Kleine traurige Maja
Maja verstand die Welt nicht mehr, Papa war heute viel früher nach Hause gekommen als sonst. Mama hatte sie bei der Nachbarin gelassen, und wollte nur kurz zum einkaufen um die Ecke. Nun war sie aber schon ewig lange weg, und Papa war schon da. Papa weinte während er sie bei der Nachbarin abholte, und dann weinte auch die Nachbarin. Auf einmal war das ganze Haus voll, Oma, Opa, Tanten, Onkel alle waren auf einmal da, und alle weinten, und waren traurig. Nur Maja war nicht traurig, Maja war wütend. Wieso heulten alle rum, und wo blieb Mama? Sie hatte ihr doch
versprochen sofort wieder zu kommen- Und was war mit dem Eis? Mama hatte ihr ein ganz großes Eis versprochen, wenn sie, Maja bei der Nachbarin lieb gewesen sei. Immer wenn Maja jemandem nahe kam, weinten sie aufs Neue los. Sie flüsterten, die arme Jessy und das arme Kind. Ja, recht hatten sie. Ich bin ein armes Kind, weil ich nämlich nicht das Eis bekommen habe, dass Mama mir versprochen hat. Aber warum die arme Jessy? Mama konnte sich doch schon selber ein Eis kaufen, und überhaupt, wo blieb sie eigentlich? Sie sollte doch längst wieder hier sein. Alle steckten ihr, wenn sie was fragen wollte Schokolade, oder sonstige Süßigkeiten in
den Mund. Man sind die alle komisch, und warum sind heute eigentlich alle hier? Heute hat doch niemand Geburtstag, dass hätte Mama ihr gesagt. Wieder fragte sie:" Wo bleibt denn nun Mama?
Ihr Eis wollte sie auch nicht mehr, sie war müde. Wo bleibt Mama? Sie muss mir doch meine Gute Nacht Geschichte vorlesen. Alle schauten betreten zu Boden. Da nahm Papa sie auf den Arm und trug sie ins Kinderzimmer. Er wollte noch nicht mal, dass sie sich die Zähne putzt. Alle sind komisch, heulte nun auch Maja, und überhaupt WO BLEIBT MAMA? Sie drehte sich auf die Seite, eine Geschichte wollte sie heute auch
nicht mehr hören. Da sagte Papa, dass Mama einen Unfall gehabt hätte, und nun beim lieben Gott und ein Engel sei. Nein Papa, Mama ist kein Engel, Mama ist Mama. Und überhaupt, wo bleibt sie denn? Papa legte sich noch etwas zu ihr, und dann war sie eingeschlafen. Die nächsten Tage waren genauso komisch. Oma und Opa waren da geblieben, und alle sahen am nächsten Tag furchtbar traurig aus. Nur Mama ließ sich nicht blicken, dass hat sie noch nie gemacht. Oma sagte Mama ist tot, ja aber sie kann doch trotzdem endlich nach Hause kommen. Maja konnte nicht verstehen was hier seltsames vor sich ging, und wurde langsam auch ziemlich traurig,
denn sie vermisste ihre Mama. Sie wollte auch nichts mehr von Eis hören, sie wollte nur das Mama wieder da ist.
Die Beerdigung
Drei Tage war Mama nun schon weg, und Maja vermisste sie ganz fürchterlich. Papa hatte ihr erzählt, dass Mama einen schlimmen Unfall gehabt hat, und nun ein Engel ist. Ja aber wieso will sie denn lieber ein Engel sein als hier zu Hause? Sie ist doch meine Mama, und Mamas müssen auf ihre Kinder aufpassen. Ja, das hat Mama gesagt. Heute Morgen war alles wieder ganz komisch. Wieder war die Familie da, und auch noch ein paar Nachbarn. Tante Susi redete auf Papa ein, Jo das Kind muss mit. Du musst die Kleine mitnehmen, damit sie begreift.
Versteh doch, sie wird sonst nie erkennen was geschehen ist. Mit einem Mal schaltete sich eine völlig fremde Frau in das Gespräch ein. Maja kannte sie nicht. Sie sagte flüsternd :" Jo, bitte lass die Kleine zu Hause, ich werde mit ihr hier bleiben bis alles vorbei ist, wenn Du erlaubst. Ich würde zwar gerne mitgehen, aber für das Kind wäre es das Beste. Du kannst ja heute Nachmittag, ganz alleine mit der Kleinen nochmal hin gehen. Es war seit Tagen das erste Mal, dass Maja ihren Papa wieder lächeln sah. Er war einverstanden, und Maja auch. Sie war neugierig wer die Frau war. Maja schaute sie sich genau an. Sie sah sehr lieb aus, und hatte eine lustige Stimme.
Nun kam Papa mit der Frau zu ihr. Er sagte :" Maja, das ist Christine. Sie ist... sie war Mamas beste Freundin. Christine hat lange Zeit, nicht hier in der Stadt gelebt, und ist letzte Woche erst wieder her gezogen. Maja erinnerte sich, dass Mama ihr oft von Christine erzählt hatte, und sie auch schon mal Hallo, Hallo ins Telefon gerufen hatte wenn Mama mit Christine telefoniert hat. Maja lächelteChristine an, nahm ihre Hand und zog sie ins Kinderzimmer. Plötzlich war alles ruhig im Haus, alle waren weg. Mit großen fragenden Augen sah Maja Christine an. Plötzlich holte Christine ein Buch aus ihrer Tasche und sagt:" Komm her Kleines, ich lese Dir eine
Geschichte vor. Die Geschichte handelte von einem kleinen Jungen und seinem Wellensittich. Eines Tages lag der Wellensittich tot in seinem Käfig, und rührte sich nicht mehr. Die Mama des Jungen legte den Vogel in eine Zigarrenkiste, und ging mit ihrem Sohn in den Garten. Sie hob ein Loch aus, und fragte ihren Sohn ob er die Kiste hineinlegen wolle. Sie sagte zu ihm, dass das nun eine Beerdigung sei. Dieses Wort hatte Maja die letzten Tage auch schon oft gehört. Die Mama des Jungen schüttete die Erde wieder in das Loch und pflanzte eine Blume darauf. Danach nahm sie ein kleines Kreuz, dass sie aus Ästen zusammen gebunden hatte und
stellte es auf den sandigen Hügel. Sie sagte, wenn er mal mit seinem Vogel reden möchte, oder traurig ist, dann soll er hier her kommen. Und oben im Himmel, würde der kleine Vogel, der jetzt bei den Engeln ist, ihn hören. Der kleine Junge war lange Zeit sehr traurig, bis eines Tages ein kleiner brauner Vogel auf seiner Fensterbank saß. Die Mutter des Jungen, hatte das restliche Vogelfutter auf die Fensterbank gestreut, und der kleine braune Vogel kam jeden Tag, um etwas davon zu fressen. Der kleine Junge merkte, dass er immer weniger traurig war, und freute sich schon auf den nächsten Tag. Von da an streuten er, und seine Mama täglich
neues Futter auf die Fensterbank. Dann ging der Junge zum Grabhügel seines Wellensittichs, und sagte, dass er nun nicht mehr traurig sei, weil er weiß das sich die Engel freuen werden, so einen schönen Vogel wie ihn im Himmel zu haben.
Maja lächelte Christine an, genau wie meine Mama nicht wahr? Ist Mama nun auch in einer Zigarrenkiste , fragte sie? Christine musste sich trotz ihrer Trauer ein Lachen verkneifen, und erklärte dass man die Kisten, in die man Menschen legt, Sarg nennt. Sie sagte Mama hat einen wunderschönen Sarg, wie Schneewittchen, nur nicht aus Glas. Dafür sind aber ganz viele Kissen darin,
und eine kuschelige warme Decke, weil Mama ja ein wenig warten muss, bis die anderen Engel sie in den Himmel holen. Wenn sie dann oben angekommen ist, bekommt sie vom lieben Gott Engelsflügel und einen eigenen Stern. Auf dem kann sie dann die anderen Engel zum Kaffeeklatsch einladen. Und abends wenn Maja in den Himmel schaut, dann wird sie erkennen, dass der größte Stern der dort leuchtet, der Stern ist auf dem ihre Mama wohnt. Und jedes Mal wenn er blinkt, dann winkt die Mama ihr kräftig zu, denn die Mama ist von nun an ihr ganz eigener Schutzengel, der immer auf sie acht gibt. Maja hatte vom zuhören ganz rote Ohren bekommen. Plötzlich
stand Papa in der Tür, er hatte ihnen zugehört. Er drehte sich um, holte für Maja ein Eis, und machte für sich und Christine einen Kaffee. Sie nahmen ihre Tassen und gingen auf die Terrasse. Christine bot Jo eine Zigarette an und während ihm die Tränen über die Wangen liefen, sagte er:" Danke, danke das Du mit der Kleinen hier geblieben bist Christine, es war schlimm... So viele Menschen..... Nach einer Weile stellten sie die Tassen in die Küche, holten Maja und fuhren gemeinsam zu Friedhof. Als sie am Grab angelangt waren, erklärte Jo Maja dass hier ihre Mama beerdigt sei, und alle ihre Freunde Blumen mitgebracht hatten, weil Mama Blumen
so sehr geliebt hat. Maja freute sich, denn sie erinnerte sich, dass Mama ihre Nase immer ganz tief in einen Blumenstrauß gesteckt, und dann genießt hat. Papa? Muss Mama jetzt nicht auch nießen, wenn sie unter so vielen Blumen liegt? Jo lächelte, und sagte:" Das hat sie bestimmt schon vorhin gemacht.
Das Leben geht weiter
Monate waren vergangen, Oma und Opa waren die ersten Wochen noch mit im Haus geblieben. Dann als Jo alles im Griff, und durchorganisiert hatte, zogen sie wieder in ihre eigene Wohnung. Maja war vormittags im Kindergarten untergebracht, und Christine wurde mit den Großeltern auch in die Betreuung einbezogen. Maja wollte das so. Seit der Beerdigung von Jessy, und der Geschichte vom Wellensittich, hatte sie eine affenartige Liebe zu Christine entdeckt. Nicht nur weil sie ihre Mama
vermisste, sondern weil Christine ganz viele lustige Geschichten von sich, und ihrer Mama zu erzählen wusste. Geschichten von Abenteuern, die sie und Jessy gemeinsam erlebt hatten. Und jedes mal, wenn sie ihr solche Geschichten erzählte, kraulte sie ihr dabei den Rücken, genau wie Mama es getan hatte. Jo beobachtete solche Szenen mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Er vermisste seine Frau. Viel zu abrupt war sie aus ihrem Leben gerissen worden. Er wusste aber auch, dass er den Kopf nicht in den Sand stecken durfte. Alleine schon wegen Maja nicht. Das tolle an Christine war, dass sie es verstand Maja und ihn immer
wieder mit kleinen Anekdoten aufzuheitern.
Jo, bewunderte Christine. Sie nahm sich selbst immer zurück, und stellte ihre eigenen Bedürfnisse in den Hintergrund. Immer war sie zur Stelle, wenn er sie brauchte. Christine hatte kurz vor Jessys Tod, eine wohl sehr unschöne Trennung hinter sich gebracht. Das war auch der Grund, weshalb sie in ihre Heimatstadt zurück gezogen war. Sie war froh Jo und Maja helfen zu können, so wurde auch sie abgelenkt.
Eines Abends nachdem sie Maja ins Bett gebracht hatte, und nach Hause wollte, lud Jo sie zu einem Glas Wein ein. Das hatte er bisher noch nie getan.
Sie sprachen über das Leben, und welche Prüfungen es für manchen bereit hält. Beide hingen eine Weile ihren Erinnerungen nach. Jo`s Eltern hatten ihm vor kurzem auch ein wenig ins Gewissen geredet. Junge, dass Leben geht weiter, hatte seine Mutter gesagt. Natürlich vermissten auch sie Jessy. Jo wurde gerade klar, dass Christine mittlerweile zu einem wichtigen Bestandteil ihres Lebens geworden war. Sie verlangte nie etwas, sie war einfach da. Sie hielt ihm mit ihrer ruhigen Art den Rücken frei. Das alles war ihm bisher gar nicht bewusst gewesen.
Das war wohl auch der Moment, in dem er sie das erste Mal richtig ansah. Sie
war eine wirklich schöne Frau, doch in ihm regte sich plötzlich das schlechte Gewissen. Er dachte an Jessy, und es war ihm als würde sie sagen: " Jo, das Leben geht weiter. Ich möchte das Du und Maja glücklich seid. Und er wusste, dass sie genau so denken würde. Wenn er sich nochmal binden sollte, dann an eine Frau die auch Jessy gefallen würde. Jo wandte sich an Christine, lächelnd sagte er:" Ich würde dich gerne am Wochenende zum Essen einladen...
In der Stadt gibt es einen neuen Italiener, was hälst du davon Christine?...
Ich glaube fest daran, dass es für jeden von uns eine Geschichte gibt. An dem Tag, an dem wir geboren werden ,steht schon fest wie unser Leben verlaufen wird, und wann es zu Ende ist.
Si.Ma. Lafelice