11. Kapitel Der falsche Verdacht bestätigt sich „Jetzt geht´s los“, flüsterte sie und rieb sich die Hände. „Ganz ehrlich, ich hab Angst“, gestand ich, als sie die sperrige Tür zum Dachboden aufstieß. Es gab ein ohrenbetäubendes Poltern. „Mandy“, fluchte ich, „wenn uns hier jemand verrät, dann bin ich es!“ „Sch.“ Sie tastete nach einem Lichtschalter, fand aber keinen. „Moment, ich hole mal kurz die Taschenlampe.“ Und schon war sie verschwunden. Jetzt stand ich allein auf dem unheimlichen Speicher. Mir
klapperten die Zähne. Es war eiskalt hier. Anscheinend war das Dach undicht, denn ein eiskalter Luftzug kitzelte unangenehm an meinen Wangen und blies mir die Strähnen zurück ins Gesicht. Etwas knackte neben mir, erschrocken schaute ich zur Seite. Nur die Umrisse einer Person sah ich, Mandy. Sie fuchtelte mit etwas wild herum. Auf einmal leuchtete eine Gestalt am anderen Ende des Speichers. Erschrocken schrie ich auf. Mandy blickte wütend zu mir. „Was ist denn?“ Ich zeigte auf das Mädchen, das dort auf dem Stuhl saß. Der Strahl ihrer
Lampe folgte meinem Finger. Jetzt sah sie das Kind auch. Aber sie zuckte, weder schrie sie. „Lio, das ist ne Puppe.“ Mit aufgerissenen Augen folgte ich Mandy zu dem Mädchen. Ängstlich stand ich hinter ihr, hatte ich etwa Angst, dass die Puppe lebendig wurde und mich angriff? Erst als wir direkt vor der höchstens fünfzig Zentimeter großen Glaspuppe standen, erkannte ich ihre schwarzen Locken, die wirr um ihren runden Kopf fielen. Ihre Wangen waren rot, genau wie ihre Lippen. Sie lächelte mysteriös und verführerisch. Irgendwie machte ihr Blick mir
Angst. „Reiß dich zusammen, dass ist nur ne Puppe!“, dachte ich mir. Ja, aber welche Puppe sitzt ganz verlassen auf dem Speicher eines alten Bauernhauses und wartet auf ein Pflegekind, das es erschrecken kann? Die schwarzen Locken waren fast doppelt so lang wie ihre Körper. Das weiße Kleid, welches sie trug, machte die kleine Gestalt noch unheimlicher. Wie bei einem Gespenst würde es an ihr herab hängen, wenn man die Glaspuppe hochhielt. Ich konnte meinen Blick nur schwer von ihr lösen. Wenn ich mich umdrehte, würde sie mich verfolgen, oder mir
direkt an den Hals springen. Mandy leuchtete den ganzen Raum ab. Überall hingen Spinnenweben. Es gab nur ein kleines Fenster, durch das es nur wenige Strahlen des leuchtenden Mondes schafften. Unheimlich. „Komm, da herum“, flüsterte Mandy. Es ging also noch weiter. Dieser Raum sollte bestimmt ein Wohnzimmer werden. Ich ließ mich von ihr führen. Als sie sich ein wenig drehte, merkte ich, dass wir in einem schmalen Flur standen. Sechs Türen gingen in weitere Räume ab. Wir öffneten die erste Tür auf der rechten Seite. Hier wäre Mandy
Badezimmer geworden. Der nächste Raum war ein Spind und wieder zierten riesige Spinnenweben den Raum. „Der Strom funktioniert gar nicht“, fluchte Mandy. „Nee, auch schon bemerkt?“, sonst hätten wir ja wenigstens ein bisschen Licht in diese Bruchbude gebracht. „Wir müssen jetzt Detektiv spielen!“ „Okay; dann suchen wir besser mal im Wohn- und Arbeitszimmer“, schlug Mandy vor. Sie zog mich weiter. Überall im Flur standen Kartons rum. „Pass auf!“, flüsterte sie warnend. „Meine Familie ist gerade eingezogen.“ „Zum Auspacken ist wohl niemand gekommen!“, jetzt war nicht gerade der
passende Zeitpunkt, Witze zu reißen. „Nein, aber zum Durchwühlen schon.“ „Wie meinst du das?“, fragte ich verwundert. „Die Polizei hat die ganze Wohnung auseinander genommen.“ „Warum?“, fragte ich wieder, aber noch neugieriger. „Hatte dein Vater was mit dem Mord zu tun?“ „Ja, ich denke schon. Ich weiß zwar nicht viel über seinen Tod. Aber er versuchte den Fall von Nuni aufzuklären. Er hatte das Rätsel fast geknackt!“, seufzte sie stolz, „aber dann wurde er erstochen hier aufgefunden.“ Ich riss die Augen auf. Erstochen?! Von
wem? Von Nunis Mörder? „Auch sein Tod konnte nicht aufgeklärt werden, meine Mutter starb kurz danach auch, ich weiß aber nicht, warum, oder woran.“ „Grrr.“ Erschrocken fuhren wir beide herum. Hinter uns hatte die Speichertür geknackt. Jemand folgte uns. Die Puppe? Einige Augenblicke standen wir steif da und lauschten, aber es tat sich nichts. Es war wieder mucksmäuschenstill. „Komm, wir machen weiter.“ „Aber da ist jemand. Nachher bringt er uns auch noch um.“ „Du spinnst doch, wer sollte denn hier hochkommen. Mein Opa vielleicht. Das
war das Holz, das knackt immer, auch bei uns unten im Flur.“ Das reichte nicht, sie konnte mich nicht beruhigen. So laut, wie das war, da musste jemand die Tür aufgedrückt haben. Und dann wieder geschlossen haben. Sie verschwand hinter einer der Türen. „Mandy, lass mich nicht allein.“ Ich tastete nach der Wand und wartete, bis sie wieder kam. „Hey, ich hab was!“ „Was denn, und wo bist du“, ich flüsterte nicht mehr. Ich klang eher ängstlich. „Komm schon, Lio, du Schisser. Hier bin ich“, sie stand plötzlich neben mir. Erst jetzt merkte ich, wie meine Knie
zitterten und mein Kopf sich immer weiter in meine Schultern gezogen hatte. Ich hockte da, wie eine Maus, die sich vor der angreifenden Katze duckt. Sie zerrte mich in einen großen Raum auf der anderen Seite des Flurs. Ein Schreibtisch stand mitten drin. Sonst war der Raum leer. Mandy lief auf den Eisentisch zu und riss die Schubladen auf. Nachdem sie einige Stapel Blätter durchsucht hatte, schaute sie traurig zu mir auf: „Hier ist nichts, gar nichts.“ „Gib mir mal die Taschenlampe.“ Sie gab sie mir, ohne zu zögern. Ich leuchtete den Raum noch einmal ab. Es hing noch ein Bild an der Wand. Es
war ein Familienfoto. Ein Mann eine Frau und ein lachendes Baby. „Deine Familie, oder?“ „Ja.“ Ich ging auf das Foto zu. Es war eingerahmt. Der Bilderrahmen sah edel verziert aus, war aber wahrscheinlich nur aus Plastik. „Nimm das Bild doch mit runter“, schlug ich vor. „Warum?“ „Dann hast du sie immer bei dir.“ „Hab ich auch so.“ Ich verdrehte die Augen und hing das Bild von seinem kleinen Harken. Ein Zettel fiel mir entgegen. Ich hob ihn auf und probierte die schwer zu lesende
Schrift zu entziffern. 17. März 1979 Georg Müller Heute fand ich etwas Entscheidendes heraus: Als ich Frau Siebke und ihre Kollegin Frau Rothalm nach dem Mord gefragte, kamen Frau Siebke die Tränen. Ich bin bei allen aus der Stadt gewesen, die jemand verdächtigt hatte, das waren fast alle. Im Hotel habe ich auch etwas Entscheidendes herausgefunden: Die Besitzerin, Frau Dornbrecht, hatte keine Besucher in den letzten Wochen. Aber dennoch meinten einige, dass sie einen
Mann öfters in der Pension gehen gesehen haben. Vielleicht lügen sie, vielleicht macht mir aber Frau Dornbrecht etwas vor. Die Hauptverdächtigen sind weiterhin Herr Kessel (der Förster), Frau Siebke (hat die Leiche gefunden) und ihre Kollegin Frau Rothalm (diese fällt aber aus, weil sie zur Tatzeit im Park gesehen wurde) und Herr Bergheim (Zeuge). „Oh, Gott. Das hat dein Vater geschrieben!“, Mandy kam langsam auf mich zu. „Was steht denn da?“ „Seine
Ermittlungen!“ „Gib mal her.“ Ich hatte das Bild immer noch in der Hand. Vielleicht hatte ihr Vater ja noch mehr von diesen Zetteln versteckt. Die Rückwand nahm ich ab, dann die Pappe, das Foto und das Glas entfernte ich nicht. Also keine Zettel mehr. Es knackte wieder. Langsam wurde es richtig unheimlich. Ich schlich ängstlich aus dem Zimmer in dem Flur. Niemand war zu sehen. Natürlich nicht, welcher Mörder würde sich selbst mit einer Taschenlampe beleuchten, damit sein Opfer gewarnt war? Dieses Mal kam das Knacken von ganz wo anders. Aus dem Wohnzimmer.
Erschrocken atmete ich auf, als etwas umfiel. Eine Vase oder so was war umgefallen. „Lio, pass doch auf!“ „Das war ich nicht“, versicherte ich ihr. Ich lehnte mich an die Wand. Und merkte, dass meine Knie versagten. Mein Hintern rutschte langsam an der Wand runter auf den staubigen Boden. Mein rechtes Bein konnte ich wegen der Schiene gar nicht knicken, deshalb rutschte es ruckartig auf den Boden. Ich drückte mich so fest an die Wand, dass ich Angst bekam, sie könnte nachgeben. Vielleicht war der Mörder genau vor mir,
dachte ich. Denn ich sah nur schwarz. Die Taschenlampe hatte Mandy, weil sie den Zettel gelesen hatte. Vielleicht saß der Mörder neben mir und hauchte mir Angst ein. Oder vielleicht spann ich einfach und es war wirklich nur das Holz. Aber kann Holz Vasen zerschlagen? Ganz leise krabbelte ich, mit einem Bein hinter mir herziehend, in Richtung Wohnzimmer. An den Türen entlang, dann zum Ende des Flurs. Ich hockte nun im Wohnzimmer, sah immer noch nichts. Langsam setzte ich mich auf. Als ich dann stand, tastete meine Hand nach etwas, womit ich mich verteidigen könnte, falls er mich
umbringen wollte. Ich ergriff einen Regenschirm, der direkt neben der Tür lehnte. Doch meine Hand fand noch etwas anderes. Einen Lichtschalter. In Gedenken zählte ich bis drei. Bei zwei würde ich den Regenschirm heben und bei drei das Licht an machen. Eins- Zwei- Drei, das Licht ging leider nicht an, der Regenschirm flog und ich traf die Luft, hier war niemand. Tatsächlich war eine Vase zerbrochen. Ich rannte auf sie zu, um die Beweise aus der Welt zu schaffen. Falls einer der Großeltern hier heraufkam und Verdacht schöpfte. Doch als ich mich über die Scherben
gekniet (gehockt) hatte, ließ ich einige Scherben schreiend fallen. Die Puppe, sie war von ihrem kleinen Stuhl herunter gefallen. Die Puppe, die vorhin ein so unheimliches Lachen gehabt hatte, weinte jetzt. Die Mundwinkel hingen herab. Die Augen hatten jeden Glanz verloren. Ich hörte Mandy kommen. Die Puppe war total kaputt, nur der Oberkörper hatte es überlebt. Irgendjemand hatte sie um ihre Beine gebracht. Der Kopf lag schon wieder auf dem Boden und ich hetzte erschrocken nach hinten. Mandy lief mir genau in die
Arme. „Was ist denn?“, fragte sie aufgeregt. Vor lauter Angst liefen mir Tränen über die Wangen. „Können wir gehen?“, schluchzte ich und verschwand durch die offene Speichertür. Schweigend folgte sie mir. Erst als wir wieder in ihrem Zimmer waren, fragte sie, was los war. Ich schaffte es ein paar Minuten später mein Geschluchzte zu unterdrücken und erzählte ihr alles. Von der Gummiwand, von dem Regenschirm und von der Puppe. Der Puppe, hörte sich irgendwie unheimlich an. „Wir sollten der Puppe einen Namen
geben“, meinte ich voller Ehrfurcht. „Ja, wir nennen sie Lissy Doll.“ „Das hast du aus einem Film!?“ „Ja, er hieß Matilda, kennst du ihn?“ Ich nickte nur. Vor Lissy Doll hatte ich zwar noch mehr Angst, aber was mir noch mehr den Kopf zerbrach, war, dass Elias´ Mutter, Oma oder was weiß ich, die Hauptverdächtige war. Wer war das auf dem Speicher? „Jetzt ist der, der da oben war eingeschlossen!“, meinte ich ängstlich. „Da oben ist keiner, Lio.“ „Woher willst du das wissen?“, fragte ich sauer. „Ich habe die Pup... Lissy Doll nicht kaputt
gemacht.“ „Ist doch egal, das war der Wind, das Dach ist undicht, Oma hat einen Wäschekorb unter die undichte Stelle gestellt. Es ist nicht deine Schuld, und da oben ist keiner!“ War ja auch egal, wir waren mit dem Schrecken und einer wütenden Lissy Doll davongekommen. Eine Puppe, die ihr Gesicht verändern kann, wie in einem Horrorfilm. Ein kleines Mädchen kuschelt sich nichts ahnend an sie heran, und am nächsten Abend ist das kleine Mädchen tot. Vielleicht hat die Puppe Nuni und Mandys Eltern auf dem Gewissen. O Gott, ich verdächtige eine Puppe, ich
sollte mit meinem Therapeuten sprechen! Schließlich schlief ich ein. Sonnenstrahlen weckten mich in dem kleinen weißen Raum. Zuerst erschrak ich, als ich meine Augen aufschlug. War ich noch im Krankenhaus, war das alles nur ein Traum gewesen? „Morgen, hast du gestern Nacht noch Sammy gesehen?“, fragte Mandy schnell. „Nee, ich dachte der hätte sich nen kleinen Snack gefangen.“ Sie lächelte. „Wo ist er denn? Draußen kann er nicht sein! Wir haben keine Katzenklappe!“ „Vielleicht ist er unten.“ „Ich hab ihn schon überall gesucht, aber zieh dich erst mal
an.“ Im Halbschlaf kramte ich in meiner Tasche nach meinen sauberen Sachen. Nach dem gemeinsamen Frühstück gingen wir Sammy suchen. Er war wirklich nirgendwo. Entmutigt gingen wir wieder in ihr Zimmer. Als plötzlich jemand miaute. „Sammy!“, schrie ich fast. Sofort schaute ich unters Bett, hier war er nicht. Auch in ihrem Schrank war er nicht. Wir gingen durch alle Räume, in der oberen Etage. Und überall war das Miauen gleich laut. Auf den Schränken war kein Kater, aber da war das Mauzen am
lautesten. Erschrocken schauten wir uns an. „Ich geh da nicht mehr hoch.“ „Allein geh ich aber auch nicht!“, meinte Mandy. „Er ist schließlich dein Kater.“ „An Lissy Doll geh ich aber nicht vorbei!“ „Wir öffnen nur die Speichertür und rufen ihn, dann wird er schon kommen.“ „Und was, wenn nicht?“ „Dann lassen wir die Tür eben einen Spalt offen!“ „Na gut.“ Wir schlichen wieder in den Flur und blieben vor der braunen Tür stehen. Mandy drehte den Schlüssel um und
schob die schwere Tür so leise zur Seite, dass es nicht mal Sammy mitbekam. Gestern Abend war es richtig laut gewesen. Wahrscheinlich nur, weil man jetzt noch viel mehr hörte. Den Traktor, die Tiere und Sammy, der panisch um Hilfe mauzte. Mandy ging vor und pfiff zwei Mal. Und tatsächlich kam der kleine Kater angelaufen. Mandy trat einen Schritt zurück, dass Sammy direkt zu mir laufen konnte. Aber mein Blick fiel nicht auf Sammy, sondern auf Lissy Doll, die wieder auf ihrem Patzt saß, mit Beinen. Und sie lachte. Zwar anders, als gestern, aber sie
lachte. Das Lachen sah heute schadenfreudig aus. Es war zu unheimlich für mich. Ich riss den miauenden Kater hoch und schlug die Tür so heftig zu, dass Mandys Oma fragte, was los sein. „Wir haben Sammy gefunden!“, antwortete Mandy. „Und, wo war er Leonie?“ „Im.“, ich schaute mich um, welche Tür lag am nächsten. „Im Badezimmer.“ „Na so was, was wollte er denn da?“, kopfschüttelnd war die alte Dame wieder in der Küche verschwunden. „Die Puppe, Lissy Doll, hast du sie gesehen?“, fragte ich
panisch. „Nein, was soll denn sein?“ „Gestern hatte sie doch, Sammy war auf dem Speicher und hat sie von ihrem Stuhl geschubst. Ihre Beine, sie ist ja aus Glas“, stammelte ich. Hatte sie das gestern nicht gesehen, wie sich der Gesichtsausdruck der Puppe verändert hat? Was glaubte sie denn, wovor ich denn so viel Angst gehabt hatte? Momentan verstand ich gar nichts mehr. Mandy musste es doch bemerkt haben, oder nicht? War ich vor Angst verrückt geworden? Mandy und ich gingen zu ihren Pferden, sie tat so, als wäre nichts gewesen. Was war nur in meiner Fantasie
gewesen, und was hatte Mandy gesehen? Ich konnte sie nicht einfach darauf ansprechen, sie würde denken, ich hab sie nicht mehr alle. Ich musste hier weg und mir erst mal einen klaren Kopf verschaffen. „Ich geh mal kurz auf die Toilette“, ich hastete auf das Klo in der unteren Etage. Als die Tür hinter mir zu war, zückte ich mein Handy und schrieb so schnell es ging, für meine ungeschickten Hände, eine SMS an Marc. Hallo Marc, hol mich bitte jetzt schon ab, wenn es geht. Und lass dir eine gute
Ausrede einfallen, warum du früher kommst, bitte!- danke Leo Eine viertel Stunde später parkte Marcs Auto in einer Lücke zwischen den Bäumen. Er schüttelte Herr Müllers Hand und wartete darauf, dass ich meine Tasche holen ging. „Entschuldigen Sie, dass ich schon so früh komme, aber ich muss später noch jemanden abholen.“ „Ist doch kein Problem. Kinder, geht ihr mal Leonies Sachen holen!“, befahl Herr Müller. Sammy nahm ich auch mit, ich wollte ihn nicht hier bei Lissy Doll lassen.
Mandy winkte uns noch lange hinterher, als wir schon um die Ecke gebogen waren. „Danke!“, seufzte ich. „Wofür?“, fragte er verblüfft. „Weil du mich abgeholt hast!“ „Hab ich doch gern gemacht.“ „Und ne super Ausrede ist dir auch noch eingefallen“, ich staunte nicht schlecht, als ich sein verwundertes Gesicht gesehen hatte, „sie sind voll drauf reingefallen.“ „Wovon redest du?“, fragte er und schaute kurz zu mir rüber, dann wieder zurück auf die Straße. „Hast du meine SMS nicht gelesen?“, fragte ich
verblüfft. „Nein“, antwortete er zögernd. „Ich hab gar kein Handy!“ „Oh, dann hab ich wahrscheinlich Micky eine geschickt.“ „Warum wolltest du denn da weg?“, fragte er neugierig. Schöpfte er Verdacht? Anscheinend schon. „Äh, es war unheimlich“, gestand ich. Mehr wollte ich nicht preisgeben. Sammy war in meiner Handtasche, die auf meinem Schoß lag. Einen Spalt weit hatte ich sie geöffnet, damit er mir nicht erstickte. Auf einmal kam ein kleines rosa Näschen durch den Spalt. „Lass die Katze endlich da raus, die
kriegt ja keine Luft mehr!“ „Das ist dir also nicht entgangen?“, fragte ich in Gedanken. „Nein, ist es nicht.“ Oh, hatte ich das laut gesagt? „Wie heißt der Kleine denn, oder ist es eine Sie?“ „Er heißt Sammy, er war der einzige Sohn der Katzenfamilie.“ „Schön.“ Misstrauisch schaute er zu mir rüber. Ich war von seinem Blick gefesselt. Der Wagen hielt, der Motor ging aus. Aber ich schaute ihm immer noch in die Augen. „Was hast du raus gefunden?“, fragte er irgendwie komisch. „Was soll ich raus gefunden
haben?“ „Lass Nuni ruhen! Das Haus der Müllers ist interessant, nicht? Aber glaub mir, da passieren seltsame Dinge. An deiner Stelle würde ich die Nase nicht in solchen Angelegenheiten stecken.“ „Es ist schon zu spät Marc, ich häng da schon mit drin!“ „Wo drin?“, fragte er launisch. „Du hast nichts mit den Morden zu tun. Und du wirst auch nichts damit zu tun haben, bitte, tun mir, tu Elly den Gefallen und lass es. Vor zwanzig Jahren konnte es auch niemand aufklären. Herr Müller, Madleéns Vater …“ „Warte, nenn sie einfach Mandy“, unterbrach ich
ihn. „Also Mandys Vater“, er betonte Mandy, „hat auch versuchte den Mord aufzuklären, dann wurde er selber umgebracht. Seine Frau floh daraufhin mit ihrer Tochter nach Berlin. Für einige Monate blieben sie dort. Aber der Mörder hat sie gefunden …“ „Was ist mit Mandy, warum lebt sie noch, und ihre Großeltern?“ „Die wussten ja nichts über den Mörder. Es war schon eine komische Geschichte, es war als hätte der Mörder die Familie Müller belauscht, ausspioniert, alle Informationen, die Herr Müller gesammelt hatte, nahm der Mörder an sich. Die Spur führte zu
…“ „Zu wem?“, fragte ich ungeduldig. „Zu keinem.“ Es fing an zu regnen. Marc lief um das Auto, um mir herauszuhelfen. Was für ein Mist-Wetter, passend zu meiner
Stimmung.