Titel
Warum bin ich nur ein Mann geworden? Wäre ich eine Frau, dürfte ich zurückschlagen. Aber so!
Ich habe ihr nichts getan. Kein Grund gegeben, mich zu schlagen. Die Wohnung ist sauber. Mit dem Essen habe ich mich heute übertroffen. An mir kann es also nicht liegen.
Sie hatte ja auch schon miese Laune, als sie zur Tür reinkam. Ich habe es ihr angesehen. Natürlich darf ich nicht erfahren, warum sie so schlecht gelaunt ist. Oftmals will ich es auch gar nicht wissen. Vor allem dann nicht, wenn es mit anderen Typen zu tun hat. Wie
konnte sie sich nur so negativ verändern?
Als ich sie kennenlernte, war sie ein Mauerblümchen. Schamhaft und zurückhaltend. Im Laufe der Jahre verlor sie alle Scham. Zeigte viel Haut. Gab Kontra. Erst zaghaft. Dann immer mehr. Eines Tages knallte sie mir einfach eine. Aus heiterem Himmel. Ohne Vorwarnung. Damals hatte ich mir nichts weiter dabei gedacht. Schließlich war es mir auch einmal passiert. Nicht bei ihr. Es war auch eine andere Situation gewesen. Und ich haute auch nicht richtig zu.
Sommer wie Winter, trage ich eine Jacke, damit keiner die blauen Flecke, die Bisswunden und die Kratzspuren
sieht. Nicht ihretwegen. Es wissen schon so viele, das mich meine Frau schlägt. Und alle sind sich einig. Ich habe es verdient. Natürlich glauben die meisten, das ich nur Spaß mache, wenn ich sage, das mich meine Frau schlägt. Zumindest geben sie mir das Gefühl, als würden sie mich nicht ernst nehmen. Und die wenigen, die wissen, das sie mich wirklich schlägt, weil sie es schon gesehen haben, pflichten ihr bei, weiterzumachen. Schließlich bin ich ein Mann. Habe es deshalb nicht anders verdient.
Ich habe versucht, sie zu verlassen. Aber ich schaffe es nicht. Emotional bin ich an ihr gebunden. Trotz der
Schmerzen, die sie mir täglich zufügt. Ob es Liebe ist? Es fühlt sich so an. Aber wenn ich logisch an die Sache herangehe, bin ich einfach nur abhängig von ihr. Sie hat mich gefügig gemacht.
Wie schön war es doch damals gewesen, als wir frisch zusammen waren. Das war noch echte liebe gewesen. Treue von beiden Seiten. Nicht nur von mir. Alle anfallenden Aufgaben hatten wir gerecht geteilt. Auf das Konto hatte nur ich zugriff. Naja, damals hatte sie auch noch kein eigenes Geld besessen. Das kam erst später.
Manchmal frage ich mich, was wäre, wenn ich mich gegen sie wehren würde. Einmal einfach zurückschlage. Wie du
mir, so ich dir. Andererseits sollte man nie Gleiches mit Gleiches vergelten. Außerdem würde ich dann noch mehr ärger von ihr bekommen. Sie würde noch stärker zuhauen. Einmal hatte sie es schon geschafft, das der Teppichklopfer entzwei ging. Drei ganze Tage lang konnte ich nicht sitzen. So sehr hatte sie mich verkloppt. Zum Arzt durfte ich nicht gehen. Das hatte sie mir verboten. Richtig gedroht hatte sie mir.
Um ehrlich zu sein, habe ich einfach nur angst vor ihr. Deshalb verlasse ich sie nicht. Denn sie macht nicht nur leere Drohungen. Wenn sie sagt, das sie mich mit einer Bratpfanne verkloppt, dann macht sie es auch. Und das tut
mörderisch weh. Mein Bruch ist immer noch sichtbar, auf dem Röntgenbild. Denn ich durfte auch da nicht zum Arzt gehen. Ich habe ihn naiv geschient. Was aber nicht viel brachte. Der Bruch ist mehr als schief zusammengewachsen. Schränkt mich bei vielen Arbeiten ein.
Gleich ist es Zeit zum Schlafengehen. Bei ihrer miesen Stimmung, darf ich mich heute nicht zudecken. Schlafe ich eben mit meinen Sachen. Der Fußboden ist frisch gewischt. Kein Staub wird meine Nachtruhe stören. Nur die angst, das sie nachts über mich herfällt. Mir noch mehr wehtut.
Hört denn niemand meine Hilferufe? Bin ich es denn nicht wert gerettet zu
werden?