Der Ring
Habe heute mit einer Mitautorin eine Nachricht über Ringe getauscht.
Dabei fiel mir eine Geschichte zu einem meiner Ringe ein. Es ist nichts Besonderes, aber wichtig für mich.
Wenn danach noch ein Mensch behauptet, es gäbe keine Wunder, ja dann weiß ich auch nicht mehr, was ich noch glauben soll.
Es begann damit, dass ich 1989 einen Ring von meiner verstorbenen Schwiegermutter erbte. Es waren noch andere Töchter da, aber mir passte der Ring am besten. Also bekam ich ihn bei der Verteilung des Schmuckes.
Es handelte sich um einen ehemaligen Ehering, dessen Vorbesitzer keiner aus der Familie kannte. Er ist ziemlich breit und wurde irgendwann einmal zu einem Schmuckring umgearbeitet. Es zierten ihn drei kleine Brillanten. Auch eine Gravur hatte er, nämlich
Anfangsbuchstaben von Namen und ein Datum. Es handelte sich um den 07.04.94, vermutlich ein Hochzeitstag. Da wir ja das Jahr 1989 hatten, war mir klar, das die Hochzeit vor fast 100 Jahren statt fand. Ich fragte mich auch, was der Ring schon so alles mitgemacht haben würde. Vermutlich sogar zwei Kriege und wer weiss, was noch so alles. Aus diesem Grund habe ich eine ziemliche Achtung vor diesem Ring, dessen Träger ich nicht einmal kannte. Von der Größe her, trug ihn bestimmt ein Mann.
So war dieser Ring ab 1989 in meinem Besitz. Da er mir sehr gefiel, trug ich ihn
fast ständig. Im ersten Jahr passierte mir ein Missgeschick. Wir waren im Herbst in unserem Garten und verbrannten Abfälle. Es war schon ziemlich kühl zu dieser Jahreszeit. Als es anfing zu dunkeln, wollte das Feuer nicht mehr so richtig brennen. Da uns ziemlich kalt war, fuhren wir nach Haus und wollten am nächsten Tag weiter machen. Zu Haus bemerkte ich plötzlich, dass der Ring von meinem Finger verschwunden war. Bei Kälte werden ja die Finger bekanntlich dünner und warscheinlich war der Ring unbemerkt vom Finger gerutscht. Aber heute ging nichts mehr, denn es war dunkel geworden. Da ich den ganzen Nachmittag das Feuer
bestückt hatte, vermutete ich den Ring irgendwo in dem Aschehaufen. Mein Mann meinte, dass ich ihn auf keinen Fall in diesem finden würde, falls er wirklich dort lag. Mein großer Sohn war da optimistischer und versprach, mir zu helfen.
Am nächsten Morgen fuhren wir sofort in den Garten und begannen mit der Suche nach dem Ring. Über zwei Stunden durchsuchten wir den Haufen mit den Händen und dann fanden wir ihn unbeschadet. Das Feuer hatte ihm nichts angetan. Mein Gott war ich froh. Danach schwor ich mir, ihn bei Gartenarbeiten nie mehr zu tragen.
So vergingen die Jahre. Der Ring war mein treuer Begleiter geworden.
1993 verlor ich meine Arbeit. Es ergab sich, dass ich eine Tätigkeit in Hamburg bekam. Vorübergehend hatte ich dort eine sehr kleine Wohnung. An den Wochenenden fuhr ich nach Haus. Irgendwann kam mir das Datum, was in dem Ring stand, in den Sinn. Ja, am 07. April jährte sich der vermutliche Hochzeitstag zum Einhundertsten Mal. Am Abend machte ich mir was Schönes zu essen und genehmigte mir ein Glas Sekt. In Gedanken, stieß ich mit dem unbekannten Paar auf diesen Tag an.
Den Ring sah ich als Glücksbringer. Seit dem ich ihn trug, hatte ich eigentlich
auch immer Glück.Es hatte mit Arbeit in Hamburg geklappt, mit einer Wohnung dort und ich konnte mit diesem Betrieb in meine Heimat zurück. Die Arbeit machte Spaß und auch ansonsten lief alles gut für mich. Ich glaubte, und glaube auch heute noch, dass er zu meinem Glücksbringer geworden ist.
Wir zogen noch einmal um, in eine Kleinstadt. Als ich dann Rentner wurde, legte ich mir auch einen Hund zu, meine Natascha. Mit ihr gehe ich immer im Park spazieren. Es ist ein sehr, sehr alter Landschaftspark, der zwei Orte verbindet. Kaum im Park angekommen, landete ein kleiner Stein in meinem
Schuh. Ich lehnte mich an einen Baum, zog den Schuh aus und entfernte den Stein. Dann ging es weiter, so ungefähr zwei Kilometer bis zum Steinbruch. Dort badet Natascha immer sehr gern. Ich warf Stöckchen in das Wasser. Natascha schwamm freudig im See und holte sie wieder. Als ich mich dann noch einen Moment auf einen Felsen setzte, bemerkte ich, dass mein Ring weg war. Nach einiger Überlegung kam ich zu dem Schluss, dass ich ihn auf jeden Fall getragen hatte.Traurigkeit überkam mich. Den würde ich nie wieder finden. Mein schöner Ring! Bedrückt trat ich den Heimweg mit meinem Hund an. Ich ließ Natascha ohne Leine laufen. Kurz
vor dem Parkausgang rief ich sie zu mir und gab ihr den Befehl: "Sitz!", was sie auch tat. Beim runter bücken zu ihr, fiel mir die Leine aus der Hand. Als ich sie aufheben wollte, sah ich etwas glitzern. Was ich sah, wollte ich im ersten Augenblick nicht glauben, aber es war mein Ring und ja, er hatte mich wieder gefunden. Ja, er mich, davon war ich fest überzeugt. In diesem Moment heulte ich los, wie ein Schlosshund. Es war wie ein Wunder. Mein Ring war erneut zu mir zurück gekehrt. Es war keine Einbildung, sondern Wahrheit. Vielleicht gibt es ja doch kleine Wunder?
Danach habe ich den Ring noch nie wieder verloren. Aber mir kommt gerade in den Sinn, dass bald erneut ein "Hochzeitstag" fällig ist. Am 07.April ist der 120. Hochzeitstag.
Wenn das mal kein Grund zum Feiern ist.