Anrufe und Karten
Seit Bernhardt tot war, fühlte sie sich oft sehr einsam. Leider war es ihnen nicht beschieden eigene Kinder zu haben, und so konzentrierten sie sich auf die Nichte. Als sie klein war, holten sie sie oft ab, und unternahmen viele Ausflüge mit ihr. Auch die Geschenke fielen immer sehr großzügig aus, denn Margret und Bernhardt gingen beide einer gut bezahlten Arbeit nach. Sie und Bernhardt hatten nun 15 Jahre gemeinsam ihr Rentnerdasein genießen können. Die Ausflüge machten sie inzwischen mit den Kindern ihrer Nichte, und zu beschenken gab es auch ein paar Leute mehr. Nun
aber, war er von ihr gegangen. Ganz plötzlich. Alle waren zur Beerdigung gekommen, und versprachen, sie von nun an häufiger zu besuchen. Tja, Worte sind wie Blätter, der Wind trägt sie mit sich fort. Margret war einsam. An den Feiertagen, kam dann mal ein Anruf oder eine Karte. Die Einzige, der sie ihr Leid klagen konnte, war ihre Hausfriseurin, die sie alle 4 Wochen besuchte. Man trank in Ruhe Kaffee, klatschte über dies und das, klagte sich sein Leid, und manchmal liefen auch ein paar Tränchen. Nach guten 2 1/2 Stunden reden über alles was einem auf dem Herzen lag, folgte dann der Haarschnitt.
Dieses mal erzählte Margret, dass ihre
Nichte angerufen hätte. Sie sagte:" Hallo Tante Margret, wie geht's dir? Stell Dir vor, wir waren neulich bei Dir in der Nähe zum shoppen. Ach ja? Und war`s schön?
Ja Tante Margret ganz toll, wir sind von einem Laden in den nächsten. Anschließend waren wir noch 2 Stündchen im Café, und eh wir uns versahen, war`s schon so spät.....zu spät um noch bei Dir anzuhalten. AHA sagte Margret nur. Aber Tante Margret vergess nicht, ich hab dich soooo lieb...
Margret fragte ihre Friseurin, die ihr inzwischen zur Freundin geworden war, was sie davon halten würde. Dazu muss gesagt werden, das Margret die 80 schon
überschritten hatte, sehr konservativ und eine richtige Dame der alten Schule war. Ihre Freundin die Friseurin, hatte so eine erfrischende und direkte Art, die Margret mochte. Sie war gerade Ende 40, und erfrischend ehrlich und modern im Denken. Die Freundin antwortete mit verstellter Stimme:" Tante Margret, hast du denn auch schön gespart? Du weißt ja, ich hab dich sooo lieb.... Margret lachte aus vollster Brust. Na, so eine Antwort habe ich jetzt genau von Dir erwartet. Ihre Friseurin antwortete:" Margret, spar nicht für solche Erbschleicher. Du hast dein Leben lang gearbeitet. Fahre in den Urlaub, besuche die Orte, an denen Du dich mit Bernhardt wohl gefühlt hast,
und mach dass, so lange wie Du es noch kannst. Kauf Dir was nettes zum anziehen, Du musst nicht für andere Leuts Kinder sparen, die noch nicht mal Zeit haben, um auf einen Kaffee bei Dir anzuhalten. Margret befolgte den Rat. Sie kleidete sich neu ein, und mistete ihren Kleiderschrank aus. Sie fuhr in den Urlaub, saß auf der gleichen Bank, auf der sie mit Bernhardt immer gesessen hatte. Sie hatte das Gefühl er säße neben ihr, und sie sprach mit ihm, als sei er tatsächlich da. Die Blicke der Leute interessierten sie nicht, sie war glücklich. Seit langem wieder das erste Mal. Sie hatte sich vorgenommen, wieder unter die Leute zu gehen, engagierte sich
im Seniorenverein, ging zum Seniorentanz und erzählte ihrer lieben Freundin lachend, dass der Präsentkorb den sie jedes Jahr von ihrer Nichte zu Weihnachten bekommt, in diesem Jahr sehr mager ausgefallen war. Margret lachte. Sie hatte inzwischen alles geregelt. Für den Fall ihres Todes, war der Bestatter bestimmt, die Grabpflege für 20 Jahre im voraus bezahlt, und alles andere schriftlich niedergelegt. Sie wollte so lange es ging, das Leben genießen...... Ja Kinder, Tante Margret hat euch auch lieb...