Er ist unter uns
Es war wieder einmal das, was die Menschen den ersten Advent nannten. Keiner wusste eigentlich mehr so genau, was der Advent bedeutete, ja selbst was an Weihnachten gefeiert wurde, wussten nur noch sehr wenige. Wenn man die Kinder fragte, was denn Weihnachten bedeute, bekam man meistens zur Antwort: “Weihnachten ist dafür da, dass die Kinder Geschenke bekommen“, und fragte man die Erwachsenen, bekam man zur Antwort: „Jemanden, den man nicht mag, um Verzeihung bitten zu können, indem man ihm was schenkt und
Menschen zu beschenken, die man mag.“
Dass Weihnachten aber mit der Geburt Jesu zu tun hatte, das wusste so gut wie niemand mehr. Ja, die Menschen hatten sogar vergessen, wer Jesus war. Jesus betrachtete dies schon seit vielen Jahren vom Himmel aus, und dachte nur: „Ohje, ohje“. Wie konnte es nur sein, dass an einem Fest, das eigentlich Besinnlichkeit, Ruhe und Frieden ausstrahlen sollte, die Menschen einfach nur noch hektisch waren, ja viele wurden sogar aggressiv vor lauter Hektik und dem Jagen nach den Geschenken. Jesus machte sich Gedanken, wie er hier wohl etwas ändern könne, doch er hatte keine Idee. Da er sich sehr gut mit seinem Vater verstand,
ja, es war eine jahrtausendelange Freundschaft, ging er zu ihm und sprach: „Vater.“ ER antwortete: „Ja mein Sohn, was gibt es?“ „Vater, ich finde es schrecklich, was die Menschen aus der Geschichte um mein Leben gemacht haben. Ich glaube, wir müssen etwas unternehmen.“ Sein Vater stimmte zu, und so diskutierten sie stundenlang. Sie kamen auf die Idee, Jesus erneut auf die Erde zu schicken, um etwas genauer zu schauen, was aus den Menschen geworden war. Direkt unter den Menschen würde man vielleicht doch mehr erkennen, als hier oben vom Himmel aus, und Gott wettete mit seinem sohn, ob Jesus von den
Menschen erkannt werden würde, und ob sie ihn diesmal akzeptieren und respektieren würden.
Sein Vater schickte ihn wieder auf die Erde, doch diesmal wollten sie es möglichst unspektakulär machen, auch deshalb, um zu vermeiden, dass Jesus dieses Mal wieder solch schreckliches Leid zugefügt werden würde. Jesus klopfte diesmal als Asylant an die Tür eines Asylantenheimes. Er ertrug alle Schikanen von Seiten der Behörden und von Seiten der Menschen, die ihm außerhalb des Heimes begegneten. Die Menschen beleidigten ihn manchmal nur deshalb, weil er mit einer anderen
Hautfarbe umher lief, als die Menschen in dem Land, in dem er dieses Mal gelandet war. Er ertrug das alles einfach so. Er musste sich ja nur daran erinnern, was ihm vor ungefähr 2000 Jahren passiert war. Irgendwie war er so etwas ja fast schon gewöhnt. Diesmal gab es auch keine heiligen drei Könige, denn die Zeit der Monarchien war längst vorbei, und die heutigen Regierungsvertreter waren viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt, als dass sie es gemerkt hätten, wenn etwas solch besonderes in der Welt passierte. Jesus sprach mit vielen Menschen, und je mehr er mit den Menschen sprach, umso mehr schlug er die Hände über dem Kopf zusammen. Die
Hektik statt der Besinnlichkeit und Ruhe an Weihnachten war ja längst nicht das einzige, nein, viele seiner Zitate sind ihm im wahrsten Sinn des Wortes im Mund herumgedreht worden. Sicher hatte er gesagt, dass der Glaube Berge versetze, das war schon richtig. Allerdings hatte er damals nicht den Glauben an sich oder an Gott gemeint, sondern den Glaube an sich. Also beispielsweise, dass alles gut wird wenn man nur fest genug daran glaubt, und natürlich auf ihn und den Allmächtigen vertraut.
Auch war natürlich richtig, dass er gesagt hatte, dass man seinen Nächsten lieben sollte wie sich selbst. Die
Menschen schienen aber vergessen zu haben, dass man erst einmal fähig sein musste sich selbst zu lieben, um andere lieben zu können. Auch die vielen Wunder, die er laut dem Buch, das die Menschen Bibel nannten, vollbracht hatte. Natürlich war davon nichts gelogen, aber so besonders, wie die Menschen taten, waren sie nun auch wieder nicht. Die meisten davon hätte eigentlich jeder vollbringen können, wenn er eben genügend Glauben in sich gehabt hätte. Glauben an sich selbst, und Glauben daran, dass das geschieht, was man möchte. Manches, wie das wandeln über das Wasser, war auch einfach nur eine Sache der Natur, denn genau in
diesem Moment hatte ein gewaltiger Sturm das Meer in 2 Hälften geteilt. Am ulkigsten fand er, dass die Menschen dachten, er sei von einer Jungfrau geboren worden, aber da sah man, was alleine Übersetzungsfehler anrichten konnten. Seine Mutter war natürlich nichts weiter gewesen als eine junge Frau.
Wie er so in Erinnerungen schwelgte, hörte er plötzlich von der Seite: „Kann ich ihnen helfen?“ Als sich Jesus umdrehte, sah er eine sehr dicke Frau, die einen Kinderwagen vor sich her schob und neben ihr sprangen noch zwei weitere kleine Kinder. Jesus dachte:
„Das ist die Gelegenheit“, und er unterhielt sich sehr nett mit ihr. Natürlich wollte er ihr nicht verraten, wer er wirklich sei, und so sagte er ihr, er würde Peter heißen. Peter war so schön unverfänglich. Mit diesem Namen würde sie sicher nicht Verdacht schöpfen.
Die Frau erzählte, dass sie Maria hieß, was auf Jesu Gesicht ein kleines Grinsen hervorrief. Maria deutete dieses Grinsen aber nur einfach als Gute Laune. Und Jesus musste noch mehr grinsen, da sie den wahren Grund für sein Grinsen nicht erkannt hatte. Und so kam es, dass eine sehr gute Freundschaft zwischen Maria
und Jesus entstand.
Maria war allein erziehend, und sie flirtete ein wenig mit diesem Mann, der sich auch mit den Kindern sofort verstand, auch wenn sie sich immer wieder fragte, wo er denn wohl her kam. Denn auf diese Frage gab dieser Mann, der eine so tolle Ausstrahlung hatte, keine oder wenn, dann nur ausweichende Antworten. Bald schon war Heiligabend und sie feierten zusammen unter dem Tannenbaum. Jesus fragte sich, was dieser Tannenbaum mit Weihnachten zu tun habe, aber er sah es einfach als schöne Dekoration. Maria fragte sich, warum dieses Heiligabend eine Stimmung
hatte, die sie seit Jahren nicht mehr gekannt hatte. Die Kinder spielten mit Peter, als wäre es ihr Vater, und Maria beobachtete dieses Geschehen. Manchmal hatte sie ein wenig den Eindruck, als wäre da eine Art Heiligenschein über Peters Kopf, aber Maria dachte: „Ach so ein Quatsch, ich bin nur von diesem ganzen Weihnachtsstress überarbeitet.“
Mittlerweile war es spät geworden. Maria brachte noch die Kinder ins Bett. Peter und Maria unterhielten sich noch ein wenig und verabschiedeten sich dann um kurz nach Mitternacht. Maria begleitete Peter bis vor die Türe, und sie
glaubte nicht, was sie dann sah. Peter stieg ganz langsam auf in den Himmel, winkte zu Maria, grinste und sagte: „Ich mach es wie das letzte Mal und verspreche: ich komme wieder, wenn es an der Zeit ist.“ Maria fragte sich ihr Leben lang, wer dieser Peter wohl gewesen war und ob sie dies alles vielleicht nur geträumt hatte. Auch ihre Freundinnen rätselten, wer das gewesen war.
Maria erfuhr es auch, aber erst, als sie gestorben war. Da waren sie dann doch sehr erstaunt, denn das hatte sie nun wirklich nicht gedacht. Vielleicht sollten wir alle etwas mehr darauf achten, ob Er
nicht schon lange wieder unter uns ist, und wer weiß, vielleicht ist sein Vater ja diesmal mit dabei? Oder vielleicht werden wir auch einfach nur von den himmlischen Mächten viel mehr beobachtet, als wir es uns vorstellen können?
In diesem Sinne
Frohe Weihnachten