Ich werde einige Wörter in dieser Geschichte aus dem italienischen benutzen. Damit allerdings alle meine Leser auch die Bedeutung verstehen, habe ich hier einige Übersetzungen aufgeschrieben. Und nun viel Spaß mit meiner " Fabel " :-)
Farfalline belle - Schöne Schmetterlinge Nonna - Oma
Panini - Brötchen
Prosciutto - Schinken
Bisnonna - Uroma
In campagna - auf dem Land
Olivenernte
Sie lief an diesem Morgen schon sehr früh zum Supermarkt um die Ecke, um Paninis für`s Frühstück zu besorgen.
Der Morgennebel lag noch über den Feldern.
Heute war ein kräftiges Frühstück sehr wichtig, denn Carla musste an diesem Tag Raffaele bei der Olivenernte helfen.
Für die kommenden Wochen, waren schwere Stürme und Regen angesagt und da wurde jede Hilfe gebraucht.
Es war Mitte Januar, in den Bäumen hingen noch restliche ca. 20 Prozent der gesamten Ernte. Einiges an Oliven lag wie jeden Tag am Boden, und wartete darauf zusammen gefegt, aufgehäuft und zur Sortiermaschine gebracht zu
werden.
Ihr heutiges Handicap war, dass sie auch die beiden Mädchen mitnehmen musste, denn die Nonna hatte einige Arzttermine. Und jeder, den sie als Aufsicht oder Hilfe hätte gebrauchen können, half natürlich der eigenen Familie bei der Ernte. Jetzt ging es darum, zügig alles aufzulesen, denn bei Sturm war es zu gefährlich auf den Feldern zu arbeiten. Würden die Oliven, erst einmal längere Zeit am Boden liegen, würden sie anfangen zu schimmeln, oder zu viel Säure entwickeln. Raffaele war schon seit 2 Stunden mit dem ältesten Sohn
Dario draußen auf dem Land, stellte die Rüttelmaschine an seinen Platz und bereitete die Kehrmaschine vor. Carla weckte ihre Tochter Laura und das Nesthäkchen Chiara. Die Paninis waren schon mit leckeren Prosciutto belegt und eine große Thermoskanne mit Espresso, wartete auch darauf mit genommen zu werden. Carla hatte bereits einen großen Korb mit belegten Focaccia und Panini für den anstrengenden Tag vorbereitet.
Heute würde ein schöner Tag werden, die Vorhersagetemperatur lag bei 13°C und Sonne. Los Kinder, auf geht`s. Papa und Dario warten schon. Carla steigt mit Laura und Chiara in den Apè und dann fahren sie auch schon knatternd los. Sie
liebt dieses "Auto" und eines Tages, hatte sie sich vorgenommen, würde sie es in Ferrari - Rot umlackieren und auf die Türen kämen zwei schwarze Hengste ;-)
In campagna
An der Grundstücksgrenze zur Olivenplantage stand zur rechten, ein Ur-alter Olivenbaum. Ihre Bisnonna hatte ihr, als sie noch ein kleines Mädchen war erzählt, dass der Baum schon mehrere hundert Jahre alt sei. Als Anmerkung sei gesagt, Olivenbäume können einige tausend Jahre alt werden.
Genau um diesen alten Baum hier, ging es die Tage in einem Gespräch, zwischen Carla und Raffaele. Raffaele meinte, der Baum wirft einfach nicht mehr genug Gewinn ab und könnte eigentlich gefällt werden. Das allerdings, kam für
Carla überhaupt nicht in Frage. Carla`s Bisnonna hatte ihr erzählt, dass in den ganz Ur-alten Olivenbäumen, kleine Fabelwesen leben, die man Farfalline belle nennt. In ihnen, sollen die Seelen der Menschen leben, die uns bereits verlassen haben und bei Gefahr über uns wachen. Man soll diese Wesen nur sehen, wenn man in Campagna in Not ist. Bisnonna Antonia hatte erzählt, die Wesen seien einmal aufgetaucht, als ein Mann von einer giftigen Schlange gebissen worden sei. Ein anderes mal, als Arbeiter Probleme mit der Hitze, oder dem Herzen hatten. Es
gab Geschichten ohne Ende, die die alten Leute zu erzählen wussten. Carla war sich zwar nicht sicher, ob es sich bei den Geschichten um Ammenmärchen handelte, aber ein klein wenig glaubte sie doch daran. Also... der Baum musste bleiben !!!
Raffaele und Dario hatten schon einige Häufchen zusammengefegt.
Während Laura und Chiara, zwischen den Bäumen fangen spielten und sich ab und an eine Mandarine pflückten, bereitete
Carla sofort nach ihrem Eintreffen,
für die beiden Männer auf einigen leeren Kisten das Frühstück vor.
Bis zum Nachmittag gingen alle ihrer Arbeit nach, und Carla summte "Felicita",
von Al Bano und Romina Power,
vor sich hin. Sie war glücklich. Immer wenn sie hier in Campagna bei der Ernte half, war sie erfüllt von Zufriedenheit. Sie war eins mit der Natur. Die Sonne schien, die Vögel zwitscherten, hier war schon Frühling.
Wenn sie da an die Nachrichten aus Nordeuropa dachte, wo alles unter einer kalten Schneedecke lag, konnten sie sich glücklich schätzen
hier zu leben. Selbst wenn sie an die schmerzenden Glieder dachte, die sie heute Abend haben würden, und daran dass sie und Raffaele sich gegenseitig den Rücken massieren müssen. Inzwischen war es Mittag geworden. Die Mädchen bekamen ihr Essen und anschließend, bereitete Carla für beide im Trullo, mit Decken eine Ecke zum ausruhen vor.
Im Trullo
So wie es aussah, wollte auch Kater Jerry mit in den Trullo, denn er bequemte sich aus seiner Holzkiste aufzustehen und folgte den Kindern auf ihre Decke.
Alle gingen nun ihrer Arbeit nach, und der 1000 Liter Container auf dem Apé, füllte sich an diesem Tag bereits zum sechsten Mal. Plötzlich durchdrang ein Wahnsinnsschrei, die Ruhe der Natur.
Laura schrie um ihr Leben und alle
rannten zum Trullo. Chiara lag am Boden und zuckte wie bei einem epileptischen Anfall. Carla wurde ganz schlecht. Was ist passiert schrie sie? Laura weinte, Mama eine Tarantola....
Alle standen geschockt um Chiara herum.
Chiara schrie auch und innerhalb kürzester Zeit schwoll ihr Bein mit der Bissstelle an, wurde Rot und die Röte immer dunkler, und ging schließlich in ein Blaurot über. Jerry, schlich sich ganz verstört durch ihre Beine ins Freie. Ja, der Salento war bekannt dafür, dass es hier Taranteln gab,
aber bisher war ihnen allen die Begegnung erspart geblieben. Bisher.... Plötzlich flog ein Schwarm.... ja was waren das für Tiere?... in den Trullo. In dem eher dämmrigen Trullo, wurde es mit einem Mal heller. An den Wänden flimmerte es, als wären tausende Glühwürmchen um sie herum. Die Tierchen ähnelten kleinen, wunderschönen Schmetterlingen. Sie hatten lange Fühler, und so etwas wie einen langen Saugrüssel. Die Unterseite ihrer Flügel allerdings war eine Sensation. Es war eine Explosion aus oszillierenden Farben.
Ein paar der fliegenden Tierchen, ließen sich auf der Bissstelle, an Chiaras Bein nieder. Raffaele, löste sich aus seiner Erstarrung und wollte die Tiere verscheuchen, aber Carla schrie wie von Sinnen:" Nein Raffaele, lass sie da sitzen. Ihr schossen gerade die Gedanken von heute Morgen durch den Kopf und die Tierchen steckten ihre Rüssel in die Wunde. Chiara wurde immer ruhiger und die Zuckungen, hörten nach und nach auch auf. Dann flogen die Farfalline belle im Schwarm aus dem Trullo und Roberto sah, wie sie unter der Rinde des alten Olivenbaums
verschwanden. Jenes Baumes, den er noch gestern hatte fällen wollen. Bisher hatte er die Geschichten der Alten immer für Hirngespinste gehalten, aber heute war er eines Besseren belehrt worden. Für Carla, war dass Aufregung genug für den Tag. Sie, Dario und Raffaele, tranken noch einen Espresso und die Männer machten sich, während sie über dieses Wunder sprachen, wieder an die Arbeit. Chiara sprang während dessen wieder um sie herum, als sei nichts gewesen. So jetzt aber los. Carla nahm die Kinder und machte sich auf den Weg nach
Hause. Natürlich nicht, ohne noch einen Abstecher bei Dottore Ricardo vorbei zu machen..... Sicher ist sicher....
Nachwort
Farfalline belle gibt es natürlich nicht, oder vielleicht doch? ;-)
Ansonsten ist der Ablauf so eines Tages in den Oliven authentisch. Wir haben es tatsächlich geschafft, mit 4 Personen in
4 Tagen, 30 Tonnen Oliven zu ernten. Ich habe Abends vor Schmerzen geweint, bin halb bewusstlos in mein Bett gefallen und habe mich dennoch auf den nächsten Tag gefreut. Selten habe ich mich so befreit und glücklich gefühlt, wie bei der Arbeit der Olivenernte
Si.Ma. Lafelice (2014)