„Ihr Idioten!!! Ihr Flaschen!!!“, schrie ihnen Joe noch eine ganze Weile lauthals hinterher. „Ohne mich werdet Ihr doch alle verrecken!!!“
Bis tief in den Urwald waren seine fast kreischenden und fluchenden Schreie zu hören.
„Lass ihn schreien!“, sprach Maria leise zu Laura, als die sich ängstlich umschaute. „Der beruhigt sich schon wieder. Er ist jetzt ein wenig in seinem Ego verletzt. Wahrscheinlich bemerkt er gerade, dass er hier auf der Insel genauso ein kleines unbedeutendes Licht ist wie
wir.“
„Aber was soll heute Nacht werden? Spätestens wenn es dunkel wird müssen wir eine sichere Bleibe gefunden haben, am besten mit Feuer...“
„Mach Dir mal keine Sorge, Schwesterchen!“, mischte sich Christian, der mit Ashley und den Kindern etwas vorneweg lief, in die Unterhaltung der beiden Frauen ein und ließ sich ein Stück zurück fallen. „Ich würde sagen, dass wir uns auf die andere Seite der Insel durchschlagen. Da finden wir bestimmt auch ein sicheres Plätzchen am Strand. Ja und Feuer bekommen wir auch schon irgendwie.“
„Ja und die Kinder?“, versuchte Laura
ihren Bruder etwas in seinem Optimismus zu bremsen. „Ich weiß nicht wie lange die Beiden noch diese Strapazen mitmachen. Christian, die Kinder haben seit drei Tagen nichts mehr zu essen gehabt!“
Christian blieb stehen und schaute abwechselnd von den Kindern zu Laura. Er grübelte. Natürlich hat sie recht! Aber woher soll ich denn nur auf die Schnelle etwas zu Essen finden?
Auch Ashley mit den Kindern war jetzt stehen geblieben und trat zu den Dreien. „Weißt Du noch dieses Vieh dort oben in den Bäumen?“
Wie vom Blitz getroffen, drehte er seinen Kopf zu seiner Cousine. „Du hast recht! Diese roten Beeren! Das könnte erst mal
was sein. Aber die werden noch immer ganz schön hoch hängen!“
„Rote Beeren?“ fragte Maria erstaunt nach.
„Ja! Die haben Ashley und ich vorgestern, als wir in den Wald gegangen sind entdeckt. Aber die hängen sehr weit oben in den Bäumen.“
„Und woher wollt Ihr wissen, dass man die essen kann?“
„Nun ja wir haben ein kleineres Säugetier beobachtet, wie es diese Beeren abgepflückt und gefressen hat. Das ist besser als gar nichts. Oder?“
„Und heute könnten wir es sogar schaffen da hinauf zu klettern.“, pflichtete Ashley ihrem Cousin bei. „Dein Knie scheint ja
wieder halbwegs fit zu sein.“
„Du hast recht! Lass uns danach Ausschau halten. Vorgestern waren diese Bäume überall hier im Dschungel.“
Sie suchten das grüne Blätterdach des Waldes ab und drehten sich dabei langsam im Kreis.
Bereits nach einigen Sekunden wurde Christian fündig. Etwa zwanzig Meter von der Gruppe entfernt, mitten in einem Buschwerk, ragte einer diese gewaltigen Bäume in die Höhe. Doch noch immer war seine Rinde sehr glatt und bot eigentlich keine Möglichkeit, sich beim Hochklettern irgendwie festzuhalten.
„Da ist Einer!“ Christian zeigte auf den Urwaldriesen. „Wollen wir es irgendwie
versuchen?“
„Der ist schon ganz schön hoch! Findst nicht auch?“
„Ach komm! Wir schauen ihn uns mal aus der Nähe an.“
Christian lief, gefolgt von Ashley, los.
„Ich bleib mit Laura und den Kindern besser hier und warte auf Euch!“, rief ihnen Maria hinterher.
„Das geht in Ordnung!“
„Passt bloß auf, dass Ihr nicht abstürzt!“ Laura war voller Sorge um die Beiden. Sie schaute ihnen nach, bis sie im Buschwerk verschwanden.
Nun standen Ashley und Christian vor diesem Baum. Sein Stamm mit jener recht glatten Rinde maß etwa einen halben
Meter im Durchmesse und verjüngte sich nach oben hin nur unwesentlich.
„Oh verdammt!“, fluchte Christian. „Aber es nützt ja nichts! Zumindest müssen wir es versuchen!“
Kurz entschlossen umschlang Christian mit Armen und Beinen den Stamm so weit es ging und versuchte sich unter aller größtem Kraftaufwand daran hoch zu ziehen.
„Steigeisen oder Krallen müsste man haben!“, ächzte er angestrengt, als er gerade mal die ersten zwei Meter geschafft hatte. Schon jetzt begannen seine Muskeln wegen der Überanstrengung zu brennen und seine Gliedmaßen begannen zu zittern.
Nach einem weiteren halben Meter passierte es schließlich. Christian war gerade dabei sich wieder ein Stück nach oben zu schieben, als seine Beine plötzlich den Halt verloren. Unfähig zu bremsen rutschte er schmerzhaft den Baumstamm wieder hinab. Weil so glatt war der Stamm nun auch wieder nicht!
„Verdammt noch mal!!“, fluchte er lauthals, als er unten angekommen war. „Müssen wir diesen beschissenen Baum erst fällen um an diese dämlichen Beeren ran zu kommen!? Ach ne! Wir haben ja keine Säge! So eine Scheiße!!“ Christian war wütend und wollte irgendwo seinen Frust raus lassen. Mit geballten Fäusten stand er vor dem Baum und schniefte
durch die Nase.
„Soll ich es mal versuchen?“ Ashley schob sich zwischen Christian und Baum und schaute den steilen Baumstamm nach oben.
„Ach komm lass! Das bringt doch nichts! Nachher tust du dir nur noch unnötig weh!“, Christian wollte sie von dem Baum wegziehen.
„Nun lass es mich doch mal wenigstens versuchen!!“ Ohne zu zögern umschlang nun Ashley den Stamm mit Armen und Beinen und schob sich Stück für Stück nach oben.
„Ashley komm! Wir finden eine andere Möglichkeit!“ Christian hatte Angst um das Mädchen, dass sie abstürzen könnte.
Bereits nach zwei Metern begann Ashley damit den Halt zu verlieren. Verzweifelt versuchte sie sich, wie zuvor Christian, am Stamm festzuklammern. Doch sie rutschte immer weiter und schmerzhaft herab.
Plötzlich kreischte sie laut auf und stoppte auf einmal in ihrer Abwärtsbewegung.
„Ashley!!!“, schrie Christian erschrocken und wollte das fallende Mädchen auffangen. Jedoch hatte sie irgendwie festen Halt.
„Was ist das!!? Es tut so weh!!!“, schrie das Mädchen und hing aber an diesem Baum wie angeklebt.
„Komm verdammt nochmal da herunter!!“,
schimpfte jetzt Christian aufgebracht.
„Nein! Es geht! Ich habe jetzt irgendwie Halt!“ Ashley bewegte sich jammernd weiter.
Als sie mit den Händen nach griff erkannte Christian entsetzt warum Ashley auf einmal so guten Halt hatte.
„Oh mein Gott!! Was ist mit dir geschehen!?“
„Keine Ahnung! Es geht irgendwie. Es tut plötzlich auch nicht mehr weh!“
Geschockt beobachtete Christian wie sich die langen spitzen Krallen, welche sich von innen her durch ihre blutenden Fingerkuppen und Zehenspitzen gebohrt hatten, tief in die Rinde des Baums bohrten.
Christian war bei diesem Anblick einfach nur entsetzt und fassungslos. Was ist nur mit Ashley geschehen? Wie kann das sein? Was passiert mit ihr?, schoss es ihm durch den Kopf. Nur einen Moment später schrien die nächsten Fragen, einer Offenbarung gleich, in seinem Gehirn. Was wird mit mir geschehen? Warum verändere ich mich nicht? Christian war klar, dass nur der Kontakt mit dieser schwarzen Substanz bei Ashley diese schrecklichen Folgen hervorgebracht haben konnte. Doch wenn dem so wäre, warum blieb Christian von derartigen Veränderungen verschont?
Ashley hatte inzwischen die Hälfte der Baumstammlänge überwunden und schien
sich langsam in eine gewisse Art Rhythmus oder Technik einzuspielen. In immer flüssiger und schneller werdenden Bewegungen kletterte sie diesen nackten Baumstamm empor und hatte auch schon bald die Baumkrone erreicht.
„Super Ashley! Du hast es geschafft!!“, hörte Christian seine Schwester außerhalb vom Buschwerk rufen.
Das was Christian jetzt zu sehen bekam, ließ ihm erneut das Blut in den Adern gefrieren. Kaum hatte Ashley die Äste der Baumkronen erreicht, erkannte er mit schauriger Faszination, wie sich bei dem Mädchen diese langen Krallen in ihre blutigen Fingerkuppen und Zehenspitzen zurück zogen. Auch wenn er so etwas
noch nie zuvor gesehen hatte kam es ihm doch seltsam vertraut vor. Doch wusste er nicht wo er diese Eindrücke einzuordnen hatte.
„Ich schmeiß die Früchte runter!“, rief Ashley zu den beiden Frauen mit den Kindern. „Dann braucht ihr sie bloß noch einsammeln!“ Flink kletterte sie von Ast zu Ast und angelte sich mit ihren kleinen Händen zahlreiche Früchte um sie den Frauen mit den Kindern entgegenzuwerfen.
Nach einigen Minuten hörte Christian seine Schwester rufen, dass es wohl reiche, da man nicht wisse wo man die Früchte noch lagern solle. Da trat Ashley den Rückweg an, ohne zu vergessen auch
noch ein paar jener Früchte selbst zu probieren.
Am Stamm schoben sich, wie automatisch, diese langen spitzen Krallen aus ihren Fingern und Zehen und bohrten sich für den Abstieg erneut in die Rinde des Baums.
Da fiel es Christian ein woran ihn dieses schaurige Szenario erinnerte. Katzen! Katzen waren in der Lage ihre Krallen ein- und auszufahren! Aber was hatte Ashley auf einmal mit Katzen zu tun? Auch ihr Kampf mit Joe, ihr eigenartiges Fauchen und ihre geschmeidige Art sich während des Kampfes mit Joe zu bewegen, sprach bei Christian auf einmal alles für eine Katze!
Ashley war schon nach kurzer Zeit wieder unten und strahlte vor Stolz ihrem Cousin entgegen. „Ist das nicht toll? Endlich haben wir zu Essen!“
„Ja! Das war eine Glanzleistung von Dir!“, erwiderte Christian eher beiläufig und nahm eine Hand von Ashley. Er schaute sich ihre Fingerkuppen an. Deutlich waren an jeder Fingerkuppe diese kleinen blutigen Löcher zu erkennen, welche jene Krallen durch sie hindurch gestoßen hatten. „Höre mir zu! Ashley! Du hast schon mitbekommen, was da eben passiert ist?“
Ashley schaute kurz auf ihre Finger. „Ich glaube schon!“, sagte sie leise und betroffen, als schäme sie sich.
„Ich weiß noch nicht genau warum, aber scheinbar durchlaufen wir beide wirklich eine Veränderung, eine Art Metamorphose! Bei dir geht es offensichtlich schneller als bei mir. Halte deine Finger wenn möglich erst mal bedeckt. Ich weiß nicht, wie die anderen damit umgehen können. Ich bin gerade froh dass wir alle zusammen geblieben sind. Ich möchte nicht, dass die Anderen vor uns auch noch Angst haben. Die Wahrheit wird sich noch früh genug offenbaren. Bis dahin haben wir uns hoffentlich als Team gefestigt. Ist das für dich ein Problem?“
„Was passiert mit uns? Werden wir wirklich zu Monstern?“, flüsterte Ashley
fast vor Angst, die Frauen und die Kinder könnten sie hören.
Christian zögerte einen Moment, sah in Ashleys blaue Augen und streichelte ihre Wange. „Es wird schon alles gut, Kleines! Vertrau mir!“
Christian scheute sich, seiner Cousine die offensichtliche Wahrheit zu bestätigen. Er wollte sich gar nicht ausmalen, was unter diesen Umständen die Zukunft bringen würde! Waren diese Veränderungen ihr unausweichlicher Untergang? Oder bedeuteten sie vielleicht sogar einen Segen? Waren sie manchmal durch diese Veränderungen für ein Leben auf dieser schrecklichen Insel besser gewappnet als zuvor?
„Also gut! Lass uns zu den anderen gehen!“
Die Beiden arbeiteten sich erneut durch das Buschwerk zu Maria und Laura mit den Kindern.
„Ach da seid Ihr ja!“, begrüßte sie Laura freudig und die Kinder kamen auf sie zugelaufen. Vom Saft jener Früchte waren ihre Münder rot verschmiert und sie strahlten vor Freude über das ganze Gesicht. Wahrscheinlich war es für die beiden eine kleine Erleichterung, dass ihre Mägen endlich wieder etwas zu tun hatten.
„Na Ihr beiden? Hat´s Euch denn geschmeckt?“, empfing sie Christian freudig und nahm sie in die Arme.
„Die Früchte waren ganz lecker, Onkel Christian!“, antwortete die kleine Jenny eilig.
„Ich wollte noch mehr!“, ergänzte der kleine Lukas noch. „Aber Mama meint wenn wir zu viele auf einmal essen, dann bekommen wir Bauchweh!“
„Och mein Kleiner! Aber da hat Eure Mama wahrscheinlich recht!“
„Ja aber wieso denn?“, schmollte Lukas.
„Komm höre einfach auf deine Mama! Okay?“
„Ja ja!“
Sie waren bei den Anderen.
„War noch irgendwas?“, fragte Maria neugierig, aber ohne jeden Unterton.
„Wieso?“, fragte Christian unbekümmert,
wusste aber was jetzt käme.
„Na ja! Weil Ihr noch so lange dahinten ward, als Ashley schon längst vom Baum runter war.“
Ashley und Christian schauten sich einen Moment lang an und hatten sich mit dem einen Blick alles gesagt. Sofort ballte Ashley die Hände zu Fäusten und vergrub ihre Zehen im weichen Waldboden.
„Nö nö! Da war nichts! Sie hat sich nur ein bisschen gestoßen ist nichts weiter. Alles ist in Ordnung!“
„Diese blöden Weiber!“, fluchte Joe vor sich hin und schleppte Holz an die Feuerstelle, um für die Nacht gewappnet zu sein. „Die werden schon sehen, was sie davon haben! Elendig verhungern werden sie bei dieser Lusche und diesem Miststück!“ Wieder warf er wütend einen wuchtigen Ast auf seinen Holzhaufen. „Was habe ich denn gemacht, verdammt!? Hab ich ihnen nicht die Augen geöffnet, was das für welche geworden sind? Blöde Hühner! Sollen sie doch verrecken, da im Busch!!“ Der Holzhaufen war nun so groß, dass er wohl die ganze Nacht hindurch reichen
sollte, meinte Joe und überlegte nun was er machen solle. Ich muss Essen besorgen! Wenn dieses Riesenvieh wenigstens noch da wäre!, musste Joe an dieses Ungetüm denken, dass er erschossen hatte, kurz bevor es Ashley zu fassen bekam. Doch als er am nächsten Tag dort war hatten sich bereits die Aasfresser darüber hergemacht und bis auf ein paar Knochen und einigen Fellresten nichts übrig gelassen. „Das Vieh hatte doch was von einem Hirsch irgendwie! Scheiß Aasfresser. Ich muss in den Busch und was erlegen!“, sprach er weiter zu sich selbst. „Aber wie lange soll das gut gehen? Ich habe nur noch vier Kugeln im Revolver.
Verdammter Mist! Egal! Ich brauche was zu essen! Danach sehen wir weiter!“ Joe schaute hinauf zur Sonne. Sie stand wohl gerade in ihrem Scheitelpunkt. Also hätte er noch genug Zeit um im Wald irgendwas vor den Lauf seines Revolvers zu bekommen. Vom Rande des Holzhaufens nahm er sich einen langen geraden Stock, den er vorn angespitzt und die Spitze im Feuer gehärtet hatte. Mit dieser Art Lanze hoffte er das eine oder andere Tier attackieren zu können, oder wenn es ganz schlecht kam, sich damit zu verteidigen, sollten seine vier Kugeln im Revolver aufgebraucht sein. Ja und das konnte schneller als ihm lieb war
passieren! Er prüfte seine Lanze noch einmal auf Stabilität in dem er sie leicht durch bog und ging entschlossen in Richtung Urwald. Schon bald war Joe im Dschungel verschwunden und bewegte sich zügig, aber doch einigermaßen ruhig, durch das Unterholz. Stets beobachtete er seine Umgebung, ob sich da vielleicht etwas bewegte. Überall war zwar das nervtötende Gezwitscher von unzähligen Vögeln zu hören, auch raschelte es allenthalben um ihn herum, aber etwas sehen vermochte Joe in dieser grünen Hölle nicht! „Wo verstecken sich denn diese Viecher
bloß? Da mach ich mir sorgen, dass meine Kugeln nicht reichen könnten, dabei komm ich gar nicht dazu sie zu verschießen!“, fluchte er sarkastisch vor sich hin. Wieder musste er über einen wuchtigen Baumstamm klettern, welcher da vor ihm lag. Das ging natürlich schneller, als ihn umständlich zu umlaufen. Er stemmte sich auf dem Stamm ab und sprang schwungvoll auf die andere Seite, als plötzlich ein Tier in der Größe eines Rehs aus dem Unterholz hervor preschte und bei Joe´s Anblick geschwind Reißaus nahm. Hektisch zog Joe den Revolver, blieb mit der Waffe einen kurzen Moment an seiner
Hose hängen und visierte so schnell wie möglich das fliehende Tier an, bevor es seinem Blickfeld entschwunden war. Zum lange Zielen blieb ihm keine Zeit mehr! Er drückte ab. Laut peitschend krachte der Schuss durch den Dschungel. Aufgeschreckt flogen Schwärme von Vögeln in alle Himmelsrichtungen davon und das Tier entschwand, ohne das es Joe auch nur gestreift hätte, in den Tiefen des Urwaldes. „Fuck!!!“, schrie er wütend und stampfte mit dem Fuß auf den weichen Waldboden auf. Nun hatte Joe nur noch drei Kugeln in seinem Revolver! Das wollte Ihm eine Lehre sein. Jetzt steckte er den Revolver
nicht mehr in den Hosenbund.
Noch immer wütend über seine eigene Dummheit lief er, vor sich hin fluchend, weiter.
Doch es war wie verhext. Als hätten sich alle Tiere in die entlegensten Ecken dieser Insel zurück gezogen, schien der Dschungel frei von größerem tierischem Leben.
Wie lange sollte das noch so weiter gehen? Joe´s Stimmung hatte einen Tiefpunkt erreicht, als er gerade völlig demoralisiert eine Senke durchquerte und an der anderen Seite wieder empor stieg. Doch was er dann sah, überraschte ihn fast noch mehr als ein großes Tier welches er hätte erlegen können.
Der Schuss, welcher durch die weiten Hallen des Waldes schallte, hatte die kleine Gruppe zwar erschrocken zusammenfahren lassen, jedoch wussten aber auch Alle sogleich was das bedeutete. Joe war im Wald! Entweder um zu jagen oder aber er war ihnen auf der Spur und wurde von einer dieser Kreaturen angegriffen. Aber das schien eher unwahrscheinlich, wussten sie doch inzwischen, dass die Räuber jener Insel wohl alle nachtaktiv waren. Jedoch jetzt war es gerade mal später Nachmittag! Ashley vorneweg und Christian hintenan musste die Gruppe rein vom Gefühl her
die Insel bald durchquert haben. Es war nun langsam an der Zeit ein neues sicheres Nachtlager zu finden. Sie mussten doch noch vor dem Dunkel werden ein Feuer entfachen um die Kreaturen fernzuhalten! Und etwas Wasser wäre auch nicht schlecht! Schließlich hatten sie jetzt keinen Bach mehr, der gleich nebenan in den Ozean floss! Doch noch war weder etwas zu hören, geschweige denn etwas zu sehen von einem Strand oder wenigstens einer Küste! Bezüglich des Wassers waren Ashley wieder diese ungewöhnlich großen Blätter an einigen Bäumen eingefallen, welche
einem Reservoir gleich das Regenwasser speicherten und nach und nach dem Wald preisgaben, sozusagen eine natürliche künstliche Beregnung. Doch hatte es bereits seit drei Tagen nicht mehr geregnet! Hatten diese Blätter überhaupt noch Wasser gespeichert oder waren nach drei Tagen die letzten Reserven bereits aufgebraucht? Einziger Trost war, dass sie scheinbar essbares saftiges Obst gefunden hatten, also auch irgendwie Wasser. Damit könnten sie bestimmt die nächsten Tage überbrücken, bis die Gruppe eine neue Wasserquelle gefunden hätte. Nichtsdestotrotz war Ashley von einer sonderbaren Stimmung ergriffen. Sie
konnte es selber nicht genau bestimmen. Ihre Sinne waren aufs äußerste aktiv sie horchte, schaute und roch permanent, alles mit einem mal, um sich herum und machte manchmal nur aus dem Augenwinkel in so manchem Buschwerk allerlei Getier aus. Ein jedes mal verspürte sie einen inneren Drang diesen Kreaturen einfach hinterher zu rennen um sie zu fangen. Doch setzte sich bei ihr der gesunde Menschenverstand durch, dass es doch gar nichts brächte. Gewiss waren diese Kreaturen, welche sie ja noch nicht einmal kannte, viel zu schnell und viel zu flink für sie!
Ashley war von einer seltsamen Unruhe beseelt, die sie immer schwieriger unter
Kontrolle halten konnte.
Doch was selbst dem Mädchen am verwunderlichsten vorkam, war die Tatsache, dass ihr auf einmal alles um sie herum irgendwie vertraut war, obwohl sie doch nichts von Alledem kannte!
Ein Heißhunger hatte sie trotz der paar Früchte, die sie gegessen hatte, überfallen. Doch es war eine Art Hunger, wie sie ihn noch nie verspürt hat! Ernährte sich Ashley in Sydney weitgehend vegetarisch und verspeiste bestenfalls mal ein Ei oder belegte ihr Sandwich mit etwas Thunfisch oder Käse, verspürte sie, warum auch immer, plötzlich einen Heißhunger auf ein Steak oder Wurst, irgend etwas Festes,
Herzhaftes. Sie stellte sich unbewusst das faserige feste Fleisch vor, in welches sie gierig hinein biss. Das machte ihr zwar nicht gerade Angst, ließ sie jedoch an sich selbst zweifeln. Plötzlich raschelte etwas Größeres in einem Gebüsch keine zehn Meter von ihr entfernt. Mit Hochdruck schoss auf einmal das Adrenalin in ihren Körper. Blitzartig ging ihr Kopf zu jenem Geraschel und sie erkannte durch das Laubwerk hindurch eine Kreatur in der Größe eines mittleren Hundes mit zwei spitzen Hörnern, einem spitzen Schnabel und einer Behaarung, die irgendwo zwischen Fell und Federkleid einzuordnen war. Es stand auf zwei dünnen Beinen und
trug einen buschigen und pelzigen Schwanz. Das alles machte Ashley innerhalb einer Millisekunde aus und Alarmglocken gleich schrie es in ihr: Das kann ich essen!! „Was ist los Ashley?“, fragte von hinten Christian, da sie stehen geblieben war. Doch das hörte Ashley schon gar nicht mehr. Sie hatte jetzt alle ihre Sinne nur noch auf dieses eine Tier gerichtet und rannte fauchend los. Ohne die Geschwindigkeit zu drosseln brach sie in das Gebüsch ein, wich reaktionsschnell beim Rennen einigen Ästen aus oder schlug sie einfach beiseite und hatte jenes Tier fest im Blick. Sie war wie in Trance, dachte nichts mehr, hatte nur noch einen
Gedanken im Kopf, ESSEN!!! Sie hörte auch nicht mehr die Anderen, wie sie ihr erschrocken hinterher riefen! Schnell verringerte sich der Abstand zwischen ihr und dem Tier. Es war zwar schnell, aber irgendwie war Ashley schneller und vor allem reaktionsschneller! Nahezu zeitgleich reagierte sie auf ein paar Ausweichmanöver dieses Tieres. Als sie schließlich an einer lichten Stelle nur noch einen Meter von diesem Tier entfernt war, sprang Ashley in einem gewaltigen Satz auf das Tier und brachte es zu Fall. Ohne darauf einen Einfluss zu haben, schossen ihre langen Krallen aus den Fingerkuppen und schlugen sich tief
in das Fleisch jener Kreatur, die qualvoll schrie. Wie in einem Fluss riss sie dem Tier den Kopf nach hinten und biss mit all ihrer Kraft in die Kehle der Kreatur. Das heiß fließende Blut, welches in ihren Rachen floss, versetzte das Mädchen in eine Art Rausch. Gierig schluckte sie den heißen Lebenssaft des Tieres hinunter, während es unter Ashleys Würgegriff seinen letzten Lebenshauch verwirkte.
Als sich das Tier nicht mehr bewegte stand Ashley auf. Eine tiefe innere Ruhe ergriff jetzt von ihr Besitz. Zufrieden lächelte das Mädchen und zog die Beute an einem Bein haltend zu den Anderen.
JJ1968w Die Veränderungen bei Ashley sind irgendwie beängstigend und man fragt sich ob Christian sich auch so stark verändern wird. Sind Maria, seine Schwester und die Kinder noch sicher bei ihm und Ashley? Hatte Joe vielleicht doch Recht gehabt? Ich glaube dein Roman hat mehr Horror an sich, was man am Anfang nicht vermutet hätte. Wirklich Nervenaufreibend! LG JJ |
PorterThomson Da hast Du viele berechtigte Fragen! Ich habe in meinem Kopf auch schon die meisten Antworten. Aber ich werde einen Teufel tun und sie Dir bereits jetzt verraten! :))))) LG Thomas |