Kurzgeschichte
Was Android und Rindfleisch verbindet

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"Was Android und Rindfleisch verbindet"
Veröffentlicht am 01. März 2014, 12 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
© Umschlag Bildmaterial: Sandra Cunningham - Fotolia.com
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

Ich wohne in der Oberlausitz und schreibe gern über meine schöne Heimat, schon seit der ersten Klasse. Ich liebe meine vier Kinder und bin sehr stolz auf sie. Nun sind sie in die Welt gezogen von Berlin bis Tokio, also besorgten wir, mein Mann und ich uns zwei neue Babies: Katze Nala und Hund Willy. Jeder von uns hält einen im Arm.
Was Android und Rindfleisch verbindet

Was Android und Rindfleisch verbindet

Nachdem PhanThomas so überzeugend seine Erfahrungen mit den Anfängen des Internets präsentierte habe ich mich, angeregt dadurch, entschlossen, in eine noch grauere Vorzeit abzutauchen, in der ich mit den Anfängen der Rechentechnik, die damals bei uns wahrlich noch in den Kinderschuhen steckte, konfrontiert wurde. Dies geschah Mitte der 70 er Jahre des vorigen Jahrhunderts, ist also fast vierzig Jahre her.








Was Android und Rindfleisch gemeinsam haben

Die Zukunft begann für mich immer donnerstags.

Auf dem Stundenplan meines Studienganges prangte in Großbuchstaben das Fach  E D V in der Übersetzung Elektronische Datenverarbeitung.

„Ich möchte Sie bitten, bei mir besonders gut aufzupassen“, röchelte der herzkranke Professor, „dies hier ist Ihre Zukunft:“

Seine leichenblasse Haut und die dunkelblauen Lippen verliehen ihm etwas Mystisches.

Wir wagten kaum zu atmen, um nicht Gefahr zu laufen, im vollbesetzten Hörsaal sein Kontingent an Sauerstoff so zu dezimieren, dass ihn durch unser egoistisches Verhalten augenblicklich der Schlag ereilt.

RATSCH, RATSCH, RATSCH nach mehreren Fehlversuchen gelang es ihm, das schon in die Jahre gekommene Modell eines Diaprojektors zu starten

und hübsche bunte Bildchen flimmerten an der Wand.

„Nun, meine Damen und Herren, hier sehen Sie die neueste Rechentechnik eines modernen Großbetriebes, gewissermaßen sein Gehirn!“

Stahlschränke mit bunten Lämpchen in Wohnzimmergröße, mehrere Zimmer voll gestellt wenn alle Gehirne wie große Blechkisten aussehen, kann`s mit dem Grips ja nicht weit her sein. Das war aber nur mein erster Eindruck als  EDV-Neubürger.

Sodann machte ich mich daran, meine eigene Perspektive durchzukalkulieren.

Meine Eltern hatten eine halbe Doppelhaushälfte geerbt, 54 qm Grundfläche, in der ich ein kleines, aber feines Zimmer bewohnte mit Bett, Schreibtisch, Sessel und einem gelben Riesen-Kachelofen, an dem ich mir winters so herrlich den Rücken wärmen und dabei Geschichten ausdenken konnte, sofern ich es geschafft hatte, das Monstrum anzufeuern, was nicht immer gelang. Und meine Mutter hatte kategorisch für sich bestimmt, für mich „faule Eule“ dies nicht mehr zu übernehmen.

Welcher der 3 verbleibenden Räume erwies sich dann als zukunftstauglich? Und vor allem würde ich die Oldies dazu

bringen, mit mir in die Zukunft zu gleiten? Fragen über Fragen, und jener Geist da vor würde sie mir wohl schwerlich beantworten.

Der malte soeben platt gedrückte Kringel an die Wandtafel.

„In die Olive schreiben wir ….“  Hä, is `n das?  „Was Griechisches, Sophokles, Antike…“, zischte mir meine beste Freundin Elke zu und pinselte freudig erregt Formeln in den Kringel. Sie war weltstädtisch veranlagt, da in Dresden beheimatet, sie musste es wissen.

Der leichenblasse Professor verband inzwischen die Oliven mit so genannten

Rauten. Wieder so ein mir unbekanntes Kleinlebewesen, vom eigentlichen Studienziel, der Produktion landwirtschaftlicher Nutztiere schien mir das meilenweit entfernt zu sein.

Das musste aber nichts weiter bedeuten, immerhin hatte der Herr Professor, welchem eigentlich die Pflicht oblag, uns über das Liebesleben der Rindviecher allumfassend  zu informieren, glaubhaft versichert, dass zur Jahrtausendwende die Menschheit sich hauptsächlich von Algen ernährt und Rumpsteaks dann aus gepressten Chlorellas bestehen, was ohnehin viel gesundheitsförderlicher sei als zähes Rindfleisch. Möglicherweise entkam er durch diese hingeworfene

These manch pikantem Detail, das sich aus der KB, sprich künstlichen Besamung ergeben hätte.

Bei so viel grünen Zukunftsaussichten schien es ohnehin ratsam, abzuwägen, ob man auf das Steak oder lieber die Prüfung verzichtete.

Die Reihe der an der Tafel aufgeschnürten Zeichen wurde lang und länger, zwischendurch regnete es noch gelbe Lochkarten zu Anschauungszwecken, und als ich mit gequältem Gesicht die etwa 10. Olive vom Baum der Erkenntnis pflückte, japste der EDV-Professor seine letzten Atemzüge für diese Vorlesung: „Nun,

meine Damen und Herren, was denkt sich der Rechner jetzt?“

Kraftlos fiel ich vornüber auf die Bank.

Der Blick in die Zukunft war alles andere als einfach, die Umbauten für die Blechkästen noch nicht durchkalkuliert und jetzt noch Gedankenlesen? Das überstieg mein derzeitiges cerebrales Fassungsvermögen. Ich klappte den Hefter zu und beschloss, in der Jetztzeit zu verweilen. Sollen doch die anderen in die Zukunft gehen!

Nachtrag: Meinen ersten Computer der Neuzeit bekam ich 1992, ich hatte die

andere Doppelhaushälfte mit 54 qm geerbt, und das Blechteil passte zu meiner Freude unter den Wohnzimmertisch.

Trotz mancher Bemühungen, ganz Schritt gehalten mit der neuesten Computertechnik habe ich nicht, und wenn meine Tochter Karla mir freudestrahlend von Android, neusten Apps und davon erzählt, wie toll es war, als in Tokio die Badewanne zu ihr sagte: „Guten Tag; Kaara-San, dein Badewasser ist bereitet, die Temperatur beträgt 38 Grad, ich wünsche dir viel Freude“, dann freue ich mich, dass meine grüne Acrylwanne so ruhig und bequem ist und

die Temperatur messe ich, wie es meine Oma mir gezeigt hat, mit dem Ellenbogen.

Aber das Gute an der Zukunft ist - mein Rumpsteak stammt immer noch  von einem echten Charolaiserind, dass in unserer Agrargenossenschaft aufwächst.

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Albatros99
Ich wohne in der Oberlausitz und schreibe gern über meine schöne Heimat, schon seit der ersten Klasse.
Ich liebe meine vier Kinder und bin sehr stolz auf sie.
Nun sind sie in die Welt gezogen von Berlin bis Tokio, also besorgten wir, mein Mann und ich uns zwei neue Babies: Katze Nala und Hund Willy. Jeder von uns hält einen im Arm.

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PhanThomas Du meine Fresse, was was das denn für EDV-Unterricht? :-D Gut, dass die Computer halbe Wandschränke waren (oder ganze), das weiß ich ja auch, aber der Dozent muss recht schrullig gewesen sein. ;-) Ich bin glücklicherweise in eine Zeit hineingeboren, in der Bildschirme schon Farbe hatten, als ich alt genug war, Computer überhaupt zu benutzen. Andernfalls würde ich heute beruflich vermutlich was ganz anderes machen. Was allerdings auch nicht das Schlechteste gewesen wäre, wenn ich genauer drüber nachdenke ... Schöne Geschichte jedenfalls. :-)

Liebe Grüße
Thomas
Vor langer Zeit - Antworten
pekaberlin Jenau!
Bei meinem Studium (in der Oberlausitz) hieß das "Automatisierte Truppenführung". Was haben wir Lochstreifen gestanzt! Eine "Null" vergessen oder auch eine "Eins" und der Schuss ging in die Hose!
Und Heute? Funktioniert das auch nicht mit dem "Hight tec Krieg".
Kommt immer was anderes raus als programmiert war.
Naja, die "Nullen" sitzen eben auch Heute an den falschen Stellen. Und die "Einsen"? ... gibt's die noch?
Hübsche Geschichte! Gut geschrieben!
Übrigens: Bald werden unsere Computer unsere Gedanken lesen (auch die dahinter) und alles aufschreiben ... also kein Platz mehr für Ironie und Humor ...
Liebe Grüße Peter
Vor langer Zeit - Antworten
Albatros99 Du malst ja noch gruseligere Inszenarien. Da wär ich ja lieber wirklich in der Vergangenheit geblieben (wie beamt man sich da hin?) Aber vielleicht ist es auch besser und macht mehr Spaß, wenn wir die ollen Kamellen wieder hervor holen, um drüber zu lachen, da fallen uns doch jede Menge ein, was? Liebe Grüße und danke Christine
Vor langer Zeit - Antworten
Brubeckfan Hübsche Erinnerungen! Ja, mit einem PAP kann man locker paar Tapetenrollen bemalen, und doch läuft das fertige Programm dann ganz anders. Und Prognosen sind immer riskant, wenn sie von der Zukunft reden ;o)
Schmunzelnde Grüße,
Gerd-San
Vor langer Zeit - Antworten
FLEURdelaCOEUR 
Auch ich habe geschmunzelt über deine Geschichte, vieles kommt mir doch sehr bekannt vor :-)
Bekam meinen ersten PC ebenfalls 1992, der Kasten stand im ehemaligen Kinderzimmer, das mein Sohn inzwischen verlassen hatte.
Auf ihm schrieb ich meine ersten Kurzgeschichten. An Gedichte war noch nicht zu denken ... Heute schreibe ich auf einem Laptop und habe noch ein Android-Tablet für unterwegs.
Meine Acrylbadewanne ist manhattengrau, vor 20 Jahren die Modefarbe im Sanitärbereich, doch sprechen kann sie bis heute noch nicht - glücklicherweise! ;-)))
Ja, und ich esse nach wie vor gern gutes Rindfleisch, gehöre nicht zur Sparte der Vegetarier und Veganer.

Liebe Grüße
fleur
Vor langer Zeit - Antworten
Albatros99 Danke, liebe Fleur, für deinen netten Kommentar. Hach, da kommen noch mehr Emotionen hoch, stimmt, manhattengrau gabs damals auch.
Ach, wie bist du weit in die Cyberwelt vorgedrungen, ich bin gespannt, ob mir auch mal jemand so was schenkt, hab nächste Woche Geburtstag. Aber ich will ja nicht unverschämt sein, und einen Papierblock mit spitzem Bleistift für unterwegs gibts immer . Danke und ganz lieben Gruß Christine
Vor langer Zeit - Antworten
baesta Du hast ja Assoziationen geschaffen zwischen Weiderind und Cyberwelt, über die man echt schmunzeln konnte. Ich finde auch, man sollte doch vieles in der alten Form belassen. Ich würde mich auch nicht gerne von meiner Badewanne bequatschen lassen.

Liebe Grüße
Bärbel
Vor langer Zeit - Antworten
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