Hetzjagd
Ich bin auf der Suche. Was ich genau suche weiß ich nicht genau, doch ich weiß, dass ich es erkenne, sobald ich es vor mir habe, das muss ich, sonst wird mich mein Verfolger finden und ich wäre dran.
Der Wind schlägt mir dicke Schneeflocken ins Gesicht und es fühlt sich so an, als würden meine Augen erfrieren, die ich zu diesem Zeitpunkt weit aufgerissen habe, jetzt habe ich sie jedoch zu schmalen Schlitzen geschlossen.
Ich laufe immer weiter und der Wald bleibt immer gleich. Noch hat sich mir nichts offenbart, also laufe ich weiter
durch die unendlichen Reihen der Bäume.
Vielleicht sollte ich nicht nach einem Versteck suchen, vielleicht sollte ich einfach weiterlaufen und hoffen, dass ich meinen Verfolger abschüttel oder ihm die Luft ausgeht und er von mir ablässt.
Hinter mir höre ich etwas. Oder bilde ich mir das ein? Verursachte das Adrenalin schon Halluzinationen und hinter mir befindet sich nichts als der Wald? Doch ich wage es nicht mich umzudrehen, mir bleibt es nur übrig zu hoffen, dass mein Verfolger noch weit zurückliegt oder es ihn gar nicht gibt und die Verfolgung nur eine Erfindung
meines Geistes ist.
Doch als ich wieder etwas hinter mir höre, zweifle ich nicht mehr daran, dass sich jemand, zusammen mit den eingeschneiten Bäumen, hinter mir befindet und mich jagt.
Ich schlage einige Haken. Laufe zwischen den Bäumen her, springe über die zugefrorene Wasserlache und verfange mich beinahe in einer Ansammlung von Kletten.
Meine Beine werden ganz leicht und ich habe das Gefühl, dass ich die Kontrolle über sie verliere, als würden sie mich lenken, womöglich würden sie mich noch zu Fall bringen und mich meinem Verfolger ausliefern, eine seltsame Wut
überkommt mich. Bin ich sauer auf meine Beine? Jetzt muss ich lachen. Ich verdächtige meine Beine des Verrates, wie albern. Schließlich sind sie auch dran, wenn ich eingeholt werden.
Obwohl es Winter ist und der Schnee mir teilweise bis über die Füße geht, schwitze ich, sodass ich am Liebsten meine Jacke ausziehen würde. Doch ich renne einfach weiter.
Das alles kommt mir nicht wie ein Spiel vor, viel mehr habe ich wirkliche Angst. Meinem Herzschlag nach zu urteilen könnte es auch Todesangst sein. Ich höre nun auch nur noch den Schlag meines Herzens, als würde dieses Geräusch sich in meinen Kopf drängen und und sich
dort breitmachen und nichts anderes hineinlassen.
Ich werde ein wenig langsamer und meine Augen suchen nun vermehrt nach einem Versteck, auch wenn irgendetwas in mir bereits sagt, dass es dafür bereits zu spät ist. Also laufe ich in eine enge Baumgruppe und stelle mich hinter einen der großen Stämme.
Dort stehe ich nun und warte. Warte und hoffe. Doch langsam ist mir egal ob ich gefunden werde oder nicht. Zum Weiterlaufen bin ich sowieso zu erschöpft, vielleicht war es ein Fehler anzuhalten, denn jetzt würde ich sicherlich nicht mehr weglaufen können ohne zusammenzubrechen. Jetzt ist es zu
Spät, er wird mich finden, nur wenn ich gewaltiges Glück habe komme ich ungeschoren davon und auch meine verräterischen Beine.
Bestimmt schleicht er gerade hinter mir herum und schaut hinter jedem Baum und Busch nach wo ich bin, gleich wird er sicherlich an meinem Versteck angekommen sein.
Aus dem Augenwinkel heraus erkenne ich eine Bewegung rechts von mir. Ich richte mich auf, versuche so wenig Geräusche wie möglich zu machen, und schleiche langsam auf die andere Seite des Baumes.
Mein Verfolger hat mich bemerkt und etwas in meine Richtung gerufen, ich hab
nicht verstanden was er gesagt hat, ich bin losgelaufen, doch meine Beine fühlen sich nun nicht mehr leicht an, sondern vielmehr bleischwer und ich habe das Gefühl, dass ich nur ganz langsam vorwärts komme.
Ich schaue immer wieder nach hinten und muss immer wieder mit Ansehen wie er immer näher kommt, bis er mich schließlich einholt und wir uns gegenüberstehen. Er greift mit seinen Armen nach mir und ich weiche immer wieder panisch aus. Wir leisten uns einen kleinen Wettstreit, dem ich auch einige Zeit lang standhalten kann, doch dann trete ich mit meinem Fuß unvorbereitet auf eine Wurzel und falle
zu Boden.
"Hab dich!", ruft mir mein über mich gebeugter Verfolger entgegen. Er reicht mir die Hand und hilft mir hoch.
"Du bist dran!", sagt er und rennt zurück in den Wald, durch den er mich verfolgt hat.
Ich stelle mich. mit Rücken zum Wald, an einen Baum und zähle von zehn runter.