Kapitel 7
Wolf saß an seinem Schreibtisch, vor ihm ein übervolles, urnenartiges Gefäß, welches er unübersehbar als Aschenbecher benutzte.
Peter blickte ihn vom Platz gegenüber an und versuchte noch einmal alle Fakten durchzugehen, die sie bisher gesammelt hatten.
Sein Kopf lag schwer in seinen Händen und er seufzte mehr, als dass er sprach:
"Dieser Dicke geht mir nicht aus dem Kopf. Ich meine, er war der beste Freund von diesem....diesem..."
"...Karl Bohl", ergänzte sein Partner etwas abwesend.
"Ja, wieso sollte er ihn umbringen?"
"Vielleicht ist er hinter sein schmutziges Geheimnis gekommen."
"Was für ein Geheimnis? Weiß ich was nicht?"
Na irgendein Geheimnis. Vielleicht hat er seine Frau gevögelt, was weiß ich."
Peter langte mit dem Arm über den Schreibtisch und versuchte, die Schachtel mit den Zigaretten zu erhaschen.
"Du rauchst doch gar nicht."
"Nein, eigentlich nicht, aber vielleicht hilft das beim Denken."
"Überlass das Denken mir! Hol uns lieber noch was von der schwarzen Brühe! Die hält uns wach", brummte
Wolf.
Peter wollte gerade losspurten, da klingelte das Telefon. Der Mann am anderen Ende sprach mit hektischem Ton. Wolf schien generft, verstand nur die Hälfte. Dann legte er auf und rief in den Raum:"Wie spät?"
"Punkt 5 Uhr, Chef."
Wolf sprang hoch und schnappte sich seine Jacke. Noch bevor Peter reagieren konnte, packte Wolf auch ihn und stiefelte zur Tür.
"Was ist los?"
"Sie haben den Dicken gefunden. Und wenn wir uns nicht beeilen, dann finden wir gleich noch die Leiche eines Typen namens Purzel, wenn ich das richtig
verstanden habe."
"Purzel? Wer ist das? Und wie finden? Was ist mit dem Dicken?", fragte Peters etwas durcheinander.
"Die Nachtschicht hat ihn gerade gefunden, diesen Fred."
"Tot, nehm ich mal an."
"Ja...", rollte Wolf die Augen. Mehr Worte hielt er nicht für nötig.
"Und wie....tot?, stammelte sein Partner.
"Oh Mann, wie tot kann man denn, deiner Meinung nach, sein?"
"Ja, tot - schon klar. Wollte nur wissen, wie er gestorben ist."
"Jemand hat ihn abgemurkst. Und dreimal darfst du raten, wer mir da in
den Sinn kommt!"
"Haben wir einen Verdächtigen, Chef?"
"Der Gleiche, der den Bohl kastriert hat."
"Wissen wir, wer es war?
"Nein, verdammt! Ich meine nur, dass wir hier einen Serientäter haben."
Wie ein Schatten huschte eine schwarze Gestalt unbemerkt hinter die Schuppentür und schien sich dann in Luft aufzulösen, denn als die Polizisten den Ziegenstall betraten, waren dort nur Ziegen und sonst nichts.
"Wie spät?"
"5.20 Uhr. Hier ist aber niemand", bemerkte eine Polizistin.
"Sicher, dass dieser Stall gemeint war?"
"Die Frau von diesem Fred sagte, es gibt nur diesen einen Stall mit Ziegen."
Ok, ich sehe weder diesen Purzel noch unseren Täter. Entweder ist keiner von beiden hier gewesen, oder nur Purzel, der schon wieder weg ist, oder aber...."
"Was, Chef?"
"Oder er hat ihn woanders hingebracht."
"Dann lebt er vielleicht noch."
Hassel und Fels fuhren zum Haus des Dicken, um seine Frau noch einmal zu befragen. Energisch drückte Wolf seinen Daumen auf die Klingel und gab Dauerfeuer.
Eine junge Frau öffnete und bat die Herren herein. Es war eine Psychologin,
oder auch Psychotusse, wie Wolf sie immer nannte. Ihre Haare waren wild und lockig, rot wie Rübensaft. Ihre Haut war bleich, beinah bläulich. Sie trug Schuhe mit hohen Absätzen, so dass es ihr unmöglich war, nicht beim Laufen mit den Hüften zu wackeln. Ein genußvoller Anblick, allerdings nur von kurzer Dauer. Frau Sommer kauerte im Sessel, noch immer völlig verstört und mit rotgeweinten Augen.
"Frau Sommer?"
Die alte Dame rückte ihren Rock zurecht und blickte zu den zwei Polizisten, die ihr unmittelbar gegenüber standen. Der Rechte war älter und auch größer als der Linke.
Es brauchte nicht viel, um zu erkennen, dass der Ältere auch der klügere war.
Wolf trat einen Schritt vor und gab höflich die Hand zur Begrüßung.
"Wir wollen sie nicht lange stören, aber wir müssen unbedingt wissen, wo ein gewisser Purzel wohnt. Haben sie eine Adresse?"
Frau Sommer schüttelte unwissend den Kopf. Nicht nur, dass sie keine Adresse hatte, sie kannte auch niemanden mit Namen Purzel.
Ohne unnötige Zeit zu verschwenden, wendeten sich die zwei Beamten ab, um in den Keller zu gehen, wo man ja, laut des Beamten Kühne, der Hassel vor einer
Stunde angerufen hatte, die Leiche des Dicken gefunden hatte.
Es war nicht schwer, den Weg zu finden, denn ein widerlicher, süßlicher Geruch legte die Spur in die Kammer des Schreckens, wie Peter den Raum von da an nannte.
Das Erste, was beiden ins Auge fiel, noch bevor sie den Toten in Augenschein nahmen, waren die vielen Bilder der Mädchen, die überall herumlagen. Dann fiel der Blick auf den Bildschirm, auf den schwarzen Bildschirm. Wolf drückte die Enter-Taste und zack, da war die Nachricht an Fred von Purzel.
"Möchte wissen, wer dieser Purzel ist,
oder war", flüsterte Peter.
"Na, er wird es uns nicht mehr sagen", bemerkte Wolf und zeigte auf Fred, der auf dem Stuhl saß oder besser hing.
"Jetzt weiß ich, warum das so stinkt. Wer macht denn nur so etwas?"
Freds Leiche gab ein unschönes Bild ab. Sie war nackt. Die Augen waren nicht mehr zu erkennen. Die Haut war rot bis verbrannt. Aus allen ersichtlichen Öffnungen lief Blut. An einigen Stellen hing die Haut herunter, und das blanke Fleisch kam zum Vorschein.
Wolf beugte sich herunter, um besser zu erkennen, was bzw. was nicht mehr zwischen den Beinen baumelte.
"Hassel", bemerkte einer der anwesenden
Polizisten, "wenn sie seine Eier suchen, die liegen unterm Schreibtisch."
Peter kämpfte bereits seit Betreten des Raumes mit seinem Mageninhalt. Nie würde er sich an derartige Anblicke gewöhnen.
"Der Typ muß doch total pervers sein", hustete ein Beamter.
"Ja, aber nicht perverser als das Opfer, wie mir scheint."
"Meinen sie das wegen der Bilder?"
"Ja, ein Pädophiler, wie er im Buche steht. Ich denke, wir bewegen uns hier in tiefster Scheiße."
"Ein Typ, der Kinderf..."
"Einigen wir uns doch auf das erstgenannte Wort: Pädophil. Er killt
Pädophile. Es sind Damen im Raum. Ein bisschen Anstand dürfte uns doch geblieben sein."
Wolf schenkte dem Raum eine vorerst letzten Blick und drehte sich dann zum Gehen um.
Peter folgte ihm wie er es immer tat und versuchte, alle unnötigen Fragen hinunterzuschlucken.
Fortsetzung folgt...
(c) Shirley
02/2014