Anshale ist ein Mann auf der Suche nach seiner Vergangenheit. In einem Land, zerrissen von einem Religionskrieg zwischen der Numen-Kirche und den Geisterbeschwörern der Kal’ban bleibt ihm jedoch kaum Zeit, seine verlorenen Erinnerungen aufzuspüren. Lediglich Grauer ,der mysteriöse Anführer der Kal’ban, scheint etwas über ihn zu wissen. Als dieser ihn bittet , ihm dabei zu helfen , einige Gefangene zu befreien findet er sich plötzlich direkt zwischen den verfeindeten Fronten wieder. Und auf dem alles entscheidenden
Schlachtfeld von Ebenwald offenbart sich ihm schließlich eine Wahrheit, die ihn zur Entscheidung zwingt.
Grauer sah gelassen zu, wie Gwenth, Anshale, Lina und die Gefangenen einer nach dem anderen verschwanden. Einige Inquisitoren wollten den Fliehenden nachsetzen, aber auf ein stummes Handzeichen von Anehlas blieben sie stehen, wo sie waren.
Langsam machte Anehlas einen Schritt zur Seite. Grauer tat es ihm gleich, so dass sie auf Augenhöhe blieben. ,, Was ist das, für ein Trugbild, das euch da begleitet hat ?“ , fragte sein Gegenüber kalt. ,, Ein weiterer eurer Zauber ? Ihr solltet langsam wissen,
dass es Zeit ist Aufzugeben.“ ,, Wie lange kämpfen wir jetzt Anehlas ?“ ,, Lange Genug, das ich eure Tricks satt habe. Oder ist es möglich…“ Ein dunkles Grinsen breitete sich auf Anehlas Gesicht aus. ,, Er wird euch persönlich umbringen, wenn er die Wahrheit erfährt.“ ,, Wir werden sehen.“ Ohne Vorwarnung stürmte Anehlas auf den Kal’ban zu. Dieser wehrte den Hieb jedoch mit Leichtigkeit ab. Sofort setzte Grauer zu einem Gegenstoß an, dem Anehlas aber seinerseits ohne Mühe auswich. Ein sich in die Läge ziehender
Schlagabtausch war die Folge, in der keiner der beiden Kontrahenten dem anderen auch nur eine Schnittwunde beibringen konnte. Die Inquisitoren mochten die Elite der Numen sein, gegen einen Geistrufer hatten sie keine Chance, wie Grauer bewiesen hatte. Lediglich ihr Oberster war dem alternden Magier mehr als gewachsen. Das Geräusch von Stahl, der auf Stahl prallte erfüllte die Luft. Anders wie bei den Rüstungen und Waffen der Inquisitoren konnte Grauer das Schwert seines Gegners nicht einfach durchschlagen. Lediglich Funken sprangen jedes Mal hin und her, wenn die Klingen in der Luft
aufeinandertrafen. Dann jedoch trat der Anführer der Inquisition nach Grauer, der darauf antwortete, in dem er die freie Linke auf seinen gepanzerten Gegner richtete. Eine Flammenlanze brach daraus hervor, die jedoch kurz vor Anehlas auf ein unsichtbares Hindernis prallte und verlosch. Anehlas und Grauer standen sich einen Augenblick wortlos gegenüber, jeder darauf wartend, das der andere wieder angriff, doch während sein gepanzerter Gegner kaum erschöpft schien atmete Grauer schwer. Er hatte vorhin bereits zu viel Energie im Kampf mit den Inquisitoren verbraucht. Kraft, die ihm
jetzt fehlte, während sein Gegner ausgeruht war. Und Jünger. Auch wenn, wie er mit einem schwachen grinsen überlegte, keiner von ihnen nach rein menschlichen Standards noch Jung zu nennen war. Anehlas wurde das Warten zu viel. Er sprang wieder vor, die Klinge angewinkelt um sie dem Kal’ban in die Brust zu rammen. Dieser machte erst gar keine Anstalten, sich zu Verteidigen. Was zur… Anehlas kam stolpernd zum Stehen, als sein Schlag lediglich Luft traf, wo eben noch Grauer gewesen war. Mit einem wütenden Schrei fuhr er herum, aber dort war niemand mehr. Nur die verdutzt schauenden Reihen der
Inquisitoren. ,, Sollen wir ihn suchen Großmeister ?“ , fragte eine mutige Seele in Rüstung in die anschließende Stille hinein. Anehlas atmete schwer. Schon wieder. Schon wieder war er so nah am Ziel gewesen… Er bemerkte den Inquisitor der Vortrat und seine Frage wiederholte anfangs gar nicht. ,, Nein, er ist Weg, der Feigling.“ , sagte er, beherrschte seine aufkochende Wut aber nur mühsam. ,, Er läuft davon. Seit 70 Jahren läuft er davon!“ Anehlas schleuderte das Schwert von sich, das wenige Schritte von den Reihen der Inquisitoren und Söldner im Boden stecken blieb. ,,
Aber ich werde ihn finden und wenn es bis ans Ende der Welt jagen muss.“ Hört ihr mich alter Mann! Bis ans Ende der Welt!“ ,, Sollen… sollen wir die Flüchtlinge verfolgen ?“,, Verfolgt sie mit ein paar Männern . Wenn ihr sie einholen könnt, gut. Wenn nicht…“ Anehlas winkte ab. Sein Ziel war weg. Was kümmerten ihn die paar Gefangenen. Ovit würde es nicht gefallen. Aber was Ovit gefiel war ihm reichlich egal. Es war es nicht Wert, einigen Narren hinterherzujagen, die sich nicht belehren
ließen. Graue hörte Anehlas sogar sehr gut. An der Außenwand der Garnison kauernd, hatte der alte Magier den Kopf in die Hände gestützt und jedes der Worte des Inquisitors traf ihn. Er jagte ihn. Nur ihn. Und wenn Anehlas ihn hatte… was würde ihn dazu treiben, weiter die Kal’ban zu verfolgen? Er musste es sich eingestehen, er fürchtete den Tod. Und dabei war das vielleicht der Schlüssel zum Frieden. Grauer wischte sich Schweiß und Asche aus dem Gesicht. Als er seine Handfläche
betrachtete, war sie Schwarz von Ruß. Und vor wenigen Minuten war dieser Ruß noch das Leben dutzender Inquisitoren. Verblendete und Fanatiker, ja…. Aber war er einmal besser gewesen? Er verdiente den Hass dieses Mannes… Anehlas mochte Wahnsinnig sein, zerfressen von etwas, das noch dunkler war als sein bloßer Hass. Aber was Grauer getan hatte um dessen Zorn zu wecken, hätte jeden zerstört… ,, Es war nicht deine Schuld.“ , sagte Celcine kleinlaut. Die Füchsin saß wenige Schritte vor ihn und musterte ihn mitleidig. ,, Und wessen ist es dann ?“ , fragte er
leise, während er Aufstand. Grauer stützte sich auf sein Schwert um einen sicheren Stand zu haben. Der Kampf und der Fluchtzauber hatten ihm die letzten Kräfte gekostet. Und auch das Verschmelzen mit einem Geist forderte rasch seinen Tribut. Die ungebändigte Macht verbrannte einen langsam innerlich, wenn man nicht Vorsichtig war. Aber sparsam mit seinen Kräften umzugehen, das konnte sich keiner der noch lebenden Erwählten mehr leisten, wollten sie dem Ansturm der Kirche standhalten. Aber vielleicht gab es einen kleinen Funken Hoffnung. Wenn er recht hatte. Wenn er sich in Anshale nicht
täuschte. ,, Geh voran.“ , sagte er an Celcine gerichtet ,, Finde Gwenth und Anshale und bring sie nach Ebenwald. Ich treffe euch dort.“ ,, Ich werde nicht…“ ,, Und ich werde nicht darüber diskutieren.“ , entgegnete Grauer, bevor sie den Satz beenden konnte. Er sah einen Moment auf die Silhouette Ekklesias hinaus. Eine schöne Stadt. Auch die Kathedrale über ihm auf dem Hügel hatte im Morgenlicht etwas Magisches. Würde all dies nicht für so viel Leid stehen… ,, Geh.“ Wortlos trottete Celcine an ihm vorbei, die Straße hinab und verschwand bald
außer Sicht. Grauer wusste, dass sie Anshale einholen würde. Niemand versteckte sich vor einem Geist. Oder konnte einem entkommen… Und sein persönlicher böser Geist wartete hinter den Mauern der Garnison und fluchte… Anshale sah Besorgt auf die zwei Dutzend zusammengesunkener Gestalten, die sich um mehrere Feuer gescharrt hatten. Die Kälte der Nacht drang schneidend durch seinen Umhang und die Kleidung. Im angrenzenden Wald hinter ihrem
provisorischen Lager gab es zwar genug Holz, das niemand würde erfrieren müssen, aber etwas anderes machte ihm Sorgen. Sie hatten nichts. Keine Vorräte, nicht einmal irgendwelche Ausrüstung… Und die Leute waren nicht grade im besten Zustand. Die Euphorie der meisten der Befreiten hatte sich schnell gelegt, als auch das den meisten klar geworden war. Und jetzt, zwei Tage nachdem sie aus Ekklesia entkommen waren, hatten sie einen absoluten Tiefpunkt erreicht. Anshale war sich unsicher, wie lange sie so weitermachen konnten. Vielleicht noch Morgen und dann… Dann würde es die ersten Toten geben, fürchtete er.
Mittlerweile waren es nur noch er und der Priester, die die Leute zum Weitergehen antrieben. Aber wohin… Vor dem Wald, wo sie sich niedergelassen hatten erstreckte sich das endlose von Hügeln durchzogene Grasland, das so typisch für die Gegend um Ekklesia schien. Anshale glaubte, immer noch das Meer riechen zu können, sicher konnte er sich da aber nicht sein. Gwenth saß einige Schritte von ihm entfernt an einem erlöschenden Feuer und schnitzte an einem Weidenast, den er wohl beim Feuerholz sammeln gefunden hatte. Lina saß ihm gegenüber am Feuer und
hörte offenbar irgendeiner Geschichte zu, die ihr Bruder im Flüsterton erzählte. Anshale konnte nur die Hälfte verstehen, während er zu Gwenth herüberlief. ,, Nein Lina, ich glaube nicht , das die Numen… böse sind. Du kannst doch Götter nicht dafür verantwortlich machen, was ihre Anhänger tun.“ ,, Aber dann sollten sies verhindern. Und wenn sies nicht verhindern, dann wollen sie auch, dass Menschen verletzt werden“ , erwiderte die Kleine trotzig. Offenbar verlief das Gespräch schon eine Weile in der Richtung, den Gwenth sah plötzlich verlegen in die Flammen. Als Anshale sich am Feuer niederließ, hatte Gwenth begonnen mit einem
Messer einen breiten Stoffstreifen aus seinem Gewand zu schneiden. Den Entstehenden Faden verband er mit den zwei Enden des Stocks an dem er gearbeitet hatte. Das Ergebnis war ein stabiler, aber primitiver Bogen, den Gwenth vorsichtig beiseitelegte, um an einem Pfeil zu arbeiten, an dessen Spitze er , in Ermangelung einer Klinge, eine Aussparung für das Messer freiließ . Anshale konnte das Geschick mit dem der ihm sonst leicht Weltfremd vorkommende Mann die Waffe fertigte nur bewundern. Vielleicht lernte man doch etwas mehr aus Büchern, als er Glauben
wollte. ,, Ob das hält…“ , meinte Anshale trotzdem skeptisch. ,, Es ist besser als nichts. Und wenn ihr nicht damit „ , er deutete auf Anshales Schwert, ,, Wild nachsetzten wollt fürchte ich, haben wir kaum eine andere Wahl.“ Anshale nickte. ,, Ich muss zugeben, ich hätte nicht erwartet, das ihr wisst, wie man einen Bogen baut. Das bringt scheint nicht zu den Dingen zu gehören, die einem die Kirche beibringt.“ ,, Vater war Ekklesias Bogner.“ , antwortete Lina mit einem plötzlichen Anflug von Traurigkeit in der Stimme. Und auch Gwenths Augen schienen einen
Moment trübe, bis er verbissen weiterarbeitete. ,, Ich bin sicher, Anshale, ihr hättet ihn gemocht.“ , meinte Gwenth. ,, Er hat meine Entscheidung zur Kirche zu gehen nicht gut geheißen, aber… Ich habe wirklich geglaubt sie schützen zu können.“ Die Hand des Priesters ballte sich plötzlich zur Faust und zerbrach den als Pfeil vorgesehenen Ast. Wortlos nahm Gwenth einen neuen von einem kleinen Stapel neben sich und fing von vorne an. Es war Lina, die das nur vom Schabend es Messers unterbrochene Schweigen wieder brach. ,, Wer sind denn deine Eltern
?“ ,, Ich weiß nicht, ob ich noch eine Familie habe, ehrlich gesagt. Die an die ich mich… erinnere sind tot. Und das woran ich mich nicht erinnern kann…. Ich könnte ein Inquisitor sein.“ ,, Wieso sagt ihr so was ?“ , erwiderte Gwenth, der den ersten fertigen Pfeil bei Seite legte. ,, Ich habe euch doch auf der Flucht gesehen, ihr habt uns gedeckt, bis wir auf den Hof entkommen konnten und euer Leben riskiert. Ihr seid keiner dieser Fanatiker.“ ,, Ich glaube, in einer Gewissen Weise, macht es einem automatisch zu einem Fanatiker, sein Leben für etwas zu riskieren.“ , sagte Anshale . ,,Die Frage
ist nur, ist es das auch Wert.“ ,, Diese Leute verdanken euch ihr leben.“ , antwortete Gwenth. ,, Noch nicht.“ Plötzlich sprang Lina ohne Vorwarnung auf und starrte in die Nacht. Die Schatten zwischen den Bäumen des nahegelegenen Walds waren jedoch zu dicht, das Anshale oder Gwenht etwas hätten erkennen können. ,,Was ist los ?“ Das Mädchen antwortete nicht, lediglich das Geistertotem an ihrem Hals schwang in einer Windbriese hin und her. Wind, den Anshale nicht fühlen konnte… ,, Da ist… jemand…“ , sagte Lina leise und deutete zwischen die
Bäume. ,, Woher weißt du das ?“ ,, Ihr Amulett.“ , antwortete Gwenth. ,, Aber ich wusste nicht, das Mutter dir gezeigt hat wie…“ Der Priester verstummte mitten im Satz, als sich ein kaum Zeigefinger großer Kolibri aus der vom Lagerfeuer aufsteigenden Glut formierte und wie ein heller Pfeil im Wald verschwand. Dort löste er sich in einem kleinen Funkenregen auf, dessen Licht die Umrisse einer kleinen Gestalt auf Vier beinen enthüllte. Anshale musste den Kopf schütteln, als er einen Fuchs erkannte. Aber nicht
irgendeinen… ,, Wie lange stehst du schon da Celcine ?“ Und eine wichtigere Frage. ,, Wo ist Grauer ?“ Statt zu Antworten sprang die Füchsin mit mehreren Setzen ans Feuer und fasste Lina einen Augenblick ins Auge. ,, Wie hast du das gemacht Kleine ?“ Der durchdringende Blick des Geists würde wohl jeden Nervös werden lassen. Lina jedoch blieb ganz ruhig und erwiderte den Bick des Wesens vor ihr. ,, Ich weiß nicht es... geschieht einfach.“ Celcine sah schließlich als erste Weg. ,, Ihr Menschen werdet mir immer unheimlich, wenn ihr so leichtfertigt
Kräfte benutzt von denen ihr nichts versteht.“
,, Viel wichtiger ist, aber immer noch, was macht ihr hier und wo ist Grauer ?“ , wiederholte Gwenth Anshales Frage.
,, Grauer will euch in Ebenwald treffen.“ , erwiderte sie.
,, Wenn einer von uns wüsste, wie man dorthin gelangt, würden wir längst nicht mehr durch die Wildnis stolpern.“ , meinte Anshale spottend. ,, Aber Grauer hat ja schon zuvor so ein Geheimnis darum gemacht.“
,, Genau deshalb bin ich hier.“
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