“, meine Stimme wurde wieder lauter. „Und wie bitte? Die Tür ist zu!“, zickte sie. „Durch ein Fenster!“, schlug ich vor. „Durch ein Fenster? Schaffst Du das denn …“ „Lass das mal meine Sorge sein“, ich kletterte an einem Balken hoch, zu einem Fenster. „Gib mit mal die Stange da!“ Zögernd reichte sie mir die Eisenstange. Damit schlug ich das laut klirrende Fenster ein. Mit einem Satz stand ich draußen vor einer

Hecke. Ich rannte einmal um das Gebäude herum, riss die Stangen weg, welche die Tür verbarrikadierten und riss sie auf. „Wolá!“ Erstaunt kam sie auf mich zu. „Danke!“ Sonntag „Soll ich dir die Aufgabe noch mal erklären?“, fragte Elias besorgt, weil ich die Matheaufgabe immer noch nicht verstanden

hatte. „Nee, danke. Ich verhau die Arbeit eh!“, bedankte ich mich. Wir saßen auf einer Bank neben dem Biotop. Ich hatte mich von Elias hierher führen lassen, damit er mir diese schreckliche Aufgabe erklärte. Der Tag war verdorben genug, heute war Montag und unser Mathelehrer hatte seine Arbeit endlich fertiggestellt. „Also ich fand die Arbeit schrecklich!", jammerte Mandy in der nächsten Pause. „Ich auch!", versicherten Saskia, Phillip und ich ihr. Biologie hatten wir jetzt, darum machten wir uns auf den Weg ins Biotop. Unsere Biolehrerin wollte mit uns die Population der Fische in dem Teich herausfinden.- Fragt mich besser

nicht, was das heißen soll! Und wieder fängt eine neue Woche an. Leider haben wir in der Letzten, wieder nichts herausgefunden! Die Vorstellung war schrecklich, dass wir überhaupt nichts mehr herausfanden. Ich, wir wollten es unbedingt wissen. Es ging ja nicht nur um Nuni, sondern auch um die Müllers, also Mandys Eltern. Es ging um vieles mehr. Es ging um Ehre, Ruhm und Wissen. Nicht nur wir versuchten das Rätsel zu knacken, sondern auch mein Bruder, Saskias Schwester und noch viele andere. Bis jetzt waren wir diejenigen, die am meisten wussten, zum Beispiel, dass Herr

Müller sich viele Notizen gemacht hat. Aber das wussten auch Lars und seine Freunde. Auch Lara, Judith und Jill schienen nicht ganz unwissend zu sein. Es war mir eigentlich egal, wer das Rätsel knacken sollte, Hauptsache es wurde geknackt. Was mich aber am meisten aufregte, war, dass Ronja und ich am Samstag überfallen wurden. Und das die wichtigsten Beweise, des Mordes, möglichen Spuren jetzt verwischt wurden, zumindest für uns. „So Kinder, dann stellt euch doch bitte mal um den Teich herum. Nicht so Max, so, dass alle etwas sehen können“, schimpfte die junge

Lehrerin. Der arme Max ging einen Schritt zurück. Er war riesig. Mindestens zwei Köpfe größer als ich, und ich bin normal groß. Selbst Elias ist für Max ein Zwerg und der überholt mich schon um Längen. Jeder bekam einen kleinen Kescher in die Hand gedrückt. „Jeder fängt sich jetzt einen Fisch, steckt ihn vorsichtig in einem der Eimer und kommt dann zu mir. Wenn ihr die Aufgaben erledigt habt, die ihr bekommt und jeder einen Fisch in seinem Eier hat, habt ihr Schulschluss!“, erklärte sie und hielt sich schon mal die Ohren zu. Sofort ging das Gebrüll über diese gute

Nachricht los. „Frau Jakkutec?“, fragte Phillip kleinlaut. „Was ist denn noch?“, sie klang ein wenig genervt, kein Wunder bei der Klasse. „Ich hab schon einen Fisch. Könnte ich bitte meine Aufgaben haben?“, er klang so ungewohnt höflich. „Wo ist dein Fisch denn?“, Frau Jakkutec sah zu den leeren Eimern hinüber, die noch auf der Bank standen. „Hier!“, Phillip hielt seinen Kescher hoch. In seinem Netz strampelte ein kleiner brauner Fisch. „Phillip der braucht Wasser!“, meinte die Lehrerin und riss ihm das Netz aus

der Hand. Schneller, als man sehen konnte schmiss sie den kleinen Braunen samt seinem Gefängnis ins Wasser zurück. Jemand, der nicht wusste, dass ein sterbender Fisch in dem Netz war, musste unsere Biolehrerin für verrückt gehalten haben. Wie sie da schreiend auf den Teich zu gerannt war. Keiner sagte auch nur einen Mucks. Hochgespannt schauten alle zu dem Stück Stoff, der auf der Wasseroberfläche schwamm. „Lebt der noch?“, fragte Jill vorsichtig. „Phillip du Monster! Du Mörder!“, schrie Mandy ihn an. „Aber, aber“, versuchte Phillip sich zu wehren. „Fische atmen doch

auch!“ „Ja, aber durch ihre Kiemen“, wusste Elias es besser. „Leute, haltet doch mal die Klappe!“, mischte ich mich ein. Das Netz bewegte sich. Der Fisch versuchte zu entkommen. Ich bückte mich und streckte die Hand nach dem Kescher aus. Das Teichwasser, das meine Finger strich, kühlte angenehm bei dem warmen Wetter, denn wir hatten schon mindestens sechszehn Grad. Ich riss an dem Griff herum, bis ich den kleinen Fisch wegschwimmen sah. Jetzt war er wieder frei. In der nächsten Zeit würden wir aufpassen, dass Phillip sich vom Biotop

fernhielt. „Super, Leonie!“, meinte Frau Jakkutec. Alle Blicke waren auf mich gerichtet und jetzt wurde ich auch noch zum Musterschüler von ihr gekrönt. Hoffentlich zogen die Zicken mich nicht damit auf, dass ich jetzt auch noch der Liebling unserer Biolehrerin war. „Huch!“, Lara stolperte komischerweise nach vorne, traf Judith, die mit ihrem Knie gegen meinen Rücken stieß und so passierte es. Dieser Tag blieb für immer unvergessen. „Leonie Schmitz wurde von ihren Freunden, die ihr netterweise einige Handtücher besorgt hatten, von all den Algen befreit, die sich in ihren Haaren verfangen hatten!“, hörte ich den

neusten Tratsch der Schule jetzt schon. So saß ich, jetzt pitschnass mit Judith neben mir, auf dem Stuhl im Büro unseres Direktors. Und zum zehnten Mal erzählte unsere Biologielehrerin die Geschichte, dass es ein Unfall war. Dass ich den neuen Teppich im Sekretariat, in dem ich die Handtücher herbekommen hatte, nicht absichtlich mit grünem Schleim bedeckt hatte. Und das unsere Eltern nicht kommen mussten, sondern, dass Judith und ich ein paar Stunden beim Streitschlichter verbringen sollten. Bei diesem Gedanken schauerte es mir. Man munkelte an dieser Schule, dass wenn man einmal beim Streitschlichter gewesen war, man

für den Rest seines Lebens schlecht bei den Lehrern ankommt. Außerdem hatten Streitschlichter keine Schweigepflicht oder so was. „Bitte, Herr Houghton. Ich hab mit dem Theater angefangen!“, flehte Judith unseren Klassenlehrer an, dass er uns endlich zuhörte. „Es ist mir egal, wessen Schuld es ist, oder wer angefangen hat!“, schimpfte er. „Ich will nur, dass das Chaos wieder in Ordnung gebracht wird!“ „Das kriegen wir hin! Wir tun neues Wasser in den Teich. Wir holen die Algen raus!“, versprach sie. Als unser Klassenlehrer kurz zum Direktor sah, meinte sie noch: „Wir tun auch keinem

Fisch was!“ „Okay, Mädchen ihr wischt die Algenspur, die quer durch die Schule führt, weg. Der Teppich wird geschrubbt und der Teich gereinigt!“, verkündigte der Direktor streng. „Und unsere Eltern erfahren nichts davon?“, Judith klang sehr besorgt. „Natürlich nicht!“, sagte der Direktor und lächelte. „Das läuft einfach so über die Bühne!“ Judith atmete erleichtert auf. „Natürlich erfahren eure Eltern davon!“, brüllte er und griff nach dem Telefon. „Was?“, Judith stand auf. Sie schrie fast. „Setz dich hin, Liebes. Sag mal, wie du

heißt.“ Doch Judith schwieg und schaute ihn böse an. „Judith Höhne“, meinte unser Klassenlehrer. Der alte Mann tippte den Namen in den Laptop ein. Nach einigen Momenten, in denen nur das Rattern des alten Gerätes zu hören war, schaute der Direktor auf. „Judith Höhne, Frensken Straße 27. Hier steht, dass ich vormittags bei deiner Mutter auf dem Handy anrufen soll.“ Judith verzog den Mund. Er wählte lange, dann drückte er auf eine Taste, wahrscheinlich die Lautsprechertaste, danach legte er den Hörer auf den Tisch. „Piep, piep“, machte es. „Julia Höhne“,

sagte eine zarte Frauenstimme. „Ja, hallo, hier ist Herr Zerres, der Direktor ihrer Tochter.“ „Was hat Iska denn diesmal angestellt?“, seufzte die Frau gelangweilt. Iska war die Schwester von Judith?! Schön zu wissen! „Nein, nein. Es geht um ihre andere Tochter, Judith!“ Wir alle im Raum starrten auf den Hörer. Niemand traute sich zu blinzeln. Ich fror immer noch. Es war definitiv noch zu kalt zum Baden gewesen. „Judith?“, sie klang verblüfft. „Was ist denn passiert? Ist sie im Krankenhaus?“ „Nein. Sie hat eine Mitschülerin in den Schulteich

geschubst.“ „Was? Echt?“, lachte die Frau. „Was ist daran so lustig?“, fragte Herr Zerres, mit dem schiefen Schnurbart, ernst. „Ich dachte schon, es sei etwas passiert!“ Ich fing an zu kichern. Judith stimmte in mein unbeschwertes Lachen ein. Waren wir jetzt wieder Freunde? „Es ist was passiert! Der Boden ist versaut!“, entgegnete der Mann entsetzt. „Wofür bezahlen wir eine Putzfrau?“, fragte Frau Höhne frech. Noch bevor Herr Zerres irgendetwas sagen konnte, meinte die Frau: „Ich komm dann mal

vorbei.“ „Also, dann bestellen wir deine Mutter auch mal her!“, schlug Herr Houghton unheimlich begeistert vor. „Mal sehen, wie sie reagiert.“ Frau Schmitz würde als Erstes an ihren vorlauten Sohn Niklas denken, der Direktor hasste Lars, dass wusste ich schon, bevor es mir jemand gesagt hatte.

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Stephi96

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