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Entweder Dichter oder gar nichts - Hermann Hesses Poetik

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"Entweder Dichter oder gar nichts - Hermann Hesses Poetik"
Veröffentlicht am 13. Februar 2014, 16 Seiten
Kategorie Wissenschaft
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Entweder Dichter oder gar nichts - Hermann Hesses Poetik

Entweder Dichter oder gar nichts - Hermann Hesses Poetik

Entweder Dichter oder gar nichts Hermann Hesses Poetik

Hermann Hesse muss man nicht vorstellen. Seine Werke wurden millionenfach gedruckt, übersetzt und gelesen. Seine Romane, Gedichte und Erzählungen beeinflussen und inspirieren auch heute noch Menschen auf der ganzen Welt.1 Seine Poetik ist allgegenwärtig und zeitlos aktuell, denn sie spricht Themen an, die jeden unbewusst, und nach der Lektüre seiner Werke bewusst beschäftigen: Sinn des Lebens, Sinn der Liebe, Religion, Rebellion und Selbstfindung, um nur ein paar zu nennen.

Schon mit dreizehn Jahren wusste Hesse: entweder Dichter oder gar nichts. Und er sollte sein Vorhaben eindrucksvoll in die Tat umsetzen, was zur Krönung 1946 mit dem Literaturnobelpreis honoriert wurde. Doch Hesse erschien nicht zur Verleihung. So eigensinnig und rebellisch war der damals bereits 70-- jährige noch. Diese Individualität und Unangepasstheit ziehen sich durch das gesamte Werk von Hesse und werden auch in „Siddhartha“ thematisiert. Ausgehend von dieser „indischen Dichtung“ und unter Bezugnahme weiterer Romane und Erzählungen Hesses,- will ich versuchen, die Poetik

von Hermann Hesse zu beschreiben. Dabei verzichte ich auf die hinduistische Komponente, da sie meiner Meinung nach nicht zu allgemeinen Aussagen über den Gegenstand dieses Essay beitragen kann.

„Siddhartha“ erzählt die Geschichte des gleichnamigen Helden, der in die Welt auszieht, um nach dem Sinn des Lebens zu suchen. Dabei durchläuft er verschiedene Lebensstufen; vom mittellosen Bettler zum reichen Kaufmann wieder zurück zu einem armen Fuhrmann. Zu Anfang der Dichtung wird gleich der jugendliche Ungehorsam und Eigensinn des

Protagonisten klar. In sanfter Rebellion widersetzt er sich seinem Vater und zieht von zu Hause aus, um zu den Asketen zu gehen. Dieser Eigensinn ist einer der zentralen Punkte in Hesses Werken.2 So sucht Siddhartha nach dem Sinn des Lebens in sich selbst und lehnt jede Lehre ab. „Bei mir selbst will ich lernen, will ich Schüler sein, will ich mich kennenlernen, das Geheimnis Siddhartha.“3 Kritik an Lehren, und am Lernen überhaupt, übt Hesse auch in „Unterm Rad“. In dieser autobiografisch angehauchten Erzählung geht ein Junge an übermäßiger Lernbelastung und den Erwartungen seines Vaters zugrunde.

 Was allen Helden Hesses eigen ist, ist

das Unverständnis ihren Mitmenschen gegenüber. Sie alle sehen sich als Außenseiter, als Unverstandene und Suchende, was auch ein Charakterzug Hesses war. Siddhartha bezeichnet seine Mitmenschen als Kindermenschen, deren Sorgen und Ängste er zu Anfang nicht versteht. Im weiteren Verlauf der Dichtung findet er aber einen Zugang zu ihnen und damit auch die Lösung seines Problems. Dieser zwischenmenschliche Konsens stellt eine der wichtigsten Säulen in Hesses Poetik dar; ich werde zum Schluss noch einmal auf ihn zu sprechen kommen.

 Siddhartha versucht den „Schmerz und

[die] Unsinnigkeit des Lebens“ zu überwinden. (Hesse: Siddhartha. S.18) Indem er aber dann erkennt, dass man sich dem Leben hingeben muss, bewältigt er dieses Problem zeitweise. Dieses Muster lässt sich ebenfalls in „Steppenwolf“ finden, wenn der Protagonist Harry Haller sich der körperlichen Liebe und Drogenkonsum hingibt, um seinem sinnlosen und tristen Leben zu entfliehen. Er lernt eine Frau Namen Hermine kennen, die ihn die Kunst des Lebens einführt. Siddhartha trifft ebenfalls eine Frau, Kamala, die ihn aus geistigen Welten hin zu weltlichen Genüssen hinführt und in die Kunst der Liebe einweist. Das Motiv der

rettenden Frau zieht sich durch viele Werke Hesses, wie z.B. „Wagner und Klein“ oder am pragmatischsten in der kurzen Erzählung „Der Mann mit den vielen Büchern.“

 Überhaupt ist der Kontakt zu anderen Menschen, die Teilnahme an ihren Sorgen und Ängste für Hesse die Lösung vieler Probleme. Neben der Kunst ist dies auch ein wichtiges Thema in seinen Werken. In „Gertrud“ formuliert er seine These am deutlichsten:

Das Schicksal war nicht gut, das Leben war launisch und grausam, es gab in der Natur keine Güte und Vernunft. Aber es gibt Güte und Vernunft in uns, in uns

Menschen, mit denen der Zufall spielt, und wir können stärker sein als die Natur und als das Schicksal, sei es auch nur für Stunden. Und wir können einander nahe sein, wenn es not tut, und einander in verstehende Augen sehen, und können einander lieben und einander zum Trost leben.

Und manchmal, wenn die finstere Tiefe schweigt, können wir noch mehr. Da können wir für Augenblicke Götter sein, befehlende Hände ausstrecken und Dinge schaffen, die vordem nicht waren und die, wenn sie geschlossen sind, ohne uns weiterleben. Wir können aus Tönen und aus Worten und aus andern gebrechlichen wertlosen Dingen

Spielwerke erbauen, Weisen und Lieder voll Sinn und Trost und Güte, schöner und unvergänglicher als die grellen Spiele des Zufalls und Schicksals. […] Wir können unser Herz dem Leben nicht entziehen, aber wir können es so bilden und lehren, daß es dem Zufall überlegen ist und auch dem Schmerzlichen ungebrochen zuschauen kann.4

 Nachdem die weltlichen Phasen, in der Siddhartha Reichtümer anhäuft und sich seinen Trieben hingibt, endet, entschließt er sich zum Selbstmord. Er flieht aus der Stadt in den Wald und will sich in einem Fluss ertränken. Das Motiv

des Wassertods ist in Hesses Werken ein häufiges Phänomen. In „Unterm Rad“ findet der junge Held nach einem Saufgelage den Tod in einem See, Friedrich Klein entschließt sich in „Klein und Wagner“ ebenfalls zu diesem Weg des Ablebens und Josef Knecht ertrinkt eher zufällig in Folge eines Kälteschocks im „Glasperlenspiel“. Wie viele seiner Motive ist auch der des Selbstmordwunsches ein biografischer: Hesse wollte sich mit 15 Jahren das Leben nehmen, was aber misslang, woraufhin er in eine Heilstätte gebracht wurde. Dort entschloss er sich zum Weiterleben genauso wie Siddhartha sich dazu entscheidet. Der Fluss, der ihm

die Erlösung des Todes bescheren sollte, wird sein letzter Lehrmeister. Er findet die „Musik des Lebens“ (Siddhartha: S.109) im Strom des Wassers und setzt sich als Fuhrmann am Fluss nieder. Dort findet er auch die letzte und wichtigste Erkenntnis: „die Liebe […] scheint mir von allem die Hauptsache zu sein.“ (Siddhartha: S.117)

Die Liebe ist ein wichtiger Bestandteil Hesses Poetik. Wo sie fehlt, herrscht Verzweiflung in seinen Werken, mit ihr erlangen seine Helden die Erlösung.

 

Hermann Hesses Poetik trägt einen sehr starken autobiografischen Charakter. Es scheint, als ob der Dichter mit jedem

seiner Werke ein Stück weit mehr Verständnis für sich selbst und damit auch für seine Umwelt erlangen wollte. Je nach Leseart lässt sich diese bipolare Bestrebung möglicherweise um einen dritten Punkt der Belehrung erweitern, da Hesse seine eigenen Erkenntnisse auch als Anleitungen für seine Leser formulierte.  Seine Poetik ist die des Verstehens und Liebens. Um diese beiden Fähigkeiten war er stets bemüht, auf seine eigene, eigensinnige Art und Weise. Hermann Hesse war ein Suchender ohne Ziel. Sein Ziel war das Leben selbst und das Beschreiben des selbigen. Diese Aufgabe setzte er sich bereits mit dreizehn Jahren, als er den

Entschluss fasste, Dichter oder gar nichts zu werden.

1 Vgl. Limberg, Michael: Vorwort. In: Limberg, Michael (Hg.): Hermann Hesses Siddhartha. 11. Internationales Hermann-Hesse-Kolloquium in Calw 2012. Stuttgart 2002. S.7-9.

2 Vgl. Solbach, Andreas: Hermann Hesse. Die poetologische Dimension seines Erzählens. Bd 11. Heidelberg 2012,


S.7.

3 Hesse, Hermann: Siddhartha. Eine indische Dichtung. Frankfurt am Main

1974. S. 35.

4 Hesse, Hermann: Hermann Hesse Gesammelte Werke in zwölf Bänden.


Bd. 3: Gertrud, Kleine Welt. Frankfurt am Main 1970, S. 189.

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Sealord Ansprechende Formulierung, guter Text!
LG Uwe
Vor langer Zeit - Antworten
Hofdichter Einen Stein kann ich lieben, und auch einen Baum oder ein Stück Rinde. Das sind Dinge, und Dinge kann man lieben. Worte aber kann ich nicht lieben. Darum sind Lehren nichts für mich, sie haben keine Härte, keine Weiche, keine Farben, kein Kanten, keinen Geruch, keinen Geschmack, sie haben nichts als Worte. Vielleicht ist es dies, was dich hindert, den Frieden zu finden, vielleicht sind es die vielen Worte. Denn auch Erlösung und Tugend, auch Sansara und Nirwana sind bloße Worte. Es gibt kein Ding, das Nirwana wäre; es gibt nur das Wort Nirwana.

- Hermann Hesse, Siddhartha
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