Kurzgeschichte
Albtraum einer Krankenschwester - Der Schrei

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"23. April Befreiung von Ravensbrück"
Veröffentlicht am 20. März 2014, 16 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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23. April Befreiung von Ravensbrück

Albtraum einer Krankenschwester - Der Schrei

Albtraum einer Krankenschwester Der Schrei

Dieses Buch hatte ich beim

23. Storybattl unter dem Titel

"Die Krankenschwester" eingereicht.

In diesem Jahr jährt sich die Befreiung

des Konzentrationslagers Ravensbrück

am 27.04.2014 das 69. Mal.


Dieses Buch habe ich geringfügig geändert.






Am 23. April 2014 jährt sich die Befreiung des KZ Ravensbrück zu 69. Mal Die SS inhaftierte hier zwischen 1939 und 1945 über 130.000Frauen und Kinder und 20. 000 Männer. Die Frauen kamen aus 20 Nationen. Es waren Politische, Jüdinnen, Sinti und Roma, sowie Zeugen Jehovas.Umgekommen sind dort zwischen 25.000 und 40.000 Menschen







Es ist an einem Spätsommertag des Jahres 1972. Ich folge einem schmalen Kiesweg, der mich zum Ufer eines Sees führt. Es ist sehr still, nur einige Pappeln rauschen im Spätsommerwind. Stille liegt sehr schwer auf meiner Brust und nimmt mir fast den Atem. Blinzelnd sehe ich mich um. Niemand ist zu sehen, aber ich werde das Gefühl nicht los, dass von allen Seiten Flüstern zu vernehmen ist. Die Stimmen werden immer lauter und schließlich halte ich mir die Ohren zu. Da, eine Stimme, die ich noch gut kannte. Angst kriecht über meinen Körper. So viele Jahre waren inzwischen vergangen, aber diese Angst lässt nicht los.

Meine Gedanken schweifen zurück in das Jahr 1944. Genau hier, an dieser Stelle, wurde mir alles genommen, meine Würde, meine Achtung und nicht zuletzt meine Identität.Als Ruth Goldmann war ich hier angekommen.Ab diesem Zeitpunkt wurde ich zu einer Nummer.


Eine lange Zugfahrt und ein harter Fußweg lagen hinter uns, als wir endlich am Ziel an kamen.Es hieß Ravensbrück und wir sollten hier arbeiten, wie man uns sagte.Als Jüdin wusste ich, dass mich nichts Gutes erwarten würde.Von Beruf war ich Krankenschwester. Aus diesem Grund war ich auch lange

unbehelligt geblieben. In der Nähe von München arbeitete ich unter falschen Namen in einem Lazarett. Dort waren in erster Linie Offiziere untergebracht, die in Deutschland ihre Kriegsverletzungen auskurierten. Still und bescheiden tat ich meine, oft sehr schwere Arbeit. Dann passierte es. Ob mich jemand erkannt hatte, oder ob ich selbst unvorsichtig war, ich weiß es nicht. Jedenfalls war meine wahre Identität erkannt worden. Einige Tage musste ich in einem Frauengefängnis verbringen. Die Wärterinnen waren höflich zu mir und manchmal schenkte man mir auch ein Lächeln, oft mitleidig, so kam es mir vor.


Langsam keimte in mir die Hoffnung auf, dass ich als Krankenschwester doch gebraucht wurde. Aber da jetzt bekannt war, dass ich Jüdin war, zerschlug sich diese Hoffnung bald. Eines Nachts wurden wir lauthals geweckt und in einem rasanten Tempo auf LKWs verladen. Auf unsere Fragen bekamen wir nur kurz zur Antwort: "Ihr fahrt in ein Arbeitslager.“ Nun war ich hier. Müde und hungrig mussten wir auf einem Platz Aufstellung nehmen. Laute Stimmen brüllten Namen und Nummern. Ja, ab da war ich nur noch eine Nummer, eine Nummer mit einem Judenstern auf der Jacke. Schaudernd fragte ich mich,

was die Zukunft bringen würde. Mit meinem Beruf als Krankenschwester hatte ich doch noch Glück. Auf der Krankenstation wurde dringend eine Schwester gebraucht.

Da musste ich nicht wie die meisten anderen, in einem Betrieb unter härtesten Bedingungen und mit wenig Essen arbeiten. Die Frauen waren in der Regel nur kurze Zeit auf der Krankenstation. Nach ein, zwei Tagen mussten sie wieder arbeiten gehen. Es gab auch Frauen, die nicht gesund wurden, aber auch die verschwanden nach ein paar Tagen. Hinter vorgehaltener Hand hörte ich, dass diese Leute getötet und im eigenen

Krematorium verbrannt wurden. Ich hatte Angst, große Angst! Eines Tages wurde eine Frau zu uns gebracht. Es war eine blutjunge Polin und ich sah, dass sie hochschwanger war. Die Wehen hatten bereits eingesetzt und wir legten alles für eine Entbindung bereit. Nach einer Stunde war das Baby da. Es war ein strammer Junge mit schwarzen Haaren. Er durfte ein paar Minuten bei seiner Mutter im Arm liegen, dann wurde er von der Oberschwester in das "Kinderzimmer" getragen.


Kurz darauf war meine Arbeitszeit vorbei. Sechs Stunden Ruhe und dann musste ich wieder auf Station sein. Eine

dünne Suppe und eine Scheibe Brot war das Einzige, was ich zu essen bekam. Am nächsten Morgen erschien ich wie gerädert zum Dienst. Als erstes musste ich ein kleines Bündel in den Leichentrakt bringen. Die Neugierde siegte und ich sah nach, was in dem Bündel war. Entsetzt zuckte ich zurück. Es war ein Baby mit schwarzen Haaren. An seinem kleinen Hinterköpfchen war eine große Wunde. Später erfuhr ich, dass die SS-Aufseherinnen die Babys mit dem Kopf an die Wand schlugen. Mir wurde ganz schlecht bei dem Gedanken, dass Frauen solche Grausamkeiten vollbringen konnten. Es blieb nicht bei diesem Mal. Alle Kinder,

die hier geboren wurden, starben aus verschiedenen Gründen, zumindestens laut Geburtsberichten.Ich wollte mit den anderen Schwestern darüber reden, aber angstvoll liefen alle an mir vorbei.



Anfang 1945 kam die Front immer näher. Die Leute von der SS wurden zunehmend agressiver. Sie waren wie in einem Rausch. Täglich fanden Erschießungen statt. Die Öfen des Krematoriums gingen gar nicht mehr aus. Ihre Feuerzungen leuchteten Tag und Nacht. Frauen und Kinder lagen auf den Leichenbergen vor dem Krematorium. Die Asche wurde einfach

in den zum Lager gehörenden Schwedtsee gekippt. Die SS- Wachleute machten sich auch keine Mühe mehr, ihre Taten zu vertuschen. Wichtig war ihnen nur, so viele Zeugen wie möglich zu beseitigen, denn die Befreier rückten immer näher. Insgesamt waren wir noch ungefähr zweitausend Häftlinge. Ich hatte wahnsinnige Angst, dass ich als Jüdin doch noch den Weg meiner vielen Leidensgenossinnen teilen mußte. Aber es breitete sich auch eine gewisse Melancholie in mir aus. Um mich herum starben Menschen und ich konnte nichts, aber auch garnichts daran ändern.


Auch verletzte SS-Leute kamen zu uns

auf die Krankenstation. So manches Mal lehnten sie es ab, Hilfe von der "Judensau" anzunehmen. Ich wurde auch häufig innerhalb des Lagers eingesetzt, aber nicht um Häftlingen zu helfen, sondern um die SS-Wachleute bei Kräften zu halten. Todmüde fiel ich am Abend auf meinen Strohsack, immer damit rechnend, doch noch erschossen zu werden. Eine der weiblichen Wachkräfte hatte schon zu mir gesagt: "Du kommst auch noch dran und wenn es das Letzte ist, was ich hier mache."Es war mein Glück, dass Krankenschwestern rar geworden waren, das rettete mir warscheinlich mein Leben.

Als die Russen Ravensbrück befreiten, war ich eine der wenigen Frauen, die dieses Inferno überlebt hatte. Langsam kehrten meine Gedanken an diesen einsamen See zurück.


Hier, in diesem Wasser, ruhte die Asche von tausenden meiner Gefährtinnen.

Ich gehe bis zu den Stufen, welche in das Wasser führen. Ich, Ruth Goldmann, lasse meinen Tränen freien Lauf. Warum mußten so viele Menschen sterben? Ich bin inzwischen über Sechzig, aber diesen Wahnsinn habe ich bis zum

jetzigen Zeitpunkt noch nicht verstanden. Meine Gedanken wehren sich, auch nur einem der Mörder zu verzeihen. Nie würde es Verzeihung geben, das schwor ich mir. Die Sonne fängt an, blutrot unter zu gehen. Ich schaue über den See. Er erinnert mich irgendwie an einen Fjord in Norwegen, wo ich vor langer, langer Zeit mal zu Besuch war. Gleich darauf schüttele ich diesen Gedanken ab, nein, das hier hatte nichts mit dem herrlichen Fjord zu tun. Dies war ein Grab und bei diesem Gedanken streift mich ein Hauch von tiefer Trauer. Ein lauter Schrei entringt sich meiner Brust.Ein

letzter Gruss, für alle Menschen, die hier umgekommen sind.

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petjula007

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Gabriele Sehr bewegend und erinnernd hast du die damaligen Zustände beschrieben...... Hoffen und beten wir, dass Kriege nachlassen und kein Neuer entsteht.....
Viele liebe Grüße, Gabriele
Vor langer Zeit - Antworten
EllaWolke Du hast mich an dieses Buch verwiesen bei meinen Sommererinnerungen .Danke das Du es vorgeholt hast!
Sehr sehr berührend
LG zu Dir
Vor langer Zeit - Antworten
petjula007 
Ich danke dir für das Lesen meiner Geschichte.
LG Petra
Vor langer Zeit - Antworten
Baumkrone Ein wirklich gut geschriebenes Buch. Es geht einen sehr nahe.
Liebe Grüße von der Baumkrone
Vor langer Zeit - Antworten
petjula007 
Ich danke dir für das Lesen meiner kleinen Geschichte. Ja, manche Zeitgenossen tun diese Ereignisse als Hirngespinste ab. Ab und an, muß man auch mal an Ereignisse dieser Zeit erinnern. Das sind wir den vielen Opfern dieses Wahnsinns schuldig. Danke auch für den Favo und die Coins.

LG
Petra
Vor langer Zeit - Antworten
Hofdichter 
Sehr bewegend geschildert ....ich finde es sehr schlimm das dieser Wahnsinn in den Köpfen heutiger Menschen wieder Nisthölen findet .

Liebe Grüße
Ephraim
Vor langer Zeit - Antworten
petjula007 
Danke für deine netten Zeilen und für den Favo natürlich auch.

LG
Petra
Vor langer Zeit - Antworten
WaterSpirit Liebe Petra,
ich kann es nicht nachvollziehen, wie du es immer wieder schaffst, Worte für solche Situationen zu finden!
Mich hat diese Geschichte sehr berührt. und noch trauriger macht es mich, dass es solche Grausamkeiten unter Menschen heute noch gibt!
Diese Geschichte war sehr emotional, und einfach gut geschrieben!
Liebe Grüße, Verena
Vor langer Zeit - Antworten
petjula007 
Hallo Verena,
danke für deinen Kommi. Es freut mich, wenn dir die Geschichte gefällt. Ab und an muß man auch mal an diese Zeit erinnern. 1972 habe ich das Lager besucht. Die Erschütterung hat noch einige Zeit angedauert.

Liebe Grüße
Petra
Vor langer Zeit - Antworten
GertraudW Liebe Petra, ich weiß gar nicht was ich sagen soll. Dieser Text, der so eindrucksvoll von Dir geschrieben wurde, hat mich sehr mitgenommen.
Eine schlimme Zeit war das. Und in anderen Ländern passieren solche Dinge leider immer noch ... und wie müssen diejenigen nur leiden, die helfen wollen?
Liebe Grüße
Gertraud
Gertraud
Vor langer Zeit - Antworten
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