Als das Telefon klingelte, war er gerade dabei gewesen sich einen Salat zuzubereiten. Seufzend schlenderte er in das Wohnzimmer und nahm den Hörer ab.
"Hallo?"
Am anderen Ende der Leitung knisterte es nur; als er genervt wieder auflegen wollte, meldete sich eine Frauenstimme:
"Herr Bauer?"
"Bitte? Wer ist da?"
Ein Klicken.
Bauer schüttelte den Kopf und legte auf. Auf dem Weg zurück in die Küche kam ihm die Idee, in das Salatdressing ein wenig Dijon-Senf zu geben. Nach dem Essen - der Senf harmonierte vorzüglich mit dem Knoblauch und dem Olivenöl - legte er sich müde auf die Couch. Nach einer Weile schlief er ein.
Im Traum stand er in einem großen Raum voller
fremder Leute. Musik spielte im Hintergrund, Menschen rasselten ihre wirren Dialoge herunter, und eine Frau in der Ecke auf dem Sofa nippte apathisch an ihrem Glas Wein.
"Es ist ja kein Wunder, dass gerade Ihnen das gefällt!", sagte ein dicker alter Mann zu einem sehr kleinen hageren Mann inmitten einer Gruppe.
"W-W-Wissen Sie", begann jener stotternd "i-i-ich bin v-v-ielleicht schon ein w-w-w...ein wenig sadistisch veranlagt, aber auch I-i-hnen dürfte die außerordentliche B-b-b-deutung nicht entgangen sein."
"Gewiss", sagte der alte Mann. "Das ist mir wohl klar. Bisher hatte niemand ... die Dreistigkeit - verzeihen Sie, dass ich es so offen sage - etwas derartiges überhaupt in Erwägung zu ziehen."
Bauer runzelte die Stirn und ging zum Buffet-Tisch. Gefüllte Paprikaschoten, Hackbällchen, Käse-Spießchen... er probierte von allem ein bißchen. Nicht schlecht, dachte er; ich sollte mir das Rezept für diese Hackbällchen geben lassen.
"...dass er sich wehren könnte?", hörte er eine schrille Männerstimme sagen.
"Nun, möglich wäre es", erwiderte eine tiefere Stimme.
Eine Prise Zimt, das muss das Geheimnis sein.
"Ich d-d-denke nicht, d-d-d...dass es soweit kommen wird," sagte die stotternde Stimme. "M-m-mario und ich haben das ja a-a-ausführlich besprochen." Der Hagere kratzte sich nachdenklich am Kinn.
Bauer setzte sich neben die junge Frau auf das Sofa; ihr Kopf drehte sich mit ausdruckslosem Gesicht zu ihm herum.
"Sei wachsam", sagte sie.
Er runzelte die Stirn.
"Was meinst Du?" fragte er.
"Nichts Bestimmtes", erwiderte sie.
Achselzuckend wandte er sich wieder den diskutierenden Männern zu. Einer von ihnen blickte zu Bauer, lächelte kurz, und fuhr fort mit
dem Gespräch.
"Ach, das wird ein Kinderspiel", sagte der Mann, und alle lachten.
Die Musik leierte nichtssagend vor sich hin.
"Ich heiße übrigens Sarah", sagte die Frau neben ihm auf der Couch plötzlich.
Bauer schaute sie mit hochgezogenen Augenbrauen an.
"Markus", sagte er "ich bin Markus."
Sarah schmunzelte.
Eine Hand fasste ihn an seiner Schulter; "Hallo, junger Mann," sagte der dicke Alte der nun vor ihm stand "gefällt ihnen die Party?"
Markus drehte sich ruckartig zu ihm und kniff die Augen zusammen.
"Ich weiß nicht", sagte er "ich bin gerade erst angekommen."
Der Alte lachte dröhnend. "Nun, da haben Sie natürlich Recht - Sie sind Herr Bauer, nehme ich an?"
"Ja", sagte Markus. Woher kennt er meinen
Namen?
"Also, Herr Bauer, mein Name ist Edgar Frank. Sie dürfen mich Edgar nennen. Ich meine, wenn Ihnen das recht ist?"
"Klar", sagte er.
"Gut, Markus. Ich möchte ihnen etwas zeigen. Möchten Sie kurz mitkommen?"
Markus verspannte sich unwillkürlich; er blickte kurz zu Sarah, und bemerkte ihren seltsamen Gesichtsausdruck.
"Nagut", sagte er widerwillig.
Edgar lachte wieder und klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter.
Als er aufstand, seufzte Sarah leise.
Markus musterte sie mit einem verwirrten Blick, dann folgte er Edgar.
"Hier entlang," sagte Edgar, und deutete auf eine offene Tür; die anderen Männer der Gruppe folgten.
Sie kamen in einen kleinen leeren Raum mit kahlen
Wänden, in der Mitte des Raumes stand einsam ein Stuhl.
Edgar schloss die Tür hinter ihnen und riegelte sie ab.
Markus blinzelte nervös.
Edgar drehte sich zu ihm um. Sein Blick war kalt und stechend.
"F-f-fesseln wir i-i-ihn!", rief der hagere Mann.
Markus' Augen wanderten umher und blickten in fest entschlossene Gesichter. Einer der Männer ergriff seine Arme und hielt sie fest; er drängte ihn unsanft zum Stuhl und befahl ihm, sich hinzusetzen. Markus gehorchte.
Der Hagere fesselte ihn mit einem Seil am Stuhl.Stöhnend ließ er es über sich ergehen.
"Wir wollen ihnen nicht wehtun, mein Freund," sagte Edgar "bleiben Sie einfach ganz entspannt. "
"Entspannt..?" entfuhr es Markus. "Was zum Teufel wollt ihr von mir?"
"N-n-nichts", sagte der Hagere und kratzte sich am Kinn. "N-n-nur eine
C-c-c...Chance."
Markus atmete keuchend; seine Gedanken summten in seinem Kopf, wie Bienen in ihrem Nest.
"Hören Sie - was immer es ist, ich denke wir.."
"Halt's Maul!", sagte einer der Männer.
Und wie um dem Nachdruck zu verleihen, traf Markus ein harter Schlag am Hinterkopf; bleierne Dunkelheit umgab ihn.
Markus erwachte schweißgebadet im orangenen Dämmerlicht der untergehenden Sonne; das Läuten der Türklingel hatte ihn geweckt.Er streckte sich gähnend, rappelte sich auf und schritt schlurfend zur Haustür um den Drücker zu betätigen.
Summend sprang unten die Eingangstür auf und Schritte hallten durch das Treppenhaus.
"Hallo, Markus", sagte Maria keuchend als sie oben angekommen war.
"H-h-h-hallo", sagte
er.
Maria blieb einen Augenblick lang stehen und sah ihn forschend an.
"Freust du dich so sehr mich zu sehen, dass du schon zu stottern anfängst?"
Markus kratzte sich am Kinn und lächelte.
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