19. Kapitel Typisch Lars- und ich dachte, er hätte sich geändert Während der Chemiestunde dachte ich nur über das wichtigste Thema in meinem Kopf nach. Nuni. Sind das alles Zeichen gewesen? Das mit dem Buch und der Puppe? Hoffentlich nicht! Weshalb war Lars so anders geworden, seitdem ich wusste, was passiert ist? Was hat diese Iska damit zu tun? Und was will Paula jetzt von ihm? War sie nicht sauer auf Lars? Wie konnte sie das nur ihrer besten Freundin Ronja antun? Er hatte erst Letztes mit ihr Schluss
gemacht. Naja, nach Iska. „Paula hat Lars damals Ronja weggeschnappt, vielleicht will sie sich rächen!“, meinte Saskia als Antwort auf meine Frage, die ich ihr in der Zehnminutenpause gestellt hatte. Gedankenverloren starrte ich auf die schwarz- weißen Fliesen, über die meine Füße wie weg zu schweben schienen, so schnell bewegten sie sich. „Fin sagte, dass du deine Brüder nachher abholen sollst.“ „Ja, woher weißt du das?“, sie klang nicht wirklich überrascht darüber, dass sie ihre Brüder freitags abholen müsste. „Dein Vater, Fin, hat mich heute Morgen darum gebeten, es dir zu sagen!“, ich
stichelte nach, bei dem Wort: Fin. „Ist ja schon gut“, sie lächelte wieder, endlich. Der Tag war nicht leicht gewesen, vor allem nicht für sie. Und Ronja. „Wirst du eigentlich abgeholt?“, Saskia klang gelangweilt. „Keine Ahnung!“ „Ich hab keine Lust allein mit dem Bus fahren zu müssen!“, jammerte sie. „Wenn niemand an der Ecke steht, fahr ich mit dir!“, versprach ich ihr. Jetzt folgten noch die letzten unendlich zu scheinenden Physikstunden. Danach hatte ich endlich Zeit, Lars hinunter zu machen. „Leonie, Max, könntet ihr mal bitte
aufpassen!“, unser armer Physiklehrer war total überfordert mit der um diese Zeit, unruhigsten Klasse der Welt. Wir hatten bereits kurz vor vier, das bedeutete, dass wir nur noch einige Minuten Unterricht ertragen mussten. Um zehn nach vier Uhr wartete ich an der Ecke auf ein Auto, entweder das Silberne von Elly oder auf das große Schwarze von Marc. Ich rannte quer über den Schulhof zur Bushaltestelle, an der Saskia immer noch an die Bank gelehnt stand und auf den Bus wartete. „Na?“, fragte sie aufmunternd. „Na?“, fragte ich zurück. „Was ist los?“ „Ach nichts!“, sie grübelte kurz vor sich
hin, bevor sie antwortete. „Ich hab Paula und ihn gesehen! Ich dachte, sie hat es hinter sich!“ Ihr Gesichtsausdruck sagte viel mehr, als sie wahrscheinlich wollte. Erst dachte ich, dass sie sauer auf ihre Schwester sei, aber nachdem ich sie längere Zeit beobachtet hatte, viel mir auf, dass sie traurig war. War sie etwa wirklich in ihn verknallt? Na, das fehlte jetzt noch. „Ihr habt den Bus verpasst!“, oh, nein, nicht das noch. Lara und ihr Gefolge stolzierten auf uns zu. „Was wollt ihr denn?“, zischte Saskia so leise und kleinlaut, dass nur ich es hören konnte. Seit Nina weggezogen
war, war alles anders. Alles. Unsere Bande war schon längst vergessen und die Wahrheit war auch damit begraben. Jill hatte uns verraten, genau wie Nina. Mandy, Saskia, Elias und ich kämpften jetzt nur noch zusammen für die Gerechtigkeit in Sachen Nuni und Familie Müller Junior. „Hat eure Doofheit euch die Sprache verschlagen?“, spottete Jill. Genervt schaute Saskia zu mir, dann wieder zum Mülleimer. Ich wusste nicht, ob ich jetzt die Klappe halten oder uns verteidigen sollte. „Nein, tut mir leid, euch enttäuschen zu müssen, wir warten auf unsere Fahrgemeinschaft!“, zickte ich zurück.
Saskia schaute erleichtert auf und grinste mich an. „Na gut, diese Runde geht an euch, aber denkt nicht, wir wüssten nicht, was ihr so treibt!“, Judith kniff die Augen zu gefährlich aussehenden Schlitzen zusammen. Man merkte wirklich, wie sie in Angriffsstellung ging. „Ich muss die Jungs abholen!“, Saskia stupste mir nervös in die Seite. „Es kommt anscheinend kein Bus mehr.“ „Dann gehen wir halt zu Fuß. Du weißt hoffentlich, wo es lang geht!“ „Klar!“, wir flüsterten immer noch, damit diese Zicken unseren Plan nicht durchkreuzen konnten. „Bis dann!“, verabschiedete ich mich von
ihnen in dem zickigsten Ton, den ich drauf hatte. Wir marschierten eine breite Straße entlang, die schließlich vor einem Friedhof endete. „Wo sind wir?“, verwirrt schaute ich mich um. Hier war ich noch nie gewesen. „Wonach sieht´s denn aus?“, sie verdrehte die Augen. „Noch einmal rechts abbiegen, dann sind wir beim Rathaus, daneben ist dann auch der Kindergarten.“ Jetzt fand ich ein wenig die Orientierung wieder. „Hoffentlich hat die Kindergärtnerin die Zwei nicht einfach vor die Tür gesetzt!“, ich befürchtete schon das
Schlimmste. „Wie kommst du darauf?“, sie lachte laut los und hüpfte noch ein wenig schneller. Wo kam jetzt schon wieder ihre gute Laune her? „Wir sind doch nur eine Stunde zu spät!“, kicherte sie, als sie sich die Strafpredigt der Kindergärtnerin anhören musste. Mit einem Linienbus fuhren wir dann zu Saskia. Schon wieder erwartete uns eine böse Überraschung. „Wessen Schuhe sind das?“, fragte Saskia verwundert. Ich verdrehte die Augen. „Ich hab da so eine Ahnung, hoffen wir, dass ich mich irre!“, tuschelte
ich. „Hab ich´s mir doch gedacht!“, dachte ich, als wir ins Wohnzimmer kamen, in dem Lars auf dem Sofa saß. Er hatte Paula auf dem Schoß, sie schauten zusammen „Kein Ohr Küken“. „Was glotzt ihr so doof?“, fuhr sie uns an. „Tschuldige, ich wohne hier auch“, empört ging Saskia einen Schritt auf das Pärchen zu. „Die aber nicht“, fauchte Paula. „Und er auch nicht!“, wehrte sich Saskia hilflos. „Dann gehen wir mal lieber!“, schlug ich vor und setzte den jüngeren Zwilling
ab. „Was? Nein!“, meine Freundin wollte auf keinen Fall allein mit den beiden sein, da war ich mir ganz sicher. „Ich hab gesagt, dass wir jetzt besser gehen!“, ich ging zu meinem Bruder und versuchte ihn an seinem Arm hochzuziehen. Vergebens. „Komm jetzt! Ich muss mit dir reden!“, flüsterte ich und lief rot an. Es war etwas peinlich, denn er ließ sich nicht so leicht wegschieben, oder hochziehen, wie Elias. „Ist ja gut, du musst ja nicht gleich meine Jacke kaputtmachen“, er rappelte sich auf, dann gingen wir zusammen. „Tschüss!“, riefen die Henninger
Schwestern gleichzeitig. „Bis dann!“, winkte ich meiner Freundin aufmunternd nach. Lars war irgendwie anders als sonst, er war wieder normal. Er war wieder mein großer Bruder, endlich. „Was war denn eben mit dir los?“, wollte er auf dem Heimweg wissen. „Paula wollte mich loswerden, und allein wollte ich nicht nach Hause gehen. Einmal habe ich mich schon hier verlaufen!“, stammelte ich als Ausrede, aber sie war bestimmt auch wahr. „Okay“, er lächelte. „Das passt zu dir!“ „Sehr witzig“, ich fand dieses Thema alles andere als lustig. Aber ich lächelte, für
ihn. Mehr gab er nicht preis. Den Rest des Tages zwang mich Elly, Mathe zu lernen.