So ein Gerümpel, dachte Kathrin erschöpft. Sie waren gerade einmal eine halbe Stunde am Auspacken und schon verließ sie die Lust. Da waren ja nicht nur die Kartons, sondern auch Anthonys seltsamen „Kunstgegenstände“. „Wo soll diese Pappmascheefigur deiner Meinung nach stehen?“, fragte sie und versuchte, einen sachlichen Ton beizubehalten. „Dort drüben in die Ecke? Neben dieser Riesentopfpflanze?“ Oder wie wäre es, wenn wir sie einfach in den Müll werfen? Doch das würde sie niemals sagen. „Komm schon Anthony,
rede mit mir!“, rief sie. „Was sagst du, Kathy?“, fragte eine männliche Stimme aus dem Nebenzimmer. „Wo dieses Pappmascheemonster hingestellt werden soll“, rief Kathrin, eine Spur lauter als notwendig gewesen wäre. „Welches Pappmascheemonster?“, kam als Antwort. Kathrin seufzte ärgerlich. „Dieses riesige Ding aus Pappmaschee, das hier mitten im Zimmer steht! Was glaubst du denn, welches ich meine?“ Anthony steckte seinen Kopf aus der Tür des Nebenraumes. Seine nussbraunen Locken hüpften leicht als er
nachdenklich das Gesicht verzog. „Ach, das meinst du“, sagte er. Dann zuckte er die Schultern. „Stell es einfach irgendwo hin. Meinetwegen kannst du es auch wegwerfen. Du magst es doch sowieso nicht.“ Kathrin zuckte ertappt zusammen. „Ich stelle es also dort drüben hin, einverstanden?“, versuchte sie, ihre Scham zu überspielen. Er zuckte erneut mit den Schultern. „Mach, was du möchtest, Kathy. Solange du es soweit eingeräumt hast, dass wir heute Abend hier essen können...“ Kathrin strich sich eine Strähne ihres pechschwarzen, langen, glatten Haares aus dem Gesicht und streckte sich.
Endlich war ihr Wunsch in Erfüllung gegangen. Ihre eigene Wohnung. Auch wenn sie sie mit Anthony teilen musste, so war es doch der erste Schritt. „Nie wieder um zwölf zu Hause sein müssen“, flüsterte sie und lächelte glücklich. „Was sagst du, Kathy?“, rief Anthony aus dem Nebenzimmer. „Nichts“, rief Kathrin zurück und machte sich an den nächsten Karton. Sie stellte die Bücher darin,ausschließlich Anthonys Kochbücher – Sie selbst konnte nicht kochen – in das Regal, das Anthony vorhin zusammengeschraubt hatte. Die einzelnen Bücher wurden nach Alphabet geordnet. Anthony liebte seine Bücher und er liebte ordentliche
Bücherregale. Da Kathrin sich selbst auch in die Rubrik „ordentlicher Mensch“ einordnete, kamen die zwei sehr gut miteinander aus. Etwas vibrierte in Kathrins linker Hosentasche. Sie schob ihre Hand in die Tasche und holte ihr Handy heraus. „Ja?“, fragte sie, nachdem sie den Anruf angenommen hatte. „Wer ist da?“ Die Person am anderen Ende der Leitung hustete, bevor sie sprach. „Hallo Kathrin.“ Kathrin zuckte zusammen. „Brian“, sagte sie und ihre Stimme klang nüchtern. „Was willst du?“ Brian ließ ein Schnauben hören. „Ich wollte nur wissen, wie es dir geht.
Jetzt, wo diese tausend Kilometer zwischen uns liegen.“ Kathrin lachte. „Das ist nett von dir. Mir geht es gut. Wir sind gerade angekommen und packen unsere Sachen aus. Ich hätte niemals gedacht, dass das so stressig ist, aber ich überlebe das. Wie geht es dir, Brian?“ Brian machte ein undefinierbares Geräusch. „Wie soll es mir schon gehen. Alissa hat schon wieder versucht, mich zu einem Date zu überreden und die Leute hier sind genauso wie immer. Du kommst also klar? Wie geht es deinem neuen Freund? Er ist bestimmt schon ganz heiß auf Sex zwischen den
Umzugskisten, was?“ Die letzten Worte hatte Brian mit solcher Abscheu ausgesprochen, dass Kathrins gute Laune sofort in den Keller sank. „Er ist nicht mein Freund“, zischte sie wütend. „Was hast du für ein Problem mit Anthony, Brian?“ Brian tat unschuldig. „Ich habe kein Problem mit ihm, Kathrin. Er ist ein prima Kerl. Wenn er mir nicht meine Freundin ausgespannt hätte!“ Kathrin schüttelte den Kopf. „Du verstehst das nicht, nicht wahr?“ Sie seufzte traurig. „Immer, wenn du so etwas sagst, erinnert mich das daran, warum ich mit dir Schluss gemacht habe. Er ist doch nur
ein Freund von mir, Brian. Warum bist du immer gleich so verletzend?“ „Weil du mit ihm in einer Wohnung schläfst. Wenn es nur das ist.“ Kathrin schüttelte den Kopf. „Selbst wenn ich mit ihm Sex zwischen den Umzugskisten hätte, Brian, dann würdest du es nicht einmal erfahren, weil ich es dir nämlich nicht erzählen würde.“ mit diesen Worten beendete sie das Gespräch. Sekunden später vibrierte ihr Handy erneut. Kathrin seufzte und schaltete das Handy komplett aus. Dann machte sie sich an die restlichen Kartons. Während sie packte, kam Anthony herein. „War das Brian?“, fragte er. Kathrin nickte.
„mh-h“, sagte sie und packte weiter. Anthony grinste. „Was war das mit dem Sex zwischen den Umzugskartons?“, wollte er wissen. Kathrin verdrehte die Augen. „Nur so eine Schnapsidee von meinem Ex. Er meinte, wir zwei würden es wild zwischen den Kartons treiben oder so etwas in der Art...“ sie zuckte mit den Schultern. Anthony dachte kurz nach. „Und?“, fragte er. Sie blickte ihn verwirrt an. „Und was?“, fragte sie. Anthony grinste schelmisch. „Und hast du Bock darauf?“ Kathrin sah ihn kurz an, denn blickte sie
weg. „Nein“, sagte sie. „Darauf habe ich gerade überhaupt keine Lust.“ Anthony machte ein zustimmendes Geräusch. „Die Regale nebenan habe ich fertig gestellt. Ich gehe jetzt und schraube die Betten zusammen. Möchtest du gern deinen eigenen Raum oder soll ich die Betten in ein Zimmer stellen?“ Kathrin zuckte mit den Schultern. „Ist mir egal“, sagte sie. „Mach, was du für richtig erachtest.“ Anthony lächelte. „Das ist genau das, was ich hören wollte“, sagte er und grinste breit. „Danke für die Erlaubnis.“ Mit diesen Worten durchquerte er den Raum und
ging zum Raum, der bald ihr Schlafzimmer werden würde. Kathrin rief ihm noch ein wütendes „Anthony!“ nach, doch er war schon längst im Zimmer verschwunden und hatte die Tür hinter sich zufallen lassen. Kathrin packte gerade einen Karton mit Tassen aus, als ihr etwas aus der Jackentasche fiel. Sie blickte auf den Boden, wo ihre Schachtel Zigaretten lag. „Oh.“ Sie hob die Schachtel wieder auf, doch anstatt sie wegzupacken, drehte sie sie nachdenklich in der Hand hin und her. Sollte sie vielleicht eine Zigarette rauchen gehen? Aber eigentlich hatte sie noch so viele Kartons auszuräumen. Kathrin blickte zur Tür herüber, in die
Anthony gerade verschwunden war. Andererseits... Sie hatte jetzt schon so lange gearbeitet, da würde eine kleine Pause ja doch erlaubt sein. Schließlich arbeitete sie hier nicht für Geld, sondern nur für sich und Anthony. Kathrin stand noch ein paar Sekunden unschlüssig im Zimmer, in der einen Hand eine Tasse, die sie noch einräumen musste, in der anderen Hand die Packung Zigaretten. Dann fasste sie sich und stellte die Tasse in den Schrank zu den anderen. Sie musterte den halbvollen Karton noch einmal nachdenklich. Dann verließ sie den Raum durch die Tür gegenüber vom Schlafzimmer. Sie kam in den Flur, der im Moment noch voller Kartons stand
und ansonsten überhaupt nichts aufwies. Kathrin holte sich ihre Jacke, die sie über einen der Kartons geworfen hatte, als sie heute morgen hier angekommen waren. Schnell zog sie sie über, auch wenn der dünne Stoff kaum eine Veränderung bewirkte . Die Haustür fiel ins Schloss und Kathrin stand im Treppenhaus. Sie atmete den leicht muffigen Geruch ein, der davon zeugte, dass das Treppenhaus viel zu selten durchgelüftet wurde. Dennoch, es war ihr eigenes Heim. Es war nur eine Mietwohnung, aber sie war ziemlich groß und die beiden konnten sie sich leisten. Kathrin lächelte und stand einen Moment lang an der Haustür gelehnt,
dann lief sie die Stufen herunter. Das Haus hatte keinen Fahrstuhl und Anthony und sie lebten im dritten Stock. Das bedeutete, dass die Möbelpacker ihre Kartons drei Treppen mit exakt 22 Stufen hinauftragen mussten. Anthony hatte ihnen dabei geholfen, doch Kathrin hatte mehr oder weniger daneben gestanden und zugesehen. Anthony konnte es nicht sehen, wenn eine Frau zu schwer trug und hatte ihr verboten, ihnen zu helfen. Kathrin gab es nicht zu, aber sie war nicht unglücklich darüber. Sie erwartete allerdings, dass Anthony am Abend jammernd zusammenbrechen und sie fragen würde, ob sie ihn massieren könne. Dabei war sie sich
noch nicht sicher, ob sie dem zustimmen würde. Aber er hatte schließlich so schwer gearbeitet... Langsam war sie auf der letzten Treppe angekommen. Im ganzen Haus herrschte Rauchverbot und obwohl man es sicher nicht bemerken würde, wenn Kathrin in ihrer neuen Wohnung rauchen würde, konnte sie nicht. Anthony war überzeugter Nichtraucher. Nach seiner ersten Zigarette hatte er sich die Lunge aus dem Leib gehustet und seitdem ... Kathrin konnte nicht in ihrer Wohnung rauchen und so ihn wieder an diese Situation erinnern. Außerdem hatte sie momentan auch keine Lust auf Streit. Kathrin öffnete die große Glastür und
trat ins Freie. Die Großstadt war selbst jetzt, kurz vor Mittag, in regem Aufruhr. Sie schloss die Augen und lauschte den Autos, die in einer unglaublichen Geschwindigkeit um die Ecken rasten, als gäbe es kein Morgen. Hier und da zwitscherte doch tatsächlich ein Vogel, das ganze wurde von lautem Stimmengewirr unterstrichen und malerisch vom Wind begleitet, der zwischen den Hochhäusern hin und her geworfen wurde. Sie öffnete erst die Augen, dann die Zigarettenpackung, die sie immer noch in der Hand hatte und holte sich eine Zigarette heraus. Während sie in ihrer Jackentasche noch nach einem Feuerzeug suchte, hörte sie
eine Stimme neben ihr. „Brauchen Sie Feuer?“ Kathrin zuckte zusammen und blickte zu dem Mann, der neben ihr stand. „Ich... das wäre sehr nett, ja“, sagte sie ein wenig überrumpelt. Der Mann musterte sie mit seinen grünen Augen nachdenklich. „Wie alt sind Sie eigentlich?“, fragte er. „Wollen Sie sich ihr Leben schon zerstören, indem Sie jetzt rauchen?“ Kathrin sah ihn an, ihre Augen wurden schmal. „Was wollen Sie?“, fragte sie ihn. Der junge Mann lachte, aber das Lachen klang so unecht, dass es Kathrin unwohl wurde. „Ich wollte Ihnen nur Feuer
geben“, erwiderte er und zog ein Feuerzeug aus der Tasche. Er hielt es Kathrin hin. Sie beobachtete den Mann noch eine Weile nachdenklich, doch dann nahm sie das Feuerzeug an und entzündete ihre Zigarette. Sie nahm einen Zug und atmete den Rauch ein, bevor sie ihn wieder ausstieß. „Das habe ich gebraucht“, sagte sie und lächelte glücklich. „Wirklich?“, fragte der Mann und musterte sie erneut. „Wie kann man so etwas brauchen, frage ich mich. Man braucht Luft und man braucht Nahrung. Vielleicht braucht man noch Kleidung. Aber warum braucht man Nikotin?“ Kathrin sah ihn an. „Wie meinen Sie
das?“, fragte sie. „Wenn man erst einmal mit dem Rauchen anfängt, wird es irgendwann zum Bedürfnis. Ich rauche schon etwas länger, jetzt brauche ich meine Zigarette mindestens einmal am Tag. Sonst fühle ich mich nicht wohl.“ Der Mann schüttelte den Kopf. „Nein, so ist das nicht“, sagte er. „Sie brauchen eine Zigarette, weil sie zu schwach sind, sich gegen diesen Konsum zu wehren. Denn die Wahrheit ist, dass Sie es nicht brauchen.“ Kathrin starrte den Mann an. „Was wissen Sie schon von mir!“, fauchte sie wütend. „Nichts wissen Sie! Sie können doch nicht einfach von mir behaupten, ich sei schwach!“ Er blickte ihr in die Augen, das Gesicht
ernst. „Sie irren“, sagte er. „Ich kann. Und es ist die Wahrheit. Es ist so sehr wahr wie Sie verkrampft versuchen, das Gegenteil zu behaupten.“ Kathrin erwiderte den Blick. „Ich weiß nicht, wer sie sind“, sagte sie leise. „Aber hier irren Sie . Ich behaupte nichts. Es ist so. Das ist eine Tatsache.“ Der Mann lächelte. „Was macht Sie so sicher? Was nennen Sie hier in diesem Fall ein „Bedürfnis“? Ist es nicht eher so, dass Sie nicht aufhören können, selbst wenn sie wollten?“ Kathrin wollte antworten, doch die Worte machten sie nachdenklich. Konnte sie selbst aufhören, wenn sie wollte?
„Ich kann aufhören“, sagte sie. „Ich möchte nur nicht.“ Der Mann nickte kurz. „Vielleicht noch im Moment. Doch in ein paar Jahren können Sie es nicht mehr, nicht einmal, wenn Sie wollen. Wie lange wird es wohl noch dauern, bis Sie nicht mehr die Kontrolle über ihre Bedürfnisse haben?“ Der Mann wandte den Blick von ihr ab, er lehnte sich gegen die Hausmauer und blickte auf die vorbei rasenden Autos. „Wie verantwortungslos von ihnen“, sagte er. „Sie denken nicht einmal daran, dass es Leute geben könnte, die um sie trauern würden, wenn sie
sterben.“ Kathrin blickte ihn verständnislos an. „Bitte?“, fragte sie. Der Mann deutete mit dem Kopf zu den Autos. „Ich spreche über die Autofahrer. Sie fahren weit über der Richtgeschwindigkeit, dabei vergessen sie, dass hinter jeder Ecke etwas lauern könnte. Wie beispielsweise eine Baustelle.“ Der Mann seufzte. „Der Tod ist ihnen so nah wie sonst niemandem. Nicht einmal ein Krebskranker ist dem Tod so gefährlich nahe. Nur im Endstadium.“ Sein Blick glitt über den Boden, er schüttelte traurig den Kopf. „Hier läuft etwas schief“, sagte er. „Hier vergessen Menschen, dass sie Menschen
sind. Das sie sterben können. Wie kann man einfach vergessen, wie schmerzvoll es ist, zu sterben und alle zurückzulassen? Niemand stirbt allein. Man sagt zwar, dass jeder einsam stirbt, aber das ist nicht so. Jeder, der stirbt, nimmt die Liebe von denen mit, die ihm etwas bedeuten, die ihm immer zur Seite standen. Was auch geschah, niemand war in seinem Leben allein. Es gab immer irgendjemanden, der auch an die eigenen Ideale geglaubt hatte, der einen stark gemacht hat.“ Kathrin nickte. Sie konnte langsam nicht mehr folgen, doch sie versuchte, es zu überspielen. „Wie kann das alles einem bewusst sein, wenn man Auto fährt?“,
fragte sie. „Das ist doch nicht möglich!“ Der Mann nickte. „Ich weiß. Aber es sollte so sein. Es sollte möglich sein. Sie sollten sich dessen bewusst sein, denn jeder Autofahrer, der in dieser Stadt lebt, spielt mit seinem Leben Roulette. Und haben Sie jemals beim Roulette gewonnen und ein weiteres Leben dazubekommen?“ Der Mann schüttelte den Kopf. Er hatte ziemlich helle blonde Haare, die in der Sonne glitzerten. Seine grünen Augen hingegen... Kathrin hob verwundert die Augenbrauen. Seine grünen Augen waren so dunkel wie sie es noch nie gesehen hatte. Der Mann hatte Augenringe, als hätte er tausend Jahre
nicht geschlafen. Wieso war es ihr vorher noch nicht aufgefallen? Hatte sie ihn jetzt zum ersten Mal richtig angesehen? „Wie heißen Sie eigentlich, Miss?“, fragte der Mann sie urplötzlich. Kathrin hielt den Atem an. Wieso diese Frage? „Es tut mir ja aufrichtig leid“, sagte sie. „Aber ich verrate meinen Namen nicht an Fremde, die mich auf der Straße beim Rauchen ansprechen.“ Der Mann nickte. „Verstehe ich“, sagte er. Dann stahl sich ein Lächeln auf sein Gesicht. „Aber es ist erlaubt, wenn Fremde, die Sie einfach beim Rauchen angesprochen haben, sich mit ihrem Namen vorstellen?“
Kathrin runzelte die Stirn. „Ich denke schon“, sagte sie. „Aber ich würde nicht darauf spekulieren, dass ich diesen Namen dann auch behalte.“ Der Mann nickte. „Wenn Sie so weiter rauchen, dann werden Sie möglicherweise nicht sehr lange leben. Das ist nur ein gut gemeinter Rat, aber denken Sie bitte einmal darüber nach.“ Der Mann stieß sich von der Hauswand ab und sein Blick ruhte auf Kathrin. Sie nahm den letzten Zug von ihrer Zigarette, warf sie auf den Boden und trat sie aus. Dann hob sie sie wieder auf und warf den Stummel in einen Mülleimer, der ganz in der Nähe stand.
Der Mann stand daneben und beobachtete, was sie tat. „Sehr löblich“ sagte er, als sie wieder vor ihm stand. „Sie denken an ihre Umwelt, das ist zumindest ein guter Anfang.“ Er stand auf. „Wenn Sie mich jetzt entschuldigen, ich habe noch einen Besuch zu machen.“ Kathrin sah ihn an. „Wenn Sie mir die Frage gestatten: Wo machen Sie denn einen Besuch?“ Der Mann lächelte. „Ich besuche eine alte Dame. Sie liegt im sterben. Ich kenne sie eigentlich nicht, aber ein Freund von mir bat mich, sie zu besuchen und ihr von ihm etwas
auszurichten. Ich nehme ihr die Angst, damit sie ihren inneren Frieden finden kann.“ Kathrin nickte. „Dann ist ihr Freund ein Pfarrer oder etwas in der Art? Machen Sie auch das letzte Abendmahl mit ihr?“ Der junge Mann lachte. „Mein Freund... sagen wir, er ist etwas in der Art. Nein, das letzte Abendmahl wird wohl schon mit ihr durchgeführt worden sein. Ich gebe ihr nur meinen letzten Segen.“ Der Mann drehte sich um und wollte gehen, doch Kathrin hatte noch eine Frage. „Warten Sie“, rief sie. Der Mann drehte sich nach ihr um. „Ich habe wirklich keine Zeit mehr. Es war schön, Sie kennen zu lernen.
Vielleicht sehen Wir uns ja einmal wieder.“ Kathrin schüttelte den Kopf. „Es dauert nicht lange“, rief sie. „Aber Sie wollten mir doch Ihren Namen verraten!“ Der Mann nickte. „Ich heiße Joel Finnian. Vielleicht behalten Sie ihn ja doch.“ Kathrin blickte ihm nach. Als er an einem der hinteren Häuserblocks um eine Ecke bog und aus ihrem Sichtfelg verschwand, drehte sich um und ging zurück ins Gebäude. Es gab noch einige Kartons auszuräumen.
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