„Hoffnung ist das, was am Ende vielleicht in Erfüllung geht. Man hält das Glück in seinen Händen und sperrt es ein. Und wenn man Pech hat, dann verwandelt sich diese Hoffnung in ein Seelen fressendes Monster. Für Einige gibt es daraus einen Ausweg. Für mich jedoch war nie ein Weg vorgesehen...“
-Mason Jennings-
Mein Körper war zwar noch geschwächt, aber die Kraft reichte aus, um aus dem Bett zu springen. Nathan reagierte nicht schnell genug, als ich ihn mitsamt dem
Stuhl nach hinten riss und wir unsanft auf dem Boden landeten.
In diesem Moment spürte ich einen heftigen Stich in meiner Schulter. Ich versuchte, den Schmerz auszublenden, was mir anfangs auch ganz gut gelang.
Wie gern hätte ich ihn einfach nur angebrüllt und gefragt wo er meinen Sohn hingebracht hatte, aber ich war nicht in der Lage dazu. Meine Wut überfiel mich mit einem Mal und ich sah einfach nur rot. Vielleicht verlor ich jetzt komplett die Kontrolle über mich.
Meine Hände legten sich inzwischen um Nathans Hals, aber der war nicht dumm. Er realisierte die Schwachstelle schnell und holte aus. Der Schlag traf mich
unerwartet, genauso wie die Schmerzwelle, die nun durch meinen Oberkörper wanderte. Ich ließ kurzzeitig von ihm ab und er nutzte meine Unachtsamkeit schamlos aus, in dem er mir ins Gesicht schlug. Zwar nur leicht, aber es reichte aus, um festzustellen, dass ich überhaupt keine Kraft mehr hatte, um diesen Kampf fortzuführen. Also gab ich auf und landete auf dem Rücken, genau neben Nathan.
„Ich kann dein Verhalten verstehen, Mason. Ich hätte das gleiche getan.“
Nathan rappelte sich schnell wieder auf und hockte nun neben mir. Ich brauchte noch ein paar Minuten, eh ich wieder auf zwei Beinen stehen konnte.
„Scheiße! Ich schwöre dir...“
„Es geht ihm gut!“ redete er sofort dazwischen.
Es war schwer zu glauben, dass Nathan meinen Sohn entführt hatte. Mein Albtraum glich einer Katastrophe. Wenn ich jemals daraus aufwachen sollte, dann blieben immer noch die verheerenden Folgen. Für mich war Tyler der einzige Grund, warum ich mir diesen Schwachsinn, der aus Nathans Mund kam anhörte.
Lina schien es überhaupt nicht interessiert zu haben, dass Tyler weg war. Doch plötzlich kam mir ein schrecklicher Gedanke.
„Hat Lina von Tylers Verschwinden gewusst? Ich meine, hat sie das vielleicht geplant?“ fragte ich Nathan.
„Ich vermute es, ja. Sie hat sich im letzten Jahr stark verändert, Mason. Ich weiß nicht, was in sie gefahren ist und warum sie dich so sehr hasst. Aber eines weiß ich ganz sicher. Es wäre ihr egal gewesen, wenn Tyler etwas zugestoßen wäre.
Vielleicht gibt es aber eine Sache, die ich richtig gemacht habe.“
„Hilf mir hoch!“ bat ich ihn und das ließ er sich nicht zweimal sagen.
Vorsichtig zog er mich nach oben und ich brauchte einen Moment, bis sich der
leichte Schwindel wieder legte. Meine Schulter brannte wie Feuer, aber ich hatte mich wieder ein wenig beruhigt.
„Was willst du denn damit sagen, Nathan? Du hast Tyler zu Dexter gebracht, nicht wahr? WO ist er?“
„Nein! Ich hab ihn nicht zu ihm gebracht.“
Und das war ein Wort, dass Erleichterung und Hoffnung in mir hervor rief. Aber warum agierte Nathan so? Dexter war immerhin sein Bruder.
„Ich versteh das alles nicht. Warum fällst du Dexter jetzt so in den Rücken. Ich will mich nicht darüber beklagen, okay, aber es ist merkwürdig.“
Nathan wirkte nachdenklich.
„Meine Ansichten haben sich geändert. Wenn das alles hier vorbei ist und du deinen Sohn wieder hast, dann werde ich verschwinden.
Dexter hat mich belogen, Mason. Er hat geschworen, dass er nichts mit dieser Vergewaltigung zu tun hat. Und das er euch nur eins auswischen wollte. Nie im Leben hab ich mit so einem Ausmaß an Kaltblütigkeit gerechnet.
Ich habe Jonathan verschont, weil ich wissen wollte, ob er die Wahrheit sagt. Also hab ich mir Zugang zu den Akten verschafft.
Ich denke, ich war enttäuscht. Und deswegen hab ich so getan, als ob ich
Dexter mit Tyler helfen würde. Ich versprach ihm den Jungen, aber er kam niemals bei ihm an.
Er ist unten in unserem Ferienhaus, nahe der Küste. Ich fahr dich sofort hin, wenn du möchtest!“
Ich empfand Mitleid mit Nathan. Er war ein guter Mann, dem Gerechtigkeit immer wichtig war. Dass ausgerechnet Dexter ihn so hinters Licht geführt hatte, ließ ihn mit Sicherheit zweifeln.
Es gab noch so viele Frage, die ich stellen wollte, aber Nathan war schon auf dem Weg zur Tür.
„Ich danke dir, Nate!“ sagte ich und das war mein voller Ernst.
Nathan blieb stehen und seine traurigen
Augen schauten mich an.
„An jedem von uns klebt Blut, Mason! An dem Einen mehr, an dem Anderen weniger!“
„Ja..., ja ich weiß“ sagte ich leise.
Ich entschied mich dafür, keine weiteren Fragen zu stellen, weil ich Nathan nicht noch mehr aufwühlen wollte. Irgendwie kam er mir so durcheinander vor. Er versuchte Dinge wieder gerade zu rücken, bei denen die Chance, dass es gut ausging, schon längst verblasste. Nathan selbst war nicht besser als Dexter. Er mordete genauso, nur schaffte er mehr Abschaum aus dieser Welt als diese verdammten Cops, die den lieben langen Tag nur Streife
fuhren.
„Bevor wir uns auf den Weg machen, sollten wir Jonathan und meinem Vater unten im Wohnzimmer einen Besuch abstatten. Damit dieses Chaos endlich ein Ende nimmt!“ Er atmete tief durch und ging als erster durch die Tür.
Ich konnte nicht sagen, was für ein Gefühl mich gerade umgab, aber eines wusste ich mit Sicherheit: Dexter war noch am Leben und das bedeutete, dass er keinen Versuch auslassen würde, sich zu rächen...