Anshale ist ein Mann auf der Suche nach seiner Vergangenheit. In einem Land, zerrissen von einem Religionskrieg zwischen der Numen-Kirche und den Geisterbeschwörern der Kal’ban bleibt ihm jedoch kaum Zeit, seine verlorenen Erinnerungen aufzuspüren. Lediglich Grauer ,der mysteriöse Anführer der Kal’ban, scheint etwas über ihn zu wissen. Als dieser ihn bittet , ihm dabei zu helfen , einige Gefangene zu befreien findet er sich plötzlich direkt zwischen den verfeindeten Fronten wieder. Und auf dem alles entscheidenden
Schlachtfeld von Ebenwald offenbart sich ihm schließlich eine Wahrheit, die ihn zur Entscheidung zwingt.
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Das obere Stockwerk bestand aus mehreren Räumen, die vom Ende des Treppenhauses abzweigten. Aber nur eine Tür, die in einen großen Saal ähnlich dem im Erdgeschoss führte stand offen. Karten lagen verteilt auf einem Tisch in der Mitte der Halle und einige verglaste Fenster erlaubten einen Blick über das ganze Tal von Ebenwald und die Stadt am Fuß der Burg. Grauer stand am Fenster und sah hinaus, musste aber ihre Schritte gehört haben. Sobald Anshale den Raum betrat drehte
sich der alte Kal’ban zu ihm um. ,, Ihr seht… erschöpft aus.“ , meinte Grauer freundlich und musterte sowohl Anshale als auch Gwenth langsam. Celcine setzte sich lediglich ruhig an seine Seite. ,, Und jemand sollte sich um eure Verletzungen kümmern.“ , fügte er hinzu und deutete auf Anshales Arm. Anshale war klar, dass er mittlerweile wirklich nur noch einen abgerissenen Eindruck machen konnte. Blut tränkte seine Kleidung und Dreck und Zweige taten ihr Übriges. Sobald er die Gelegenheit dazu bekam, würde er sich neue Sachen besorgen und sich ordentlich Waschen. Gwenth ging es auch nicht besser. Die
Robe die er trug war während ihrer Flucht mehr als einmal an irgendwelchen Ästen hängegeblieben und zerrissen. Lina musterte Grauer ihrerseits neugierig. ,, Das ist nichts.“ , erwiderte er. ,, Wie viele haben es noch hergeschafft ?“ ,, Ich glaube fast alle.“ , antwortete Grauer. ,, Jetzt stehen wir nur noch vor dem Problem, alle irgendwo unter zu bringen. Aber das sollte das Geringste unserer Probleme sein“ ,, Was werdet ihr jetzt tun ?“ , wollte Gwenth wissen. Grauer wendete sich wieder dem Fenster zu, von dem man die Siedlung und das Tal der schwarzen Bäume überblicken
konnte. In der Ferne, weit hinter dem sie umgebenden Wald, ragten einzelne Berggipfel Meilenweit in den Himmel. Der alte legte eine Hand auf sein Herz, als hätte er schmerzen. ,, Ich habe lange gezögert. Es gibt nicht mehr viele Erwählte in dieser Welt, da erzähle ich euch nichts Neues. Und dennoch, ein paar von uns sind noch da draußen und beschützen ihre Enklaven. Ich habe vor, sie alle hierher zu rufen. Die letzten Jahre haben uns ausgeblutet und jeder von uns alleine ist kaum in der Lage noch etwas gegen die Vorstöße der Kirche auszurichten.“ Anshale nickte. ,, EL meinte, ihr habt weniger als dreihundert Kämpfer übrig.“
,, Es ist nicht so, dass unsere Situation ein Geheimnis wäre.“ , Grauer lächelte traurig, ,, Ich will ehrlich sein, auf uns alleine Gestellt und getrennt , glaube ich nicht, das die Kal’ban das Frühjahr noch erleben. Ebenwald mag etwas länger durchalten, aber auch der Zauber der Schattenbäume wird uns nicht ewig schützen.“ Er drehte sich wieder zu ihnen um. ,, Wir müssen uns zusammentun und unser Vorgehen beraten. Gemeinsam können wir vielleicht erneut Wiederstand leisten. Die Inquisition ist unter Anehlas stark geworden, aber auch die Armeen der Kirche haben Verluste erlitten. Selbst
wenn es nicht so aussieht, sie sind verwundbarer, als es den Anschein hat. Zahlen allein werden diesen Krieg noch nicht entscheiden.“ Anshale wollte ihm gerne glauben. Aber so überzeugt Grauer auch klang… die leichte Unsicherheit, die Lüge, konnte er nicht verbergen. Zahlen entschieden diesen krieg vielleicht am Ende nicht, aber es waren auch nicht allein Zahlen, die ihren Gegnern erlaubt hatten, so mächtig zu werden. Ihren Gegnern…. Er wurde leicht unruhig bei dem Gedanken. Ohne es zu wollen, war er nun auf eine Seite in diesem Kampf geraten. Aber er bereute es nicht, was er gesehen hatte sprach
gegen die Numen-Kirche. Gegen alles, wofür sie standen… ,, Wenn ich helfen kann, sagte es.“ , meinte Anshale entscheiden. ,, Ich hoffe nicht darauf zurück kommen zu müssen. Ihr habt genug getan. Und ihr sucht nach wie vor nach Antworten…“ ,, Ich muss herausfinden, was mit mir passiert ist.“ Aber vielleicht hatte das Zeit. Er hatte sich immer wieder an Bruchstücke erinnert. Vielleicht war alles was er brauchte etwas Zeit und Ruhe. ,, Und ich werde euch nicht davon abhalten.“ , erwiderte Grauer. ,, Wenn ihr jedoch eine Weile bleiben möchtet, seid ihr
Willkommen.“ ,, Neue Kleidung und etwas Wasser würden mir für den Anfang schon genügen.“ Grauer nickte. ,, Ich bringe euch noch zurück auf den Hof. Ich bin sicher, wir finden etwas.“ Gwenth hatte dem Gespräch nur halb zugehört. Zu viel beschäftigte ihn im Augenblick. Der Bogen über seiner Schulter kam ihm schwerer vor, als noch heute Morgen. Sie hatten es geschafft… aber wohin nun? Er würde sich um Lina kümmern
müssen, dachte er. Dazu hatte er das ganze ja auf sich genommen. Hierbeleiben schien fürs erste eine gute Idee. In irgendeiner anderen Stadt würde er sich zwar vielleicht ebenfalls vor der Inquisition verbergen können, aber würde das auch seine Schwester schaffen? Beinahe verträumt folgte Lina Anshale und Grauer. Seltsam, dass das Mädchen instinktiv Vertrauen zu dem alten zu fassen schien. Aber auf der anderen Seite… Manchmal hatte er das Gefühl, sie sah so viel mehr in anderen Menschen als er. ,, Gwenth, würdet ihr noch kurz bleiben
?“ Der Priester drehte sich zu Celcine um, die nach wie vor an ihrem Platz, direkt vor dem Fenster saß. Niemand schien zu bemerken, dass er zurück blieb. ,, Was ist denn ?“ , fragte er unsicher. ,, Wir sollten uns unterhalten. Über Lina.“ ,, Ich weiß, sie ist nicht wie die meisten anderen Kinder in ihrem Alter. War sie nie. Aber es ist in Ordnung. Glaubt mir, sie macht keine Schwierigkeiten.“ Celcine sprang auf den Tisch in der Mitte des Raums um wenigstens halbwegs auf Augenhöhe mit ihm zu sein. ,, Ihr habt keine Ahnung, oder
?“ Irgendetwas an der Art, wie der Fuchsgeist das sagte, machte Gwenth nervös. Wovon hatte er keine Ahnung? Lina war nur ein Kind, nicht mehr. Eines, das alles, was ihre Familie noch von der Magie der Kal’ban besaß aufgesogen hatte wie ein Schwamm, aber ein Kind. Und gleichzeitig wusste er natürlich, dass das nicht stimmte. ,, Sie ist nicht gefährlich, Celcine, wenn ihr darauf hinauswollt.“ Er musste an die Worte Alrons denken, dem sie auf dem Weg durch die Felder begegnet waren. ,, Es ist größtenteils Feuerwerk.“ Die Füchsin schüttelte den Kopf. ,, Sie wird vielleicht Erwählt
werden.“ ,, Was ?“ ,, Es tut mir leid, aber die Zeichen sind klar. Ihre Magie ist um vieles stärker, als sie sein sollte. Wie ihr wisst.“ ,, Ihr rede als ob sie gar keine Wahl hätte“ , erwiderte Gwenth heftig. Er wusste nicht ob er sich um Lina Sorgen machen musste… aber der Gedanke machte ihm in jeden Fall Angst. ,, Sie hat eine Wahl.“ ,, Natürlich hat Lina die. Es würde nicht funktionieren, ohne eine freie Entscheidung. Ich verstehe eure Sorge… aber es gibt nur noch sehr wenige von uns…“ ,, Wer von euch ist es ?“ , fragte
Gwenth lediglich leise. ,, Ihr habt ihn schon gesehen.“ Der Priester nickte nur. Beim Feuer… und dann Schemenhaft im Wald. Ein Kolibri… ,, Zeigt ihr euch alle so ungern ? Ich habe im ganzen Tal bisher nur noch Ela gesehen.“ ,, Geister binden sich ungern länger an jemanden.“ ,, Ja das weiß ich schon.“ , erklärte er und trat langsam an dem Tisch und Celcine vorbei in Richtung Fenster. ,, Das Amulett, das eure Schwester trägt ist ein Totem. Es… stellt einen einfachen Weg dar, die Gunst eines Geistes zu nutzen. Aber es ist nichts gegen die Macht eines Erwählten. Woher hat Lina
ihres?“ Gwenth wurde einen Augenblick still und bemühte sich nicht zu Celcine zu sehen. Er konnte er nicht verhindern, dass ihm ein paar Tränen in die Augen traten. Er konnte sich das nicht mehr erlauben. Er hatte… Verantwortung. Grade er sollte stark bleiben. ,, Es gehörte unserer Mutter.“ , zwang Gwenth sich schließlich zu antworten. ,, Ich glaube… ich glaube sie hat es auch gewusst.“ ,, Würde Lina ablehnen, wenn es soweit ist Gwenth?“ , wollte der Fuchs wissen. ,, Nein… vermutlich nicht. Sie ist viel zu gutherzig dafür. Und ich bin sicher ihr werdet ihr auch nicht grade das
Gegenteil einreden wollen… “ ,, Ich werde überhaupt nicht mit ihr sprechen Gwenth. Wenn der Moment kommt, dann ist ihre absolut freie Wahl. Es muss so sein. Und ich würde euch bitten, dasselbe zu tun.“ Der Priester drehte sich wieder zu Celcine um. ,, Verdammt , ist den alles Falsch, was ich jemals gelernt habe?“ ,, Was hat man euch denn gelehrt ?“ ,, Das Geister böse sind, Dämonen, die nur versuchen Menschen für ihre Zwecke zu nutzen und jetzt lasse ich mich von einem beschwatzen. Ich wusste, dass die Kal’ban nicht böse sind…“ Celcine schien aus irgendeinem Grund
unzufrieden. ,, Hat man euch denn nur Hass gelehrt?“ ,, Natürlich nicht.“ , verteidigte er sich. ,, Ich halte auch die Numen nicht für böse. Unsere… Ihre Lehre hat viel Gutes. Wir sind verpflichtet einander zu helfen, wo wir können, das Reich der drei Götter schon zu leben… Das Töten ist das abscheulichste, was man tun kann. Auch wenn wie Ovit versichert, die Inquisition uns nur verteidigt.“ Gwenth lachte bitter. Lügen… Er hatte jetzt gesehen, vor was sie angeblich beschützt werden mussten. Ein Haufen abgerissener Bauern und eine Hand voll Soldaten, die grade noch ausreichten, eine Stadt zu
sichern… ,, Ich glaube, die Numen haben mit bestimmten Dingen einfach recht. Und wenn sie recht haben…“ Celcine ließ ihn nicht ausreden. ,, Dann behaltet euch das in eurem Herzen. Aber nur weil ein Teil einer Lehre euch gut erscheint, muss das nicht für den Rest gelten. Kein Mensch sollte sich jemals an ein Dogma binden lassen, nur weil er die paar guten Fragmente darin liebt. Das wird dem Guten darin nicht gerecht. Von allem, was euren Wiederspruch verdient solltet ihr euch eigentlich ohne zu zögern lossagen. Alles andere ist unehrlich gegenüber euch selbst. Denn diese wenigen guten Fragmente sind genauso
auch in euch Gwenth.“ ,, Nette Predigt.“ , erwiderte er nur. Aber auf der anderen Seite… Sie hatte Recht. Er konnte sich aussuchen, an was er glaubte. Und wenn das nicht mit dem Vereinbar war, was ihm Beigebracht wurde… dann war es vielleicht an der Zeit damit aufzuräumen. ,, Dafür bin ich doch da.“ ,, Aber eines muss ich euch noch fragen. Ihr sagt jemand, der Erwählt werden kann beherrsche Magie besser. Auf der Flucht hierher, als wir euch aus den Augen verloren haben… Anshale hat etwas getan, das ich einfach nicht verstehe.“ Celcine wurde neugierig. ,, Was ist
passiert.“ Gwenth versuchte das ganze so gut wie möglich wiederzugeben. ,, Die Inquisition hatte uns eingeholt und… er ist Anfangs einfach stehen geblieben. Ich habe zuerst gedacht, wir sind Erledigt, aber dann… Er hat sie alle getötet Celcine.“ ,, Anshale hat auch schon vorher einmal ein paar Inquisitoren besiegt, das ist nichts neues…“ , meinte Celcine, aber er konnte die Unruhe in ihrer Stimme hören. Gwenth schüttelte den Kopf. ,, Das meine ich nicht. Er hat sie mit einer einzigen Handbewegung getötet.“ Er fasste alles zusammen, an das er sich erinnerte. Die plötzliche Welle aus
Finsternis, welche die Soldaten einhüllte, die verrosteten und verlassenen Rüstungen, die zurück blieben und das unbestimmte Gefühl, das grade etwas schreckliches geschehen war, das niemals hätte passieren dürfen. Mit jedem Wort verfinsterte sich Celcines Blick, das konnte er sehen. Und als er seine Erklärung schließlich beendet hatte, sah der Fuchs doch tatsächlich zu Boden. ,, Das ist Magie, die ich nur bei einer anderen Person jemals gesehen habe. Ihr müsst euch irren.“ ,, Was ?“ ,, Wie ich schon sagte, das ist absolut unmöglich. Er
sollte…“ ,, Er sollte was ?“ ,, Nichts. Es ist schlicht so, das ihr euch geirrt haben müsst.“ , erwiderte der Fuchs nur. Gwenth glaubte ihr kein Wort. ,, Ihr wisst viel mehr darüber wer er ist, als ihr Zugebt.“ ,, Ich weiß überhaupt nicht wer er ist. Das… muss sich nämlich erst noch zeigen.“ ,, Verdammt will ich sein, wenn ich eure Ränkespiele verstehe, ihr wisst, wer er ist, ihr und Grauer wisst es beide, aber enthaltet es ihm vor. Warum ?“ Celcine sprach leise, als sie schließlich antwortete: ,, Wenn ich es dir sagen
würde Gwenth, würdest du es verstehen. Du würdest ihm aber auch nie wieder vertrauen, nicht einmal den Rücken zuwenden. Das ist nicht der Sinn einer zweiten Chance.“ Der Priester wusste nicht, was er davon halten solle. ,, Schön… ihr werdet es ihm nicht sagen. Und wen ich jetzt zu ihm gehe werdet ihr alles abstreiten ja?“ ,, Ihr würdet diesen Raum nicht verlassen Priester.“ Es war keine Drohung, nur eine Feststellung und die eiskalte Ruhe mit der Celcine das sagte, ließ ihn jedes Wort glauben. Jetzt glaubte er den Geschichten der Kirche doch. ,, Ich bin nicht euer Feind Gwenth und ich will es auch nicht sein, aber für den
Moment ist es besser für alle wenn Anshale nicht erfährt, wer oder was er ist. Noch nicht.“ Als wäre nichts geschehen sprang der Fuchs vom Tisch und landete direkt neben den Füßen des Priesters. , Kommt, sehen wir uns nach einer Unterkunft für euch und Lina um.“
Gwenth blieb kaum etwas anderes übrig, als ihr zu Folgen und leise vor sich hinzufluchen. Wo war er hier bloß grade reingeraten?
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EagleWriter Mal sehen^^ lg E:W |