Die mehrteilige Scherbenlicht-Reihe ist ein größeres Projekt, an dem ich gerade arbeite. Momentan schreibe ich am ersten Band, insgesamt sind drei geplant. Nach einigen Überlegungen beschloss ich, den Prolog hier zu veröffentlichen, vielleicht hat ja der ein oder andere eine Meinung dazu.
Der Titel ändert sich möglicherweise noch, spontane Vorschläge dazu nehme ich nur allzu gern entgegen und Ideen sind ebenfalls herzlich willkommen!
Um es kurz zu erwähnen: Ja, mein Username rührt von der Welt Scherbenlicht.
Dass Alison anders ist, wusste sie schon immer. Sie kann Licht aus dem Nichts beschwören und Lampen explodieren lassen, jeden Vollmond schlafwandelt sie und hat Träume von Wesen, die es gar nicht geben kann. Doch der Versuch, das alles zu ignorieren und wie ein normaler Mensch zu leben, wird von den mysteriösen Zwillingen, die mitten im Schuljahr in die Klasse kommen und nicht nur Alisons Denkweise, sondern auch die ihres Bruders Nick und ihrer Freundin Blaize gehörig auf den Kopf stellen zunichte gemacht. In einer Welt, genannt Scherbenlicht, die von Elfen, Zwergen, Drachen und Vogelwesen bevölkert ist, muss
die Gruppe - sofern sie das Überleben der zwei Welten sichern will - sechs Schlüssel ausfindig machen, die sagenhafte magische Kräfte beherbergen. Dumm nur, dass sie da nicht die Einzigen sind.
Es war eine kalte Januarnacht, in der die Menschen sich in ihre Häuser zurückzogen, Fenster und Türen schlossen und sich in ihre Betten kuschelten oder vor dem Kamin auf ihren Sesseln einschliefen. Schnee wirbelte durch die Nacht, bedeckte die Straßen und Vorgärten, verhüllte die Dächer mit weißen Mützen - es sah aus wie eine klassische Postkartenlandschaft im Winter. Erhellt wurde dieses Schauspiel nur vom Licht des großen Vollmondes, welches lange, verzerrte Schatten über die Szenerie warf und die Dunkelheit nicht mehr so undurchdringlich erscheinen ließ. Der Wind rüttelte an den Fenstern, zerrte unnachgiebig an den
Zweigen der Bäume und hielt eine Person beharrlich davon ab, in das weite Reich der Träume abzusinken. Claire Sanders lag, vergraben in Kissen und Decken, in ihrem Bett, ohne Schlaf zu finden. Jedes Mal, wenn die Äste des alten Eichenbaums im Vorgarten des Hauses gegen die Schlafzimmerfenster peitschten und sich lange dürre Schatten über die Wand zogen, die die junge Mutter permanent anstarrte, machte sich ihre zugegebenermaßen recht ausgeprägte Fantasie selbstständig. Es war, als wäre da draußen etwas nicht Erfassbares... Da ist nichts, Claire. Sei vernünftig, wer sollte schon in so einer kleinen, braven Siedlung- KNALL!
Sie zuckte heftig zusammen und blieb dann - zur Salzsäule erstarrt - bewegungslos liegen. Unwillkürlich lief ihr kalter Schweiß über den Rücken. Was war das? Einbrecher? Ein Serienmörder? Etwas viel schlimmeres? Auf der anderen Seite des Bettes lag ihr Ehemann Kevin, friedlich schlafend, unbehelligt von der Angst seiner Frau. Sie war nervös. Wenn man das Wahrscheinlichste annahm - also Einbrecher, dann wäre erst einmal ihr Sohn in Gefahr! Und ihre Tochter, auch wenn die hoffentlich klug genug war, in ihrem Zimmer zu bleiben und- oh. Heute war Vollmond, richtig. Mit einem Schlag wurde Claire klar, was, beziehungsweise, wer das Geräusch verursacht hatte. Leise fluchend richtete sie
sich auf und schälte sich aus den Decken. "Oh nein, nicht schon wieder... wieso gerade heute?", murmelte sie leise und tappte zur Tür. Vorsichtig, um weder ihren Mann noch ihren neunjährigen Sohn, der im Zimmer nebenan schlief, zu wecken, öffnete sie diese und trat auf den Flur des oberen Stockwerks. Es war verdammt schwer, sich völlig ohne Licht im Haus zurechtzufinden, vor allem, wenn der Sohn am Abend vor dem Schlafengehen sein Spielzeug auf dem Gang verteilte - unter anderem extrem schmerzhafte LEGO-Bausteine. Im Erdgeschoss war es still, als Claire die Treppe herunterstieg und sich zur Eingangstür bewegte. Die Silhouetten der Möbel sahen für sie wie lauernde Tiere aus,
die sich jeden Moment auf sie stürzen würden. Sie schlüpfte in ihre bequemen Pantoffeln, öffnete die Haustür und ging nach draußen. Sofort schlugen ihr die roten Locken ins Gesicht, vermischt mit nassem Schnee, sodass sie fast nichts mehr sehen konnte. Nun vernahm sie neben dem stürmischen Schneetreiben noch etwas anderes - ein konstantes Qietschen und Klappern erfüllte die eisige Luft. Die Hand schützend vor die Augen gelegt, kämpfte sie sich durch das kalte Nass und stapfte den Einfahrtsweg entlang. Inzwischen war sie nah genug heran getreten, um das volle Ausmaß der Situation zu erfassen. Vor dem schmiedeeisernen Tor stand ein kleines Mädchen von etwa zehn Jahren, das
daran rüttelte und zog, so heftig und ungeschickt, dass es schon blutige, zerschrammte Finger hatte. Sie wisperte dabei etwas vor sich hin, was Claire nicht richtig hören konnte. "Liebes... komm mit, Ally...", flüsterte Claire, obwohl sie wusste, dass es nutzlos war. Ihre Tochter konnte sie nicht hören - sie hätte genauso gut brüllen können, es hätte nichts gebracht. Dunkelbraunes Haar klebte der Zehnjährigen an Gesicht und Hals, die ohnehin schon sehr blasse Haut schien jetzt geradezu weiß, während die Hände einen ungesunden bläulichen Schimmer aufwiesen. Ihre eisblauen Augen starrten geradeaus, trüb und abwesend, auf einen unbekannten Punkt in der Ferne. Sanft zog die junge Mutter
Alisons Finger vom Gitter weg und schloss sie in ihre Hand. Die Eiseskälte ließ Claire erschaudern, doch sie ignorierte es. Die Temperaturen lagen weit unter Null und im Gegensatz zu der Einunddreißigjährigen hatte ihre Tochter nicht mal Pantoffeln an. Das Mädchen ließ sich widerstandslos mitziehen - träge stolperte es hinter seiner Mutter her, den Blick noch immer auf das Tor geheftet. "Aîe Ronar... Aîe Ronar...", raunte sie mit merkwürdig verzerrter Stimme in einem steten traurigen Singsang. Sicher hätte all das jede andere Mutter zutiefst verstört, aber Claire trug es mit Fassung. Sie hatte sich daran gewöhnt - die Hoffnung, dass es aufhören würde, gab sie trotzdem nicht auf. Sie wusste nicht, was
Alison da vor sich hin nuschelte, es schienen fremde Worte zu sein, Worte aus einer Sprache, die die junge Frau nicht kannte. Sie schloss gerade die Tür hinter sich, als jemand die Treppe herunter kam. Es war ihr Mann Kevin, der die beiden mit besorgten braunen Augen musterte. "Schon wieder... ?", fragte er mit ruhiger, von Beklemmung getränkter Stimme. "Ja", erwiderte Claire. "Mach den Kamin an, sie ist völlig unterkühlt. Schläft Nick noch?" Kevin nickte, strich sich durch die haselnussbraunen Haare und machte sich daran, das zu tun, was ihm seine Frau aufgetragen hatte. "Komm Alison, Schätzchen, setz dich auf die Couch", raunte die junge Mutter währenddessen und die Angesprochene tat wirklich wie geheißen -
was vielleicht auch an dem sanften Druck von Claires Hand lag. Kevin wickelte Alison in eine Kuscheldecke und schob das Sofa ein Stück näher zum im Kamin lodernden Feuer. Es dauerte keine zehn Minuten, bis das kleine Mädchen schließlich die blauen Augen schloss und sich zurücksinken ließ, als hätte sie nichts weiter getan, als sich gerade ein Glas Wasser zu holen. Für einige Zeit herrschte Schweigen zwischen dem Ehepaar, begleitet von dem Knistern des Feuers. Letztdendlich war es Claire, die die Ruhe durchbrach. "Soll das jetzt ewig so weitergehen? Keine Therapie hat geholfen!" Sie sprach aus, was ihr Mann dachte, das sah man ihm an. "Wir müssen einfach abwarten. Es kam von alleine, vielleicht... geht es auch
von alleine wieder weg?" Sein fragender Unterton machte sie mutlos. Das Ganze ging nun seit einem Jahr so, jeden Vollmond - es war urplötzlich aufgetreten und niemand hatte eine Erklärung dafür. Alison schlafwandelte, stieg nachts einfach aus dem Bett, ohne sich am nächsten Morgen daran zu erinnern. Jedes Mal bewegte sie sich zum Tor und versuchte es aufzubekommen, als wollte sie fliehen. Eigentlich hatte Claire Alisons Zimmertür verschlossen - so wie jeden Vollmond - doch irgendwie musste es das Mädchen trotzdem geschafft haben, die Tür zu öffnen. "Lass uns schlafen gehen", schlug Kevin vor, während er über den Kopf seiner Tochter streichelte; doch Claire schüttelte den Kopf. "Nein, ich
bleibe hier. Ich kann oben ohnehin nicht schlafen." Für einen kurzen Moment huschte in rascher Folge Verwirrung, Besorgnis und dann Verständnis über sein Gesicht. "In Ordnung. Wenn du noch irgendwas brauchst... sag Bescheid. Bis morgen." Mit diesen Worten verschwand er nach oben, in das gemeinsame Schlafzimmer der beiden. Sie hingegen begann, ihre Entscheidung zu bereuen. Wie sollte man bitte unter solchen Bedingungen schlafen können? Seufzend schlang sie ihre Beine über die eine Armlehne und bettete ihren Kopf auf zwei Kissen, die sie sich vom Sofa geholt hatte. Das war nicht besonders bequem, trotzdem dauerte es keine zehn Minuten, bis Claire eingeschlafen war.
BellaCPernier Bist du inzwischen weiter gekommen, mit deiner Geschichte? LG Catherine |