4. Kapitel Lars´ kleines Geheimnis Sie brachte mich zum Klassenraum zurück, wo Lars bereits auf mich wartete. Ich verdrehte die Augen, als ein blondes Mädchen, das neben ihm gestanden hatte, wegging. Judith lachte über meinen Gesichtsausdruck, - obwohl ich ihr dafür den Hals umdrehen könnte- aber Lars zwinkerte höflich und verhinderte meinen Rachefeldzug. Wir gingen quer durch die Schule, im Vorbeigehen fielen mir nur die verschiedenen Poster und Farben an den Wänden auf. Sonst sah alles gleich
aus. Im Auto saßen Elly und Micky, bestimmt warteten sie schon lange. Nach ihren Gesichtsausdrücken zu urteilen, schon. Nachdem ich mich von Judith verabschiedet hatte, huschte ich schnell in das große Auto, das mir Schutz vor den neugierigen Blicken gab. Natürlich regnete es jetzt Fragen, die alle nur aus Ellys Mund zu kommen schienen. Aber ich beantwortete jede. (Vielleicht mit nicht allzu großer Begeisterung) Endlich kamen wir Zuhause – na ja da, wo ich jetzt wohnte,
an. Ich half Elly beim Mittagessen und unterhielt mich mit Lars über die Schule. Später, als wir allein waren, fragte ich ihn, was er angestellt hatte. Aber er wollte es mir nicht verraten, noch nicht. Als wir alle vier (alle außer Marc, der erst um sechs nach der Arbeit nach Hause kommt) am Esstisch saßen, schaute mich Lars wütend an. Dachte er, ich würde es Elly erzählen? Vielleicht sollte ich das tun, dann würde er bestimmt die Wahrheit sagen! Elly, die strenge aber liebevoller Elisabeth Schmitz, die alles herausfand, wenn sie diesen besonderen Blick
aufsetzte. „Warum hat der …“, gerade als ich damit anfangen wollte, trafen sich Lars´ und mein Blick. Sofort stockte mir der Atem. „Ich sag´s dir später“, sein Blick war stechend, aber irgendwie auch unheimlich. „Beim Essen wird nicht gestritten“, das war Elly, die mit ihrer kleinen zierlichen Stimme bei uns nicht mithalten würde. Wieder schaute ich zu Lars, der stur den Blick auf seinen Teller richtete. Okay, dann sagte ich halt nichts mehr. Elly hatte mich dazu überredet, mit den Jungs zu fahren. Sie wollten in den
nächsten Ort fahren, um ein paar Ersatzteile für Lars´ s Mofa zu kaufen. Als wir in das kleine dunkelblaue Auto von Micky einstiegen, fiel mir erst auf, dass es schwarze Scheiben hatte. Cool. Micky arbeitet in einer Autowerkstatt, und Lars will in seine Fußstapfen treten. Auch wenn Marc und Elly nichts davon hielten. Wahrscheinlich, weil er keine guten Mechanik Kenntnisse besaß. Aber davon verstand ich auch nichts. Der Motor surrte leise, da fuhren wir schon aus der Garage. Ich saß hinten in der Mitte, Lars auf dem Beifahrersitz und Micky krallte sich nervös am Lenkrad
fest. „Was hast du?“, Lars´ Stimme klang angespannt. „Nichts, es ist nur etwas rutschig hier, aber da vorne unter den Bäumen nicht mehr.“ Wir fuhren aus dem Ort hinaus. Mir fiel nun auf, dass wir ganz am Rand der Ortschaft lebten, direkt bei einer alten Landstraße, die in einen Wald führte. Rechts und links waren nur Felder, nicht ein Dorf oder ein Kirchturm war zu sehen. Nur die Häuser hinter uns wurden immer kleiner. Schließlich hielt der Wagen an. „Wo sind wir?“, meine Stimme war relativ leise, denn es war so ruhig im
Wagen. „Im Horemer- Busch, so nennt man den Wald hier“, Micky antwortete genauso leise, wie ich. „Und warum halten wir hier?“ „Weil … wir hier halten!“ „Na toll.“ Ich verdrehte die Augen. Was wollten sie hier? Und warum hielten wir mitten auf der Straße? Kurz, nachdem ich diese Fragen gedacht hatte, sprang Lars aus dem Wagen. In diesem Moment rutschte Micky einen Platz nach rechts. Jetzt verstand ich, was hier lief. Micky ließ Lars fahren. Aber er war doch erst vierzehn, wenn
die Polizei das herausfinden würde, oder Elly- oder Marc ... O Gott, dann wäre hier die Hölle los. Schwungvoll hüpfte Lars auf den Sitz und trat auf das Gaspedal. Der Wagen raste los und ich wurde in meinen Sitz gedrückt. Mit riesigen Augen starrte ich nach vorne, wo gerade der Wald endete und weitere Felder kamen. Immer noch waren nur Felder und Waldstücke zu sehen. Wir waren die einzigen Unruhestifter, die die Kaninchen und anderen Tiere von den Feldern scheuchten. Ich traute mich gar nicht auf den Tacho zu schauen, aber das tat Micky für mich und schaute durch den
Rückspiegel. Er kicherte über meine Haltung: „Keine Panik, wir fahren nur hundertfünfzig.“ „Nur?“, ich klang sarkastisch. „Bitte sag Elly und Marc nichts von meinem kleinen Hobby, ja!“, seine Stimme klang fast flehend. Mit offenem Mund starrte ich in Lars´ Richtung. Er grinste bei dem Wort „Hobby“, das hier war kein Hobby, das war Selbstmord! „Wo fahren wir hin?“ „Dahin, wo Elly denkt, wo wir hinfahren!“, Micky lächelte, „wir würden sie ja nicht anlügen.“ Ich saß immer noch wir ein Dummy da
und konnte mich nicht rühren. Erst als das Fenster von der Beifahrertür herunter gefahren wurde, zuckten meine Muskeln vor Kälte zurück. Und endlich kam ein Ort in Sicht, endlich nach mehr als zwanzig Minuten Autofahrt, mit diesen Verrückten. Wir gingen auch tatsächlich in eine Autowerkstatt und kauften Ersatzteile ein. Ich trottete nur hinter ihnen her und nickte manchmal, wenn mich einer von den Zweien etwas fragte. Als wir wieder im Auto saßen, schnallten die beiden sich sogar an. Ich setzte mich sicherheitshalber hinter den Beifahrersitz. Die Rückfahrt wurde etwas bequemer,
vielleicht weil Micky fuhr oder weil das Fenster geschlossen blieb. Trotzdem stand die Tachoanzeige immer noch nicht unter hundertzehn. Im Wald fuhr Micky in eine Abzweigung, die ich auf der Hinfahrt gar nicht gesehen hatte. Sie lag auch ziemlich versteckt. Die Beiden stiegen aus und schauten sich um. Als Micky mir die Tür aufhielt, kam uns ein Mann entgegen. „Hallo, Jungs, wie kann ich euch helfen?“, fragte die tiefe Stimme. „Wir haben die Ersatzteile“, Micky strahlte über seine Worte, wie ein kleines Kind, das an Weihnachten eine ganze Spielzeugfabrik geschenkt
bekommen hat. „Und eine Dame habt ihr auch mitgebracht, das muss also die Neue sein!“, wie er mich betrachtete, als wäre ich Abschaum. Und wie er das gesagt hatte: DIE NEUE. Jetzt betrachtete ich ihn genauso verächtlich, wie er mich. Er hatte einen wilden, buschigen, schwarzen Bart, der ihm von den Ohren bis zum Hals ging. Es sah aus, als hätte er sich in seinem Leben erst ein paar Mal rasiert und er war mindestens an die fünfzig Jahre. Seine Anziehsachen waren grün, wie die eines Försters. Und unter seiner dunklen Mütze kamen lockige ungekämmte und unglaublich graue Haare hervor. Seine
Haarfarbe leuchtete richtig. Ob er sie gefärbt hatte? Er hatte tiefe Falten und Augenringe, die ihm bis zu den Wangenknochen gingen. Sonst fielen mir nur noch seine uralten Schuhe auf, die schon fast auseinanderfielen. Hinter ihm war eine kleine Lichtung, und an ihrem Ende stand eine kleine Hütte. Daneben stand ein großer Geländewagen, vor dem ein schwarzer Hund angekettet war. Die Lichtung bestand aus Schlamm und Unkraut. Ringsherum waren nur dunkle Tannen und ein paar Büsche, die sich ihren Weg zum Licht erkämpften. Es waren nur trübe Lichtstrahlen, welche die Hütte und die Lichtung so
unheimlich gestalteten. Vor diesem Mann könnte man richtig Angst bekommen! Aber was wollten meine Brüder hier? Warum haben sie mich überhaupt mitgenommen? Micky stupste mich sanft an, er wollte, dass ich mich vorstellte. „Hallo, ich bin Leonie Ellené Riemke-Schmitz.“ „Ich weiß“, er sah mich an, als wollte er mich ausstopfen und auch an die Wand an seiner Hütte hängen, an der schon unzählige Tiere hingen. Trotzig schaute ich ihn an. Ich wollte hier weg! „Kommt rein“, trampelnd verschwand
der Mann in seiner Bruchbude. O Gott, war ich unhöflich, aber der hatte es ja nicht anders verdient! Lars nahm meinen Arm und zog mich vorsichtig, aber nicht so sanft wie Micky an meiner „kaputten“ Hand. Vor der Tür blieb ich stehen und ließ die anderen vorgehen. Von drinnen kam ein miefiger Gestank, wann hatte er das letzte Mal geputzt und gelüftet oder hat es gar kein letztes Mal gegeben? Es kam mir jedenfalls so vor. Meine Brüder schien dies gar nichts auszumachen. Entweder hatten sie sich schon daran gewöhnt oder sie waren gute Schauspieler. Auf jeden Fall schaffte ich es, nicht die
Nase zu verziehen. Ich schlich mich zu ihnen hinüber, ließ aber die Tür offen stehen, damit ich noch Luft bekam. Lars grinste über meine Art. Der bärenartige Mann, obwohl es wohl eine Beleidigung für Bären gewesen wäre, setzt sich schwermütig auf einen herumstehenden Holzstuhl. Dann legte der Alte einige Zwanziger-Scheine auf den Tisch. „Das müsste reichen!“, grummelte er vor sich hin. Er war wohl nicht gerade begeistert, dafür zahlen zu müssen. Schnell packten die Zwei das Geld und verschwanden nach Draußen. Einen kurzen Moment stand ich allein da und
der Alte schaute zu mir auf. Sofort drehte ich mich um, humpelte hinaus und auf unseren Wagen zu. Micky und Lars schleppten die Teile neben die Tür und schienen genauso schnell weg zu wollen, wie ich. Als wir wieder die ersten Häuser der Stadt sahen, endete der Wald. Er machte mir jetzt, nachdem ich wusste, was für ein Monster darin wohnte, richtig Angst. Keine zehn Pferde würden mich da noch mal hinein bekommen. Nicht mal Lars´ Hundeblick hätte mich dazu überreden können. „Sag das bitte auch nicht!“, Lars drehte sich zu mir um und sah ernst in meine
verwirrten Augen. „Wir können uns was verdienen, wenn wir für den Alten einkaufen!“ „Warum sagt ihr das nicht einfach?“ „Darum, du kennst ja Elly, sie macht sich viel zu viele Sorgen.“ Ich kannte Elly, meine Pflegemutter erst seit zwei Tagen, aber gut genug um zu wissen, dass sie schnell überreagierte. Aber das machte sie auch gerade aus. Das Besondere an ihr war, dass sie einen wie ein Buch zu lesen schien. Manchmal war es gut, wenn man Dinge nicht zu geben wollte, es aber musste. Und manchmal war es ganz schön lästig, immer durchschaut zu
werden! Das Abendessen lief wie am Vortag. Marc berichtete von seiner Arbeit und wollte wissen, ob die Jungs alles bekommen hatten. Marc war ja nicht blöd, er hatte in der Garage das Mofa gesehen, das immer noch nicht repariert war, also fragte er misstrauisch. Aber natürlich schaffte es Lars, sich irgendwie rauszureden. Nach dem Essen verschwanden alle in ihren Zimmern, also hatte ich endlich Zeit, mein Zimmer einzuräumen und früh schlafen zu gehen. Doch lange hatte ich nicht meine Ruhe. Lars hörte so laut Musik, dass ich kein
Auge zu bekam. Auch nicht, als es halb elf wurde. Um kurz vor zwölf stand Marc auf, dann war Ruhe. Ich glaube er musste nicht mal im Zimmer des Unruhestifters ein Wort sagen, sondern sich nur genervt zeigen. Wieder verlief der Morgen genauso, nur dass Judith auf mich wartete, als wir vor der Schule hielten. „Morgen“, sie strahlte übers ganze Gesicht. „Hi“, ich war noch müde, richtig müde. Hundert mal gähnte ich sie an. „Keine ruhige Nacht, was?“, fragte sie. „Nicht wirklich!“, entgegnete ich ihr. „Ich auch nicht“, erwiderte
sie. „Das sieht man dir aber gar nicht an!“, sie sah wie gestern aus. Ihre Haare hingen ihr offen über die Schulter, der viel zu lange Schal hatte sie sich lässig über die Schulter geworfen. Sie hatte so schöne lange schwarze Locken und ihre grünen Augen funkelten wieder. Ich verabschiedete mich von Lars und flehte ihn an, mich in der Pause alleinzulassen. Ich hatte nämlich keine Lust mehr, mir anzusehen, wie er irgendwelche fremden Mädchen anbaggerte, die sich seinetwegen den Kopf verdrehten, um dann doch wieder hängen gelassen wurden. Nach Mathe hatten wir
Sport. Oje. Ich durfte mir aussuchen, was wir spielen sollten. Und da ich alle Jungs beim Fußball spielen auf dem Schulhof gesehen hatte, dachte ich, dass es wenigstens ihnen Spaß machen sollte. Mit dieser Aktion hatte ich bei den Mädchen völlig ins Schwarze getroffen. Beleidigt stellten die fünf Mädchen sich in eine Ecke des Spielfeldes und lästerten über mich ab. „Mach dir wegen denen keine Sorgen“, Judith merkte, wie verrückt es mich machte. „Wegen mir hassen die dich auch noch!“ „Ja,
und?“ „Ich will aber nicht, dass du ...“ „Es ist mir egal, wie die anderen über dich denken! Außerdem sollten sie mal dein Leben durchmachen! Dann sehen wir mal, wer hier bescheuert ist!“, sie klang so selbstbewusst. Im Gegensatz zu mir. In meiner neunen Klasse, die aus siebenundzwanzig Kinder bestand- war sie unter zweiundzwanzig Leuten richtig beliebt. Die einzige Ausnahme bildete die Vierer-Clique, der Mädchen. Sonst hatte ich Judith und Lara, sie ist eine gute Freundin von Judith und die Jungs auf meiner Seite. Der Tag verging unendlich langsam, aber
als wir dann um drei Uhr Schluss hatten, wollten Lara und Judith mich um kurz nach vier zu Hause abholen. Elly würde sich sicher freuen, dass ich so schnell Anschluss gefunden hatte. Aber eigentlich kannte ich die Zwei erst seit zwei Tagen. War ich schon bereit für eine neue Freundin? Oder direkt für zwei? Wie ich es geahnt hatte, war Elly so glücklich, als es um zehn und um Viertel nach vier Uhr an der Tür klingelte. Lara kam zuerst, sie hatte eine große Tasche dabei und warme Sachen an. Judith hatte ein dickes Buch unterm Arm. „Was ist das?“, fragte ich Judith, als wir in meinem Zimmer waren und die
Tür zugeschlossen hatten. „Das ist unser Bandenbuch!“, antwortete Lara so scharf, dass es mir die Sprache verschlug. „Seid ihr da nicht etwas zu alt für?“ „Was?“, oh, hatte ich das gerade eben gesagt? Ich wollte es nur denken! „Äh, tut mir leid“, probierte ich Lara zu beruhigen. „Ja, ich glaub du hast recht, aber wir hängen sehr daran!“, Judith sollte wirklich Streitschlichter werden, ihre Stimme beruhigte richtig. „Warum?“ „Weil wir es schon seit fast acht Jahren haben!“ „Und noch nicht eine Regel gebrochen
haben“, verkündete Lara stolz. „Aha.“ „Du findest es albern, oder?“, fragte Judith traurig und schob ihre Unterlippe vor. „Ein bisschen!“, gab ich zu. „Gibt es noch mehr Banden?“, fragte ich schnell, um vom Thema abzulenken. „Ja, klar. Noch zwei!“ „Die anderen Mädchen aus unserer Klasse, oder?“, fragte ich zögernd. „Ja, und sechs Jungs!“, nach diesen Worten schlug Lara das Buch auf, und zeigte mir die ersten Seiten. Es waren nur Bilder, von ihr und Judith. Dann kamen nur noch Texte. Über einem endlos langen Text stand
REGELN. Schnell überflog ich ihn. Eine Regel fiel mir besonders auf: 9. Wenn du austreten möchtest, gibt es kein zurück in dein altes Leben!!! „Habt ihr die Regeln alle verfasst, als ihr fünf wart?“ „Ja!“ „Ziemlich zwingend, oder?“ „Ja!“ Judith merkte sofort, welche Regel mich festhielt und meinte schnell: „Regel neun bedeutet nur, dass das Leben mit unserer Freundschaft endet. Das wir einen dann nicht mehr gern haben und respektieren und so…“ „Okay, ich dachte schon.“ Um halb fünf gingen wir hinaus und
stapften durch den Schnee. Sie wollten mir etwas wegen ihrer Bande zeigen. Sie wollten mich dabei haben und ich musste eine Aufnahmeprüfung oder so bestehen. Erst achtete ich gar nicht da drauf, wo wir hingingen, aber dann erkannte ich den Wald, durch den meine Brüder und ich gestern gerast waren. In dem dieser alte Kauz wohnte! Nach fast siebzig Metern gingen sie von der Straße in den Wald hinein. Es war ein bisschen unheimlich, aber es hatte auch etwas Abenteuerliches. Ich lief nur den Fußstapfen nach, die meine neuen Freundinnen hinterließen. Der Schnee wurde immer tiefer und meine Füße wurden immer
nasser. Irgendwann blieben sie stehen und schauten nach oben: „Tatarada.“ Zwischen den Ästen hing ein Baumhaus. Es war eigentlich riesig. Die Plattform wurde von den dicken Ästen einer Weide gestützt, das Dach hing an Seilen darüber. Es war braun lackiert worden. „Wow“, ich staunte nicht schlecht. „Ist das euer Baumhaus?“ „Nein, das gehört den Jungs!“ „Echt?“ „Nein, natürlich nicht, das haben wir gebaut!“ „Naja nicht ganz, die Jungs haben uns geholfen. Sie wollten, dass wir in ihre Bande kommen, aber wir haben das nicht gewollt!“ „Warum?“
„Das ist eine laaaange Geschichte!“ 5. Kapitel Falsch oder richtig? Der Abend verlief, wie nicht anders zu erwarten, wie immer. Dieses Mal fragte sogar Marc nach meinem Tag und ich berichtete ihm alles, bis auf das mit dem Baumhaus. Ich fand es ein wenig kindisch, aber im Sommer war es bestimmt herrlich dort. Am nächsten Tag war Samstag, und Elly und Marc wollten etwas mit uns Dreien unternehmen. Micky musste am Sonntag fahren, weil er Montag wieder arbeiten musste. Lars würde ihn bestimmt vermissen, weil
er jetzt keine Mädchen mit einem Auto mehr beeindrucken konnte. Ich würde ihn auch vermissen, wenn er weg war, würde Lars sich bestimmt mehr an mich hängen! Wir einigten uns auf einen Ausflug in die Altstadt, in der wir gemütlich Eis essen wollten. Und so machten wir es auch. Um die Mittagszeit aßen wir Eis, dann gingen wir an dem Park vorbei, der mir beim letzten Mal, als die Frau vom Jugendamt mich hergefahren hatte, besonders aufgefallen war. Und wieder spielten einige Jungen Fußball. Ich erkannte auch ein paar aus meiner Klasse
wieder. Marc merkte, wie ich hinüberstarrte, und flüsterte Lars etwas zu. Mein Bruder packte mich am Arm und zog mich auf das Spielfeld. „Was soll das? Lass los!“, ich probierte mich los zu zerren, aber er war viel zu stark. „Komm schon, oder willst du, dass alle glotzen?“ „Lieber als mitzuspielen.“ Aber da war es schon zu spät, alle versammelten sich um uns. Auch der Junge, der in der Klasse neben mir saß kam zu uns, und rief: „Dann wählen wir jetzt neue
Mannschaften!“ „Okay.“ Das Gemurmel breitete sich aus, als ich im Mittelpunkt der Jungen stand. Elias, so hieß mein Sitznachbar, wählte mich als Erstes, dann wählte er die anderen Jungen aus unserer Klasse. Auch Lars war in meiner Mannschaft. Durch die Bäume, die um das kleine Spielfeld herum standen, hatte der Schnee es nicht bis nach hier unter die Bäume geschafft. Wir spielten also rutschfrei. Schon einmal gut, denn ich bin ziemlich tollpatschig und habe zwei linke Füße. (Meistens auch zwei linke Hände.) „Also, wer geht ins Tor?“, Elias´ Blick
war ernst. Er wollte auf jeden Fall gewinnen. „Ich“, sagte ein anderer Junge, ich meinte, er hieß Paul. Er lief sofort auf das Holzgestell zu. „Okay, wer spielt Angriff?“ „Ich!“, Lars klang sehr selbstbewusst. „Und wer noch?“ Als alle aufgestellt waren, außer mir, drehte Elias sich zu mir um. Seine braunen Haare standen wild in alle Richtungen seines Kopfes ab. Sonst hatte er immer eine Igelfrisur, wenn er in der Schule war. Einmal hatte ich ihn in der Stadt mit einer Zac Efron- Frisur gesehen. Die stand ihm wirklich besser als diese Kinderfrisur. Ein Band hielt
seine braunen Zacken aus seiner Stirn zurück. Er hatte ein rotes Fußballtrikot an, ich wusste nicht, von welchem Verein es war, wahrscheinlich von Bayern München. Es war ganz schön dreckig und von der weißen Hose war auch nicht mehr viel übrig geblieben. „Du spielst Abwehr, ja?“ „Das war doch keine Frage, oder?“, es war das erste Mal, dass ich ihn ansprach. „Nein.“ Das war deutlich (überdeutlich). Ich zog den Mund zu einer Linie und hüpfte auf meine Position. Eigentlich stand ich die ganze Zeit nur rum und fror. Trotz meines Schienbeins
machte ich mit, denn mit dem dicken Gips und der schweren Schiene würde es so schnell nicht wieder brechen. Irgendwann kam dann mal ein Ball an mir vorbei und ich schoss ihn einfach weg, ohne zu schauen, wohin. Und ich traf das Tor. „Tooooooooooooor!“, grölten unsere Zuschauer. Wow, ich hatte ein Tor geschossen. Es war natürlich nur Glück gewesen, außerdem hatte ich aus höchstens zehn Metern geschossen. Jeder der an mir vorbei lief, streckte mir seine Hand hin und ich klatschte jede ab. Lars, der dachte, ganz in seinem Element
zu sein, war ein wenig eifersüchtig und war den Rest des Tages mucksmäuschen still. Marc freute sich sehr, dass wir hier gewesen waren. Auch Elly hatte den Tag mit der Familie genossen. Ich auch, ich hatte mich mit einigen aus meiner Klasse angefreundet und sammelte schon wieder Pluspunkte. Elias lächelte mich die ganze Zeit an, ohne auf den Ball zu achten, bis er einen gegen den Kopf bekam und hin fiel. Mit einer dicken Lippe verabschiedete er sich kurze Zeit später von mir. Danach fuhren wir schließlich auch nach
Hause. Mir kam es immer noch so vor, als wäre ich hier nur zu Besuch oder in den Ferien. Aber jeden Abend schaute ich mir das Photo von uns allen an und redete mit ihnen. (Wenn auch ohne Worte) Manchmal stand Elly hinter der Tür und belauschte mich, sie dachte ich hätte sie noch nie bemerkt, dann hatte ich immer gesagt, wie sehr ich diese Familie liebte und wie toll hier alles wäre. Das stimmte auch, na ja es gab seltsame Dinge an dieser Stadt. Zum Beispiel den Mann, der allein im Wald lebte. Von Marc hatte ich erfahren, dass er als
Mörder eines Mädchens verhaftet worden war. Bei dem Gedanken an ihn kam mir alles hoch. Marc hatte auch gesagt, dass ich auf keinen Fall alleine dort hingehen solle, denn er traue ihm immer noch nicht. Der Sonntag war langweilig, ich machte meine Hausaufgaben und beobachtete dabei Lars, wie er sich mit einem Mädchen namens Ronja Siebke traf. Sie hatte rote Haare, also war sie schon wieder seine Neue. Als er weg war, schlich ich mich in sein Zimmer. Ich hatte gehofft, eine Strichliste zu finden, auf der alle Namen
seiner Ex-Freundinnen standen. Aber so leicht machte er es mir nicht. Ich durchforschte sein DVD-Regal nach möglichen Hinweisen. Aber da waren nur irgendwelche dummen Monsterfilme wie die Mumie oder so. Ich hatte gehofft, dass er vielleicht von jedem ersten Date einen Film hatte. Aber auch in seinen Fotoalben waren keine Bilder von festen Freundinnen. Auf seinem Schreibtisch lagen bestimmt zehn Strafarbeiten aus sechs verschiedenen Fächern. Sammelte er sie etwa? So viele hatte ich in meinem ganzen Leben noch nie machen müssen. Allein in Mathe hatte er drei Seiten schreiben müssen. Und in Sport eine
halbe Seite. Wie konnte man in Sport nur Strafarbeiten schaffen? Musste man jemanden vom Barren schubsen oder was? Ich hörte eine Autotür zuschlagen und verschwand aus dem Zimmer. Wir hatten vier Uhr, und Elly kam vom Einkaufen zurück: „Hallo, Leo, bist du da?“ „Ja, ich bin oben.“ „Komm doch mal kurz runter, ich hab was für dich!“ Oh nein, Geschenke? Ich liebte es beschenkt zu werden, aber ich hasste es, dabei Publikum zu haben!!! Ich hatte immer noch einen Gips, aber
der war nur noch halb so dick, wie vor vier Tagen. Ich durfte auch wieder Sport machen, ich sollte mich nur nicht überanstrengen. Also humpelte ich langsam sie schmale Treppe hinunter in die offene Küche. Elly stand über eine Einkaufstüte gebückt, bevor sie sich aufrichtete und mich anlächelte. „Hier, du liebst doch Bücher“, sie hielt mir ein gebundenes Buch hin. Ich nahm es und drehte es um, um den Titel zu lesen. Nuni Nuni, mehr stand nicht da. Es war ein
dickes Buch, es hatte bestimmt mehr als tausend Seiten. Ich schlug die letzte Seite auf, und starrte mit großen Augen auf die Seitenzahl 1653. Ich liebte zwar Bücher, aber ob ich dieses hier je durchgelesen bekam? Es stand nicht mal ein knapper Text auf der Rückseite. Nur ein Preisschild klebte noch hinten drauf. „Warte, warte, warte, den hab ich wohl vergessen!“, schnell zog sie ihn ab, aber ich hatte ich schon gelesen. Fünfundzwanzig Euro hatte dieses Buch gekostet. „Warum gibst du so viel Geld für ein Buch aus? Das hätte ich für um- sonst in
der Bücherei ausleihen können. Ich hab schon eine Mitgliedskarte! Und das kostet gar nichts!“ „Ja, ja ich weiß, aber wenn es dir nicht gefällt, kannst du es ja ...“ „Nein, es ist toll!“ „Du weißt doch gar nicht, worum es geht!“ „Ich kann es mir denken, wenn es so teuer war, dann …“ „Der Klappentext steht auf der ersten Seite!“ Ich hörte sie schon gar nicht mehr, ich war so versunken in die Welt, die mir die Seiten preisgaben und ich konnte gar nicht mehr aufhören zu
lesen: Erstes Kapitel Wie die kleine Nuni in die große Wüste kam. Auf dem Land, wo die Sonnenblumen am Gartenzaun stehen, wohnte ein kleines Mädchen bei seiner Mutter und seinem Vater. Das Kind hieß Nuni. Es konnte aber etwas, was kein anderes Mädchen konnte. Es konnte mit den Sternen reden. Das ist eine Geschichte von einem kleinen Mädchen, das bis ans Ende der Welt gekommen ist. Es war gut, dass es nicht weit davon den Nordstern traf. Der konnte ihr weiter helfen. Er hat ihr
die Sterne geschickt, den Schwan, den Bären, den Löwen, den Wassermann und die Hunde. Sie führten das Mädchen immer gegen Mittag, durch den Wald Immergrün und über die Morgenwiese. Und an einem Abend kam Nuni wieder an den Murmelbach. In dem kleinen Haus am Murmelbach ist sie nämlich daheim. „Hallo, aufwachen!“, Lars rüttelte mich wie wild, ich hob den Kopf und legte das Lesezeichen an die Seite, an der ich stehen geblieben war. Erst jetzt setzte sich mein Geist wieder zusammen. Das Buch war alt, die Sprache war sehr altertümlich. Es kam mir vor, wie eine
Gutenachtgeschichte. „Ich hab nicht geschlafen!“, ich fauchte ihn richtig an. „´Tschuldigung, aber Micky fährt und du wolltest dich doch noch verabschieden, oder?“ Ich sprang auf, legte das Buch aber auf den Sessel und lief in den Flur. Elly und Marc standen an der Tür. Ich drängte mich an ihnen vorbei und lief zu Micky, der vor seinem Auto stand und den Schlüssel nicht rum bekam. „´Tschüss!“, rief er den anderen zu. „Ich nerve euch dann in einem Monat wieder!“ „Tu das!“, Elly klang froh darüber. Wahrscheinlich betrachtete sie ihn schon
wie einen Sohn. Er drehte sich zu mir herum und hielt mir die Hand hin: „War cool, dich kennengelernt zu haben!“ „Fand ich auch!“, wir lächelten uns an. Ich nahm vorsichtig seine Hand und drückte sie leicht. Dann fuhr er los und ich huschte zurück ins Haus, denn es schneite immer noch. Morgen sollte ein besserer Tag werden, hoffte ich zumindest. Dann könnte ich Judith und Lara sehen und Elias. In den ersten beiden Stunden hatten wir Sport, ich wusste aber, dass wir schwimmen gehen wollten. So ein Pech, das ich die Hand und das Bein eingegipst
hatte!!! Schwimmen war mein größtes Hobby, schon mit vier Jahren hatte ich das Seepferdchen gemacht. Und schon mit zwölf konnte ich bei den Leistungsschwimmern mithalten. Judith und Lara warteten wie immer an Ellys Stammparkplatz und winkten mir, als wir wild um die Ecke kurvten. „Viel Spaß, meine Schätze!“, es war echt peinlich, dass sie uns so nannte. Auch Lars fand das, deshalb haute er schnell ab und verschwand hinter ein paar Mädchen. Ich konnte es auch kaum erwarten, zu meinen Freundinnen zu
humpeln. „Morgen, ihr zwei“, grüßte ich freundlich. Doch mir antwortete keiner. „Was ist denn los?“ Immer noch bekam ich keine Antwort. „Danke, und wir haben dir vertraut!“, kreischte Lara, dann verschwanden die beiden in der Menge. Was war denn jetzt? Was habe ich falsch gemacht? Worum geht es? Ich hörte es schon zur ersten Stunde gongen. Mist, wie sollte ich denn jetzt die Schwimmhalle finden? Oder später den Klassenraum? „Hi“, ich erkannte die Stimme sofort. Langsam drehte ich mich um, um nicht
auszurutschen, oder sonst einer Peinlichkeit ergeben zu sein. „Soll ich dich zur Sporthalle bringen?“, fragte Elias. „Morgen, und ja“, ich klang ein wenig überrascht. Freute mich aber, dass wenigstens er freundlich war. Er nahm mir meine Tasche ab und führte mich zur Sporthalle. „Gentleman“, kicherte ich und er lachte. Irgendwann standen wir vor einer großen Halle. Er hielt mir die Tür auf und kicherte: „Ladys first!“ Unsere Sportlehrerin stand in der Eingangshalle und wartete schon auf uns. „Ah, da seid ihr ja, geh dich schon mal
umziehen“, befahl sie Elias streng. Schweigend ging er die Treppe hinunter und verschwand hinter einer braunen Tür. „So, Leonie, du kannst mir heute ein wenig behilflich sein!“ „Okay, und was soll ich tun?“ antwortete ich ihr. „Du stoppst die Zeit!“ erwiderte sie mir. Sie hielt mir meine Tasche hin, die Elias auf einer Bank abgelegt hatte. „Danke.“ Jetzt führte sie mich durch die Umkleidekabine der Lehrer, die zum Glück aber nur von einer Tasche meiner Sportlehrerin besetzt war, dann standen wir vor dem Becken. Einige meiner
Mitschüler saßen am Beckenrand und hielten die Füße ins Wasser. Andere lehnten an der Wand. Lara und Judith hockten in einer Ecke und schauten finster zu mir rüber. Frau Stuwe übergab mir eine kleine Stoppuhr, dann erklärte sie mir, wie ich sie bedienen sollte. Die anderen stellten sich in einer Reihe auf und sprangen nacheinander ins kühle Blau. Nur ein blondes Mädchen schaffte den Kopfsprung nicht und musste deshalb sechs Bahnen schwimmen. Am Ende der Stunde wollten die meisten noch eine Runde Wasserball spielen. Alle wollten mitspielen, außer diese vier
Mädchen. Als sie sich zu mir auf die Bank setzten, schauten Judith und Lara sauer aus dem Becken. „Hallo, ich bin Nina, das sind meine drei besten Freunde: Saskia, Madleén und Jill. Tut uns leid, dass wir uns erst heute vorstellen, aber deine beiden Freunde hatten glaube ich, etwas dagegen!“, sie schaute zu den beiden. Die Blicke ihrer Clique folgten ihr. Ich lächelte nur, ich meine, was hätte ich denn sagen sollen? „Falls du mal mit uns…“, jetzt schaute sie mich wieder an. „Bei uns bist du immer willkommen!“ Wollten die gerade schleimen, oder meinten die das
ernst? Nach den beiden Stunden ging ich mit den Mädels zu unserer Klasse zurück. Schnell fand ich heraus, dass sie auch eine Bande waren. Anscheinend waren hier alle noch etwas kindlicher! Aber ich erkannte schnell, welchen Charakter jeder hatte. Nina hieß eigentlich Natascha, wurde aber von keinem so genannt. Nicht mal von ihren Eltern. Sie hatte kurze blonde Haare und große braune Augen. Sie war auch sehr modisch gekleidet. Sie hasste Sport und tanzte in ihrer Freizeit Ballet. Naja, Ballet war ja auch Sport, aber sie hasste Fußball und so. Saskia hatte drei Geschwister und lebte
bei ihrem Vater. Sie musste immer ihre kleinen Brüder hüten. Die Kleinen waren sechs Monate alte Zwillinge. Sie machte Karate in ihrer Freizeit. Und sie hatte lange orangene Locken und tausend Sommersprossen im Gesicht. Sie war sehr dünn und relativ groß. Ihre grünen Augen fielen mir gar nicht so auf, so blass waren sie. Madleén ist total nett. Sie hat auch blonde Haare, aber viel heller als Nina. Und ihre Haare gehen ihr fast bis zur Taille. Dünne Strähnen fielen ihr auf die Stirn, während der Rest ihrer Haare in einem langen Pferdeschwanz zusammengesteckt war. Sie hatte keine Geschwister und lebte bei ihren
Großeltern auf einem Hof. Da hatte sie auch ihr eigenes Pferd Nori. Jill über Jill habe ich fast gar nichts erfahren, außer dass sie am liebsten Einrad fährt und Hunde liebt. Ich bin ja eher ein Katzenfan. Jill hat schwarze dünne und glatte Haare. Und braune Augen. Ihr Hautton war ungewöhnlich weiß und passte gar nicht zu ihren schwarzen Haaren und dunklen Augen. Ich wunderte mich eigentlich, warum sie mich gerade dann ansprachen, als ich mich mit den anderen beiden gestritten
habe. Worüber waren sie eigentlich sauer auf mich? Ich wollte mich heute unbedingt mit ihnen treffen, um sie zu fragen, was los war! Aber als ich eine von ihnen anzusprechen versuchte, ignorierten sie mich einfach. Was hatte ich denn gemacht? War ich nicht schon einsam genug, erst meine Eltern und dann noch meine ganzen Freunde zu verlieren? Auch nach einer Woche war ich immer noch Luft für die Beiden. Ich beschloss, nachdem ich die andere Bande der Mädchen kennengelernt hatte, mich ihrer Bande
anzuschließen. Madleén und Nina freuten sich sehr, als ich sie danach fragte. Und schon am Dienstag wollten sie mir alles zeigen, ihr Bandenquartier und so. Saskia freute sich auch, aber auf ihre ruhige Art, aber bei Jill war ich mir nicht sicher. Und wie verabredet holten die Vier mich am Dienstag nach der Schule ab. Auch ihr Bandenquartier war in dem Wald. Wir mussten aber viel länger gehen, als Judith und Lara. Der Schnee war schon fast geschmolzen. Zwischen zwei riesigen Bäumen stand eine kleine Holzhütte. Sie war so
wunderschön. Kleine Fensterläden mit Kunstblumen hingen unter den süßen Fensterbänken. Sogar Glasfenster hatte das Häuschen. Vor dem Haus blieben sie stehen. Um uns herum war nur Wiese, eine wunderschöne kleine Lichtung. Auf der anderen Seite des Hauses war ein Fußballfeld. Das gehörte aber nicht zu dem Haus, oder? Auf jeden Fall passte es nicht dazu! Baumhäuser, Bandenkriege, war ich nicht ein wenig zu alt dafür? Wir gingen einmal um das Haus herum. Es war grün gestrichen. „Soll das eine Tarnfarbe sein?“, fragte ich
scherzhaft. „Lach nicht, aber ja“, sagte Nina. „Ist nicht besonders gut gelungen!“ „Ich weiß!“, wieder antwortete Nina. Sie war die Bandenchefin. „Wem gehört das Feld hier?“ „Den wilden Kerlen“, sie kicherte und ich konnte auch nicht mehr. Lauthals lachte ich los, ohne zu merken, dass die anderen das anderes sahen. „Nein, wirklich, bei uns gibt es auch die wilden Kerle!“ Jetzt merkte ich, dass sie es ernst meinte. „Und wie heißt ihr?“ „Wir, wir sind die S S!“ „Die
was?“ „Die schwarzen Schwäne!“ Der Name gefiel mir! Er hatte etwas Mystisches und war doch wunderschön. Er passte zu einer Mädchenbande in unserem Alter. Wir waren hübsch und hatten eine schwarze Seele. Zumindest meinte Lars das immer, obwohl es ihm schwerfiel, in der Gegenwart eines Mädchens zu lästern. Ich war bestimmt die einzige Ausnahme. Ich war ja auch seine kleine Schwester. Der Wald, am Ende des Spielfeldes, hatte wieder so ein Licht, wie auf der Lichtung dieses Mannes. Es machte mir Angst, so nah an diesem Tannenwald zu
sein. Wahrscheinlich war die Hütte dieses Yetis am anderen Ende der Tannen. „Hey, komm mal mit!“, Saskia nahm meine Hand und stützte mich, als wir über einen ausgetrockneten Bach sprangen. Quer übers Spielfeld gingen wir. „Das müsst ihr Mal, Elias und seiner Clique zeigen!“ „Das haben wir schon!“ Jetzt standen wir direkt vor dem Wald. Mir lief ein eiskalter Schauer den Rücken runter. Jetzt musste ich komischerweise an meine Eltern denken. An den Tod. So schwarz und dunkel war der Wald,
wie voller unheimlicher Gestalten und dunkler Kreaturen. Ein Hauch von Nebel lag in der Luft und machte aus der Lichtung eine Geisterstadt. Ich meinte, schon die Wölfe heulen zu hören. Saskia drehte sich zu den Anderen um, die immer noch an der Hütte standen, die ich kaum noch erkennen konnte! Es begann bereits, dunkel zu werden. Hatte ich die Anderen so aufgehalten, mit meinem Schneckentempo? Bestimmt hatten wir schon fünf oder so. Hätte jetzt noch Schnee gelegen, wäre es viel heller, und weniger unheimlich gewesen! „Schau mal nach oben!“, flüsterte
sie. Ich legte meinen Kopf in den Nacken und probierte etwas zu erkennen. Aber da war nur Schwarz. „Wir stehen unter einem Auto?!“, es war mehr eine Frage! „Ja, das ist das Baumhaus der Jungs!“ „Baumhaus?“ „Ja, oder auch Bandenquartier.“ Es war ein Auto, das in den Astgabeln hing. Bestimmt nur einen Meter hoch, oder so. Der Boden hier wurde weggegraben, damit es höher aussah. „Wie haben sie das dahin bekommen?“ „Keine Ahnung, es war schon hier, als sie es entdeckten!“ Ich ging einmal drum herum, es war ein
Kleinbus, er sah genauso aus wie der Bus vom Jugendamt. Und der war riesig gewesen. „Cool, oder?“ „Wahnsinn!“ Am Abend grübelte ich die ganze Zeit, ob ich der Bande der schwarzen Schwäne beitreten sollte oder nicht. Judith und Lara wollten ja aus irgendeinem Grund, den nur sie selber kannten, nichts mehr mit mir zu tun haben. War es falsch oder richtig ihnen den Rücken zu kehren? Aber wenn sie selber es so
wollten. Ich wusste aber, dass ich Nina, Saskia, Madleén, Jill und den Jungs, deren Bande übrigens die Wildkicker hießen, vertrauen konnte. Ich war mir aber immer noch nicht sicher, was ich machen sollte. Mache ich das Richtige oder das
Falsche?
petjula007 Ja, heute bin ich endlich mal wieder zum lesen gekommen. Die letzte Zeit war ziemlich hektisch und kaum Zeit zum lesen. Da ich aber deine Bücher alle unter Lesezeichen habe, werde ich mir wohl eins nach dem anderen vornehmen. Da die Teile ziemlich umfangreich sind, wird es wohl etwas dauern. Bis hier her gefällt es mir gut, du hast einen guten und flüssigen Schreibstil. LG Petra |