Anshale ist ein Mann auf der Suche nach seiner Vergangenheit. In einem Land, zerrissen von einem Religionskrieg zwischen der Numen-Kirche und den Geisterbeschwörern der Kal’ban bleibt ihm jedoch kaum Zeit, seine verlorenen Erinnerungen aufzuspüren. Lediglich Grauer ,der mysteriöse Anführer der Kal’ban, scheint etwas über ihn zu wissen. Als dieser ihn bittet , ihm dabei zu helfen , einige Gefangene zu befreien findet er sich plötzlich direkt zwischen den verfeindeten Fronten wieder. Und auf dem alles entscheidenden
Schlachtfeld von Ebenwald offenbart sich ihm schließlich eine Wahrheit, die ihn zur Entscheidung zwingt.
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Anshales Gedanken rasten, als er einen Hieb abwehrte, der seinem Bein gegolten hatte. Er hatte letztlich Recht behalten. In der Ferne konnte er sehen, wie sich einige Reiter aus der noch immer tobenden Schlacht lösten und sich auf den Weg machten, die Boten abzufangen. Wenn es gelang… Dann konnten sie vielleicht sogar auf einen Sieg hoffen. Nachdem er, Nevis und dessen Sturmgarde die Siedlung Ebenwalds und die ersten Felder hinter sich gelassen hatten, hatte es nicht lange gedauert, bis sie den etwa hundertfünfzig Mann
starken Trupp gepanzerter Soldaten bemerkten. Allerdings blieb ihnen auch nicht erspart, dabei selber entdeckt zu werden. Die flachen Ebenen rund um die Burg boten kaum Schutz. Nevis gab seinen Leuten den Befehl auszufächern, als sie ihre Gegner fast erreicht hatten. Im nächsten Moment krachten die Reihen der Bewaffneten auch schon ineinander. Anshale wehrte eine Lanze ab, mit der jemand nach ihm stach. Im gleichen Moment jagte ein Pfeil an seinem Kopf vorbei. Er konnte den Schützen versteckt hinter einer Wand aus Pikenträgern sehen, die sich dem Ansturm von Nevis Gardisten noch entgegenstellten. Auf eine Art
bewunderte Anshale die Inquisitoren für ihre Disziplin. Obwohl die Reiter ohne langsamer zu werden in die Reihen der Soldaten geritten waren und bestimmt ein dutzend sofort getötet hatten wurde niemand panisch. Stattdessen bildeten die schwer gepanzerten Krieger einen Kreis, den die Sturmgarde nicht durchbrechen konnte. Und der Tot jagte ihnen in Form von Pfeilen und Armbrustbolzen nach. Anshale konnte das Blut auf den weißen Uniformen von Nevis Garde erkennen. Und nur ein Teil davon stammte von ihren Gegnern. Immer wieder suchte er eine Lücke in der Formation zu finden, musste aber feststellen, dass es sinnlos war. Nevis
war offenbar zu dem gleichen Schluss gekommen. Auf ein Handzeichen hin zogen sich die Reiter von der Formation aus Soldaten zurück. Stattdessen war es nun der Erwählte allein, der keine hundert Schritte von den Soldaten entfernt wartete. Ein schwaches Lächeln lag auf seinen Lippen, als er die Hand hob. Winter, der sich die ganze Schlacht über dicht an der Seite des Herrn von Dralyn gehalten hatte löste sich in blauen Dunst auf, während Nevis weiter zu der langsam unruhig werdenden Phalanx herübersah. Ein Bogenschütze tauchte zwischen den Speerträgern auf und feuerte einen Pfeil direkt in Nevis Richtung. Dieser hob nur eine Hand und
das Projektil gefror mitten im Flug. Harmlos zerplatzte es am Brustpanzer des Mannes. ,, Ich biete euch an euch zu ergeben.“ , rief Nevis laut genug, das ihn alle verstehen mussten. ,, Tötet den Hexer.“ , war die Antwort und ein Dutzend weitere Böge, die gespannt wurden. ,, Dann sei es so.“ Anshale konnte nur entsetzt zusehen, wie Nevis seinem Pferd die Sporen gab, und direkt auf die Formation aus Soldaten zusetzte. Bevor er die Soldaten erreichte, flogen die ersten Pfeile. Einige verfehlten ihn knapp, aber drei fanden doch ihr Ziel und bohrten sich in den Körper seines
Pferds. Nevis sprang sofort aus dem Sattel, mittlerweile viel zu nah an den Reihen aus Bewaffneten, das ihn noch jemand aufhalten konnte. Mit einem Satz war er übe den Köpfen der Sperrträger hinweg und mitten unter den Bogenschützen. Ruhig richtete er sich auf, während diese ihn umstellten. Statt den Bögen hatten die meisten nun Kurzschwerter mit breiter Klinge gezogen. Ein wenig erinnerten sie Nevis an Schlachtmesser… Unelegante Waffen, die nicht für einen Klingentanz geeignet waren, dachte er. Die ersten drei Schützen griffen ihn fast zeitgleich an. Nevis wehrte die erste Klinge mit dem Degen ab, duckte sich
unter der zweiten Weck und stieß dem dritten Angreifer die Faust in die Brust. Der Schlag ließ den Mann in der Bewegung erstarren. Eis breitete sich von dem Treffer her aus und zog langsam das Leben und die Wärme aus dem Körper des Soldaten. Alles wich nun von dem Zauberer zurück. ,, Zu spät.“ , sagte er ruhig, ,, Ich habe euch die Gelegenheit zum Rückzug geboten.“ Mit diesen Worten wirbelte er herum. Sein Schwert beschrieb einen Kreis in der Luft, die sofort erstarrte. Ein scharfkantiger Ring aus Eis entstand, der ohne jede Stütze mitten in der Luft schwebte. Nevis setzte die Klinge ab und im nächsten Moment splitterte der
Kristalline Ring auf und raste in die Reihen der Inquisition. Keine Panzerung und keine noch so dicke Schicht aus Stahl hielten den magischen Projektilen stand. Sobald ein Eispfeil einen der Krieger trafen flogen sie einfach ungebremst weiter und durchtrennten dabei Knochen Haut und Stahl. Ale es endlich vorbei war standen neben Nevis nur noch ein halbes Dutzend Inquisitoren. Alle anderen waren verletzt, tot oder kurz davor. Anshale hatte dem Zerstörungswerk mit einer Mischung aus Faszination und entsetzen zugesehen. Unglaublich, dass ein einzelner Mann über eine solche Macht verfügen
sollte… ,, Sammeln.“ , befahl Nevis und die Reitergarde scharrte sich um ihn. Jemand brachte das Pferd eines gefallenen heran und der Erwählte schwang sich auf dessen Rücken. ,, Und jetzt ist die Hauptstreitmacht dran.“ , sagte er kalt. ,, Wenn euer Plan aufgeht Anshale, werden wir sie völlig unvorbereitet erwischen.“ Hauptmann Alexei beobachtete das Schlachtfeld. Nur knapp vierhundert Kämpfer stellten sich auf dieser Seite der Burg ihrem Ansturm entgegen. Aber das verbissen und Hartnäckig. Durch ein
Fernglas beobachtete er vom Waldrand aus die Schlacht. Sie hatten fast fünftausend Mann aufgeboten. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie siegten. Doch immer wieder flackerten Flammen zwischen den Reihen seiner Soldaten auf, die dutzende Kämpfer in einem einzigen Augenblick verschlangen. Irgendwo dort unten kämpfte ein Erwählter der Geisterbeschwörer. Vielleicht ja sogar der Wanderer selbst… Bei dem Gedanken packte ihn eine entfernte, abergläubische Furcht. Nein, die Numen würden sie schützen. Heute war ihr Tag… Hinter ihm in den Schatten der Bäume ruhten auf schweren Holzplattformen vier Kanonen. Kleine Blech-Deckel
schützten die Zündschnüre der Waffen vor dem niederprasselnden Regen. Sie hatten die Waffen bereits für einen ersten Angriff auf die Burg benutzt, aber solange ihre Soldaten dicht an dicht mit den Kalban kämpften konnten sie die schweren Geschütze nicht einsetzen Sie würden mehr Schaden anrichten als nützen. Wo bloß Anehlas steckte, fragte er sich. Er hatte den Großmeister bei Beginn der Kämpfe aus den Augen verloren. Aber Anehlas konnte sich selbst durchaus verteidigen. Viel mehr Sorgen machte ihm, das auch der Madrekai der sie geführt hatte verschwunden war. In einem wahren Gewaltakt war es ihnen
gelungen, innerhalb eines einzigen Tages mit alle Truppen hier anzukommen. Anfangs hatte Alexei sich noch Sorgen um den Zustand der Soldaten gemacht, aber der spielte bei der Übermacht kaum eine Rolle. Und wenn jetzt ihre Reservetruppen aus dem Hinterhalt auftauchten wäre das Schicksal der kleinen Kämpferschar im Tal unter ihm besiegelt, Wanderer hin oder her. Er hatte bereits vor einer halben Stunde einen Boten losgeschickt, der nachfragen sollte, was sie aufhielt. Er musste bald zurückkommen. Hufschläge bestätigten ihm schließlich seine Vermutung. Ein Mann näherte sich über die Felder fernab des eigentlichen
Schlachtfelds. Er trug die Kleidung eines Feldboten, lediglich ein weiß-blauer Umhang, der ihm über die Schultern fiel wich von der Uniform ab. Alexei nahm sich vor den Mann dafür später zu Tadeln. Es gab einen Grund für einheitliche Kleidung und Farben. Sie mussten einander doch erkennen können. Irgendwie machte ihn der Gedanke unruhig, als wäre ihm etwas entgangen… Bevor Alexei weiter darüber nachdenken konnte, war der Bote jedoch schon heran. ,, Nachricht vom zweiten Verband Herr.“ ,, Lasst hören.“ ,, Sie Rücken auf die Burg vor, sind jedoch dort auf Wiederstand gestoßen.
Nichts womit sie nicht fertig werden, trotzdem solltet ihr eure Truppen aufteilen.“ ,, Aufteilen hm ?“ , fragte er. ,, Ihr habt Anehlas nirgends gesehen oder ?“ Der Bote strich sich nervös durch die Haare. Sie waren Schweißnass. ,, Nein Herr.“ ,, Gut. Gebt Nachricht an den linken Flügel. Er soll aus sich aus dem Gefecht mit den Kal’ban zurückziehen und dem zweiten Verband zur Hilfe kommen.“ Der Bote nickte, dann gab er dem Pferd die Sporen und galoppierte davon. Jetzt mussten sie ihre Kräfte schon komplett anders aufteilen. Aber es war egal. Solange die Kal’ban keine Verstärkung
bekamen…. Er stutzte. Hinter der Burg im Zentrum es Tals war eine Schar weiß gekleideter Gestalten aufgetaucht. Alexei setzte sofort das Fernglas wieder ans Auge. Es waren wohl knapp fünfzig Reiter, die sich Rasch den Schlachtreihen näherten. Den Reihe aus denen grade der linke Flügel ausschwenkte und versuchte sich neu zu organisieren…. Oh verdammt…. Alexei hätte am liebsten eine Warnung geschrien, aber auf die Entfernung konnte ihn ohnehin niemand hören. Der erste weiße Reiter, ein Mann mit blondem Haar und Spitzbart hob nur den Arm, als er mitten zwischen die Reihen der Inquisition galoppierte. Um
ihn herum gingen die Männer Scharenweise nieder. Einige froren in der Bewegung ein, andere schafften noch ein paar Schritte…. Im Selben Moment flackerte in der Mitte des Schlachtfeldes erneut Feuer auf, das eine ganze Abteilung Inquisitoren verzehrte. Wie viele Magier hatten die verdammten Geisterrufer noch? Alexei hatte nicht vor, es herauszufinden. ,, Ladet die Kanonen, zielt auf die weißen Reiter.“ Anshale war euphorisch zumute, als er mit Nevis und den anderen durch die Reihen der Inquisition brach. Es konnte
klappen. Als er aufsah hatte Nevis sich schon weit abgesetzt, eine Spur aus gefrorenen Körpern hinter sich lassend. Sein Gesicht wirkte angespannt und ausgehärmt, als er schließlich anhielt um die Reiter zu sammeln. ,, Alles in Ordnung bei euch ?“ , wollte Anshale wissen, als er zu dem Erwählten aufschloss. ,, Geht schon.“ , sagte er und grinste breit. ,, Wir schaffen es. Ich hatte nicht damit gerechnet aber….“ Ein gewaltiger Schlag ließ ihn verstummen. Kurz pfiff etwas durch die Luft, bevor der Boden unter ihnen Weggerissen zu werden schien. Der ohnehin von tausenden Füßen
aufgewühlte Grund wurde hochgeschleudert, als ein einziges Geschoss mitten in die Reihen der Sturmgarde krachte. Nevis wurde aus dem Sattel geschleudert und auch Anehlas Pferd knickte ein, als Trümmer und Erde über ihnen niedergingen. Er schlug hart auf dem Boden auf und blieb einen Moment regungslos liegen. ,, Anshale, hoch mit euch.“ Hände zerrten ihn auf die Füße. Nevis. Um sie herum lagen gestalten in Weiß auf dem Boden. Anshale versuchte abzuschätzen, wie viele sie verloren hatten. Zwanzig ? Mehr ? Und das mit einem einzigen Angriff… Auf eine Art konnte er grade
verstehen, wie sich die Inquisition den Magiern der Kal’ban gegenüber fühlte. ,, Wir müssen da hoch.“ Nevis deutete auf den nahen, zu einem Hügel ansteigenden Waldrand. Auf hölzernen Gerüsten lagen dort mehrere Stahlrohre. Aber zwischen ihnen und diesen befanden sich praktisch keinerlei Gegner mehr. Anshale nickte. In seinen Ohren klingelte es. Und Nevis schien es kaum besser zu gehen. Er hinkte leicht, überspielte das aber mit einer seltsam anmutenden Eleganz. Anshale setzte sich schleppend in Bewegung und folgte der weiß gewandeten Gestalt den Weg zum Waldrand hinauf. Noch immer trieb
Rauch aus den Mündungen der großen Waffen, die dort warteten. Wer baute so etwas? Ein versprengter Inquisitor in halb zertrümmerter Rüstung stellte sich ihm in den Weg. Den dazugehörigen Helm hatte er offenbar ebenfalls verloren und die Haare standen ihm wirr vom Kopf ab. Kurz empfand Anshale Mitleid mit dem Mann. Dieser schwang jedoch einen Kriegshammer nach Anshale, der sich jedoch geschickt darunter hinwegduckte und dem Mann das Schwert in den Hals rammte. Am Waldrand schließlich standen ein gutes Dutzend Soldaten bei den Geschützen Wache. Söldner, keine der
gepanzerten Elite-Soldaten der Inquisition. Ein Mann, der die Abzeichen eines hochrangigen Offiziers trug brüllte Befehle, dass man die Waffen wieder einsatzbereit machen sollte. Einen Augenblick lang sah er nur verwirrt zu ihnen herüber. ,, Was zur… Anehlas ?“ , fragte er offenbar verwirrt. Anshale hielt inne. ,, Ich bin nicht….“ Nevis ließ ihm jedoch keine Zeit, auszusprechen oder dem Offizier Gelegenheit zu bieten, seinen Fehler zu erkennen. . Der Herr von Dralyn stürzte vor und schleuderte dabei drei Messer in die Reihen der Inquisitoren. Jede der Klingen fand ein Ziel. Die erste drang in
den Hals des Offiziers, der nur noch einige Schritte zurück taumelte, bevor er zusammenbrach. Die anderen beiden trafen zwei der Wachen in die Brust. Die anderen wichen vor dem Zorn des Erwählten zurück. Eis bildete sich in einem kleinen Umkreis um Nevis Füße, als er, die übrigen Söldner ignorierend, auf die Kanonen zutrat. Anshale folgte ihm mit Abstand und behielt dabei die überlebenden Soldaten im Blick. Unten im Tal wurde die Schlacht weiterhin mit gnadenloser Härte weitergeführt. Aber wenn er sich nicht irrte… Eine Flammenzunge neben ihm unterbrach alle Gedanken. Unten in den Reihen der Inquisitoren brach Panik aus, als eine
Kanonenkugel ihre Phalanx zerlegte. Dutzende in Stahl gekleideter Gestalten segelten durch die Luft. Sofort ergriffen die Kal’ban die Gelegenheit und preschten in die Lücke vor. ,, Was habt ihr getan ?“ , fragte Anshale. ,, Den Kampf für uns entschieden.“ , meinte Nevis. ,,Die anderen drei sind noch geladen. Helft mir kurz sie auszurichten…“ Eine Bewegung im Wald ließ Nevis im Satz innehalten. ,, Sieh einer an. Was für seltsame Zufälle es doch gibt. Nevis Ordbrand. Ihr seid so etwas wie eine Legende unter meinen Soldaten. Und ihr…. Grauers neueste Schachfigur, nehme ich an. “ ,
sagte Anehlas.