Ich erwachte aus einem wirklich schlechten Traum und es dauerte ein Weile, ehe mir bewusst wurde, wo ich mich eigentlich befand. Das letzte, an das ich mich erinnern konnte, war, als ich Gordy McDavon vor mir sah. Er strahlte mich förmlich an und dann wurde alles schwarz.
'Unmöglich' war mein erster Gedanke, denn ich hatte ihn doch im Revier gesehen und da war er meines Erachtens nicht mehr am Leben.
Oder bildete ich mir das alles nur ein?
Ich lag auf einem Bett, in einem Raum, der mir fremd war. Es war schwierig, einzuschätzen, ob sich mein Standort vielleicht verändert
hatte.
Langsam versuchte ich mich aufzusetzen. Ich streifte die Decke von meinem Körper und erst als ich wieder auf beiden Beinen stand, spürte ich, dass es mich doch mehr mitgenommen hatte als gedacht. Ich berührte meine Schulter und ertastete gleichzeitig einen Verband. Die Wunde schmerzte noch immer, doch nicht mehr ganz so stark wie vorher. Vielleicht hatte man mir Medikamente gegeben. Mein Kreislauf spielte noch nicht mit, also ließ ich mich zurück fallen und landete auf der Bettkante.
Das Zimmer war abgedunkelt, die Vorhänge fast vollständig zugezogen. Nur ein winziger Spalt ermöglichte dem Licht
ein Durchdringen. Meine Augen waren froh darüber, denn Tageslicht war in diesem Moment nicht unbedingt das, was ich gebrauchen konnte.
„Sie haben wirklich Glück, dass ich Sie so gut leiden kann, Jennings!“
Ich schreckte zusammen, als ich die Stimme vernahm. Mein Blick richtete sich auf die hintere rechte Ecke. Es war fast unmöglich, doch ich erkannte den Umriss einer Person, die vermutlich auf einem Stuhl saß.
„Wie geht’s der Schulter?“ wollte er wissen.
„Hören Sie auf damit. McDavon. Ich bin nicht einer ihrer Verdächtigen.“
McDavon lachte
darüber.
„Oh, aber vielleicht könnten Sie das noch werden.“
„Machen Sie sich nicht lächerlich. Wie haben Sie es überhaupt geschafft, von den Toten aufzuerstehen?“
„Ich merke schon, dass Sie ein wenig verärgert sind, aber da ist nicht nötig. Wirklich. Ich denke, ich habe Ihnen damit einen ganzen Schritt weitergeholfen.“
„In dem Sie ihren Tod vorgetäuscht haben?“ fragte ich entsetzt.
„Das war Teil des Planes, ja. Lina wusste davon. Sie hat ihren Dienst getan.“
Meine Hand ballte sich zur Faust und die Wut, die ich jetzt in mir trug, stieg ins Unermessliche. Mit schnellen Schritten
ging ich auf ihn zu. Doch ich hatte nicht den Hauch einer Chance. McDavon erahnte meine Reaktion, denn er stand so schnell auf, dass mir keine Zeit mehr blieb, den Schlag abzuwehren. Er traf meine Schläfe. Völlig benommen taumelte ich zurück. McDavon nutzte die Gelegenheit, packte meinen Hals und zog mir die Beine weg, sodass ich unsanft zum Liegen kam.
Anfangs wehrte ich mich noch, doch als er schließlich die Waffe zog und mir unters Kinn hielt, beschloss ich, mich lieber geschlagen zu geben.
„Also, wenn Sie sich beruhigt haben, dann bin ich bereit, ein weiteres Gespräch zu führen. Und diesmal werden Sie sich
benehmen, verstanden?“
Er drückte mit dem Lauf der Waffe auf meine Wunde und ich biss die Zähne zusammen, um nicht laut los zuschreien.
„Verstanden!“ presste ich hervor.
„Ich werde der Letzte sein, der Ihnen Hilfe verweigert. Und wenn ich Ihnen diese Hilfe anbiete, dann dürfen Sie nichts in Frage stellen. Nicht einmal den Tod ihrer Exfrau.“
„Sie sind doch verrückt!“
„Nicht im geringsten. Es tut mir leid wegen Lina. Ich weiß, dass Sie an ihr hingen. Aber sie war diejenige, die Erin Dexter damals verraten hat, wer für die Beweismanipulation verantwortlich war.“
„Was? Nein, das ist unmöglich. Niemand
wusste davon.“
„Vielleicht hatte sie ja auch ein sehr informatives Gespräch mit Jonathan!?“
Jetzt verschlug es mir die Sprache. Jonathan? Niemals. Gut, sie waren Freunde, aber war ich wirklich so naiv gewesen damals. Für mich gab es nur mich und Jonathan, die davon wussten. Würde er so etwas wagen? Ich zweifelte immer mehr an ihm. Irgendwie konnte ich es nicht glauben, aber selbst wenn Lina davon erfahren hatte, was in aller Welt bewegte sie dazu, uns an Erin Dexter zu verraten. Sie schnitt sich damit selbst ins Bein. Dachte sie denn nicht eine Sekunde an Tyler?
„Aber sie hat mich aus dem Revier
geholt!“ fiel mir ein.
„Ja. Das ist richtig. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich einen Deal mit ihr. Ich bot ihr an, meinen Tod vorzutäuschen und im Gegenzug hatte sie die Erlaubnis, Sie an Erin Dexter auszuliefern.“
„Mich?“
McDavon nickte.
„Lina war ganz versessen darauf, das können Sie mir glauben.
Jonathan war natürlich eingeweiht. Also rief er Lina an und bat sie um ein Treffen. Wir können von Glück reden, dass das alles glatt ging.“
Urplötzlich ließ er von mir ab, aber ich traute mich noch nicht wirklich aufzustehen. McDavon lief im Zimmer
auf und ab. Auf ich machte er den Eindruck, als wäre er nervös.
„Erin Dexter ist jetzt das Problem.
Sie haben Beweise manipuliert. Das wäre noch nicht mal schlimm. Schlimm ist nur, dass Sie an den Falschen geraten sind. Er hat Ihren Sohn und außerdem hält einer seiner Komplizen immer noch die Kinder in dieser verdammten Schule fest.“
„Was haben Sie vor?“ fragte ich, während ich den Versuch unternahm, allein aufzustehen. Doch McDavon bot mir seine Hand an und zog mich langsam nach oben.
„Also...“, sagte ich.
Unsere Unterhaltung wurde von Jonathan gestört, der seinen Kopf durch die Tür
gesteckt hatte.
„Wir haben Besuch bekommen, Sir!“ sagte er.
„Wer ist es?“
„Ihr Sohn!“
„Ist er allein?“
„Ja. Es gab Schwierigkeiten mit Sarah.Und Nate sieht nicht besonders erfreut aus. Er bedient sich gerade an der Minibar und sein Jackett ist völlig blutverschmiert. Also kommen Sie besser gleich.“
McDavon wandte sich wieder mir zu.
„Ich schlage vor, Sie ruhen sich noch ein wenig aus.“
Mit diesen Worten verließ er den Raum.
Und
ich?
Ich legte mich vorsichtshalber wieder hin und ab diesem Moment begannen meine Gedanken zu kreisen....