Romane & Erzählungen
Zweites Leben - Teil 18

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"Zweites Leben - Teil 18"
Veröffentlicht am 06. März 2014, 52 Seiten
Kategorie Romane & Erzählungen
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Zweites Leben - Teil 18

Zweites Leben - Teil 18

18. Kapitel Morgen ist aber Schule! – Ja und? Meine Pflegeeltern verstanden gar nichts mehr, deshalb schwiegen sie einfach. Elly streichelte beruhigend meinen Rücken, doch es half nichts. Irgendwann konnte ich das Seufzen unterdrücken und stoppte die Tränen. Erst, als Elly und Marc meinten, es wäre soweit wieder in Ordnung und verschwunden waren, ging ich zu Lars, der noch immer an der Tür lehnte. „Was ist?“, fragte er stirnrunzelnd. Die Angst verwandelte sich blitzschnell in Wut um. Kochend schüttelte ich den Kopf, ging auf ihn zu und schubste ihn

ein Stück weg. Ich hatte eigentlich nicht gedacht, dass er sich von mir wegschieben ließ, aber er weigerte sich zum Glück nicht. Jetzt stand er draußen im Flur und die Tür knallte vor seiner Nase zu. „Nicht an sie denken!“, flüsterte ich immer wieder. Ich kramte in meiner Tasche nach meinem Handy. Hier war es nicht. Ich immer, mit meiner Unordnung. Schließlich fand ich das schmale Handy in einer der tausend Hosen, die im Badezimmer auf dem Boden lagen. Ich tippte blitzschnell Elias´ Nummer ein. Auf den Fliesen war es unglaublich kalt, daher entschied ich mich lieber

aufzustehen und mich in meinen kuscheligen Sessel zu setzten. Beim Anblick meines Gesichtes ließ ich vor Schreck mein Handy fallen. „Aaah!“, schreckte ich zurück. Mein Kopf war von wuscheligen, lockigen, braunen Haaren umgeben. Meine Augen waren schon total rot. Von den dunkeln Augenringen und der Schminke sollte ich wohl besser nicht anfangen! Meine Hand griff aus Reflex nach der Bürste, die zur „Not“ auf dem Waschbeckenrand lag. „Hallo?“, fragte Elias leise. Ich drehte mich um und fühlte mich, wie auf frischer Tat ertappt. „Elias?“, verwundert schaute ich mich

um, sah aber niemanden. Auch vor der Badezimmertür war niemand. Das Handy! Ich schnappte es vom Boden auf und hielt es mir sofort ans Ohr. „Elias?“ „Leo! Was ist denn? Wo warst du gerade?“, fragte er schnell. „Lissy Doll, sie ist hier.“ „Wer?“ „Sie ist hier, in unserem Haus, direkt nebenan! Ich halt das nicht mehr aus, wir sehn uns dann bei Saskia!“, schrie ich in das kleine Gerät, das zwischen meinem Hals und meiner Schulter klemmte. Ich riss meine lange Umhängetasche vom Kleiderhaken und stopfte alles

Anziehbare, was ich in die Finger bekam, hinein. Meinen Schlafsack kramte ich unterm Bett hervor, auch er wurde in der großen Tasche, die jetzt immer dicker wurde, verstaut. Ich rannte in den Flur. Irgendwas hatte ich vergessen. Wieder drehte ich mich um und sah mich in meinem Zimmer um. Mein Blick schweifte vom Schrank zum Bett und wieder zurück. Ich dachte kurz nach, dann steuerte ich auf das Bett zu, griff unter mein Kopfkissen und riss mein Tagebuch hervor. Die Fotos meiner Eltern waren bereits zwischen ein paar T-Shirts verschwunden. Meine drei

Lieblingsbücher stopfte ich auch noch hinein. Das letzte Buch passte nicht mehr herein. Ich nahm es in die Hand und ließ es wieder fallen, als ich den Titel las. Nuni Was geschah hier? Ich rannte schon, als ich es überhaupt bemerkte. „Wo willst du hin?“, fragte Elly, als sie mich die Treppe hinunter rennen sah. „Zu Saskia, fährst du mich?“ „Marc!“ Sofort erhob er sich von der Couch und kam in den Flur. Ganz cool und ruhig

nahm er seine Jacke vom Haken und schlüpfte in seine Schuhe. Im Gegensatz zu ihm, hüpfte ich nervös hin und her. Ich hielt es hier nicht mehr aus, ich riss die Tür auf und rannte durch die Einfahrt auf Marcs Auto zu. „Saskias Vater ist wirklich nett“, meinte Marc, als wir im Auto saßen. Wie kam er jetzt darauf? Marc merkte sofort, was ich dachte und erklärte: „Er rief vor einer Minute an und fragte, ob du bei ihnen übernachten möchtest.“ „Und? Du hast es erlaubt?“, fragte ich skeptisch. „Warum, was denkst du?“, fragte er

verwundert. „War nicht Saskia am Apparat?“ „Nein, ihr Vater wollte, dass ihr euch noch mal trefft. Und weil du … ich dachte, es würde dir sicher nicht schaden, dich mal auszusprechen. Wir wollten nicht schon wieder mit deinem Therapeuten telefonieren.“ „Was? Ihr habt ihn schon mal angerufen?“, jetzt war ich wieder vollkommen aufgewühlt. „Ja, er meinte aber, dass du bereits selbstständiger bist als andere in deinem Alter. Und wir sollten dir mehr Freiraum lassen!“, er schaute kurz zu mir hinüber, um zu sehen, wie ich darauf reagierte. Ich nickte gedankenverloren.

Plötzlich musste ich wieder an die Krankenschwester denken, die am Anfang meines Endes, für mich da gewesen war. Ich hatte ihr versprochen, sie anzurufen, oder ihr wenigstens zu schreiben. Beides hatte ich vollkommen vergessen. Marc fuhr schnell durch eine Kurve und ich rutschte in meinem riesigen Ledersitz hin und her. „So, Endstation!“, Marc lächelte, als er Saskia an der Haustür sah. Sie sah beunruhigt aus. Sah sie etwa, was in mir vorging? „Was war los?“, fragte sie unauffällig bei unserer Umarmung. „Einiges!“, flüsterte ich

lauter. Marc winkte uns noch nach, als er sich wendete und die Straße entlang fuhr. Ich sah seine Hand durch das Rückfenster. Meine Freundin musterte mich gequält. „Raus mit der Sprache!“, seufzte sie besorgt. „Sie war da! Bei uns im Haus, in Lars´ Zimmer. Sie war da!“ „Wer?“ „Lissy Doll!“ Ihre Augen wurden mindestens doppelt so groß. „Lars ist der Einbrecher!“, meinte sie. „Vielleicht hat ihm auch jemand die Puppe untergeschoben!“, Elias kam mit

den Händen in den Jackentaschen um die Ecke. Er nahm vorsichtig meine Hand und umarmte mich zärtlich. Erleichtert atmete ich aus, jetzt hatte ich keine Angst mehr. Ich zog den Duft seiner Jacke ein und genoss den Augenblick, der wie immer von Saskia gestört wurde. „Leute, irgendjemand war dann bei euch im Haus.“ „Oder Iska hat sie mitgehen lassen!“, meinte ich dann, als Stille die Stimmung senkte. „Wir wissen es nicht, aber wir könnten es herausfinden!“, schlug Elias vor. „Und wie?“, Saskia trat nervös von

einem Bein auf das andere. Wahrscheinlich hoffte sie genauso wie ich, dass wir nicht mehr auf den Speicher mussten. Zwar war sie noch nie oben gewesen, aber das, was ich ihr erzählt hatte, hatte sie schon ziemlich nervös gemacht. „Wir stellen den Einbrechern eine Falle“, mit großen Augen schaute er von meinem Gesicht zu Saskia und wieder zurück. „Und wie stellst du dir das vor?“, fragte ich hoffnungslos. „Willst du Lissy Doll …“ „Nein, Leo, die Puppe lassen wir aus dem Spiel. Ich hatte eher gedacht, dass wir sie in einen Hinterhalt locken. Wir

könnten zum Beispiel behaupten, dass wir dem Täter auf die Schliche gekommen wären.“ „Glaubst du, er wäre so blöd und würde uns in die Falle laufen?“, fragte ich skeptisch. „Wenn wir es geschickt anstellen!“, er lächelte siegessicher. „Aber was ist, wenn er Komplizen mitbringt?“, Saskia schluckte. „Oder bewaffnet ist?“, auch mich überkam die Panik. „Wollt ihr den Mörder finden, oder nicht?“, fragte er sauer. Ich sah meiner Freundin unsicher in die Augen. „Hör auf damit!“, befahl sie

mir. „Womit?“, murmelte ich. Sie schaute verwundert zu Elias. „Du kaust an deinen Fingernägeln!“ „Oh“, tat ich das schon wieder? Manchmal machte ich das, ohne es zu wollen. Zum Glück passierte das immer nur dann, wenn ich ängstlich, nervös oder gepeinigt war. „Okay, ich überleg mir einen Plan, sag euch dann am Montag Bescheid. Und denkt dran, in der ersten Stunde haben wir Bio, wir sehn uns dann im Biotop!“, erinnerte er uns. Ich wette, ich hätte am Montagmorgen vor der verschlossenen Klassentür gestanden. Unser Biolehrer wollte mit uns die

Frösche am Schulteich zählen, untersuchen und pflegen. Hoffentlich mussten wir die kleinen Fröschchen nicht sezieren. „Was hatte die Puppe bei dir zu suchen?“, fragte Saskia mitten in der Nacht, als ich schweißgebadet aufgewacht war. Erst, als sich meine Augen an das grelle Licht ihrer Schreibtischlampe gewöhnt hatten, stieg ich aus der Hängematte, die über ihrem Sofa hing, und setzte mich neben sie auf das winzige Sofa. „Hab ich dich geweckt?“, ich übersprang ihre Frage einfach. „Ja, aber jetzt sag schon!“, drängte

sie. „Sie lag unter seinem Bett, erst als ich abhauen wollte, bemerkte ich sie. Lars schien nicht zu wissen, was mich erschreckt hatte. Ich bin mir aber nicht sicher, ob er unschuldig ist.“ „Du denkst, dass er die Puppe mitgenommen hat?“ „Vielleicht war es auch Iska.“ „Bestimmt!“ „Ich weiß nicht, sie ist auch aus dem Fester geschwungen. Die Puppe wäre aber kaputt gegangen, wenn sie auf die Wiese gefallen wäre.“ „Richtig.“ „Wooaah“, mir fielen die Augen zu. „Schlaf

gut!“ „Wir haben schon zwei Uhr, sollen wie nicht langsam gehen?“ „Wohin?“, fragte ich übermüdet. „Lars wollte sich doch mit Iska treffen, um halb drei. Weißt du das nicht mehr?“ „Wohin wollte er?“ „Iska, Nikki und Lars wollten sich doch im Park treffen. Das hat Phillip uns gestern nach deinem Stück gesagt.“ „Echt?“ „Ja, und jetzt komm.“ Wie ein Schlafwandler kroch ich mit ausgestreckten Armen hinter ihr her. Sie reichte mir meine Jacke vom Haken und reichte mir meine Schuhe. Gähnend knotete ich die Schnürsenkel zusammen.

„Sch“, zischte Saskia. „Ist ja gut“, flüsterte ich. Die Wohnungstür quietschte leise. Hoffentlich hatte ihre Schwester Paula, die mich vorhin schon wieder anzickte, uns nicht gehört. „Kommt Phillip auch?“, fragte ich schläfrig. „Nein, dafür hat der viel zu wenig Mumm!“, kicherte sie und schlug sich ehrenvoll auf ihre Brust. Ich verdrehte lachend die Augen. „Wärst du ohne mich gegangen?“, fragte ich nach einiger Zeit. Wir rannten durch verschiedene Straßen. Die Häuser sausten an uns

vorbei. „Ich wollte dich wecken, dich von der Hängematte schubsen, oder so“, gab sie zu. „Ach so, gut zu wissen!“, ich tat beleidigt. „Stopp, da vorne sind sie“, ihr Arm hinderte mich am Weiterlaufen. Sie zeigte auf den leeren Platz im Stadtpark. Auf den Bänken saßen Iska und Lars, Arm in Arm. Ein anderer Junge ging nervös hin und her. „Wer ist das?“, fragte ich. Seine hin und her Lauferei machte mich total nervös. Saskia schaute verwundert zu mir rüber. „Er ist Phillips Bruder!“ „Man, mit wem ist mein Bruder alles

befreundet?“ „Mit jedem!“, lächelte sie. „Saskia, du stehst doch nicht etwa auf ihn?“, fragte ich und wunderte mir über ihren komischen Tonfall. „Was, nein!“, sie drehte sich wieder von mir weg. Ich folgte ihrem seltsamen Blick in Richtung Lars. „Phillips Bruder heißt Nikki?“, stellte ich fragend fest. „Ja“, meinte sie. „Ist das nicht ein Mädchenname?“, meine Stimme wurde ungewöhnlich hoch. „Er heißt Nikolar .Er hasst diesen Namen, genau wie Lars. Deshalb hat er sich auch einen Spitznamen geben

lassen!“ „Was hält Phillip denn davon, dass sein Bruder mit Lars und Iska zusammenhängt?“, ich wollte wie immer mehr wissen. „Er findet es ziemlich bescheuert. Er meinte einmal zu mir, dass er leere Alkoholflaschen unter Nikkis Bett gefunden hat.“ „Sie trinken?“, fragte ich entsetzt. „Und rauchen!“ „Was?“, wollte ich losschreien, doch Saskia war schneller und hielt mir die Hand vor den Mund. „Sch!“, drohte sie. „Sie rauchen zum Glück nur Zigaretten.“ „Findest du das etwa

gut?“ „Na ja, besser als irgendein Gras.“ „Was in Zigaretten ist, war auch mal Gras!“, fügte ich hinzu. „Guck mal, es tut sich was.“ Wir schoben beide ein paar Äste beiseite, um besser sehen zu können. Wir hockten hinter einem Holunderbusch, der die Picknickparkseite von der Fußballwiese trennte. Schon längst hatte ich mich gehockt, anstatt so gebeugt wie meine Freundin zu stehen. Zwar hatte sie eine etwas bessere Übersicht auf das Geschehen als ich, aber mich würden sie schlechter entdecken. Erst entdeckte ich gar nicht, was Saskia mit, es tut sich etwas, gemeint hatte.

Doch als eine weitere Person in den Schein der Straßenlaterne trat, wusste ich, was sie meinte. Sie versammelten sich hier, Lars´ Gang. Die Person, die als Letztes gekommen war, erkannte ich sofort an der komischen Gangart und an seiner seltsamen hellen Stimme. Es war dieser Junge, der mit meinem Bruder, Iska und mir bei der Höhle im ausgetrockneten Bachbett gewesen war. Die Gruppe steckten die Köpfe zusammen und besprachen etwas. „Wir müssen näher ran!“, flüsterte ich so leise, dass Saskia es nicht mitbekam. Ich stupste sie an und zeigte zu dem anderen Gebüsch, dass noch näher an ihnen war.

Sie nickte und ging auf die Knie. Ich krabbelte voraus. Es hatte bestimmt lustig ausgesehen, wie wir todmüde hier herumgeschlichen sind, um Jugendliche zu belauschen. Es knackte laut, als ich mich in die Büsche warf. Iska war erschrocken aufgesprungen und hatte nach Lars´ Hand gegriffen. Nikki kam auf uns zu. Saskia hockte unbewegt vor dem kleinen Busch. Ich war schon versteckt. Gerade noch rechtzeitig hatte ich sie zu mir herein gezogen. „War nur ein Tier!“, versicherte Nikki seinen verunsicherten Freunden. „Wir müssen es loswerden, bevor Leonie

es findet“, meinte Lars. „Oder Phillip“, seufzte Nikki. „Wo sollen wir es verstecken?“, fragte Iska aufgeregt. „Irgendwo hier!“, meinte der Junge, dessen Name ich immer noch nicht kannte. „Warum das denn?“, Lars Stimme lag voller Angst und Ungewissheit. „Weil der Mörder es so wollte. Er hat auch all seine Sachen hier vergraben!“, antwortete der Junge. „Warum sollten wir es ihm nachmachen?“, fragte Iska genervt. „Ja, vielleicht stoßen wir auf ein Beweisstück von ihm und er bringt uns auch noch um!“, langsam bebte die

Stimme meines Bruders vor Angst. „Leute, wo wollt ihr den Brief denn verstecken?“, fragte der Junge sauer. „Im Wald findet ihn Kessel, der hat ja eh schon alles umgegraben und durchsucht. Selbst die Baumhäuser der Kleinen hat er zerstört. Er meinte, dass es ihm zusteht, das zu finden, was der Mörder zu seinem größten Spiel gemacht hat!“ Sie tuschelten noch etwas Unverständliches, bevor sie den Umschlag unter einer großen Eiche begruben. Doch erst als sie weggegangen waren, trauten wir uns, uns wieder zu bewegen. Minuten verstrichen, bevor wir

aus den Büschen kletterten. Unauffällig, so gut es eben ging, schlichen wir zu dem gut bedeckten Erdhaufen unter der Eiche. „Schnell, bevor sie wiederkommen!“, hauchte Saskia mir aufgeregt zu. „Was ist, soll ich etwa allein in der Erde rumbuddeln, oder hilfst du mir mal?“, fragte ich aufgeregt. „Mach du nur!“, denn sie ekelte sich vor dem feuchten Boden. Ich ertastete den weichen Umschlag. Das leere Loch schaufelte ich sofort wieder zu. Als ich fertig war, war nichts mehr von meinem „Diebstahl“ zu sehen. „Komm, wir hauen ab!“, schlug sie

vor. „Spinnst du?“, zischte ich. „Was soll das denn jetzt?“, fragte sie verwirrt. „Ich will wissen, was drin steht!“, flüsterte ich gespenstisch. Der Junge vorhin hatte von Nuni und dem Mörder geredet. Ich huschte zwischen den anderen Büschen auf die Straße zu. Unter einer Straßenlaterne blieb ich stehen und riss den Umschlag auf. Saskia hatte Schwierigkeiten mir zu folgen. Jetzt, da ich wieder richtig laufen konnte, überholte ich sie um

Längen. 19. März 1993 Georg Müller Zufällig hat eine Spaziergängerin Herr Kessel mit einem Hund im Wald gesehen, wie er etwas vergraben hat. Natürlich bin ich sofort die Strecke, die mir die Frau schilderte, abgegangen, fand aber nichts Auffälliges, was nach einem Erdhaufen aussah. Auch abseits der Pfade war nichts Auffälliges. 20. März 1993 Georg Müller Einen Tag später kam die Spaziergängerin (Frau Becker) wieder,

sie war am Morgen in eine leichte Grube getreten. Natürlich schaute sie nach, was hier versteckt wurde. Sie fand eine Truhe und brachte sie mir. Ein Schloss ist angebracht worden, leider braucht man den sechsstelligen Ziffercode. Anders als mit dem Pin kann ich das Schloss nicht öffnen. Das Schloss ist zu alt und zu verrostet, um es aufzubrechen. 21. März 1993 Georg Müller Ich war bei einem Schlosser, der mir auch nicht weiterhelfen konnte. Ich muss herausfinden, wer diese Schatulle, die anscheinend schon sehr alt

ist, vergraben, oder verschwinden lassen wollte. 22. März 1993 Georg Müller Die Schatulle scheint wertvoll zu sein. Heute versuchte mir ein Maskierter, sie aus der Hand zu reißen. Die Schatulle konnte ich retten, den Täter aber nicht entlarven. Ich werde sie an einem sicheren Ort verstecken. In der alten Höhle im Feld werde ich sie unter Umständen verstecken, falls das mit meinem anderen Platz nicht klappt. Vorerst werde ich sie aber am Drachenauge verstecken, dieser Ort

scheint vor neugierigen Augen sicher zu sein. Außerdem kennen nur wenige von ihm. „Hast du mitgelesen?“, fragte ich die völlig abwesend aussehende Saskia. „Ja, ja hab ich“, versicherte sie mir. „Ich hab nur echt keine Ahnung, was ein Drachenauge sein soll.“ „Ein gutes Versteck auf jeden Fall! Wo sollte das bloß sein?“ „Vielleicht wissen Mandys Großeltern ja Bescheid!“ „Bestimmt, die wohnen schon seit Jahrzehnten hier“, meinte sie überzeugt. „Komm, wir nehmen den Umschlag mit

den Briefen hier mit! Dann können wir ihn Mandy und Elias zeigen“, schlug ich vor. „Spinnst du? Dann ist die Clique deines Bruders doch gewarnt!“, stellte sie sauer fest. „Na gut, dann merk dir die Namen!“, ich hielt den letzten Zettel unter meine Nase: „Drachenauge und eine Fußgängerin mit einem Hund, die auch die Schatulle gefunden hat, ihr Name ist Becker.“ „Alles auf meiner Liste!“, kicherte sie. Wir hüpften wieder unter den Baum und vergruben den Umschlag wieder. Den meisten Dreck musste ich

schaufeln. Müde reckte ich mich in der Hängematte, und wie es für mich natürlich war, fiel ich hinaus. Mein Rücken knackte, als ich mich aufsetzte. Erschrocken rutschte ich zurück und knallte gegen Saskias Bett. Paula stand in der Tür und kicherte. „Trottel“, flüsterte sie, dass ich es aber noch hören konnte. Gepeinigt ließ ich den Kopf in den Nacken fallen. „Aua!“, sagte Saskia schläfrig. Sie drehte sich auf die andere Seite, gähnte kurz und schlief wieder

ein. „Morgen, Mädels!“, ihr Vater stand mit einem der Zwillinge auf dem Arm und mit dem anderen an der Hand in der offenen Zimmertür. „Der Bus zur Schule kommt in einer halben Stunde!“ „Danke Fin“, gähnte ich ihn mit einer Hand vor dem Mund an. „Seid ihr lange aufgeblieben?“, fragte er besorgt, aber gleichzeitig lachend. Sollte ich ihm wirklich die Wahrheit sagen? Nein, lieber nicht! „Nein, eigentlich nicht!“, kicherte ich. „Ich hab nur schlecht geschlafen!“ Das war gar nicht gelogen! „Na gut, dann weck sie mal. Sonst macht Paula das immer. Ich fahr dann

mal. Sag Saskia bitte, dass sie nach der Schule die Zwillinge abholen soll!“ „Mach ich.“ „Gut.“ Und schon war er durch die Tür. „Saskia! Wach auf!“, ich schüttelte an ihrem schweren Körper. „So kriegst du sie nicht wach!“, Paula stand schon wieder in der Tür und lachte mich aus. Jetzt reichte es mir: „Dann mach du es doch besser!“, forderte ich sie raus. „Na gut, dann geh mal beiseite!“, sie schubste mich auf Seite, dass ich wieder in die Hängematte fiel. Sie packte meine Freundin beim Handgelenk und warf sie aus dem Bett. Saskia stöhnte leiser, versank aber sofort

wieder im Reich der Träume. Paula schleifte sie hinter sich in Richtung Badezimmer her. Ich stand sofort auf, um meine Freundin nicht dieser Irren zu überlassen. Um sie zu retten, war es zu spät. Jetzt lag Saskia auf den kalten Fliesen. „Sieh zu und lerne“, befahl sie mir unfreundlich. Die Saskia in groß suchte in dem weißen Badezimmerschrank nach einem Wachlappen. Sie machte den Lappen nass und drückte ihn über Saskias Gesicht aus. Plötzlich zuckte Saskias Körper und sie wachte auf. Erschrocken schaute sie mich und ihre Schwester an. „Was ist denn los?“ Erst zögerte ich, ob ich

antworten sollte, dann gab ich es zu. „Deine Schwester hat mir nur gezeigt, wie man dich wecken muss.“ „Und warum liege ich im Badezimmer?“, fragte sie mit zusammengekniffenen Augen und schaute zu ihrer Schwester. „Weil ich das Parkett im Flur nicht nass machen wollte!“, redete Paula sich raus. „Kommt ihr jetzt frühstücken?“ „Geh du schon mal! Ich muss noch schnell duschen“, seufzte Saskia und merkte sofort, wie ungern ich mit ihrer Schwester allein war. „Du hast aber nur noch eine halbe Stunde.“ „Ich muss ja nur Duschen, keine Haare

waschen.“ Beleidigt schlich ich hinter Paula her in die Küche. Drei Cornflakes-Schüsseln standen auf dem Esstisch. „Setz dich!“, forderte sie mich unfreundlich auf. Ohne auch nur einen Mucks von mir zu geben, hockte ich mich neben sie. Schweigend schaufelten wir uns Müsli in die Schüsseln. Die Milch ließ sie über meinen Platz „daneben“ laufen. Immer noch mucksmäuschenstill wischte ich die kleine Pfütze auf. Ich kochte vor Wut. Sie kicherte, als ich mich hinsetzte. „Was ist denn jetzt schon wieder?“, rutschte es aus mir

raus. Verwundert schaute sie mich an, erst, als sie verstand, dass ich geantwortet und es ernst gemeint hatte, fing sie wieder an zu kichern. Genervt blitze ich sie an. „Schicker Schlafanzug!“, sie machte sich tatsächlich über meinen rosanen Tabaluga - Schlafanzug lustig! Langsam schaute ich an mir hinunter. Ich liebte diesen Schlafanzug. Er war ein Geschenk meiner Oma gewesen. Und jetzt machte sich die Schwester meiner besten Freundin über ihn lustig. Ich schaufelte mir ein Paar Löffel der Cornflakes rein, bevor ich in Saskias Zimmer verschwand. Ich kramte auf dem

Boden nach meinen Anziehsachen. Wir hatten nur noch zwanzig Minuten. Auch ich musste mich noch fertig machen. Haare kämmen, waschen … Aber wenn Paula dann das Bad blockierte. Mein Pulli war orange und ein bisschen weiß, die Farben passten gar nicht zu meiner Stimmung. Ich hatte Lust auf Schwarz oder grau gehabt. Es war herrlich warm draußen, als Saskia und ich über die Straße zum Bus rannten. Paula lief uns längst zwei Schritte voraus, als wir einstiegen, saß sie schon auf einem freien Platz. Saskia atmete erleichtert auf. „Sah aus, als würden wir den nicht mehr kriegen!“, keuchte

sie. „Verpasst du oft den Bus?“, ein Lachen lag auf meinem Gesicht. „Frag lieber, wie oft ich den Bus bekomme!“, schlug sie vor und versank ein wenig in ihrem Sitz. Erst verstand ich nicht, warum. Doch als der Bus hielt und ein Mädchen, das ich sehr gut kannte, einstieg, wusste ich, was mit ihr los war. Zwischen mir und Paula war der einzige freie Platz, auf den sich Ronja, die gerade eingestiegen war, setzten musste. „Morgen“, grüßte sie Paula. Man merkte, dass der Gruß nur an sie gerichtet war. „Schön, dass wir uns auch mal wieder

sehen!“, meinte Paula. „Wo warst du?“ „Weg!“, sie schaute kurz zu mir, dann wieder zu Paula. Ronjas hellbraune, fast orangene Haare leuchteten in der schwachen Morgensonne. Saskia schaute aus dem Fenster, um bloß nicht zu Ronja schauen zu müssen. Was hatte sie nur gegen Ronja. Ronja war eigentlich total nett, wie ihr Bruder. Sie war nur etwas sauer auf Lars, aber welches Mädchen war das nicht? Mir fiel nur eins ein, Iska. „Ist Elias krank?“, fragte ich Ronja. Er wäre doch auch hier eingestiegen. „Nein, er ist auf der Kommunion unserer Cousine“, sie sagte es sehr

höflich. Erleichtert atmete ich auf. „Was ist?“, fragte sie. „Ich dachte nur, du wärst noch sauer auf mich!“, meinte ich und schaute ihr in die großen Augen. „Warum sollte ich sauer auf dich sein? Das mit Lars haben wir doch schon geklärt!“ „Wir waren verabredet und ich hab´s vergessen!“, erinnerte ich sie. „Echt?“, sie grinste. „Oh, hab ich auch vergessen! Wann kannst du denn noch mal?“, sie wollte es anscheinend wieder gut machen. „Eigentlich kann ich nur …“, ich überlegte kurz, doch da unterbrach Paula

mich. „Du willst doch nicht im Ernst mit der rumhängen?“, fragte sie entsetzt und ignorierte mich einfach. So leicht ließ ich mich nicht abservieren! „Was hast du eigentlich gegen mich? Bist du auch noch sauer auf Lars?“, ich gab Paula, die mich mit großen grünen Augen anstarrte, keine Chance zu antworten. „Vielleicht hast du schon bemerkt, dass ich nichts für seine Ablauffrist bei Mädchen kann! Außerdem bin ich nicht mal mit ihm verwandt! Wir haben nichts gemeinsam. Er ist bloß mein Bruder, mein Zimmernachbar, ein Mitbewohner unseres Hauses. Eine Person in meinem

Leben. Genau wie du, genau wie Herr Miller“, ich wusste zwar nicht, wie ich auf unseren Chemielehrer, der auch Lars immer zur Sau machte, kam, aber egal. Ich war gerade warm gelaufen, jetzt bombardierte ich die, die mich immer unterdrückt, gedemütigt und ausgelacht hatte mit Feststellungen, die sie sich wirklich zu Herzen nehmen sollte! Sie wusste nicht, wie sie antworten sollte. „Ich komme dann morgen zu dir, um dich abzuholen!“, sagte Ronja mir im Vorbeigehen auf dem Schulhof. „Ich kann das nicht verstehen“, flüsterte Saskia den ganzen Weg von den Religionsräumen zur

Mensa. „Was verstehst du nicht?“, wollte ich wissen. Sie sagte das schon, seitdem wir aus dem Bus gestiegen waren. Ich wirkte also nicht wirklich interessiert. Wenn es wichtig gewesen wäre, hätte sie es mir sofort erzählt. Ich wirbelte mit meiner Hand vor ihrem Gesicht rum. „Saskia? Geht es dir gut?“, fragte ich zum hundertsten Mal. Sie starrte durch meine Hand hindurch, geradeaus. Ich zuckte mit den Schultern und folgte ihrem Blick. Auch ich verfiel in diese Starre, als ich meinen Bruder sah, mit einer neuen. „Da sind sie ja!“, rief Mandy. „Morgen“, grüßte sie freundlich,

nachdem sie auf uns zugehüpft war. Sie wurde von Phillip gefolgt. Er stellte sich auf Saskias freier Seite und starrte mit uns zu den Schülern, die sich alle um Lars und das Mädchen gestellt hatten. „Wer ist die?“, fragte Mandy lustlos. Sie kniff sie Augen zusammen und reckte sich ein wenig nach vorne, um besser sehen zu können. Aber sie sah nichts. „Leute, was ist denn so toll daran, dass Lars ne Neue hat?“, sie wunderte sich vor allem über meinen Gesichtsausdruck. „Na gut!“, sie schubste mich ein wenig zur Seite und stellte sich zwischen mich und Saskia. „Oh, mein, Gott!“, flüsterte sie.

Das war der Startschuss. Lars und Paula, die er an der Hand hielt, stolzierten über den kleinen Innenhof, direkt an uns vorbei. „Hallo!“, grüßte mein Bruder mich höflich. Ich nickte ihm zitternd zu. Was sollte das denn jetzt? War Paula nicht noch vor drei Stunden stocksauer auf mich gewesen, weil ich seine Schwester war? Es klingelte

…

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Stephi96

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