Biografien & Erinnerungen
Mausgeschichten

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"Die schonungslose Wahrheit über meine Einschulung. "
Veröffentlicht am 01. März 2014, 10 Seiten
Kategorie Biografien & Erinnerungen
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Über den Autor:

Ich habe schon immer gerne Geschichten erfunden. Noch bevor ich überhaupt schreiben konnte. Wann immer die Welt nicht so war, wie ich siie mir vorstellte, habe ich mich in eine Traumwelt geflüchtet, in dem ich Bücher las. Bücher sind, anders als Filme, vorgefertigte Geschichten, in denen immer noich Raum bleibt für die eigene Fantasie. Genau das hat mich schon immer an der Literatur fasziniert. Und ich hoffe, dass ich mit meinen Geschichten ...
Die schonungslose Wahrheit über meine Einschulung.

Mausgeschichten

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Ich wurde 1969 eingeschult. In dem Jahr, als der erste Mensch einen Schritt auf den Mond wagte, wagte ich den ersten Schritt in die Schule. Da ich vorher in keinem Kindergarten war und die Einschulung knappe zwei Monate nach meinem 6. Geburtstag stattfinden sollte, musste ich mich zuerst einem Eignungstest unterziehen. Es war damals durchaus nicht selten, dass Kinder im Vorschulalter nicht in den Kindergarten gingen. An viel aus diesem Test kann ich mich

nicht mehr erinnern. Ich musste Fragen beantworten, Bilder zuordnen und Farben erkennen. Aber eines weiß ich noch ganz genau. Ich musste ein Bild von meiner Familie malen. Ich bekam eine Unmenge von Buntstiften und ein riesiges Blatt Papier. Ichmalte alos meine Mutter, meinen Vater, meinen Bruder, meine Schwester und mich. Und zum Schluss noch meine Oma, die ich fast vergessen hätte. Als die Frau, die den Test durchführte das Bild sah, musste sie lachen. Ich wusste nicht, was jetzt so komisch an meiner Familie war. Doch die Frau sagte nur:lächelnd: „Da ist ein sehr schönes

Bild.“ Erst danach erfuhr ich von meinen Eltern, was sie so amüsiert hatte. Ich hatte meinem Vater eine Elvistolle verpasst. Seine Frisur war in echt natürlich damals nicht so extrem, wie die von Elvis Presley, doch im Ansatz ähnlich. Erst sehr viel später erfuhr ich dann auch, dass man mir eine sehr gute Auffassungs- und Beobachtungsgabe bescheinigt hatte. Ich kam also in die Schule und hatte schreckliche Angst davor. Das war auch nicht gerade unbegründet. Mein Schwester und mein Bruder, beide älter als ich, gingen ja bereits zur Schule. Wenn sie nach Hause kamen, waren erst mal Hausaufgaben angesagt. Nix mehr mit

Leben, frei wie der Wind. Und von den Erwachsenen wurde die Schule auch eher als Drohung benutzt. „Wart nur, wenn du in die Schule kommst!“, war damals so was wie der Lieblingssatz, wenn man mal wieder nicht artig war. Kein einziges Kind, mit denen ich zum ersten mal das Klassenzimmer betrat war mir bekannt. Ich kannte ja nur die Kinder aus der Nachbarschaft. Und das einzige in meinem Alter, das mit mir eingeschult wurde, kam in die Parallelklasse. Natürlich waren meine Mutter und meine Oma dabei, doch die Erwachsenen wurden schon nach kurzer Zeit aus der Klasse geschickt. Wir waren allein mit Herrn Kunert. Ein etwas älterer Herr, den ich im Laufe der

Zeit sehr zu schätzen gelernt hatte. Er war so ein richtiger Großvatertyp. Wir schauten ihn also alle gebannt an, abwartend, was passieren würde. An den ersten Satz, als er mit uns alleine war, kann ich mich noch erinnern. „Habt ihr Tiere?“ Betretenes Schweigen. „Ich meine Haustiere.“ Einige meldeten sich zögerlich, Sagten, dass sie einen Hund hätten, oder eine Katze oder Hamster. Herr Kunert hörte sich das alles an und als wieder Schweigen herrschte, begann er zu erzählen. Er erzählte von seinen Katzen. Wie sie ihm Streiche spielten und was er sonst noch alles mit ihnen erlebte. Es waren lustige

Geschichten und so war das Eis gebrochen. Von dem Zeitpunkt an war er nicht nur unser Lehrer, sondern unser Freund. Es bürgerte sich nun so ein, dass er vor jedem Unterrichtsbeginn eine kleine Geschichte von seinen Katzen erzählte. Eines Tages, ich weiß nicht mehr wie und warum, kam ich auf die Idee und meldete mich. „Ich weiß eine Mausgeschichte“, verkündete ich. „Du hast eine Maus?“, wollte er wissen. „Nein“, antwortete ich. „Aber ich weiß eine Geschichte.“ „Auch gut“, sagte er. „Dann erzähl mal!“ Und so erzählte ich vor versammelter Klasse meine erste erfundene Mausgeschichte. Es wurde fast so etwas wie ein Ritual.

Natürlich fiel mir nicht täglich eine neue Geschichte ein, doch ich tat mein Bestes. Nun war es so, dass ich damals zu Anfang noch von meiner Oma zur Schule begleitet wurde. Es gab auf dem Schulweg eine ziemlich gefährliche Kreuzung, die zwar mit Ampeln versehen war, doch wir mussten das zuerst mal verinnerlichen, dass wir nur bei Grün gehen durften und dann aber auch noch schauen mussten, ob die Autos auch tatsächlich hielten. Eines Morgens kamen wir also an der Schule an ud einige meiner Klassenkameraden standen in einer kleinen Gruppe vor der Schule. Einer von ihnen kam auf mich zugelaufen und fragte, ob ich wieder mal eine Mausgeschichte erzähle.

Meine Oma fiel aus allen Wolken. „Er macht was?“, rief sie. „Herr Kunert erzählt von seinen Katzen und der Roland eine Mausgeschichte“, antwortete der Junge eingeschüchtert. Ich musste mir eine ordentliche Standpauke anhören. Was mir einfiele, überall herum zu erzählen, wir hätten Mäuse. Wir hatten keine Mäuse. Ich könnte doch nicht einfach Geschichten erfinden.Was sollten denn bloß die Leute denken. Herr Kunert stellte in einem der folgenden Elternabende klar, dass er nichts Schlimmes dabei fände, wenn Kinder ihrer Fantasie benutzten. Und meine Eltern

fanden das ganze auch nicht so schlimm, wie meine Oma. Jedenfalls, von diesem Zeitpunkt an habe ich keine Mausgeschichten mehr erzählt. Leider kann ich mich auch an keine einzige dieser Geschichten erinnern. Und ich hatte beschlossen ab diesem Zeitpunkt alleine zur Schule zu gehen. Ich wurde ein Stückchen erwachsener. Doch ich hatte beschlossen, dass ich tief in mir drin immer Kind bleiben werde. Und eines Tages würde es wieder erfundene Geschichten von mir geben.

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Hörbuch

Über den Autor

rolandreaders

Ich habe schon immer gerne Geschichten erfunden. Noch bevor ich überhaupt schreiben konnte. Wann immer die Welt nicht so war, wie ich siie mir vorstellte, habe ich mich in eine Traumwelt geflüchtet, in dem ich Bücher las.
Bücher sind, anders als Filme, vorgefertigte Geschichten, in denen immer noich Raum bleibt für die eigene Fantasie. Genau das hat mich schon immer an der Literatur fasziniert. Und ich hoffe, dass ich mit meinen Geschichten die Leser und Leserinnen auch ein bisschen aus ihrem Alltag holen und sie auf ein gemeinsam erlebtes Abenteuer entführen kann.
Denn der Leser, oder die Leserin sind auch immer ein Teil der Geschichte, die sie gerade lesen. Wenn auch nur als Beobachter.

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GertraudW 
Endlich lieber Roland wieder eine "Mausgeschichte",
ich habe sie sehr gerne wieder gelesen.
Und NIE vergessen: Ein großes Stück "Kind sein" in
Dir schlummern zu lassen.
Liebe Grüße ins Wochenende
Gertraud
Vor langer Zeit - Antworten
rolandreaders Hallo Gertraud.
Danke fürs Lesen und den Kommentar.
O.K. Ich werds nicht vergessen. :-)
L.G.Roland.
Vor langer Zeit - Antworten
baesta Ich musste meinem Sohn, als er noch klein war, immer selbst erfundene Geschichten von Wichteln erzählen. Das liebte er sehr und so war das ein Ritual beim Zubettgehen. Leider habe ich diese Geschichten nicht aufgeschrieben und sie auch recht schnell wieder vergessen.

Liebe Grüße
Bärbel
Vor langer Zeit - Antworten
rolandreaders Hallo Bärbel.
Danke fürs Lesen und den Kommentar,
Es ist doch schön, wenn man Kindern vorliest. Es ist so ein Gefühl der Geborgenheit, an das kein anderes Medium je herankommen könnte.
L.G.Roland.
Vor langer Zeit - Antworten
Sylke Lieber Roland.
Ich habe meiner Nichte sehr oft Geschichten erzählt, wenn ich sie abends ins Bett brachte. Sie sagte mir ein paar Sachen, die darin vorkommen sollten und ich erfand eine Geschichte. Meist handelten sie von Tieren. Warum ich das nicht bei meinen eigenen Kindern auch so gemacht habe, weiß ich nicht. Irgendwie hatte ich das Gefühl, ich hätte die Zeit nicht. Sie bekamen aber immer vorgelesen. Die Kleine denkt sich heute selber Geschichten aus, das freut mich.
Deine Mausgeschichten gefallen mir.
Einen schönen Sonntag wünscht Sylke
Vor langer Zeit - Antworten
rolandreaders Hallo Sylke.
Danke fürs Lesen, den Kommentar und die Coins.
Ja, es ist wichtig, Kindern ihre Fantasie zu lassen.
Und vielleicht ist deine Nichte irgendwann auch auf mystorys an zu treffen.
L.G.Roland.
Vor langer Zeit - Antworten
GertraudW Danke für diese Geschichte - wunderschön geschrieben - herrlich zu lesen.
Ja, wenn uns die Erwachsenen damals nur hätten machen lassen ...
Ich musste bis zu meinem 60sten Lebensjahr warten, bis ich mich getraute, meine Geschichten zu schreiben.
Bleibe bitte dabei und erfinde noch viele solcher "Mausgeschichten".
Liebe Grüße
Gertraud
Vor langer Zeit - Antworten
Gast Hallo Gertraud.
Danke fürs Lesen, den Kommentar und den Favo.
Tja, für einige war Geschichten erfinden und lügen ein und das selbe. Man las den Kindern zwar Grimms Märchen vor, doch das war es auch schon.
Aber, das reichte mir nicht. Ich woolte fremde Welten bereisen,Durch mystische Wälder spazieren, mit Waldfeen Gänseblümchentee trinken, auf fernen Planeten leben.
Durch unsere Fantasie könne wir das alles. Es gibt keine Grenzen in der Fantasie und man kann jeden mitnehmen auf diese Reise, der Freude daran hat.
Übrigens, "Mausgeschichten" ist das einzige zu 100% autobiographische Buch, das ich je online gestellt habe.
L.G.Roland.
Vor langer Zeit - Antworten
rolandreaders Sorry. Der " Gast" da oben, das bin ich. War wohl mal kurz ausgeloggt, weil ich an meinen Chromeinstellungen rumgeschraubt habe. :-)
L.G.Roland.
Vor langer Zeit - Antworten
GertraudW Ich habe überlegt, was zum Teufel sind "Chromeinstellungen"? Zuerst habe ich gedacht, es handelt sich - was weiß ich warum, - um ein Motorrad (hi, hi, hi), dann hat mir`s mein Mann erklärt. Wieder was gelernt. Danke für Deine Antwort und wie gesagt, solche "Mausgeschichten" lese ich immer wieder gerne.
Liebe Grüße und einen schönen (verregneten - bei uns zumindest), geruhsamen Sonntag
Gertraud
Vor langer Zeit - Antworten
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