Die Weinrebe
Auf abendbesonnten Hügeln,
dem Horus nahe, dem Weisen,
übermannt mich das Grübeln
nach meinem Sein
und alles beginnt,
um diese Frage zu kreisen:
Vielleicht fließ ich ja
als Bach
durchs Tal errötender Rosen
und kränz mich mit dem losen
Duft der Iris,
die über mich wacht?
Vielleicht bin ich im Bach
ein Kiesel nur,
eine hohle, geschliffene Randfigur
oder doch noch
ungenutzt roh
und bin insgeheim froh,
käme jemand,
vielleicht eine Sie,
deren wissende Hand
mich fesselnd umspannt,
als träfen meine Kanten sie nie?
Vielleicht bin ich ein Schlag
ein letzter
verbrannter Flügel,
zur Sonne gesandt;
oder ein Pferd, ein gezähmtes
oder doch ohne Zügel,
das Zeichen der Freiheit
in die Fesseln gebrannt?
Vielleicht war ich schon,
eh ich noch dachte,
von den Zwölfen gar
der achte,
lag vor Jerusalem im Schoß
des Einen,
von dem die lauten Massen meinen,
sie hätten ihn gemacht
und wie sies sagten,
warn sie zuende gedacht.
Vielleicht bin ich auch
die Schlange,
Ischiarot im Paradies,
die, windend sich um Evas Wange,
an ihrer Scham dann niederließ,
mit einem Blatt bedeckt zu halten
und Gottes Plan neu zu gestalten,
oder bin ich gar Adam,
der die Scham doch entdeckt
und der Sünde hilft,
sich zu entfalten?
Vielleicht bin ich verwandt
mit dem einen und andern,
einsam durch die Wüste wandernd,
geführt die Hand
von erleuchteten Augen,
vom Glauben
an das, was schweigend uns nahm,
nicht wie ein Zufall über uns kam,
von dem man sagte, es wäre nicht wahr,
weil die geistige Enge
der auglosen Menge,
das Licht im Dunkeln nicht sah?
Vielleicht aber liegt auch Gewinn
in all dem Sinnen nach meinem Sinn,
in den sich formenden Gedanken,
die wie Efeuarme in mir ranken
ja, vielleicht versteckt sich der Sinn,
am Boden einer Flasche Gin
oder
beim Bachhus ich schlag erleuchtet lang
hin,
wenn ich der Spross einer Weinrebe bin!