Anshale ist ein Mann auf der Suche nach seiner Vergangenheit. In einem Land, zerrissen von einem Religionskrieg zwischen der Numen-Kirche und den Geisterbeschwörern der Kal’ban bleibt ihm jedoch kaum Zeit, seine verlorenen Erinnerungen aufzuspüren. Lediglich Grauer ,der mysteriöse Anführer der Kal’ban, scheint etwas über ihn zu wissen. Als dieser ihn bittet , ihm dabei zu helfen , einige Gefangene zu befreien findet er sich plötzlich direkt zwischen den verfeindeten Fronten wieder. Und auf dem alles entscheidenden
Schlachtfeld von Ebenwald offenbart sich ihm schließlich eine Wahrheit, die ihn zur Entscheidung zwingt.
Tote Blätter und Nadeln rieselten von den umstehenden Bäumen zu Boden. Als er die Hand nach einem Stamm ausstreckte, zerbröselte die Borke unter seiner Hand.
Das Gras um ihn herum schien jegliche Farbe verloren zu haben und der Boden brüchig. Bar von Leben. Anshale sah auf zu den Reihen der Inquisitoren. Oder das, was davon übrig war. Diejenigen, die das Pech gehabt hatten in seiner Nähe zu stehen, waren von den Schatten erfasst worden. Verrostete Panzer, die langsam zur Seite kippten und Staub. Mehr war nicht
geblieben. Sobald die nun leeren Rüstungen auf dem Boden aufschlagen zerfielen auch diese zu nichts. Was hatte er getan? Er wusste es nicht, aber als er sich zu Gwenth und Lina umdrehte konnte er den Schrecken in ihren Augen sehen. Diejenigen Inquisitions-Soldaten, die Überlebt hatten wichen langsam vor ihm zurück zwischen die Bäume. Sie mussten den einzelnen Mann, der sich ihnen in den Weg gestellt hatte für einen Dämon oder noch gefährlicheres halten. Und vielleicht, überlegte Anshale, stimmte das sogar. Was hatte er getan? Die Frage kehrte erneut zurück. Er verstand es nicht. Es war die Selbstsicherheit
gewesen, die ihn plötzlich hatte innehalten lassen. Das Wissen, das ihn keiner seiner Gegner auch nur ansatzweise Gewachsen war. Und nun Verstand er warum. Magie… Aber er besaß nicht die Macht eines Geists er war… menschlich. Oder ? Langsam trat er vor und stellte fest, dass seine Füße ihn kaum trugen. Schwäche. Was immer er getan hatte, es hatte das bisschen Kraft, das nach der Flucht und den Kämpfen in den Wäldern noch übrig gewesen war endgültig aufgebraucht. Und Gleichzeitig waren da Erinnerungen, unzusammenhängende Bruchstücke. Er konnte sich erinnern. An eine Welt aus Feuer, durch die er stolperte. Dichter
Rauch, der ihn zu ersticken drohte… Anshale kam stolpernd auf die Füße. Flammen schlugen ihm entgegen, ohne das er Verstand, was vor sich ging. Brennende Strohfetzten segelten vom Dach über ihm herunter, in dem ein gewaltiges Loch klaffte. Zum Feuer gesellte sich Nieselregen. Zu wenig um dem tobenden Inferno Einhalt zu Gebieten. Er kämpfte sich einige Schritte weiter durch den dichter werdenden Rauch, als sich über ihm ein Dachbalken löste und mehrere weitere Holzstreben mit sich riss. Was war passiert? Wurde die Stadt
angegriffen? Alles war so furchtbar schnell gegangen… Er konnte die Tür sehen, die nach draußen und hoffentlich in Sicherheit führte. Dann könnte er nach seiner Familie sehen, dann könnte er sicherstellen, dass jemand den Brand löschte… Aber noch konnte Anshale nicht gehen. Rasch setzte er über den brennenden Dachbalken hinweg in einen zweiten Raum, den das Feuer offenbar noch nicht erreicht hatte. An einer Wand hing ein Spiegel aus poliertem Metall. Anshale warf nur einen flüchtigen Blick hinein. Er trug ein schlichtes Kettenhemd und ein Wams mit Kircheninsignien, das aber
vom Feuer bereits schwarz gefärbt wurde. Einige Angesengte Haarsträhnen hingen ihm wirr ins Gesicht, aber er achtete kaum darauf. Belynia würde ihn dafür schelten, wie er aussah, egal ob grade die Stadt abbrannte oder nicht. Der Gedanke brachte ihn trotz der Situation zum Schmunzeln. Und vermutlich würde sich sein Vater noch auf ihre Seite schlagen. Er konnte ihre vorwurfsvolle Stimme geradezu hören, während er zu einer kleinen Holztruhe vor dem Spiegel herüberlief. ,, Muss ich mir als Frau des Hauptmanns der Stadtwache noch sagen lassen, ich könnte nicht mal dafür sorgen, dass er sich ordentlich kleidet.“
Er hatte definitiv die richtige Frau gefunden und er war dankbar dafür, dass sie grade nicht im Haus war. Sie war in Sicherheit… Vermutlich war Belynia eine der ersten gewesen, die die Leute alarmiert hatte, als das Feuer anfing. Anshale öffnete den stabilen Holzkasten. Auf einem Samtpolster lag ein Schwert. Der Griff war mit gewundenen Dornen und Rosen verziert. Ein Familienerbstück, das er erhalten hatte, als er zum Wachhauptmann befördert worden war. Eigentlich mehr ein Paradeschwert als eine Waffe für den Kampf, die Ornamente würden sonst schnell beschädigt werden, aber die
Klinge war scharf geschliffen. Solange er nicht wusste, was genau vor sich ging, ging er lieber auf Nummer sicher und er wollte die Waffe auch nicht den Flammen überlassen. Sobald er das Schwert in der Hand hatte, rannte er zurück, und trat durch die Tür ins Freie. Kühlende Nachtluft schlug ihm entgegen, als er auf das Steinpflaster Weisfelds hinaus trat. Alles schien in orange-rotes Licht getaucht. Nicht nur aus seinem Haus schlugen Flammen, der gesamte Straßenzug schein in Flammen zu stehen und zwischen den tanzenden Schatten lagen zusammengekrümmte Gestalten am
Boden. Anshale ließ das Schwert fallen und kniete sich neben einen der Männer, den er im unsteten Licht des Feuers wiedererkannte. Avent. Sein halbes Gesicht schien von etwas verbrannt worden zu sein, vielleicht bei der Flucht aus einem der brennenden Gebäude. Aber in seiner Brust klaffte eine gewaltige Wunde. Jemand mit viel Kraft oder jede Menge Wut hatte mehrmals auf den Unbewaffneten eingestochen. Er atmete nicht mehr. Anshale hatte ein paar Mal mit dem Mann zu tun gehabt. Ein Stadtbekannter Taugenichts, der der Stadtwache immer wieder Probleme
bereitet hatte. Anshale hatte ihm aber nie der Inquisition ausliefern wollen. Das hätte das Problem zwar gelöst, aber das brutale Vorgehen der Kirchenritter gefiel ihm überhaupt nicht. Seit dem Angriff auf die Kal’ban herrschte eine allgemeine Angst in den Straßen der Stadt und die Präsenz der Numen-Aufseher hatte stark zugenommen. Die Gerüchte von einem Krieg gegen die Andersgläubigen hatten zum ersten Mal wie Realität geklungen. Und das hier… Anshale ließ die Leblose Gestalt los und stand auf. Er hatte sich selbst nicht an dem Vorgehen der Inquisition gegen die Kal’ban beteiligt. Auch wenn die
Kirchenritter der Stadtwache Befohlen hatten, sie zu unterstützen, er würde sich nicht an einem feigen Mord beteiligen. Und das war es für ihn, egal was die Krieger in ihren Schärpen und Panzern für Anschuldigungen vorbrachten. Sie hatten hier Jahrzehnte mit den Kal’ban in Frieden gelebt und auch wenn er ihre Rituale nicht Verstand, so hatte er sich selbst in Gegenwart ihrer Geistrufer nie bedroht Gefühlt. Doch das alles war längst nicht mehr wichtig. Wichtig war, was hier passiert war. Die Zerstörung um ihn herum sah aus, als wäre eine Armee durch diesen Teil von Weisfeld gezogen. Richtung
Stadtplatz…. Alle Überlebenden würden sich dort sammeln… Er rannte los. ,, Anshale. Hey, hört ihr mich? Anshale ?“ Gwenth schnippte vor seinem Gesicht mit den Fingern. ,, Es geht mir gut.“ Anshales sah blinzelnd auf, während er antwortete. Soweit er das sehen konnte, war die kleine Lichtung jetzt vollkommen verlassen. Die Inquisition hatte sich offenbar endgültig zurückgezogen. Freuen konnte er sich darüber jedoch nicht wirklich. Er hatte sich erinnert… ,, Wir sollten weiter.“ , sagte er lediglich. Was von den getöteten Inquisitoren geblieben war, wurde
langsam vom Wind verweht. Außer ihm, Gwenth und Lina konnte er niemanden mehr sehen oder hören. Die meisten Flüchtlinge hatten sich verstreut, als der Kampf begonnen hatte und wo es Celcine hin verschlagen hatte… Hoffentlich hatten es wenigstens ein paar geschafft. Ihnen hingegen blieb nur übrig entweder umzudrehen oder weiter in die Richtung zu gehen, in die sie zuletzt geflohen waren. Langsam machten sie sich auf den Weg. Die dicht stehenden Tannen lichteten sich in diesem Teil des Walds etwas und ließen ausreichend Sonnenlicht durch die Zweige fallen, das sie ihre Umgebung erkennen konnten.
Doch noch immer lauerten überall Schatten, die kaum einsehbar waren. Anshale bezweifelte jedoch, dass die Inquisitoren ihr Glück noch einmal versuchen würden. Nicht, nachdem was er getan hatte. Er verstand es immer noch nicht, wie sehr er auch darüber nachdachte, während die kleine Gruppe ihren Weg schweigend fortsetzte. Doch wenigstens schien er jetzt zu wissen, wer er war. Anshale, der Wachhauptmann von Weisfeld. Er erinnerte sich an das Feuer, an den toten Avent auf dem Straßenpflaster… Aber was war danach passiert? Das lag nach wie vor im Nebel. Eine Bewegung in den Bäumen ließ ihn
innehalten und riss Anshale aus seinen Gedanken. Das Rascheln in den Zweigen kam nicht vom Wind… Auch Gwenth und Lina waren stehengeblieben. Das Amulett der Kleinen schwankte in einer unsichtbaren Strömung. Langsam zog Anshale das Schwert und sah sich um. Verschwimmende Schatten bewegten sich um sie herum, aber nur aus den Augenwinkeln konnte er sie wirklich erkennen. Mindestens vierzehn wenn nicht mehr. Gwenth nahm den Bogen von der Schulter. Wusste aber nicht worauf er zielen sollte. Anshale hingegen ließ die unnatürlich
lebendigen Schatten nicht aus den Augen. ,, Kommt raus.“ , rief er und hoffte dabei selbstsicherer zu Klingen als er war. Mit den Schatten war da auch wieder dieses Gefühl eines aufziehenden Sturms. Zu seiner Überraschung trat eine einzelne Gestalt zwischen den Bäumen hervor. Eine Frau in grüner Wald-Kleidung, über der sie eine bronzefarbene Rüstung trug. Selbst ohne den Tarnzauber schien sie noch immer fast mit der Umgebung zu verschmelzen. Eine große Eule ließ sich auf ihrer Schulter nieder. Das Tier musterte Gwenth mit einem, wie Anshale fand, abwertenden Blick.
Eine Hand ruhte auf dem griff eines gebogenen Schwerts, die andere machte eine kurze Geste und auch überall um die kleine Gruppe herum tauchten ähnlich gekleidete Gestalten auf, Bögen mit gespannter Sehne auf sie gerichtet. Eines musste Anshale den Kal’ban lassen, sie wussten, wie man einen Hinterhalt vorbereitete. ,, Wen haben wir den hier ? Ihr seht mir weniger wie Flüchtlinge aus.“ ,, Dann haben es einige hierher geschafft ?“ , fragte Gwenth. ,, Ich habe eine zuerst Frage gestellt.“ , berichtigte ihn die Frau. ,, El, dieser da ist ein Numen-Priester.“ , rief ein Mann und richtete den Bogen auf
Gwenth. Die als El angesprochene nickte. ,, Ihr tragt die Robe eines Kirchenmanns. Andererseits, wärt ihr wohl kaum so dumm, darin hier zu erscheinen.“ ,, Ich…. Ich habe nichts mehr mit der Kirche zu schaffen.“ , erwiderte Gwenth unsicher. ,, Und ihr und die Kleine ?“ , wollte sie an Lina und Anshale gerichtet wissen. ,, Sie ist meine Schwester.“ , antwortete der Priester für ihn. ,, Wir suchen nur Schutz.“ ,, In den letzten Stunden sind viele hier vorbei gekommen, die um das selbe gebeten haben. Aber ihr fallt aus dem
Rahmen.“ ,, Hört einmal… El.“ , setzte Anshale an. ,, Wir sind hier, weil Grauer uns geschickt hat. Ihr kennt diesen Namen, das weiß ich.“ Tatsächlich ließen die umgebenden Schützen die Waffen bei Erwähnung des Kal’ban ein Stück sinken. ,, Grauer ist auch der Inquisition mehr als bekannt. Aber ich glaube, ich habe euren Namen noch nicht gehört.“ Zu Anshales Überraschung war es die Eule auf der Schulter, die sprach. Er würde sich wohl nie richtig daran gewöhnen. Ein Geist… Plötzlich erklärte sich auch das Gefühl von Elektrizität, das von El
ausging. ,, Anshale.“ , antwortete er und versuchte dabei ruhig zu bleiben. Die starrenden gelben Augen des Vogel-Geists schienen noch durch ihn hindurch zu sehen. ,, Interessant.“ ,, Was ?“ Er sah den Vogel verwirrt an. Die Eule schwieg. ,, Ihr müsst Ela entschuldigen.“ , meinte El lediglich. ,, ich glaube manchmal, sie sit nicht mehr ganz richtig im Kopf.“ Die Eule beantwortete das nur mit einem genervt klingenden Ruf. El und Ela. Anshale fragte sich, wie Geister zu ihren Namen kamen oder ob das doch nur Zufall war. ,, Nun wissen
wir aber immer noch nicht, ob wir euch trauen können. Ihr werdet verstehen, wenn ich skeptisch bin. Noch dazu wenn eine Truppe Inquisitoren durch diese Wälder zieht.“ ,, Von denen ist nicht mehr viel übrig.“ , flüsterte Anshale. Jetzt war es an El und dem Geist unverständig auszusehen. Bevor allerdings noch jemand etwas sagen konnte, trat eine vertraute rot-braune Gestalt zwischen den Reihen der Schützen hindurch. ,, Alles in Ordnung, Diese drei sind wirklich Grauers Gäste.“ , sagte Celcine. Sofort senkten alle die Waffen und Anshale konnte Gwenth merklich
aufatmen hören. Lina war offenbar wenig beeindruckt oder nahm zumindest nur wenig Notiz von der Aufregung. Wie eigentlich von allem, wie es schien… Manchmal wirkte die geistige Abwesenheit des Mädchens verstörend. ,, Verzeiht. Wir mussten nur sichergehen.“ , antwortete El, bevor sie bei Seite trat. ,, Schon gut. Ich denke, das kann ich verstehen.“ , erwiderte Anshale. Wenn das dutzend Krieger die er hier sah, alles war, was Ebenwald an Wachen abstellen konnte, dann war diese Vorsicht sogar mehr als Gerechtfertigt. ,, Kommt Grauer möchte euch sprechen.“
Anshale konnte nur den Kopf schütteln. Wie hatte es der alte Mann fertiggebracht, vor ihnen hier zu sein? Besser war es wohl, er fragte erst gar nicht.
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