Nachtkatzen
Vor Jahren saß ich einmal neben meinem kleinen Sohn.
Stolz und freudestrahlend erzählte er davon,
er habe jetzt ein Hochbett und würd´ er schlafen geh´n,
dann könne er von dort aus die Laternen leuchten seh´n.
Ich sagte, und ich dachte nicht erst lang darüber nach,
"es waren nicht Laternen, die du gesehen hast.
Du hast die großen Augen einer Nachtkatze geseh´n.
Am Tag sieht man die nie, weil sie nur nachts spazieren geh´n."
Er ließ sich nicht drauf ein, doch als der Tag zu Ende ging,
da wollte der Gedanke mir nicht mehr aus dem
Sinn,
ich habe, ohne es zu woll´n, ihm vielleicht Angst gemacht
mit meinem Spruch von den großen Katzen der Nacht.
Ich musste etwas tun, das war mir nun klar,
und wartete bis draußen alles völlig dunkel war.
Dann ging ich vor´s Haus und dort wartete ich,
ob eine der Katzen vielleicht mit mir spricht.
Nach längerem Warten kam ´ne Katze heran,
etwa 6 Meter hoch und gut doppelt so lang.
Sie schlich an der Hauswand, sah in Fenster hinein,
doch als sie mich sah, schien sie ängstlich zu sein.
Ich ging auf sie zu, sprach sie vorsichtig an
und streichelte an ihrer Pfote entlang.
"Du, Katze, ich hab´da ein kleines
Problem.
Ich würde euch Nachtkatzen gern´ besser versteh´n.
Wieso seid ihr so groß? Muss man Angst vor euch haben
oder kann ich auch weiterhin sorgenlos schlafen?"
Sie hörte mir zu und sie wirkte verstört
und dann hab´ ich nur noch ihr Schluchzen gehört.
Da ging ich noch näher und streichelte dann
langsam und zart ihr am Bein entlang;
von oben fiel´n nun große Tränen herab,
wohl weil ich verseh´ntlich ihr weh getan hab´.
Doch dann begann sie zu erzähl`n:
"Vor Jahren war auch ich ein ganz normales Katzenkind.
Die Menschen waren lieb zu mir, wie sie`s bei
Kätzchen sind;
ich schnurrte viel und dachte, wie glücklich ich doch bin,
doch als ich etwas größer wurde, da drehte sich der Wind.
Ich war `ne ganz normale Katze, suchte ab und
zu `ne Hand,
die mich streichelt und mich krault, damit ich wohlig schnurren kann.
Die Hand kam immer seltener, ich fing zu wachsen an;
im gleichen Maß wie meine Sehnsucht
wuchs auch ich ganz stetig an.
Es dauerte nicht lange, da haben die´s getan,
sie warfen mich nach draußen, weil ich zu groß geworden war.
Ich blieb in ihrer Nähe, suchte weiter diese Hand
und je mehr ich nach ihr suchte, desto stärker
wuchs ich an.
So schleich´ ich nachts ums Haus, um euch jedenfalls zu seh´n,
am Tage geht das nicht, denn da könn´t mich ja jemand seh´n
und durch die Sehnsucht, die ich fühle, wurde
ich nun schon so groß,
dass ihr Angst vor mir habt und die zu spür´n halt ich nicht aus."
Während sie sprach glitt meine Hand
sacht und beständig die Tatze endlang.
Nun saß diese Katze bei mir auf dem Schoß,
war kleiner geworden, nur noch ganz normal groß.
Noch heute kommt sie ab und zu an,
damit sie schön schnurr`n und ich sie streicheln kann.
Noch heute kommt sie ab und zu an,
damit ich sie streicheln und sie schnurren kann.