8. Kapitel Die erste Nacht im Wald, allein Allein, mit meinem Albtraum oder auch meinen größten Wunsch. „Was machen wir jetzt?“, fragte ich ängstlich, als der alte Mann ausstieg. Er parkte seinen Jeep neben dem bellenden Hund und rannte zum Haus. „Komm, wir lenken ihn ab.“ „Und wie?“ „Ich laufe über die Lichtung in den Wald. Du wartest hier. Er wird mir folgen, dann werde ich Saskia und Phillip da raus holen. Wenn er in der Hütte ist, musst du dafür sorgen, dass die anderen in deine Richtung laufen, damit wir auch wieder raus finden,
okay!?“ „Das war keine Frage von dir, oder?“, mir fiel auf, dass ich ihn das schon mal gefragt hatte. „Nein“; knirschte er. „Okay, also du lenkst ihn ab und ich locke die anderen her!?“ „Ja, aber pass auf, dass der Mann dich nicht sieht, wir könnten ja weglaufen, aber du nicht.“ „Ja ja, ich pass schon auf mich auf. Jetzt mach!“, befahl ich ihm und er tat, was ich ihm aufgetragen hatte. Da war er schon in der Dunkelheit verschwunden. Kurze Zeit passierte nichts. Doch plötzlich wurde der Lichtstrahl einer Taschenlampe auf ihn
gerichtet. Er stand vor der Hütte und rüttelte am Schloss. „Hey du, stehen bleiben!“, die dunkelste und tiefste Stimme, die ich je gehört hatte, brüllte meinen Freund …, äh Elias an. Elias rannte um die Hütte, er wurde natürlich verfolgt. Vor einer Scheibe blieb er stehen und klopfte ein paar Mal. Erst, als der Mann hinter ihn stand, drehte er sich um und verschwand so schnell er konnte im Wald. Der schwere Mann drehte sich ebenfalls um, erwischte Elias aber nicht, der sich gut gekonnt zwischen den Büschen vorbei schob. „Glaubst du, ich krieg dich nicht?“, der
Mann rannte so schnell er konnte. Aber Elias war schneller. „Komm, schnell“, das war Saskias Stimme. „Ich wette, Elias kann ihn nicht lange aufhalten.“ „Aber wo müssen wir hin? Ich sehe nur schwarz.“ „Hier rüber“, sagte ich leise, aber laut genug, dass sie es hören konnten. „Wo bist du?“, zischte Saskia nervös und lief auf das Gestrüpp zu. Weder ich noch die anderen konnten uns sehen. Ich probierte mich zu erinnern, in welche Richtung sie vorhin gegangen waren. „Leo? Wo bist du?“, fragte Saskia. Ihre Stimme wurde immer lauter.
„Saskia? Ich bin hier, geh noch ein paar Schritte!“, sagte ich schnell und die Worte überschlugen sich, als ich die Stimme des Mannes und die laut polternden Schritte von Elias auf dem nassen Boden hörte. Jetzt sah ich ihre Umrisse klar vor mir und streckte die Hand nach ihr aus. „Kommt schnell.“ Saskia drängte sich an mir vorbei, in ihrer anderen Hand ruhte die von Phillip. Er war so leise, dass ich ihn gar nicht gehört hatte. Die beiden hockten sich hin und schoben sich einige Äste aus dem Gesicht. „Geht schon mal!“, flüsterte ich, als
Elias sich zwischen die Äste schmiss. „Du kommst aber mit, und Elias auch.“ „Ja, ja, ich komme jetzt.“ „Wir warten, bis Elias kommt.“ Der Mann verschwand kurz in seiner Hütte, schaltete das Licht ein und kam wieder raus. Dann wurde es wieder still. Wenigstens konnte man jetzt etwas sehen. Der blasse Schein des Lichts, das durch die Fenster drang, war hell genug, um zu erkennen, wo Elias war. Er lag unter einem dichten Farn, direkt am Rand der Lichtung. Der Mann ging langsam über die Lichtung in Elias´ Richtung. Nervös kaute ich auf meiner Lippe herum. „Nicht bewegen!“, flüsterte ich so leise,
dass ich es selbst kaum verstand, vielleicht hatte ich es ja gar nicht gesagt. Kurz vor Elias blieb der Förster stehen und drehte sich in meine Richtung. Dann drehte er sich einmal ganz herum. Jetzt sah ich, was er in seiner linken Hand hielt. Ein Gewehr. Elias, o Gott. Wieder klappte mir der Mund vor Entsetzen auf. Ich atmete laut aus, vielleicht zu laut, denn der Bewaffnete drehte sich ruckartig zu mir herum. Erschrocken drehte ich mich um und suchte die Dunkelheit nach Saskia oder Phillip ab, aber die beiden waren verschwunden. Auch hinter mir war keiner von ihnen zu
sehen. Jetzt kamen die schweren Schritte in meine Richtung. Ruckartig schmiss ich mich auf den Boden und rollte mich unter eine Tanne. Ich lugte zwischen den Zweigen hervor und hoffte Elias wegrennen zu sehen, aber er lag immer noch da. Er winkte mir heftig zu, dass ich wegrennen sollte, aber ich hatte zu viel Angst. Auch nur bei dem allerkleinsten Geräusch hätte er nach mir geschossen. Ich zog meine Lippen zu einer geraden Linie, damit ich nicht zu laut atmete, oder los schrie. Meine Augen mussten riesig gewesen sein, denn wenn ich blinzelte, bekam ich die Lieder nicht
ganz zu. Er zeigte mit dem Zeigefinger an seine Lippen. Okay, er wollte, dass ich leise war. Ich tat mein bestes. Zwei schwarze Lederschuhe waren genau vor meiner Nase. Ich sah gerade noch, wie Elias nach einem Tannenzapfen griff und ihn in Richtung Jeep warf. Und er traf das Auto und die Füße vor mir rannten in Richtung Hütte. Jetzt schnellte ich zurück. Wieder flog ein Zapfen durch die Luft, aber diesmal traf er den Lichtschalter. Es war wieder stockdunkel. Plötzlich ergriff mich eine Hand und zog mich weiter zurück in den Wald. Diese Hand gehörte weder Saskia, sonst noch
einem Mädchen. Als ich mich umdrehte, sah ich nichts. „Komm.“ Elias Stimme war ganz nah und klang so vertraut. „Wie kommst du hier hin?“, wir robbten uns über den Waldboden. Und ich merkte, wir er sich über mein Tempo aufregte. Aber er hatte ja kein gebrochenes Schienbein. Die Hütte hatten wir längst hinter uns gelassen, als er sich aufrichtete und meinen Arm um seine Schulter legte, dann rannten wir weiter. Jeden zweiten Meter stolperte ich und ließ mein ganzes Gewicht an ihm ab. Das schien ihn überhaupt nicht zu
stören. „Alles Okay?“, fragte er nach einiger Zeit. „Ja, und bei dir?“ „Mir geht’s gut!“, antwortete er, „deine Schiene gibt gerade den Geist auf!“ „Oh, ja“, mehr bekam ich nicht heraus. Trotz der Nacht, die sich um uns schloss, sah ich seine Augen. „Hast du dich deshalb so an mir festgekrallt?“, fragte er schnell. „Sagst, oder fragst du eigentlich immer, was du denkst?“ „Nur bei Leuten, denen ich vertrauen kann!“ „Gut zu wissen“, ich lächelte geschmeichelt. „Warum gehen wir nicht
an der Straße lang?“ „Damit der Förster uns sieht?“ „Nein, damit ich dich loslassen und selber laufen kann.“ „Das würdest du nicht hinkriegen!“ „Ach ja, stimmt, du weißt ja immer alles besser. Das hatte ich vergessen.“ „Genau.“ Er schlang seinen Arm um meine Talje und führte mich durch den nicht zu enden scheinenden Wald. „Wo sind Saskia und Phillip?“ „Keine Ahnung.“ „Sonst weißt du aber auch alles.“ „Noch einmal so was, und ich lasse dich fallen!“, drohte er lachend. „Dann bist du aber für meinen Tod verantwortlich“, versicherte ich
ihm. „Wenn du meinst“, seine Stirn war in tiefe Falten gelegt, als er mein Gesicht musterte. „Hast du keine Angst gehabt?“ Erst schaute ich auf den Boden und suchte nach einer passenden Antwort, um es so harmlos wie möglich klingen zu lassen. „Doch.“ Wow, da war mir ja was Tolles eingefallen. Aber sein Blick hatte mich so nervös gemacht, dass ich einfach mit der Wahrheit rausplatzte. „Warum fragst du?“, fragte ich schnell. Das hätte er doch locker von meinem Gesicht ablesen können. „Ich wollte nur wissen, ob du ehrlich
antwortest!“ „Und glaubst du, dass ich ehrlich geantwortet hab?“ „Ich denke schon, ja.“ „Du sahst nicht ängstlich aus! Eher hochkonzentriert!“, bemerkte ich. Er schaute mir kurz in die Augen, dann drehte er den Kopf nach vorn. „Wartest du jetzt auf eine Antwort?“, fragte er nach langer Zeit. „Ja“, ich flüsterte nur. „Du hast aber gar keine Frage gestellt!“ Ich verdrehte die Augen: „Warum hast du hochkonzentriert ausgesehen, und nicht ängstlich?“ Er wartete, bis ich ausgeredet hatte, dann sprach er leise und gewählt: „Ich
wusste, er würde nicht schießen!“ „Und woher?“ Doch ich bekam keine Antwort. Ich drehte den Kopf nur leicht zur Seite, um zu sehen, ob er sauer war oder nicht. Doch sein Gesichtsausdruck verriet mir nichts. Er starrte geradeaus in die Nacht. „Hier sind wir, Leute“, Phillip hätte ich dafür umbringen können. Jetzt, wo ich Elias soweit hatte, dass er mir fast sein … Geheimnis … gesagte hätte, kommt er und ruiniert wieder alles. Wir hatten uns getrennt. Saskia und ich huschten durch die dunkle Nacht, Phillip und Elias waren schon am Anfang
der Stadt verschwunden. Meine Freundin kletterte wieder über die Garage ins Badezimmer. Während sie sich hochhievte, humpelte ich zum Haupteingang. Kurze Zeit später öffnete sie schon die Tür. Im Schein des trüben Lichts sah sie so anderes aus, so leichenblass. „Komm, schnell, mein Dad hat uns immer noch nicht vermisst, aber gleich ist seine Sendung vorbei. Dann müssen wir oben sein.“ Ihre kalten Finger zogen mich die Treppe hoch. Paula stand oben im Flur und lachte uns aus, wahrscheinlich, weil unsere Haare voller Tannennadeln und Blättern waren. Allerdings sah sie nicht so schlimm aus
wie ich. Meine Knie waren grün und das auf der weißen Hose. Meine rosane Strickjacke war voller Dreck und meine Hände grün- braun. Wir versteckten uns erstmal in Saskias kleinem Zimmer. Sie warf mir ein paar trockene Sachen zu. „Hier, die müssten passen!“ Sie selbst zog sich nur ihren Schlafanzug an. „Gehen wir heute noch mal weg?“, fragte ich sie und wunderte mich, warum sie mir neue Sachen gab. Ich hätte doch auch meinen Schlafanzug anziehen können. „Nein, zieh ruhig deinen Schlafanzug an, tu nur so, als wären das deine
Sachen hier.“ „Warum?“ „Weil mein Vater gleich reinkommen wird und sich davon überzeugt, ob wir auch hier sind!“ „Und warum soll ich dann deine Sachen …?“ „Die nassen Sachen müssen wir verstecken und du hast keine Ersatzsachen mit, schon vergessen?“, sie verdrehte theatralisch die blassgrünen Augen. „Zieh dich jetzt um!“ Wieder wurde ich mit Befehlen bombardiert. Und sie hatte recht, nach einigen Minuten wurde der Fernseher ausgeschaltet und einige Sekunden später
lugte ein Kopf durch ihre Zimmertür. Der nächste Morgen verlief weniger hektisch. Wir schraubten meine Schiene wieder zusammen, danach gingen wir frühstücken. Paula starrte mich während des Frühstücks die ganze Zeit sauer an. Was hatte sie nur gegen mich? Und was konnte ich dafür? Fin und die Kleinen waren schon weg, einkaufen oder so, ich hatte nur halb hingehört. Denn vorhin hatte Paula telefoniert. Mit Lars. Hatte Lars etwa mit Ronja Schluss gemacht, und suchte jetzt Unterstützung bei Paula? Wurde sie zum zweiten Mal
benutzt? Und ließ sie das mit sich machen? Paula hatte zwar probiert, so leise wie möglich zu sprechen, während sie mit Lars telefonierte, aber gegen die alten, dünnen Wände hatte auch ihre zarte Stimme keine Chance. Eins war klar, dass ich Lars nachher ausquetschen würde. Ob er wollte oder nicht. Wenn nicht würde ich mit dem Treffen von ihm, Mr Miller und mir herausplatzten. Und wie verabredet trafen wir uns mit den restlichen Schwänen. Alle wussten von unserem nächtlichen Ausflug. Von wem
wohl? „Paula!“, fluchte Saskia. „Ja, sie hat mich angerufen und gefragt, ob ihr bei mir seid. Ich hab ja gesagt, dachte mir aber, was ihr vorhabt!“, erklärte Nina. „Ich habe auch Phillip angerufen, und als du drangingst, war mir klar, was los war.“ „Ich bin nicht drangegangen, ich habe nicht mal mitbekommen, dass …?“, antwortete Saskia. „Wann soll ich denn dran gegangen sein?“ „So um elf.“ Saskia sah mich an, als ob sie sich gleich übergeben würde. „Was ist?“, fragte ich langsam. „Um elf waren wir noch zusammen im
Wald.“ „Und?“ „Da hat kein Handy geklingelt!“ „Was?“, fragte Jill. „Dann ist jemand anderes drangegangen!“, stellte Nina fest. Ihr Blick ruhte auf Saskia, genau wie der, der anderen. „Aber wer?“, fragte ich, „einer der Jungs?“ „Bestimmt!“, meinte Jill. „Kann nicht sein. Es war eine Mädchenstimme.“ „Keiner von uns ist an sein Handy gegangen!“, versicherte ich der verdutzen Bande. „Ich habe Phillips Handy nicht gesehen,
ich glaube er hatte gar keins mit! Und wenn er eins mitgehabt hätte, wir haben in einer Pfütze gelegen. Das Handy wäre ja dann am Ar …“ „Und außerdem hätte er das Handy ausgemacht, wenn er irgendwo einbricht!“, setzte ich hinzu. „Dann hat irgendjemand anderes sein Handy“, meinte Nina. „Der Jemand spielt das Spiel mit uns!“, ängstlich schaute Madleén zu uns auf, denn bis jetzt hatte sie nur auf ihre Füße gestarrt. Auch mir liefen wieder einige Schauer den Rücken runter. Wir hingen jetzt da drin. In dem Mordfall. Irgendjemand spielte wirklich mit, aber wer? Eine
Mädchenstimme hatte Nina gesagt. Also keiner außer uns wusste davon. „Doch!“, Nina antwortete auf die Frage, die mir durch den Kopf schwirrte. „Judith und Lara wissen bescheid. Ich wette, sie haben das Handy!“ „Und ich wette“, fügte Jill hinzu, „dass sie euch gestern hinterher spioniert haben!“ „Und was ist, wenn sie das Handy nicht haben?“, fragte ich, um die anderen abzulenken, die mich sauer anstarrten. Ich hatte niemandem von den Schwänen erzählt, nicht mal meinem Tagebuch. Und von Nuni hatte ich auch nichts erzählt, wem auch, der es noch nicht wusste. Für Judith und Lara war ich ja
nichts weiter, als eine Verräterin, obwohl mir immer noch nicht klar war, warum. „Wir statten ihnen einen Besuch ab!“, schlug Jill vor. „Nein, spinnst du, glaubst du, die würden uns das Handy einfach wieder geben?“, fragte Saskia, dann lächelte sie: „Wir müssten es uns schon holen!“ „Nein, das kannst du vergessen, ich breche nie wieder irgendwo ein, vor allem nicht wieder mit dir!“, versprach ich ihr hoch und heilig. „Warum?“, fragte Saskia entsetzt. „Weil du mich wieder in ein Date verwickelst, oder ich fast erschossen werde!“, antwortete ich und probierte es
so dramatisch, wie möglich zu erzählen. „Hat er wirklich geschossen?“, fragte Nina neugierig. „Nein, er wurde abgelenkt!“, sagte ich und hoffte das Thema damit fallen lassen zu können. Aber bei Jill konnte man davon nur träumen. „In was für ein Date?“, fragte die schwarzhaarige Gerüchteverbreiterin neugierig. Ich antwortete nicht, das hätte ihr so passen können. Alle, außer Jill merkten, dass ich nichts preisgeben würde. Auf dem Weg zu Nina, da versammelten wir uns immer bei schlechtem Wetter wie heute, wurde ich von ihr alles
gefragt und gab keine Antwort. „Na gut, dann frag ich eben Phillip!“ „Wie kommst du denn auf Phillip?“, fragte Saskia empört, „wir sind zusammen!“, schnell biss sie die Zähne zusammen und hoffte, dass alle ihre Bemerkung vergaßen. Aber alle lächelten und schauten auf den Boden, um es ihr nicht noch schwerer zu machen, als es eh schon für sie war. Jill als Freundin zu haben, war echt nicht leicht, denn ihr konnte man nichts anvertrauen. Irgendwann huschten wir dann in die große Garage von Nina und berieten uns. Hier waren wir vor allen neugierigen Ohren
sicher. „Wir müssen auf Phillips Handy anrufen!“, meinte Madleén aufgeregt. „Ich hab seine Nummer!“, Saskia zückte ihr Handy. „Warte, er hat deine auch, oder?“, fragte Nina. „Natürlich“, antwortete sie schnell. „Dann müssen wir mit einem Handy anrufen, dessen Nummer er noch nicht hat! Sonst wissen die neuen Besitzer des Handys ja, wer wir sind.“ „Stimmt!“, stillten Jill und Madleén mit ein. „Meine Nummer hat er nicht!“, versicherte Jill und hielt ihr Handy schon in der
Hand. „Doch, er hat alle von euch, ich habe sie ihm alle gegeben!“, gestand Saskia. „Warum das?“, jetzt folgte eine Runde Beschimpfung… dann mischte ich mich ein:„Hört mal auf, auf ihr rum zu hacken, meine hat er nicht, denn ich habe keinem meine Handynummer gegeben, nicht mal Saskia!“ Jetzt war es still- endlich. Saskia diktierte mir die lange Nummer, dann machte ich den Lautsprecher an und alle warteten gespannte darauf, dass jemand abhob. Alle Köpfe waren über mein kleines Telefon gebückt. „Wer spricht eigentlich?“, fragte Nina
nach einiger Zeit. „Du, wenn mal jemand dran gehen würde!“, sagte Jill so schnell, dass ich es kaum verstand. Ich legte auf, und wählte noch mal, aber auch nach dem neunten Versuch ging keiner dran. „Vielleicht ist es ausgegangen!“, riet Madleén. „Wieso sollte es ausgehen?“, zickte Jill. „Ein Handy kann auch nicht unendlich lange an bleiben, irgendwann geht der Akku leer. Und ich denke nicht, dass der Dieb das Ladekabel gleich mitgeklaut hat.“ Mir und Nina entfuhr ein Lachen, es war wirklich komisch mit anzusehen,
wie die beiden stritten. „Was sollten wir jetzt machen?“, fragte Nina später. „Wir fragen am Montag Phillip, ob er sein Handy wieder hat, was denn sonst?“, fragte Saskia. „Ich wette, er hat es nicht wieder!“, meinte Jill herausfordernd. „Okay, ich nehme die Wette an, um was wetten wir?“, fragte Madleén genauso herausfordernd wie Jill. „Um … einen Satz!“ „Hä?“, fragte Madleén ahnungslos. „Wenn ich gewinne, darf ich jemandem etwas sagen, ohne, dass du es verhinderst, du musst aber dabei sein!“, erklärte
Jill. „Okay, abgemacht!“ Sie schüttelten sich die Hand. „Dasselbe gilt für mich!“ „Madleén, dir ist schon klar, auf was sie hinaus will, oder?“, fragte ich sie auf dem Nachhauseweg. Es war das erste Mal, dass ich mit ihr allein war. Sie wollte mich nach Hause bringen, denn sie wohnte nur zwei Straßen weiter, auf dem kleinen Bauernhof am Stadtrand. „Ja, ich denke schon. Sie wird allen sagen, dass ich in …“ „Und was wirst du sagen, wenn du gewinnst?“, fragte ich neugierig und merkte erst später, dass ich die schüchterne kleine Madleén nicht ausreden gelassen
hatte. Verdattert schaute sie mich an: „Keine Ahnung, was würdest du denn über sie erzählen wollen?“ „Keine Ahnung!“, gestand ich. Jill war wunderhübsch, mit ihren dünnen, glatten und glänzenden schwarzen Haaren und ihrer weißen Haut sah sie aus wie Schneewittchen. Manchmal nannten wir sie so, um sie zu ärgern. Sie war sehr schnell beleidigt, dann sprach sie wochenlang nicht mehr mit einem. Und sie hatte das Talent, Gerüchte zu verbreiten und Leute zu mobben, wenn sie nicht besonders modisch gekleidet waren. Sie war eben eine echte Diva.