Kurzgeschichte
Das Kreuz

Das Kreuz

Das Kreuz

Wie in Trance lief ich über den Friedhof. Je weiter ich lief, desto mehr Wege erstreckten sich vor mir, hell erleuchtet vom Lichte des Vollmondes.

Noch nie war ich hier an diesem Ort gewesen. Trotzdem ging ich zielstrebig, ohne jeglichen Anschein der Desorientierung durch das Labyrinth der, wie es schien, unendlichen Pfade. Ich hatte vollkommen das Gefühl für Raum und Zeit verloren. Ich wusste nicht, warum ich hier war. Ich wusste nicht wonach ich suchte, aber der innere Drang weiterzugehen ließ mich nicht los und ich folgte ihm, hypnotisch, wie im Bann dieser wunderbaren, friedlichen Ruhe.

Es war mir, als sei ich Stunden gelaufen. Das Bild der großen Kreuze und gepflegten Gräber war plötzlich verschwunden. Alles was ich nun noch erblickte war eine Leere, in der sich ein langer, schmaler Weg schlängelte. Es war nicht mehr nur ruhig, sondern totenstill. Keine Grillen zirpten, keine Büsche rauschten, kein Lüftchen wehte. Ich blieb stehen. Ein Grab zog meine Blicke auf sich. Es sah aus, als würde Luna nur für dieses Grab am Himmel stehen, denn es war hell erleuchtet. Ich ging näher heran, um es mir genauer anzusehen. Als ich die Inschrift des großen Marmorkreuzes las, lief mir ein eisiger Schauer über den Rücken.

Mein Name. Von Freunden vermisst und geliebt.

Der Mond schien nicht für das Kreuz. Einzig für mich, um mir den Weg zu weisen, meinen Weg in die Ewigkeit.