Fortina
Fortina saß auf einer Bank im Park von Himmeldorf, und träumte wie so oft vor sich hin. Irgendwie war sie in der letzten Zeit sehr nachdenklich geworden. Der Bericht, den sie gelesen hatte, wie Frauen wie sie noch 100 Jahre zuvor behandelt wurden und wie diese sich wohl gefühlt haben müssen, ließ sie nicht mehr los. Sie dachte daran, wie schlimm es für die Frauen gewesen sein musste, entweder ihr Leben lang zu schauspielern und Mann zu spielen, obwohl sie es gar nicht sind, oder sich operieren zu lassen, und dann einen
kaputten Körper zu haben, und das Problem war eigentlich immer noch da. Denn damals gab es noch nicht die fortschrittlichen Operationsmethoden zur Geschlechterangleichung.
Heute im Jahre 2095 geht man einfach zum Arzt sagt, man möchte das andere Geschlecht haben, absolviert eine Reihe von Tests, und nach erfolgreichem Absolvieren dieser Tests bekommt man eine Tablette. Wenn man diese Tablette schluckt, bekommt man das andere Geschlecht mit allen Konsequenzen.
Lange hatte Fortina es sich überlegt, ob sie das tun sollte, denn ein Zurück gibt es auch heute noch nicht. Man kann nur
einmal im Leben das Geschlecht ändern, daher sollte die Entscheidung gut überlegt sein. Und Fortina hatte sich vor ihren Tests sehr intensiv erkundigt, was da auf sie zu kommen konnte. Ihr war klar, dass sie starke Monatsschmerzen bekommen konnte, aber andererseits konnte sie auch schwanger werden. In diesem Punkt würden Sie sicher viele Ihrer Vorfahrinnen beneiden.
Ein leichtes Leben haben Frauen wie Fortina auch heute nicht. Normalerweise merkte es zwar niemand, dass Fortina einmal ein Mann gewesen war, aber wenn es jemand merkte, dann stellten alle ihr dermaßen viele Fragen, dass sie
manchmal selber kaum noch wusste, wer sie eigentlich war.
Wie sie so auf der Bank saß, spielte sie gedankenverloren an ihren langen roten Haaren. Jede ihrer Freundinnen beneidete sie um diese langen roten Haare, und die Männer brachten oft nur ein „Wow“ heraus, wenn sie Fortina sahen. Dieses Glück, dass sie einen dermaßen schönen weiblichen Körper bekommen hatte nach der Umwandlung, machte es leichter mit einem Teil der Schwierigkeiten umzugehen.
Fortina dachte immer mehr an den Bericht, den sie gelesen hatte, bis ihr die
Tränen kamen. Nicht einmal für 10 Millionen Fuhs, der heutigen Währung, hätte sie mit ihren Vorfahren tauschen mögen. Als ihr völlig gedankenverloren die Tränen über die Wangen liefen, schloss sie für einen Moment die Augen. Doch was war das? Sie spürte etwas auf ihrer Wange, das sich anfühlte wie ein Tempo, in dem ein Zeigefinger steckte und der ihr über das Gesicht strich. Langsam öffnete sie die Augen und, ja, da war ein Tempo mit einem Zeigefinger. Fortina bekam Angst und versuchte, sich nicht zu bewegen und dabei gleichzeitig mit den Augen dem Zeigefinger zu folgen. Sie sah aus den Augenwinkeln eine Frau in Motorradkleidung, die sie
anlächelte, und als sie merkte, dass Fortina sie beobachtete, sagte sie: “Na? Probleme? Kann ich Dir vielleicht helfen?“
Fortina war sehr erstaunt über die offene Art, mit der diese Frau auf sie zukam, doch andererseits hatte sie ja nichts zu verlieren, also sagte sie: „Naja, ich hab da gestern was gelesen, was mich nachdenklich gestimmt hat.“ Die Frau in Motorradkleidung fand das interessant, denn sie mochte nachdenkliche Frauen. Deshalb sagte sie: “Hallo, ich bin Vila. Darf ich mich zu Dir setzen?“
Fortina freute sich natürlich sehr, und so setzte sich Vila neben Fortina auf die
Bank. Zwischen Vila und Fortina entwickelte sich eine sehr interessante Unterhaltung über alles Mögliche, natürlich auch über den von Fortina gelesenen Bericht. Fortina mochte Vila jedoch noch nichts davon erzählen, dass sie selbst einmal ein Mann war, daher beschränkten sie sich darauf, einfach zu überlegen, wie diese Frauen sich vor 100 Jahren wohl gefühlt haben müssen.
Vila war wesentlich offener als Fortina, und so ließ Vila auch schnell durchsickern, dass sie lesbisch sei. Fortina war auch lesbisch, jedoch erzählte sie das kaum jemandem. Fortina gefiel aber Vilas offene Art, und so
versuchte sie, mit ihr intensiver ins Gespräch zu kommen. Vielleicht konnte daraus ja eines Tages eine Freundschaft entstehen, die für beide Seiten nützlich sein könnte.
Fortina sagte: “Vila, sag mal, hättest Du Lust auf ein Eis? Ich kenn den Chef vom Cafe Rioletta, der gibt uns garantiert auch mal ein paar Kugeln für umsonst. Ich lad Dich ein...“ Vila nahm die Einladung natürlich sehr gerne an, und so gingen sie gemeinsam Eis essen.
Bald schon fingen sie an, sich über die vorbeilaufenden Männer lustig zu machen. Einer rannte sogar gegen einen
Laternenpfahl, nur weil das Oberteil von Fortina einen so tiefen Ausschnitt hatte und er lieber in den Ausschnitt schaute als auf den Weg. Sicher, das war mit Sicherheit sehr schmerzhaft für den Mann, aber irgendwie war dieser ja auch selber schuld. Was stierte er auch in Fortinas Ausschnitt? Den ganzen Mittag saßen sie zusammen, lachten, und sahen noch mehr solch merkwürdiger Männer. Vila freute sich genau wie Fortina, endlich eine gute Freundin gefunden zu haben. Noch immer wusste Vila nicht, dass Fortina bei der Geburt ein Mann war, und es sollte auch noch einige Zeit dauern, bis sie es erfuhr.
Die beiden Frauen waren vom Aussehen und vom Charakter her sehr unterschiedlich. Vila mit ihrer Motorradkleidung und ihrer manchmal etwas ruppigen, burschikosen Art und Fortina, die mehr der ängstliche, schüchterne Typ war und eigentlich nie Hosen trug. Sie hasste Hosen. Sie fühlte sich darin so eingeengt, und erinnerte sich mit Graus an ihre Zeit vor der Umwandlung, als sie Hosen tragen musste. Oder das Risiko einging, ausgelacht zu werden, wenn sie doch mal in einem Rock auf die Straße ging, auch wenn die Toleranz in der Gesellschaft heute doch soweit fortgeschritten war, dass man alles
mögliche auf der Straße sehen konnte. Es gab Menschen die grundsätzlich ihre Nachtwäsche nicht auszogen, auch nicht, wenn sie einkaufen gingen, es gab Menschen, die sich einen Damenschlüpfer über den Kopf zogen, es gab Menschen, die ihre Hosen mit dem Reißverschluss hinten anzogen, kurz, es gab sehr viele ungewöhnliche Menschen. Leider gab es aber auch heute noch Menschen, die andere Menschen nicht einfach so leben lassen konnten, wie sie es wollten, und für diese war Fortina natürlich ein gefundenes Fressen.
Vielleicht war gerade dieser Unterschied das, was die beiden Frauen so
zusammenschweißte. Schon nach einem kurzen Gespräch mit Eis essen gehen empfanden es beide so, als würden sie sich schon seit 100 Jahren kennen. Sie wurden immer offener zueinander und versprachen sich, immer füreinander da zu sein und der anderen zu helfen, egal in welchen Schwierigkeiten sie gerade steckte. Da sagte Vila: “Oh je,  schon so spät, da wäre ich doch glatt zu spät zur Arbeit gekommen wegen Dir.“ Fortina hatte schon Angst, dass Vila deshalb sauer wurde, doch Vila lachte nur und sagte: „Naja, was solls? Ich hab eh jeden Tag Ärger mit meinem Chef, da kommt es darauf auch nicht mehr an“ und lachte. Die beiden Frauen tauschten noch
Telefonnummern aus, damit sie sich auch wirklich immer gegenseitig erreichen konnten, dann ging Vila zu Ihrer Arbeitsstelle, eine 24-Stunden-Autowerkstatt, bei der sie als Automechanikerin arbeitete.
Fortina blieb noch ein wenig im Eislokal sitzen, bis die  Kellnerin kam und die Rechnung brachte wegen Schichtwechsel. Erst da merkte sie, dass sie vor lauter interessantem Gespräch glatt vergessen hatten, zu bezahlen. Doch die 100 Fuhs für das Eis waren für Fortina kein Problem. Sie hatte ja ohnehin gesagt, dass sie Vila einlädt.
Fortina ging nun auch nach Hause, machte sich fertig für die Nacht,  spielte noch ein wenig am Computer, legte sich hin  und hörte ein wenig ihre Lieblingsband auf einem MP6 Player, die Weiterentwicklung des MP3 Players. Langsam döste sie dabei ein, bis sie letztlich tief und fest schlief.
Als der Wecker klingelte morgens um vier war Fortina noch nicht richtig wach, aber was blieb ihr übrig? Sie musste ja Geld verdienen, denn sie wollte unbedingt auch ein Kind haben, und Kinder kosten Geld, und mit den heutigen Methoden war es auch keine große Kunst mehr, als Lesbe schwanger
zu werden. Ein einzelner Same reichte heutzutage, und es gab mehr als genug Männer, die sich auf diese Art ein wenig Geld dazu verdienten.
Sie hasste ihren Job, denn sie war in einer sehr von Männern dominierten Branche. Sie war im Außendienst tätig und versuchte, den Leuten möglichst viele Versicherungen zu vermitteln. Es war noch nicht lange her, da rief sie ihr Chef zu sich und lobte sie, weil sie einer alten Frau 34 völlig unnötige Versicherungen verkauft hatte. Fortina fühlte sich dabei so schlecht, dass sie hätte sich übergeben können, aber sie
brauchte das Geld, und der Verdienst war gut. Sie bekam 100 000 Fuhs im Monat, damit lies sich mehr als gut leben, zumal sie nur eine recht kleine 2-Zimmer-Wohnung hatte, die gerade Mal 15000 Fuhs an Miete kostete.
Ihre Wohnung war sehr auf das Thema Fantasy ausgerichtet. Sie liebte Einhörner über alles. An jeder Ecke war mindestens ein Bild, auf dem ein Einhorn zu sehen war, oder eine Einhorn-Figur. Ihre Freundinnen hatten sich deshalb schon teilweise zurückgezogen, weil ihnen das zu verrückt war. Manche von diesen Freundinnen wussten bis heute nicht, dass sie als Mann geboren worden
war und nun als Frau lebte. Was hätten diese Freundinnen wohl gesagt, wenn sie es gewusst hätten? Doch nun stoppte sich Fortina selbst. Es brachte einfach nichts, darüber nachzudenken. Es war nun mal so, wie es eben war. Und nichts hätte sie als schlimmer empfunden, als wenn sie nicht so leben könnte, wie sie sich eben fühlte. Dabei war es ihr ziemlich egal, was andere davon hielten. Wer sie nicht so akzeptierte wie sie war, der sollte doch gerade einfach dahin gehen, wo der Pfeffer wächst. Fortina wusch sich, schminkte sich und zog sich heute ihren kurzen Jeans-Mini an. Sie hatte heute  hauptsächlich männliche Kunden auf der Kundenliste, und sie
wusste, wie sehr Männer auf visuelle Reize ansprangen. Und warum sollte sie das dann nicht ein wenig ausnutzen? Schließlich bekam sie zu ihrem Lohn auch noch für jede abgeschlossene Versicherung Provision, und sie brauchte wirklich dringend Geld.
Nicht nur wegen der Schwangerschaftssache, nein, sie brauchte auch dringend wieder Strumpfhosen, Röcke, Unterwäsche, und sie wollte auch wieder zum Frisör und ein neues Auto musste ebenfalls her. Ihre langen roten Haare sahen zwar noch sehr gut aus, aber sie liebte es, zum Frisör zu gehen. Als sie noch ein Mann
war, hatte sie den Frisör gehasst, da sie nie die Frisur haben konnte, wie sie sie gerne gehabt hätte. Waren die Haare mal wieder länger, musste sie sie damals immer abschneiden lassen, und das tat ihr jedes mal in der Seele weh, doch diese Zeiten waren ja nun Gott sei Dank vorbei.
Sie packte ihren Aktenordner mit der  Kundenliste, dem Notizblock, einigen Kugelschreibern und natürlich mit ihrem Bildtelefon-Handy, und setzte sich in ihren Firmenwagen der Firma Nobelnoble und fuhr los. Das Auto  mochte sie eigentlich auch nicht, aber ihr Chef meinte, dass ein solches Auto als
Kundenberaterin notwendig sei. Da nutzte es auch nichts, dass sie ihrem Chef 1000mal erklärte, dass die Kunden Service wollen, und nicht auf das Aussehen der Kundenberaterin oder deren Auto schauten. Sie dachte bei sich: „Naja, ist halt ein Mann“ und machte sich auf den Weg.
Ihr erster Kunde war Herr Fumi, ein Vietnamese, der ein kleines Restaurant in der Innenstadt betrieb. Sie kannte Herr Fumi schon lange. Herr Fumi wollte auch keine neue Versicherung abschließen, sondern er hatte eine Frage zu seinen abgeschlossenen Versicherungen. Fortina packte ihre Unterlagen aus und zeigte
Herrn Fumi die Antwort auf seine Fragen. Als Fortina aufstand, sah sie, wie der doch sehr kleine Herr Fumi versuchte, ihr unter den Rock zu schauen. Sie dachte bei sich: “Männer!“, aber sie sagte natürlich nichts. Sie achtete nur darauf, dass Herr Fumi nicht zu viel zu sehen bekam. Fortina verabschiedete sich nun von Herrn Fumi und ging zum nächsten Kunden.
Eine der wenigen Frauen, die sie heute auf ihrer Liste hatte.  Frau Quax war genau wie Fortina eine Quasselstrippe. Die beiden Frauen kannten sich schon länger. Inzwischen duzten sich Fortina und Frau Quax, die mit Vornamen  Beate
 hießt, und es kam des Öfteren vor, dass Fortina die Zeit vergaß, während sie sich mit Beate unterhielt. Doch es war ihr egal. Sie mochte Beate sehr, und sie trafen sich auch in der Freizeit. Gerade erst gestern war sie wieder mit Beate im Kino. Auch Beate wusste nichts von Fortinas kleinem Geheimnis, aber irgendwie sah Fortina es auch gar nicht ein, das allen zu erzählen. Sie dachte des Öfteren: “Verflixt noch eins, ich BIN eine Frau, was hat da die Vergangenheit zu interessieren?“ Gut, manche konnten damit nicht umgehen, wenn sie es dann doch erzählte, aber war das ihr Problem? Nein, eigentlich nicht.
Mittlerweile war es Zeit für die Mittagspause, und so gingen Beate und Fortina wie so oft wieder gemeinsam zum Chinesen um die Ecke. Sie liebten beide das chinesische Essen, nur dass Fortina mehr das scharfe mochte und Beate das süß-saure, aber da dieser Chinese eine Riesenauswahl hatte, war das egal. Xi, der schon seit  Jahren in diesem Restaurant als Bedienung arbeitete,  kannte die beiden sehr gut, denn sie kamen mindestens zwei- bis dreimal die Woche, und er mochte die beiden und gab ihnen des Öfteren auch mal eine etwas größere Portion oder eine Frühlingsrolle oder Pekingsuppe kostenlos dazu. Nachdem Beate und
Fortina gegessen hatten, sagte Fortina: “Du, sei mir nicht böse. aber ich muss zu meinem nächsten Kunden. Lass uns heute Abend telefonieren.“ Beate verstand das natürlich und machte sich auch auf den Weg nach Hause.
Als Fortina gerade in ihr Auto steigen wollte, klingelte ihr Handy und ein Krankenhaus meldete sich. Die Frau am Telefon sagte: “Guten Tag. Krankenhaus am Erlingsee. Spreche ich mit Fortina Fallera?“ Fortina war doch etwas erschrocken, wieso sie von einem Krankenhaus angerufen wurde, und sagte ganz zögerlich: „Jaaaaaa...?“ Die Frau am Telefon sagte: “Ich bin Schwester
Caro. Bei uns wurde heute Vila Ukmara eingeliefert. Sie hatte einen schweren Unfall und sie bat uns, dass wir sie schnellstmöglich benachrichtigen“.
Fortina dachte: „Oh Gott, jetzt hab ich eine Freundin gefunden und schon wieder passiert etwas schreckliches.“ Sie fragte sich, ob sie vielleicht verflucht ist und das Pech magisch anzieht. Ihr rutschte das Herz in die Hose und dann sagte sie: “Oh nein! Was ist denn passiert?“ Schwester Caro sagte, dass sie darüber am Telefon keine  genauere Auskunft darüber geben darf. Fortina verstand das, ließ sich noch die Zimmernummer geben und beendete dann
das Gespräch. Sie konnte kaum Auto fahren, so sehr musste sie an Vila denken.
Sie versuchte, ihren Chef zu erreichen um zu fragen, ob sie vielleicht ein paar ihrer Termine auf morgen verschieben darf. Sie erreichte ihn auch, aber sie bekam nur zu hören, ob sie noch ganz dicht sei bei der Auftragslage nach frei zu fragen, wegen einer verletzten Freundin, die noch lebt.
Fortina konnte kaum Auto fahren so sehr musste sie heulen. Das war wieder einer der Momente mehr, wo sie den Job und ihren Chef hasste. Sie hatte vor einigen Tagen mitbekommen, wie ihr
Chef einer Kollegin das frei verweigerte für eine Beerdigung derer Eltern.
Oh, wie sie die Männer hasste. So gefühllos, so dominant, so, ach, einfach nur bescheuert, dachte sie so bei sich, und wieder musste sie darüber nachdenken, warum sie wohl in einem Männerkörper geboren worden war. Sie glaubte ja fest an die Wiedergeburt. Von daher fragte sie sich, was sie in einem der letzten Leben wohl verbrochen hatte, um eine solche Strafe zu bekommen, denn als eine solche empfand sie ihr Leben manchmal. Der Anfang ihres Lebens war die Hölle. Schon wenn sie daran dachte, wie die Leute sie
angeglotzt hatten, nur weil sie irgendwann zu ihrem Inneren stand und entsprechende T-Shirts anzog.
Vor der Umwandlung stand sie so manches Mal auf irgendwelchen Fensterbänken im 145. Stock, oder besorgte sich Zyankali, doch selbst dafür sich umzubringen war sie zu feige, damals, dachte sie so bei sich, aber dann kamen wieder ihre Gedanken von heute und sie dachte :“Ach was soll es? Das war einmal, heute BIN ich Frau und NIEMAND zweifelt daran. Wenn ich es niemandem sage, dass ich mal ein Mann war, wird es nie jemand erfahren. Eigentlich sollte ich glücklich sein, wenn
ich da nur wieder an den Bericht denke.“
Inzwischen war sie bei ihrem nächsten Kunden angekommen. Sie wischte sich die Tränen weg und schminkte sich ein wenig nach, denn mit derart verlaufener Schminke wollte sie sich nicht bei ihrem nächsten Kunden sehen lassen, zumal Herr Klomann ein sehr konservativer, adretter, junger Mann war der immer einen Anzug an trug Wie sie inzwischen erfahren hatte, zog dieser sich sogar einen Anzug an, wenn er nur vor die Türe ging um den Müll raus zubringen, was er normalerweise ja nicht selber tat. Aber seine Haushaltshilfe war leider krank. Da er es noch nie getan hatte,
musste man ihm das erst einmal erklären, wie man den Müll wegbringt. Denn als er das das erste Mal machte, warf er den Müll nicht in den Müllcontainer, sondern in den gelben Kasten, der vor der Türe auf der Straße stand und wo Post drauf stand. Herr Klomann dachte, dass das Post für „nach“ steht und es bedeuten würde dass der Müll gewissermaßen nach Hause in die Deponie gebracht wird.
Oh, was war das für eine Freude für den Postboten, der den Briefkasten leerte. Herr Klomann beschwerte sich, da er seiner Meinung nach eine ungerechtfertigte Rechnung über fünf Fuh bekommen hatte. Fortina dachte:
“Oh Mann, wegen fünf Fuh, naja, ich mag den Kerl eh nicht.“ Das Beste war aber, dass diese fünf Fuh absolut gerechtfertigt berechnet wurden, denn eine telefonische Beratung kostete nun mal fünf Fuh, und als Herr Klomann die letzte Rechnung bekommen hatte, nahm er diese in Anspruch, um sich zu beschweren.
Fortina wusste, dass sie bei Herrn Klomann sehr vorsichtig sein musste, was sie sagte. Er beschwerte sich wirklich wegen allem. Eine Kollegin von ihr, die einmal Urlaubsvertretung für sie gemacht hatte, bekam eine Beschwerde von Herrn Klomann, nur weil an ihrem Rock ein etwa 3mm großer Kaffeefleck
zu sehen war, der so gut wie nicht zu sehen war, es war ein brauner Rock gewesen. Aber Herr Klomann beschwerte sich, dass er keine derart ungepflegten Vertreterinnen in seiner Wohnung haben wolle. Oh, was war sie froh, als sie wieder gehen konnte. Das war nun wirklich nicht der Kunde, den sie brauchte, denn sie musste immer an Vila denken, was wohl mit ihr los ist.
Wieder ging sie ins Auto und fuhr zum nächsten Kunden, auch bei diesem musste sie ein wenig aufpassen, wenn auch nicht ganz so schlimm wie bei Herrn Klomann. Herr Gerstenkorn war nur sehr gut befreundet mit ihrem Chef,
das war aber auch das einzige, was gefährlich war. Ansonsten war Herr Gerstenkorn sehr umgänglich, nur ein wenig tollpatschig, aber das sind ja die meisten Männer. Schon als er ihr die Tür öffnete, stolperte er, aber das kannte sie schon, das passierte Herrn Gerstenkorn eigentlich jedes Mal, es war schon fast komisch wenn es mal nicht passierte. Herr Gerstenkorn war von Beruf Bäcker, und er versuchte auch immer, ein wenig mit Fortina zu flirten und buk ihr leckere Kuchen. Fortina liebte die Kuchen von Herrn Gerstenkorn. Sie wollte immer die Rezepte haben, doch wenn sie Herrn Gerstenkorn darauf ansprach, grinste er nur und meinte: “Was krieg ich dafür?“
und blickte in Richtung seines Schlafzimmers. Doch auf so etwas ließ sich Fortina nicht ein. Sie hatte Herrn Gerstenkorn schon hundertmal gesagt dass sie lesbisch sei, aber das schien ihn nicht zu interessieren. Er war wohl der Ansicht, dass lesbisch eine Krankheit ist, die geheilt werden kann, indem man die Frau nur einmal entsprechend... Aber der Kuchen war traumhaft. Herr Gerstenkorns Problem war nur eine Kleinigkeit. Er hatte nur vergessen, einen Antrag zu unterschreiben. Fortina holte das Formular raus, lies Herrn Gerstenkorn unterschreiben, aß den Kuchen und verabschiedete sich.
Dann sah Fortina auf die Uhr und dachte: „Oh Gott, schon wieder so spät. So spät kann ich nicht mehr ins Krankenhaus. Und wo hab ich nur den Zettel mit Zimmernummer, Krankenhaus und Telefonnummer von Vila. Wie hieß das Krankenhaus noch? Mist! Egerlsee? Egerlingsee? Segerle? Sie kam nicht mehr drauf, und nun hatte sie ein Problem. Sie hatte morgen frei, da hätte sie Vila besuchen können, doch wie? Wenn sie nicht mehr wusste wo. Telefonbücher gab es heute nicht mehr, und ihr Computer, in dem man so etwas nachschauen konnte, war seit vier Wochen in Reparatur.
Sie war zu kaputt, um da genauer darüber nachzudenken. Sie legte sich wieder ins Bett und heulte und dachte an Vila, und dachte: „Verdammt, Vila, wo bist Du?“ Über diesen Gedanken schlief sie dann ein und träumte von einer Welt komplett ohne Männer.
Fortina schlief sehr schlecht, da Sie immerzu an Vila denken musste. Deshalb stand Sie auch schon sehr früh auf, da sie unbedingt noch nach dem Zettel suchen wollte.
Sie stellte die Wohnung auf den Kopf, doch sie fand diesen verdammten Zettel nicht. Irgendwann dachte sie: “Ach, das hat doch eh alles keinen Zweck, “ legte
sich auf ihre neue Couch, die sie erst vor drei Tagen bekommen hatte, und schaltete das Radio mit der Fernbedienung ein.
Es liefen alte Lieder aus längst vergangen Zeiten. Sie liebte das, die Lieder aus den Jahren 1960-2020 waren einfach viel romantischer, als das Gestampfe und Gekreische von heute.
Gerade lief wieder eines ihrer Lieblingslieder, und sie träumte so vor sich hin. Da sah sie aus den Augenwinkeln etwas weißes hervorblitzen. Hmm, dachte sie, war das etwa der Zettel mit der Telefonnummer des Krankenhauses? Sie schaute genauer,
und  es fiel ihr ein Stein vom Herzen, denn es war genau dieser Zettel. Genau in diesem Moment lief eines ihrer Lieblingslieder: „Heute Nacht ist sie ein Mann“ Sie war so fröhlich und freute sich so riesig, dass sie diesen Zettel gefunden hatte, dass sie das Handyklingeln fast nicht gehört hätte. Voller Wut dachte sie: „Hmpf, wer stört mich denn gerade jetzt?“ Ihre weibliche Intuition hatte sie nicht getäuscht: es war ihr Chef, den sie in diesem Moment ungefähr so vermisste, wie ihre monatlichen Regelschmerzen. Ihr Chef sagte: „Tut mir leid Frau Fallera, aber Sie müssen Überstunden machen, es haben sich drei Kollegen krank gemeldet.
Mindestens für die nächsten drei Wochen kann ich ihnen keinen freien Tag geben.“ Leise sagte sie, halb bei sich und halb zu ihrem Chef: “Aber Vila...“, da fing ihr Chef schon an zu toben und ins Telefon zu brüllen: „Was ist ihnen wichtiger? Ihre Freundin oder Ihr Job?“ Fortina konnte es nicht fassen, wie jemand derart gefühllos sein konnte. Sie dachte nur wieder einmal mehr in ihrem Leben: “Männer! Ich werde sie nie verstehen.“
Da sie aber ja den Zettel mit der Telefonnummer des Krankenhauses gefunden hatte, wollte sie wenigstens anrufen. „Guten Tag, Krankenhaus am Erlingsee, Schwester Victoria am
Apparat was kann ich für sie tun?“
hörte sie. Fortina erklärte ihr die Situation, und dass sie unbedingt mit Vila sprechen müsse, aber Schwester Victoria sagte, dass das nicht gehe, da auf dieser Station leider gerade Visite sei und sie es doch bitte morgen noch einmal versuchen solle, denn heute würden keine Gespräche mehr durchgestellt.
Fortina war am Verzweifeln, wie konnte sie es Vila nur klar machen, dass sie sie so gerne besuchen würde, aber immer wieder irgendwas dazwischen kam. Die letzte Möglichkeit, die Fortina einfiel, war ein Brief. Also suchte sie ihr
schönstes Briefpapier raus, und schrieb alles sehr lange und genau auf, was gerade bei ihr so passierte. Sie hatte sich in der Zwischenzeit eine Pizza in den Ofen geschoben und diese wäre fast verbrannt, so lange hatte sie gebraucht, um diesen Brief zu schreiben. Sie hoffte so sehr, dass Vila es verstand, dass ein Besuch einfach nicht möglich war. Da sie einen Briefkasten direkt vorm Haus hatte, warf sie diesen Brief sofort ein. Sie dachte noch bei sich: „Ohje, der ist aber voll“ und merkte nicht, wie der Brief nur halb im Briefkasten lag. Er rutschte langsam aber sicher aus dem Briefkasten und lag dann daneben.
Sie war derart wütend auf ihren Chef, dass sie kaum schlafen konnte. Als sie morgens dann auf ihren Laptop die Liste bekam, welche Kunden sie heute besuchen musste, dachte sie, sie sieht nicht gut. Ihr Chef hatte ihr zwölf Kunden auf die Liste gesetzt, normal waren fünf, vielleicht auch mal sechs. Sie fragte sich, wie sie das schaffen sollte.
„Naja“, dachte sie, „ich habe Vila ja einen Brief geschrieben, mehr kann ich im Moment wohl nicht mehr tun.“ Fortina wusste die nächsten Tage nicht mehr, wo ihr der Kopf stand. Sie hatte teilweise nicht einmal mehr die
Möglichkeit und Zeit, etwas zu essen und fiel abends einfach nur tot ins Bett. Zwar dachte sie immer wieder zwischendurch an Vila, aber das waren immer nur kurze Momente, da sie sehr schnell von der Arbeit eingeholt wurde. Ganze drei Wochen lang ging das so. Nach diesen drei Wochen klingelte das Telefon und Fortina dachte schon, dass das bestimmt wieder ihr Chef ist, von dem sie sich einfach nur genervt fühlte, doch es war Vila. Fortina sprang im ersten Moment das Herz vor Freude im Viereck, als sie am Telefon hörte. “Ich bin es, Vila.“ Fortina wollte gerade loslegen, wie sehr sie sich freute, ihre Stimme zu hören, da sagte Vila mit sehr
enttäuschter Stimme: “Das nennst Du also Freundschaft“, und legte auf. Fortina kam gar nicht dazu ihr zu erklären was da passiert war, und sie fragte sich, ob Vila den Brief vielleicht nicht erhalten hatte.
Vila verstand die Welt nicht mehr, denn sie mochte Fortina ja auch sehr und sie konnte sich nicht vorstellen, was da passiert war, aber sie konnte ein derartiges Verhalten nicht akzeptieren. Sie hätte ja mal anrufen oder einen Brief schreiben können, dachte sie. Sie wusste ja nicht, dass Fortina einen Brief geschrieben hatte und dieser nur
verloren gegangen war. Fortina war auch enttäuscht über Vila und heulte und wunderte sich, warum sie den Brief nicht erwähnt hatte. Dieser Brief lag immer noch neben dem Briefkasten vor Fortinas Haus.
Als Vila einige Stunden später noch mal über Fortina und die letzten Tage nachdachte, dachte sie: “Nein, es kann nicht sein, da muss es einen andren Grund dafür geben, dass ich von ihr nichts gehört habe.“ Sie wohnte zwar am andren Ende der Stadt, aber die Sache musste geklärt werden. Daher machte sich Vila auf den Weg zu Fortina. Sie klingelte, doch Fortina war nicht da. In
der Zwischenzeit hatte Fortina eines der seltenen Lobs von ihrem Chef bekommen und sogar fünf Tage extra-frei, weil sie die letzten Tage so gut gearbeitet hatte, und nun wollte sie sich ein paar leckere Sachen kaufen, um heute Abend einen richtig schön entspannenden Fernsehabend zu machen, und war gerade einkaufen, als Vila klingelte. Vila wollte sich gerade herumdrehen und wieder gehen, als sie etwas neben dem Briefkasten liegen sah. Die Schrift war etwas verschwommen, da es ziemlich geregnet hatte, aber man konnte es noch entziffern: „ila kenhaus a rlingse“, stand da, da dachte sie: „das sieht ja aus, als wäre das ein Brief für mich“, und nahm
ihn vorsichtig hoch und versuchte an den Inhalt zu kommen, ohne die Schrift noch mehr zu verwischen, was ihr auch gelang. Es war zwar durch die verschwommene Schrift nicht immer ganz einfach zu lesen, aber sie schaffte es, und als sie den wunderschönen Brief gelesen hatte und merkte, dass er von Fortina war, lief sogar ein kleines Tränchen über ihre Wange, und normalerweise heulte Vila nie, sie fand das kindisch, wozu heulen? Es änderte ja doch nichts, aber dieser Brief war sehr rührend.
Also wartete sie vor der Haustüre, bis Fortina wiederkam, doch die Reaktion
von Fortina war nicht etwa Freude, sondern sie schrie Vila an: “Was willst Du denn hier?“  Jetzt war es Vila, die erklären wollte, dass sie den Brief nie erhalten und nur durch Zufall jetzt gefunden hatte, doch Fortina war sauer. Wie konnte Vila denken, dass sie sie nicht besuchen wollte? Fortina ging ins Haus und Vila versuchte, ihr zu folgen, doch Fortina knallte Vila die Tür vor der Nase zu und lies sie nicht rein. Vila schrie nur: “Geht's noch?“ und ging wieder ihre eigenen Wege.
Fortina wollte sich heute einfach alleine entspannen, und sie hatte absolut keine Lust auf eine Diskussion oder Streiterei
mit Vila, denn morgen hatte sie einen großen Auftritt, da sie auch in einer Band Sängerin war, und morgen sollte das alljährliche Mega-Jahresevent in der Stadt sein, und vor diesen Auftritten brauchte sie ihre Ruhe. Vila ging auch jedes Jahr zu diesem Event, sie wusste aber nichts davon, dass Fortina dieses Jahr dort auftreten würde.
Das Fest war gigantisch, Riesenrad, Achterbahn, Tombola, Geisterbahn, Altmännermühle (eine Weiterentwicklung der Altweibermühle. Ausserdem gab es viele Stände an denen es allerlei Leckereien zu kaufen gab. Dazu eine Bühne, die so groß war, dass man fast
nicht mehr von einem Ende zum andren schauen konnte, mit Boxen größer als alles, was man sonst so kannte.
Es war 9 Uhr morgens,  als Fortina auf dem Fest eintraf. Sie lief einmal durch und sagte den Menschen ein freundliches „Hallo“ die sie kannte. Vila war auch bereits da, doch Vila lief immer einige Meter vor Fortina, so dass sie sie nie sah. Um 12 Uhr war es dann soweit: Fortina hatte ihren großen Auftritt. Es war keine wirklich große und bekannte Band, in der sie sang, aber darauf kam es ihr auch gar nicht an. Sie hatte einfach Spaß am Singen, und wenn sie die Leute begeisterte, vergaß sie alle ihre
Probleme. Sie hatte vor der Geschlechtsangleichung eine derart komische Stimme gehabt, damals hätte sie garantiert nicht singen können. Das ging nun, und das war für sie wieder ein wenig mehr „Frau sein“, wie sie es sich wünschte. Als sie auf der Bühne stand und in die Menge schaute, sah sie plötzlich Vila. Für einen kurzen Moment wäre sie beinahe mit dem Singen ins stolpern geraten, doch sie war professionell genug, um das zu überspielen.  Doch ihr wurde klar, dass ihr die Freundschaft zu Vila sehr viel bedeutete, und so improvisierte sie den Text etwas, und baute auf die schnelle ein paar Textzeilen im Kopf so um, dass
es Vila klar werden musste, dass es ihr Leid tat, dass sie sie einfach so abgewimmelt hatte, und dass sie sich freuen würde, wenn sie wieder Freundinnen werden könnten. Vila verstand, was Fortina da sang, und auch sie wollte Fortina verzeihen. Schließlich war das alles eigentlich nur „dumm gelaufen“:
Es gab nach jedem Auftritt immer die Möglichkeit, Autogramme zu bekommen. Das war die Gelegenheit, dachte Vila, und ging auch zur Autogrammstunde von Fortina. Als Vila vor Fortina stand, sagten beide wie aus einem Mund: „Sorry, können wir später mal reden?“
Darauf lachten beide so, dass die Presse sofort Fotos machte, die dann am nächsten Tag auch in der Zeitung zu sehen waren. Vila war das ja ein bisschen peinlich, aber Fortina war so etwas gewohnt. Wenn sie nicht mit den Versicherungen zu tun hatte, dann war sie oft mit dieser Band unterwegs. Die beiden vereinbarten, dass sie sich nachher im Hähnchentod treffen wollten, einer kleinen, aber sehr leckeren Grillbude auf diesem Fest.
Fortina gab noch eine Weile Autogramme, freute sich aber schon auf das Treffen mit Vila. Die beiden umarmten sich innig, und sagten
zueinander, dass diese Freundschaft nichts mehr auseinander bringen darf. Vila erzählte ein wenig aus der Zeit im Krankenhaus und Fortina erzählte vom vielen Stress. Sie merkten gar nicht, wie schnell die Zeit verging, bis sie plötzlich nur noch zu zweit in dem Zelt saßen. Da merkten sie, dass sie nun wohl auch gehen sollten.
Sie fuhren zusammen mit der S 93, die ganz in der Nähe von Fortinas Haus hielt. Da sagte Fortina: “Du, ich weiß ja, dass bei uns grade einiges schief gelaufen ist. Magst zu mir kommen? Ich würde gerne mit dir den Abend verbringen, hab paar leckere Sachen
gekauft vorhin.“ Vila freute sich und ging natürlich mit. Und so saßen die zwei  zusammen auf Fortinas neuer Couch und redeten und redeten, schauten fern und vieles mehr. Und es wurde immer später. Mitten in der Nacht sah Vila auf die Uhr: „Ohje. schon 3 Uhr, ich kann nicht mehr nach Hause, die letzte S93 fährt doch um 2:20. Fortina sagte: „Ach, komm, das ist doch auch kein Problem, schläfst Du eben bei mir.“
Vila war etwas überrascht, dass Fortina so schnell verziehen hatte, schließlich war sie es ja gewesen, die dachte, dass Fortina sich unmöglich benommen hatte, dabei hatte ja eigentlich sie den Fehler
gemacht. Wie konnte sie nur denken, dass eine Frau wie Fortina eine Freundin vernachlässigen würde.
Fortina hatte eine Art Klappcouch mit Bettfunktion, wo man alleine oder zu zweit darauf schlafen konnte. Fortina holte das beste Bettzeug, das sie finden konnte, klappte die Couch so auf, und stellte den Fernseher so zurecht, dass man ihn vom Bett aus sehen konnte. Vila hatte natürlich keine Nachtwäsche dabei, aber Vila kannte da eh nichts, sie zog sich dann eben einfach nackt aus und legte sich neben Fortina. Fortina hatte etwas Mühe ihre Hände bei sich zu behalten, denn Vila war wirklich genau
so, wie sie sich ihre Partnerin immer erträumt hatte. Doch sie wusste, dass sie sich zurückhalten musste, denn sie hatte Angst, Vila endgültig zu verlieren, wenn sie zu schnell voranging.
Sie zappten sich  durch die Programme, und da blieben sie auf Xova hängen, ein Dokumentationssender, der sich zur Aufgabe gemacht hatte, realistische Berichte ohne Sensationsgier  zu senden. Auf Xova lief dann ein Bericht „Transsexualität vor 500 Jahren bis heute“. Fortina wollte einerseits diesen Bericht sehen, doch ihr liefen gleichzeitig auch Tränen, als sie sah, wie Frauen in Männerkörpern und Männer in
Frauenkörpern früher ausgelacht und nicht verstanden wurden, und wie noch vor nicht all zu langer Zeit es nicht möglich war, Frauen die so waren wie sie fruchtbar zu machen. „Gott sei Dank“, dachte sie, „musste ich das nicht mitmachen.“ Vila sah Fortina an und sah die Tränen, doch sie sagte nichts, aber sie dachte sich natürlich, dass das etwas mit dem Bericht zu tun haben musste, der gerade im Fernsehen lief, so gespannt wie Fortina auf den Bildschirm starte. Da erklang das Zeichen für Werbung und Fortina ging, ohne ein Wort zu sagen, stumm und langsam auf die Toilette. Vila ahnte nun etwas, doch wissen tat sie noch gar nichts. Als
Fortina dann zurückkam, wusste Vila erst einmal auch nicht, was sie sagen sollte, also schaute sie Fortina nur lächelnd an. Fortina fand dieses Lächeln so Vertrauen erweckend, dass sie sagte: „Du, Vila, was sagst Du zu so Frauen, wie wir sie gerade im Bericht gesehen haben?“ Vila überlegte und meinte dann, dass sie damit kein Problem habe, schließlich könnten diese ja nichts dafür wenn sie oben im Himmel falsch eingepackt wurden. Fortina fand das natürlich toll und entschloss sich nun, Vila alles zu sagen. Vila war mehr als überrascht, denn Fortina war wirklich eine Frau, auch nicht das, was man früher als „tuntig“ bezeichnete, nein,
Fortina war eine Frau. daran gab es keinen Zweifel. Vila nahm Fortina in den Arm und sagte: “Süße, ich steh zu Dir. Du bist  eine Frau, daran hab ich keinen Zweifel“, und aus diesem in den Arm nehmen wurde dann doch ein wenig schmusen. Den Rest des Berichts verpassten sie, denn Zärtlichkeiten auszutauschen fanden beide dann doch interessanter.
Irgendwann schliefen die zwei ein, bis am nächsten Morgen sehr früh das Telefon klingelte und jemand sagte: „Guten Tag Frau Fallera. Sie haben vor einigen Wochen bei uns, der Firma „Aladin-Tours“, bei  einem
Preisausschreiben mitgemacht, und wir wollten Ihnen mitteilen, dass sie den ersten Preis, eine Reise für zwei Personen, nach Tonga gewonnen haben.“ Natürlich wollte sie Vila mitnehmen, doch erst musste sie das ja mit ihrem Chef klären, daher rief sie sofort ihren Chef an, der anscheinend gerade gute Laune hatte, denn es war kein Problem. Sie konnte sofort ihre Koffer packen, wenn sie wollte. Das tat sie dann auch, und Vila und Fortina packten gemeinsam Koffer und freuten sich schon auf eine Weile Urlaub.
Der nächste Flieger ging um 10:30. Jetzt war es 8 Uhr, und sie mussten eine halbe
Stunde fahren, um zum Flughafen zu kommen. Sie hatten also nicht mehr wirklich viel Zeit, aber sie schafften es. Im Flugzeug saß Fortina am Fenster und schaute gedankenverloren aus dem Fenster, Vila hingegen interessierte sich nun so sehr für das Thema Transsexualität, dass sie sich noch einige Bücher über dieses Thema gekauft hatte, und jetzt im Flugzeug lesen wollte.
Der Flug nach Tonga dauerte  sehr lange, und so hatte sie auch genug Zeit zum lesen. Wenigstens hatten sie ein Flugzeug der Linie Lux-Air, und Lux-Air warb damit, dass man auch in der niedrigsten Klasse seinen Lieblingsfilm
anschauen konnte auf dem Rücksitz des Nachbarn, nur kostet das eben in der untersten Klasse pro Film fünfhundert Fuhs, und in der Business Class nur zehn
Fortina hatte nun lange genug gedankenverloren aus dem Fenster geschaut und wollte sich ablenken und bestellte bei der Stewardess Grease. Keine fünf Minuten später konnte sie diesen Film anschauen, doch irgendwie gingen ihr so viele Gedanken durch den Kopf, dass sie Vila vorsichtig anstupste, ob sie nicht eine Runde Schach mit ihr spielen wolle. Klar wollte Vila das, also drückte Fortina den Pausenknopf und spielte mit Vila eine Runde Schach.
Während sie über alles nachdachte, spielte sie weiterhin  Schach mit Vila. Da sagte Vila: “Jetzt hast nicht aufgepasst, Deine Dame ist weg.“ Fortina meinte dann mit einem Grinsen auf dem Gesicht: “Jaja, ich weiß, Schach ist ein Kriegsspiel, bei dem sogar Frauen geschlagen werden.“ Fortina dachte, sie hätte nun verloren, doch sie sah etwas, womit Vila sicher nicht gerechnet hatte, sie setzte Vilas König mit dem Springer in Schach, und bedrohte so gleichzeitig die Dame von Vila. Fortina lachte nur und sagte: „Hehe, wenn ich ohne Dame spiele, dann du auch.“ Vila reagierte darauf nur mit einem „So ein Mist.“ Da
kam gerade die Stewardess und fragte, ob jemand Tomatensaft wolle. Vila und Fortina waren beide allergisch gegen Tomaten, also fragten sie nach einem anderen Getränk. Zum Schluss ließen sie sich jede eine Riesentasse Kaffee bringen. Das brauchten sie beide, denn irgendwie war es kalt im Flugzeug und der Flug sollte noch einige Stunden dauern.
Es war schlimm, die Zeit irgendwie totzuschlagen bis zur Landung. Inzwischen hatten sie schon sehr viele Partien Schach gespielt, Filme geschaut, gelesen, getrunken, langsam wussten sie nicht mehr, was sie noch tun sollten, da
kam eine Durchsage: „Sehr geehrte Passagiere! Bitte schnallen Sie sich umgehend an, wir erwarten schwere Turbulenzen.“ Sowohl Vila als auch Fortina glaubten das nicht, aber Vila hatte auch sehr gute Ohren, und so bekamen sie doch recht schnell mit, dass der Pilot in Ohnmacht gefallen und die Copilotin noch sehr unerfahren war. Da sie sich gerade über dem Meer befanden, und weder Vila noch Fortina schwimmen konnten, bekamen sie schon ordentlich Angst.
Fortina hatte sich angeschnallt und zusammengekauert und alles was sie finde konnte über sich darüber gelegt, so als könnten sie Decken in so einer
Situation schützen. Vila dagegen saß angeschnallt in ihrem Sessel, las ein wenig und streichelte nebenher Fortina und sagte immer nur: “Keine Angst Fortina, ich bin doch bei Dir.“
Die Stewardess suchte inzwischen unter den Passagieren einen Arzt und fand auch einen. Es war zwar kein Internist, sondern ein Augenarzt, aber die Grundlagen sind bekanntermassen bei allen Ärzten die gleichen. Der Arzt untersuchte den Piloten und schnell stellte sich heraus, dass dieser Pilot wegen Unterzucker umgekippt war. Der Pilot hatte es bisher noch niemandem gesagt, weil er Angst hatte, seinen Job
zu verlieren, aber es hatte sich vor einiger Zeit herausgestellt, dass er Diabetes hatte. Der Arzt hatte Gott sei Dank eine Art Notfallkoffer dabei, in dem auch die entsprechende Spritze für diesen Fall war. Er spritzte dem Pilot das entsprechende. Es dauerte etwas, aber dann stand der Pilot wieder auf. Als ihm klar wurde, was passiert war, bot er der Copilotin an, dass sie fliegen solle, und er sich auf den Co-Pilotenplatz setze. So taten sie es auch. Es war ihnen in diesem Moment auch egal, ob das von den Vorschriften in Ordnung war oder nicht, denn das wichtigste, so empfanden es beide, war, dass die Passagiere heil nach Tonga gebracht wurden.
In Tonga angekommen machten es sich Fortina und Vila gemütlich, und genossen das Leben. Es dauerte allerdings nur wenige Tage und Fortinas Handy klingelte. Als Sie den Annahmknopf auf ihrem Handy drückte konnte Sie erst nichts verstehen, sie hörte nur ein kräftiges Brüllen. Fortina dachte sich schon, dass das ihr Chef sein muss. Und so war es auch. Als dieser sich ausgetobt hatte und wieder zu verstehen war sagte er zu Fortina dass sie ihr kündigen werde, denn er hätte niemals etwas davon gesagt dass sie frei bekommen würde. Fortina gefiel es auf Tonga allerdings so gut, dass sie ihrem Chef nur antwortete : „Sie können
mir gerne kündigen, wenn Sie es nicht getan hätten, hätte ich es getan. Schicken Sie mir die Kündigung bitte nach Tonga. Die genaue Adresse maile ich Ihnen zu.“
Der Chef war völlig verdutzt und legte auf..Später mailte Fortina ihrem Chef die Adresse und schon wenige Tage später hatte sie die Kündigung. Fortina und Vila genossen das Leben auf Tonga, und bald schon war der Chef vergessen.