Romane & Erzählungen
Zweites Leben - Teil 10

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"Zweites Leben - Teil 10"
Veröffentlicht am 27. Februar 2014, 24 Seiten
Kategorie Romane & Erzählungen
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Zweites Leben - Teil 10

Zweites Leben - Teil 10

10. Kapitel Der unbrechbare Schwur Geklaut aus Harry Potter, Teil 6- und der Halbblutprinz Der letzte Tag der Woche, Freitag, war mal wieder der schlimmste Tag. Erstens, weil es jetzt wieder drei Tage dauerte, bis ich Elias wieder sehen konnte. Zweitens, weil Heike und die Mäuschen morgen fahren wollten und drittens, weil ich morgen einen Einbruch machen sollte. Einen Einbruch bei über Siebzigjährigen. Mit einer Freundin, die ich kaum kannte. Ich wusste nicht mal, ob sie mich überhaupt leiden konnte. Es schien so, aber sie war immer so zurückhaltend. So als ob

auch sie etwas vor mir verheimlichte und es ihr noch schwerer fiel, als den anderen, es zu verheimlichen. Aber wer verheimlichte mir hier schon nichts? Die dachten bestimmt alle, dass ich sofort reiß-aus machen würde und den Mörder suchen ginge. –Was ich auch tun würde. Aber jetzt war Samstag. Nur noch zwei Tage bis Jill wieder über mich und Elias kichern würde. Heute Abend hätte ich dann auch das Schlimmste hinter mir! „Wann soll ich dich denn nachher fahren?“, fragte Marc. „So um sieben!“, antwortete ich gedankenverloren. Ich kam mir so schrecklich vor, Gewissensbisse nagten an meiner Seele.

Länger hielt ich das nicht mehr aus, mit Levke auf dem Arm sauste ich die Treppe hoch und kramte in der Hose vom Vortag nach meinem Handy. Nach dem dritten Klingeln ging meine Freundin endlich dran. „Hallo?“, fragte sie schüchtern. „Madleén!“, fluchte ich, „ich halt das nicht länger aus! Warum können wir deiner Großeltern nicht fragen, ob wir ein paar alte Sachen vom Speicher holen?“ „Dann würde einer mitgehen, und dann könnten wir nicht …“ „Ich weiß, aber ich bin total tollpatschig und außerdem komme ich

mit meiner Schiene bestimmt nicht eure Speicherleiter hoch!“ „Hör auf dich rauszureden!“, drohte sie. „Was ist schon dabei, nachts auf einem verlassenen Speicher rum zu klettern und einen Mord aufzuklären!“, schwärmte sie sarkastisch. „Ist ja gut, ich mach’s, aber wenn wir erwischt werden, ist es deine Schuld!“ „Ja, schon klar“, damit hatte sie aufgelegt. Na toll, sie hatte es geschafft, mir das schlechte Gewissen auszureden, aber eigentlich hatte sie ja recht. Ich sollte mich nicht so aufspielen, wir würden ja nur nachts auf ihren Speicher klettern,

also kein Einbruch. „Hallo“, grüßten Herr und Frau Müller mich, Madleén Großeltern. „Guten Tag“, grüßten Marc und ich. „Na dann, komm rein, Lenchen ist oben in ihrem Zimmer. Wir haben schon das Gästebett aufgestellt, du brauchst deine Matratze eigentlich nicht. Hast du schon zu Abend gegessen?“, fragte der alte Mann freundlich. „Ja, danke.“ Nachdem Marc und ich uns verabschiedetet hatten, ließ ich mir von Herrn Müller meine Tasche abnehmen und mich ins Haus führen. Das kleine Haus hätte ich gar nicht

erkannt. Zwischen den anderen drei Fachwerkhäusern bestand kein Unterschied. Der Hof war wirklich klein. Er war von drei alleinstehenden Häusern umgeben. In der Mitte war ein alter Brunnen. Zwischen dem ganz linken und dem Haus in der Mitte stand ein alter Traktor. Um die Häuser herum standen einige Bäume, Apfelbäume, Pflaumenbäume und Birnenbäume. Das ganz rechte Gebäude sah ziemlich verfallen aus, Efeu wuchs an der äußeren Seite, die zum Feld zeigte. Ein wunderschöner Märchenhof. Bestimmt war er schon ganz schön alt, aber gemütlich auf jeden Fall. Ich legte

den Kopf schräg, ich konnte mir vorstellen, wie die Prinzessin einen Frosch an dem Brunnen küsste. „Hallo, Leo“, Madleén stand auf der untersten Treppenstufe, sie hatte die Tasche ihrem Opa aus der Hand genommen und wollte mich hoch führen. Als ich meinen rechten Fuß auf die erste Stufe stellte, um ihr zu folgen, rutschte ich fast weg. Irgendwas schob mein Bein weg. „Mau“, es war ein kleines Kätzchen, dass mein Bein streifte. Sie war ziemlich kräftig, ganz im Gegenteil zu ihren Besitzern. Die ganze Familie Müller war schlank und blond. „Ihr habt Katzen?“, fragte ich

begeistert. „Ja, eigentlich hatten wir nur eine Morlé, eines Tages kam sie mit einem dicken Bauch nach Hause. Sechs Junge hat sie später bekommen. Der hier ist der einzige Kater, Sammy.“ „Der ist aber süß.“ „Wenn du willst, kannst du ihn haben!“, meinte ihre Oma. „Ich weiß nicht, ob Marc und Elly ein Tier im Haus wollen!“, antwortete ich schnell. „Du kannst sie ja weiter hier halten, wenn es bei dir zu Hause nicht geht.“ „Das ist lieb, danke“, sagte ich. Erst als die Dame hinter einer der Türen verschwunden war, nahm ich das

mauzende Katzenbaby auf den Arm. „Sammy“, flüsterte ich. „Jetzt hast du ich am Hals. Er ist sehr verspielt. Und verschmust.“ „ Ist mir egal, er ist so schnuckelig“, er leckte meine Hand. Ich nahm ihn mit hoch in Madleéns kleinen Raum. Es war kein Zimmer, zumindest nicht von einem Kind. Es hatte weiße Wände und weiße Möbel. Ein kleines Kreuz hing über der Holztür. „Schrecklich, oder?“ „Nein, ich finde, es hat was!“, es hatte wirklich was, es war … rustikal. Die Vorhänge und der Holzschreibtisch, der Teppich und das Parkett waren weiß. Selbst der Bettbezug war

weiß. Nur der Ausblick aus dem Fenster war alles andere als weiß, eher braun, dunkel. Man sah auf den gepflasterten Hof. Und den Kräutergarten hinter dem kleinen Gartenzäunchen, über das man locker drüber steigen konnte. Die leuchtenden Farben stachen einem richtig in die Augen. Die einzigen Farben in ihrem Zimmer waren die Bücher auf dem schmalen Brett, was an der Wand hing. „Das ist, oder war Mamas altes Zimmer, und außerdem könnte ich Oma nicht dazu bringen, es zu streichen, oder wenigsten etwas Farbe rein zu bringen.“ „Warum nicht?“, fragte ich zu neugierig,

und merkte erst später, dass ich sie verletzt hatte. „Ich muss immer auf liebes Mädchen machen, ich weiß nicht, ich würde ihr wahrscheinlich das Herz brechen, und das könnte ich nicht wieder gut machen“, sie seufzte und schaute genauso wie ich aus dem Fenster. „Was sind das für Häuser?“, fragte ich neugierig. „Das eine ist eine Scheune, das andere steht leer, als ich klein war, habe ich immer mein kleines Häuschen darin gemacht. Zwar war das Dach undicht, aber es war wunderschön. Es hatte nicht viele Räume, höchstens drei, aber es hat vollkommen

gereicht. Jetzt wohnen nur noch die Katzen darin. Morlé hat darin ihre Jungen bekommen, wahrscheinlich wohnte der Vater der kleinen auch darin. Opa hat Morlé aber stillirisieren lassen, nachdem die Jungen da waren.“ „Es ist wunderschön hier!“, verträumt bewunderte ich die Blumen und die Sträucher. Im Frühling sind hier die Blumen am schönsten, im Sommer die Bäume am grünsten. Im Herbst die Blätter und im Winter verzaubert einen die Winterlandschaft.“ „Ja, es ist traumhaft hier, aber manchmal wünsche ich mir eher, in einer Großstadt zu wohnen. Oder näher

an unserem Ortskern, so wie Saskia oder wie Phillip.“ „Wo wohnt Phillip denn?“, fragte ich und ließ den strampelnden Kater hinunter. „Direkt neben dem Rathaus“, sie schaute mir in die Augen, „sein Vater ist der Stellvertreter.“ „Echt? Warum hat mir das keiner gesagt?“ „Du hast ja auch gar nicht gefragt!“, sie lächelte und ich verdrehte die Augen, „und außerdem ist es doch überhaupt nicht wichtig!“ „Nicht wichtig?“, fragte ich entsetzt. „Ja, warum sollte es denn bedeutend

sein?“ „Natürlich, vielleicht sind im Archiv des Rathauses ja noch irgendwelche Spuren zu dem Mord.“ „Da würde ich aber eher zu Sebastians Mutter gehen, die arbeitet in der Polizeiwache.“ „Schön zu wissen!“, ärgerlich drehte ich mich im Zimmer um und suchte nach dem Katzenkind. Einen Moment später lugte ein Kopf unter dem schmalen Bett hervor, hatte der Kleine gemerkt, dass ich ihn suchte? Schnell rannte er auf mich zu und sprang an meinem Oberschenkel hoch. „Au“, der hatte ganz schön lange

Krallen. „Opa muss noch mal die Krallen schneiden, ich weiß, aber die Katzen sind ganz schön scheu. Vor allem Morlé.“ „Kann ich mir vorstellen. Magst du eigentlich keine Katzen?“, fragte ich, als ich ihren seltsamen Blick auf meiner Katze spürte. „Doch, aber ich lebe schon seit einigen Jahren mit ihnen zusammen, irgendwann langweilen sie einen. So ein Kätzchen hält einen aber auch ganz schön auf Trapp, und sie sind sehr anhänglich. Vor allem wenn man einsam ist, sind sie ein gutes Pflaster für sie Seele.“ „Man, du hörst dich an wie mein

Psychologe.“ Oh, ich hatte ganz vergessen noch einen Termin bei ihm zu machen, aber vielleicht hatte er sich auch schon gedacht, dass ich es vergessen hatte. Und der Schwester hatte ich auch nicht geschrieben, aber das würde ich nachholen. Sollte ich ihr von dem Mord erzählen? Oder würde sie dann direkt das Jugendamt einschalten? Bestimmt nicht, aber weiß das Jugendamt von dem Mord? Wohl eher nicht! Würde man einer trauernden Frau erlauben, Kinder zu adoptieren? Es wurde langsam dunkel, die strahlenden Farben der Blumen

verfärbten sich langsam in einen orangenen Ton. Man sah die Sonne hinter den Hügeln untergehen. „Von meinem riesen Fenster blickt man auf die langweilige Fassade der Nachbarn. Und du hast eine so wunderschöne Aussicht.“ „Ja, manchmal sitze ich stundenlang hier und beobachte die Tiere. Im Sommer lässt Opa die Kühe und die Ziegen auf die Wiesen da vorn“, sie zeigte auf die Wiesen hinter den Obstbäumen. „Und im Winter zähle ich die Zapfen, die von der Regenrinne abhängen. Ich liebe diesen Ort, um nichts in der Welt würde ich ihn eintauschen. Nur

wenn er ein bisschen näher an der Stadt wäre.“ „Tut mir Leid, dass ich schon wieder damit anfange, aber hattest du denn eine Wahl, als deine Eltern starben? Also ich meine, bei wem du wohnen konntest.“ „Doch, ich hatte eine Wahl, zwar war ich noch ganz klein, entschied mich aber für den Ort mit den Schmetterlingen, also den Ort, an dem der Rest meiner Familie wohnt. Mein Onkel lebt nämlich mit seiner Frau und seinen vier Kinder in Köln, und da wollte ich noch nie wohnen!“ „Warum nicht, da hättest du doch deine Großstadt, oder nicht?“ „Ja schon, aber dann lieber München!

Wo noch Bäche fließen, du weist schon.“ Ich nickte zwar, verstand aber nur Bahnhof. Ich würde alles in der Welt geben, um hier einen Tag mit meiner Familie zu verbringen, hier an dem Ort, der Freiheit. Hier, wo man Himmel und Erde sieht. Wo die Tiere mit den Menschen leben. Wo man sich geborgen fühlt. Nach dem Essen gingen wir wieder hoch in ihr Zimmer und sahen einen Film auf ihrem weißen Laptop (Ich verdrehte die Augen). Natürlich schauten wir den mit Kopfhörern. Madleén Oma schaute einmal kurz ins

Zimmer. Wir taten so, als ob wir schliefen. Sie schöpfte keinen Verdacht und legte sich auch schlafen. Eine halbe Stunde später war der Film zu Ende. „Wann gehen wir denn?“, fragte ich nervös und ungeduldig. „Warte noch zwanzig Minuten.“ Sie nahm meine Hand und zog mich zurück auf den Boden. „Ist ja gut, Lenchen“, ärgerte ich sie. „Was? Hör auf, sag das nie wieder.“ „Warum?“ „Weil ich das hasse!“ „Wie soll ich dich dann nennen?“ „Madleén.“ „Ist viel zu lang!“, ich redete so schnell, gerade als sie das n

ausgesprochen hatte, fing ich schon mit meinem Satz an. Sie lächelte und verdrehte schnell die Augen. „Meine Mutter wollte einen langen Vornamen, weil der Nachname so kurz ist!“, erklärte sie leise. „Madleén Müller“, flüsterte ich. Der Vornahme hörte sich so zart an und Müller so grob. „Leonie Schmitz“, lächelte sie. Die Worte glitten so schnell über ihre perfekten Lippen, dass sie sich kaum bewegten. „Mein Name ist viel länger“, ich schaute die kleinen kullerrunden Katzenaugen vor mir an, Sammy hatte sich mit in meinen Schlafsack gekuschelt. Ich heiße,

wenn man es genau nimmt: Leonie Ellené Riemke Schmitz.“ „Und wenn man es ungenau nimmt?“, fragte sie neugierig über meinen Unterton. „Lio!“, antwortete ich so leise, wie sie. „Ich hab keinen Spitznamen!“, seufzte sie gedankenverloren. Ihr Blick ruhte ebenfalls auf dem schläfrigen Kater, der alle viere von sich streckte. Er gähnte einmal, dann schloss er die Augen. „Außer Lenchen, meinst du?“, es war keine Frage, es war eine Feststellung! „Wie wär´s mit Len?“ „Len?“, fragte sie entsetzt. „Das ähnelt deinem viel zu sehr!“ „Dann Maddy oder Mandy“, schlug ich

vor. „Mandy ist cool.“ „Okay, dann hießt du ab heute Mandy.“ Ich reichte ihr die Hand. „Ich werde dich niemals mehr Lenchen nennen, versprochen, Mandy!“ „Ich werd dich niemals mehr Leonie nennen, versprochen Lio!“ Wir lächelten einander an. „War das jetzt ein unbrechbarer Schwur?“ „Ich denke schon!“

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Stephi96

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