Joe lief scheinbar ratlos den Strand entlang und wollte nach dem Schock mit diesen eigenartigen Tieren wohl allein sein, hatte er doch sogar die Kinder ziemlich rüde abgewiesen, als sie wieder seine Gesellschaft suchten. Aus irgendeinem Grund, der sich noch Marias Kenntnis entzog, hatten die Kinder an diesem raubeinigen, oftmals unfreundlichen, Obermacho einen Narren gefressen. Seit sie von ihm am Strand aufgelesen wurden, suchten sie permanent seine Nähe. Aus der Not heraus hat Maria, zusammen mit Laura, diese beiden toten Tiere
irgendwie von ihrem Fell befreit, ohne dass dieses ungewöhnliche Fleisch sogleich zerfiel. Sollten sie sich dazu durchringen können, dieses Fleisch zu essen, wollten sie es später über dem Feuer rösten. Etwas derartig Ungewöhnliches, wie diese Tiere, hat Maria noch nie gesehen!
Wahrscheinlich waren nicht nur sie und Joe ratlos wie nun weiter vorgegangen werden sollte. Joe lief, noch immer grübelnd am Strand entlang. Die Kinder spielten mehr lustlos im Sand und Laura saß neben Maria und schaute wenigstens genauso ratlos diese beiden filetierten Dinger an.
Ja und Christian und Ashley? Es
dämmerte bereits und die beiden waren noch immer nicht von ihrem Ausflug zurück! Maria wollte sich gar nicht ausmalen wie Joe ausflippen würde, wenn die beiden wieder auftauchten. „Meinst Du nicht auch, dass diese Viecher jetzt, so ohne Fell, ohne Füße, Schwanz und Kopf fast wie Fische aussehen?“, wurde Maria von Laura gefragt, die gerade einen dünnen Ast mit einer kleinen Gabelung versuchte an diesem Fleisch oder Fischfleisch fest zu machen. „Mag sein! Und Du meinst das geht, mit diesem Stock und so? Ist dieses Zeug nicht viel zu labberig dafür? Und wer soll das übrigens zuerst
kosten?“ „Das ist wahrscheinlich die schwierigste aller Fragen. Unter halbwegs normalen Umständen würde sich diese Frage vermutlich überhaupt nicht stellen. Da wollte wahrscheinlich jeder der erste sein! Ich weiß es ehrlich gesagt auch nicht! Aber die Kinder auf jeden Fall nicht!“ Fast schon entsetzt schaute Maria zu Laura rüber. Das musste man sich mal vorstellen, wie verrückt das Ganze war! Die Kinder drohten zu hungern doch durften sie von dem Fischfleisch oder so nicht essen, weil man es nicht kannte! Sie, diese klein Gruppe von Menschen, schienen Fremdkörper in dieser Welt zu
sein, welche unter Umständen mit nichts auf dieser Insel kompatibel waren. Wie konnte das nur möglich sein? Sie befanden sich doch noch immer auf der Erde! „Was hat das alles nur zu bedeuten? Verdammt noch mal! Was geschieht hier nur?“ „Wenn es nach Charles Darwin geht haben wir es hier mit einer massiven Form der Isolationsevolution zu tun."
Laura legte den Stock mit diesem Fleisch zurück auf den flachen sauberen Stein, den sie sich extra für diese Arbeit gesucht hatten, und schaute Marie an.
"Die Tiere auf dieser Insel sind vielleicht schon seit Jahrtausenden vom Rest der
Welt getrennt. Infolge dessen würden sich normalerweise die ursprünglichen Rassen den örtlichen Gegebenheiten auf dieser Insel anpassen."
Laura saß jetzt im Schneideresitz im Sand und schaute zu Maria.
"Du kennst doch die Galapagosinseln. Da haben sich jede Menge Rassen in eine andere Richtung entwickelt, wie der flugunfähige Kormoran, die schwimmenden Galapagosleguane oder nicht Zuletzt die berühmten Darwinfinken.“
„Du meinst wir haben hier die zweiten Galapagosinseln?“ „Nein! Nein! Ganz und gar nicht! Nach Darwin entwickeln sich Tier und
Pflanzenarten in der Isolation wohl in eine eigene Richtung mit anderen oder verbesserten Eigenschaften, oder legen, wie bei den Kormoranen, Eigenschaften ab. Aber etwas Anderes passt hier überhaupt nicht...!“ Laura machte eine kurze Pause und spießte den ersten potentiellen Braten auf den Stock. „Nach Darwin entwickeln sich die Arten in der Isolation zwar in andere Richtungen, aber sie bleiben dabei ihrem Genom, ihren arttypischen Merkmalen, treu. Das heißt, der Kormoran war schon ein Kormoran als er auf die Galapagosinseln kam, er ist noch heute ein Kormoran, der wohl nicht mehr fliegen kann, weil er es einfach nicht mehr braucht, und er wird wohl
auch in tausend Jahren noch ein Kormoran sein, wenn er denn nicht vorher ausstirbt! Aber hier auf dieser Insel sieht es fast so aus, als hätten sich die Spezies untereinander vermischt! Als ob das nicht genug ist, geht die Mischung auch über die Tiergruppen hinaus! Hier scheinen sich nicht nur Säugetiere untereinander vermischt zu haben sondern auch gänzlich artfremde Lebensformen wie Fisch oder Lurch mit Säugetieren! Das ist biologisch unmöglich! Das sind zwei gänzlich verschiedene Lebensformen. Hier bei diesen Viechern sind es Fisch und Nager die sich einen Körper teilen.“ Laura zeigte auf ihr potenzielles Essen. „Wie ist das nur möglich? Das gibt es
doch gar nicht!“ Maria war von den Socken. So eine verrückte Geschichte hatte sie auch noch nicht gehört. „Das ist wie gesagt biologisch unmöglich! Das sind unspezifische, wenigstens duale, wenn nicht gar multiple Lebensformen. Das geht deswegen nicht, weil diese Mischungen, wie hier bei diesen Viechern Fisch und Nagetier, in keinster Weise miteinander kompatibel sind oder zumindest nicht sein sollten.“ „Aber scheinbar sehen wir hier den unwiderlegbaren Gegenbeweis, dass es möglich ist.“, versuchte Maria, warum auch immer, entgegen zu halten. Sie war doch schon ziemlich erstaunt, dass Laura auf diesem Gebiet so bewandert zu sein
schien. Laura grinste, als hätte sie diesen Einwand schon erwartet.
„Ich habe gesagt, es ist biologisch unmöglich! Übrigens nennt man einhellig in der antiken Mythologie und in der modernen Genetik derartige multiple Lebensformen auch Chimären.“ „Das ist jetzt nicht dein Ernst!“
Maria schaute ungläubig von der Seite zu Laura, die jetzt den zweiten Nager, oder was auch immer, versuchte auf einen anderen Stock zu spießen. „Soll das etwa heißen, dass die Viecher, die hier herum laufen, nicht echt sind? Und woher weißt du das überhaupt alles?“ „Nun ja, echt sind sie schon, wie du und
ich. Sie leben, sie fühlen und können sich scheinbar auch fortpflanzen, wie auch immer. Aber natürlich sind sie auf keinen Fall! Ja und woher ich das alles weiß? Zufällig war Biologie schon in der High School mein Lieblingsfach und Genetik war bei mir auf dem College Leistungskurs. Das ist zwar schon ein paar Jahre her, aber einiges ist doch noch hängen geblieben. Ach übrigens, wusstest du, dass die Idee der chimären Kreuzung schon fast so alt wie der Mythos der Chimära ist? Nachweislich veredelt man schon seit Jahrhunderten Pflanzen, vor allem Obstbäume, auf diese Weise. Pflanzliche Chimären sind ein alter Hut. Neu ist mir allerdings die so weit voran
geschrittene Entwicklung bei den tierischen Chimären. Bisher war man schon froh, wenn man wenigstens ein paar tierische Eizellen von Säugetieren verbinden konnte, die dann auch noch ein paar Tage überlebt haben.“ „Ah ja!“, gab Maria von sich. „Und was bedeutet das nun für uns? Können wir diese Viecher nun essen oder nicht?“ „Eigentlich spricht nichts dagegen. Nur weil diese Tiere zwei Spezies in sich vereinen, muss das noch lange nicht bedeuten, dass diese Tiere giftig für uns sind. Allerdings kann man nicht sagen, was sich genau hier verbunden hat! Nager und Fisch? Nager und Lurch oder Reptil? Von einigen Lurchen und Reptilien ist
bekannt, dass deren Fleisch giftig ist. Auch bei den Fischen gibt es da einige giftige Arten. Man kann leider nicht sagen ob die eventuell giftigen Eigenschaften mit in die Chimäre übergegangen sind. Wie Du mir vorhin erzählt hast, ließen sich diese Tiere relativ problemlos fangen. Das gibt mir zu denken! Entweder haben sie einfach noch nie einen Menschen gesehen, und das vielleicht schon seit tausenden Generationen, dann würde das Feindbild Mensch auch nicht mehr vererbt, wie es bei vielen anderen Tierarten der Fall ist. Oder aber die Tiere hatten deswegen keine Angst vor Euch weil sie eigentlich keine Feinde fürchten müssen, verfügen sie doch über
wirkungsvolle Verteidigungsmechanismen! Eine Möglichkeit wäre zum Beispiel, dass ihr Fleisch giftig ist. Oder es schmeckt total widerlich und ruft Übelkeit hervor. Aber das wäre wiederum nur halbherzig ja fast schon gnädig! Aber im Tierreich gibt es keine Gnade! Deswegen stehen wir wieder ganz am Anfang. Wir wissen jetzt zwar, dass wir es mit Chimären zu tun haben, aber noch immer nicht wer zuerst probieren soll!"
Mit brachialer Macht wälzte sich jetzt der anbrechende Abend über den Dschungel jener Insel. Alles erschien nur noch im Zwielicht und auch die Geräuschkulisse hatte sich plötzlich gänzlich verändert. Zwitscherten den ganzen Tag über unzählige Vogelarten mal mehr mal weniger melodisch um die Wette, waren jetzt im Zwielicht des anbrechenden Abends überall raschelnde, zischende und auch fauchende Geräusche aus allen möglichen Gebüschen und Bäumen zu hören. In mitten dieses Schmelztiegels des Lebens kämpften sich auch zwei fremdartige zweibeinige Wesen mit einem
seltsamen Fell durch den Dschungel. Diese beiden Wesen sahen so fremdartig aus, die konnten unmöglich in diese Welt gehören! Aber diese Gerüche, welche diese Wesen absonderten waren den kleinen Jägern in den Gebüschen wohl vertraut und versetzte auch den halben dämmrigen Dschungel in helle Aufregung! Diese Wesen verströmten in einer enorm hohen Konzentration den Geruch der Angst! Doch war für alle nächtlichen Jäger am erfreulichsten, dass diese Beutetiere überaus groß waren! Derart große Beutetiere gab es hier nur selten, ja eigentlich nie! Das eine dieser Beutetiere, es hatte am Kopf ein langes helles Fell, schien,
warum auch immer das größere Beutetier mit einem kurzen braunen Fell auf dem Kopf hinter sich her zu ziehen, obwohl dieses größere Beutetier eine schwere Verletzung an einem seiner großen Gliedmaßen zu haben schien, welches ihm bei seiner Flucht hinderte. Es war doch schon dem Tode geweiht! Warum nur behinderte sich das kleinere Beutetier unnötig selbst? Es schien doch nur ein paar kleinere blutende Verletzungen unterhalb seiner Milchdrüsen, an einem seiner großen Gliedmaßen und im Nacken zu haben! Ließe es das größere Beutetier einfach los, hätte es noch eine minimale Chance zu entkommen! Aber so? So war auch dieses Wesen eine sichere
Beute! Mit ein paar schrillen und zischenden Geräuschen koordinierten die Jäger ihren Beutezug und zogen im Unterholz die Kreise um ihre beiden Beutetiere immer enger. Diese Beute würde den Schwarm über Tage hinweg mit reichlich Futter versorgen, wenn sie es denn beizeiten verstecken könnten, bevor die großen Nachtjäger aus ihren Bauten und Höhlen krochen und Jagd auf die kleineren Jäger, wie jenem Schwarm, beziehungsweise größeren Beutetieren, wie diesen beiden hier, machten.
Das Zwielicht würde schon bald der Nacht gewichen sein. Bis dahin musste der Schwarm seine Beute zur Strecke gebracht
und versteckt haben!
Doch im Moment verlief alles den zu tiefst verinnerlichten Instinkten entsprechend! Immer weiter zog sich der Schwarm zusammen. Deutlich konnte man schon den Geruch des Blutes, welches vom kleineren Beutetier ausging, durch den ganzen Schleier des Angstgeruches heraus riechen. Auch konnte man bereits deutlich die Geräusche und Laute verstehen, welche diese Wesen von sich gaben. „Christian beeile dich doch!!! Los!!! Ich kann sie bereits hören!!!“, gab das kleinere Wesen in einem eigenartig langgezogenen und hell klingenden Ton von
sich. „Lass mich endlich los verdammt!“, erwiderte das größere Beutetier. Seine Laute waren viel tiefer und auch klar untersetzt. „Allein kommst du schneller vorwärts! Lauf zu den Anderen und warne sie!“ Das größere Beutetier löste sich von dem kleineren Beutetier und stürzte laut brüllend zu Boden. Eine solche Reaktion hatte der Schwarm nicht erwartet und geriet für den Bruchteil einer Sekunde ins Stocken. Dieser Moment reichte allerdings aus die Jagdformation ein wenig aufzubrechen. Natürlich wagte sich keiner der Jäger allein vor zu preschen! Wozu waren sie denn auch ein
Schwarm? Innerhalb von wenigen Sekunden war die Formation mittels Schallwellen wieder ausgerichtet. Jedoch hatten diese wenigen Sekunden ausgereicht, dass sich das große Beutetier von dem kleinen Beutetier auf die Beine helfen lassen konnte. Sogleich flohen sie weiter vor ihren unsichtbaren Jägern. Das war nicht gut! Plötzlich zogen diese Wesen das Tempo an. Und der Kreis, der schon fast geschlossen schien, öffnete sich wieder. Mit ein paar zischenden, schnalzenden und pfeifenden Tönen richtete das Alphatier den Schwarm neu aus. Die Jagd ging weiter! Jetzt endlich war der Ring um die beiden
Beutetiere geschlossen. Über ihre relativ feingliedrigen sechs Gliedmaßen konnten die Jäger bereits die Erschütterungen spüren welche durch die ungelenken Schritte der Beutetiere verursacht wurden. Ein Letztes mal richtete sich der Ring der angreifenden Jäger aus. Gleich würde das Alphatier mit seinem schrillen Kreischen zum Angriff blasen...
„Mein Gott lauf endlich Ashley!“, schrie Christian jetzt seine Cousine an, weil sie gerade jetzt, in lebensmüdem Wahnsinn, auf Stur schaltete und Christian um keinen Preis zurück lassen wollte. Begriff sie denn die Lage nicht? Von überall her kamen diese kleinen Monster! Von allen Seiten war dieses Zischen, Rasseln und jenes schrille Pfeifen zu hören.
Auch wenn Christian, seit diesem Vieh im Flugzeug, kein einziges dieser Kreaturen mehr gesehen hat, konnte er doch hören dass es unzählige dieser schrecklichen kleinen Monster geben musste, die scheinbar, von diesem Einen alarmiert,
jetzt im Kollektiv Jagd auf Christian und Ashley machten! „Bist Du wahnsinnig? Ich kann dich doch nicht zurück lassen! Die werden dich töten!!! Nein ich kann nicht!!!“, schrie Ashley verzweifelt heulend zurück und zog Christian vehement hinter sich her. Erneut riss sich Christian von Ashley los und fiel unweigerlich zu Boden. Der Schmerz in seinem Knie wollte ihn schier zerreißen. In einer Mischung aus Schmerz und Wut schrie Christian außer sich auf und ergriff außer Rand und Band einen etwa fünf Fuß langen Knüppel, der direkt neben ihm lag. Damit zog er sich ächzend auf die Beine. Ashley war stehen geblieben, drehte sich
um und wollte sogleich zu Christian eilen um ihm zu helfen. „Hau endlich ab, verdammte Scheiße, und bring dich...“ In diesem Augenblick ertönte ein schriller, kreischender Schrei und von allen Seiten stürzten hunderte dieser kleinen Kreaturen auf Christian und Ashley ein. Ihre kräftigen gebogenen Schnäbel weit auf geklappt und ihre mit einem spitzen Dorn behafteten Schwänze steil aufgerichtet, strömten sie auf die Beiden ein. Ashley kreischte panisch auf und suchte Schutz hinter Christians Rücken. Wütend, wie er eh schon war, schwang Christian weit ausholend mit dem Knüppel herum
und erwischte, wild brüllend, wohl ein halbes Dutzend dieser Geschöpfe, die sogleich durch die Gegend geschleudert wurden. Zunächst konnte sich Christian die Angreifer vom Leib halten, auch wenn immer neue Tiere ihnen entgegen drängten. Panisch hielt sich Ashley hinter seinem Rücken auf, was Christian im Moment ganz recht war, so hatte er genug Platz um die Angreifer abzuwehren.
Plötzlich jedoch kreischte Ashley erneut auf und sackte zusammen. Wohl zehn dieser Tiere hatten sie angesprungen und sich an ihren Beinen, den Armen und an ihrem, vom zerrissenen T-Shirt entblößten, nackten Bauch festgebissen,
indem sie ihre messerscharfen Schnäbel tief in Ashleys Fleisch gerammt hatten. Sich mit ihren scharfen Schnäbeln festhaltend, rammten sie wieder und wieder ihre Dornen kopfüber in Ashleys weiches Fleisch. Sogleich sprang ihr Christian zur Hilfe und schlug die Tiere von Ashley ab um sie eilig zu erschlagen und zu zertreten. Schnell richtete er Ashley wieder auf, die jetzt von zahlreichen offenen Wunden übersät war. „Lauf weg!!! Ich komme zurecht und halte sie auf!!! Lauf endlich!!!“ In Todesangst zögerte Ashley jetzt nicht mehr, warf Christian heulend einen letzten verzweifelten Blick zu und rannte
los. Sie durchbrach die Reihen der Angreifer, trat dabei auf einige von ihnen und verschwand schließlich in Windeseile im Wald. Bestimmt fünfzig Kreaturen nahmen zwar die Verfolgung auf, konnten aber mit der Geschwindigkeit von Ashley nicht mithalten. Nun stand Christian allein da und schwang mit dem Knüppel in weiten, kreisenden Bewegungen immer um sich. Dabei erschlug er eins ums andere mal einige dieser Tiere. Doch waren diese kleinen Biester raffiniert und recht schnell in ihrer Reaktion. Schon nach wenigen Sekunden hatten sich die Tiere auf Christians Bewegungen eingestellt. Wie in einer fließenden Bewegung und
völlig synchron wichen diese Tiere immer gekonnter dem Tod bringenden Knüppel aus. Es sah fast so aus als würden diese Tiere einer gewissen kollektiven Dynamik unterliegen. Auch wenn Christian eigentlich keine Zeit dafür hatte fragte er sich, wo er diese Art Bewegung, oder besser diesen Fluss, schon einmal gesehen hat? Die Kreaturen hatten sich auf Christians Schwünge eingestellt, musste er mit Schrecken feststellen. Stück für Stück überwanden sie bereits wieder die Distanz zwischen sich und Christian.
Oh Gott! Was mache ich jetzt!
Panisch und wild mit dem Knüppel herumfuchtelnd machte Christian einen
Satz nach vorn. Blitzschnell reagierten die Kreaturen und machten einen Satz nach hinten. Jedoch wurde Christians panischer Ausraster böse bestraft. Für diesen einen Satz nach vorn setzte er seine volle Körperbelastung auf sein kaputtes Knie und brach laut aufschreiend zusammen. Augenblicklich stürzten sich scheinbar alle diese Kreaturen auf Christian und rammten ihm ihre messerscharfen Schnäbel in die weichen Fleischpartien, über all an seinem Körper. Christians sich überschlagenden, grelle Schreie schallten durch die inzwischen finstere Nacht...
War dort schon das Rauschen des Meeres zu hören? In all ihrer Panik und Todesangst, keimte in Ashley ein wenig Hoffnung auf. Irgendetwas, tief in ihr drin, sagte ihr, dass sie am offenen Strand relativ sicher vor diesen Bestien sein würde. Noch immer rannte das Mädchen so schnell es ihre Beine eben vermochten. Auch wenn ihre Muskeln bereits brannten, wagte sie es nicht in den Schritt zu wechseln. Allein die Vorstellung, die Bestien könnten sie wieder einholen, verlieh ihr scheinbar Flügel.
Einmal, als sie Christians schrecklichen Schrei durch den Wald hörte, stand sie
kurz davor wieder kehrt zu machen um ihm zu helfen. Doch siegte, vielleicht zu ihrem Glück, die Todesangst in ihr. Laut und verzweifelt aufheulend, rannte sie weiter zum Strand. Dieses Rauschen wurde immer lauter. Jetzt bestand für Ashley kein Zweifel mehr! Da vorn irgendwo musste der Strand sein! Die Hoffnung ließ sie ihre letzten Kräfte mobilisieren. Sie war doch fast da! Plötzlich brach etwas krachend und raschelnd aus dem Unterholz. Es klang als würde jemand dürren Reisig zerbrechen, nur viel lauter! Direkt im Anschluss war der donnernde galoppierende Schritt eines großen behuften Tieres zu hören und ein
rhythmisches Schniefen und Schnaufen kam immer näher. Ashley kreischte auf und versuchte erneut das Tempo anzuziehen. Sie wagte es nicht sich umzuschauen. Zu groß war die Panik davor langsamer zu werden. Auch wenn sich die Geräusche ganz wie die eines galoppierenden Pferdes anhörten konnte sie es sich doch nicht vorstellen! Sie rechnete mit dem Schlimmsten, dass es eine weitere viel größere Kreatur war, die ihr da auch nach dem Leben trachtete! Dieses Monster hatte sie fast erreicht, der Boden unter ihren Füßen bebte und sie spürte sein Schnaufen in ihrem Nacken. Ashley heulte verzweifelt und rannte um ihr Leben. Plötzlich rein intuitiv, ohne zu
überlegen, schlug sie blitzschnell einen Haken und ließ dieses Monster für einen Moment an ihr vorbei ins Leere preschen. Blankes Entsetzen machte sich in Ashley breit, als sie nun für einen Moment ihren Verfolger sah. Es war in etwa so groß und athletisch wie ein Hirsch, mit langen schmalen Beinen, ideal für einen exzellenten Läufer, und einem massigen Schädel welcher irgendwo an einen Hund oder eine Katze erinnerte. Sein kurzes Fell war gestreift, wie das eines Zebras oder eines Tigers. Seine Rute war nicht allzu lang, dafür aber von einem dichten Pelz überzogen. Dieses Monster bremste scharf ab und setzte erneut zur Verfolgung
an. Ashley erkannte noch sehr lange Reißzähne und rannte auch schon in Todesangst weiter. Was soll ich nur machen? Noch einmal lässt sich dieses Monster bestimmt nicht hinters Licht führen!
Das Mädchen stand kurz davor sich aufzugeben, als plötzlich ein Schuss durch die Nacht peitschte.
Als würden ihm die Vorderbeine weg gerissen, stürzte die Kreatur kopfüber nach vorn, überschlug sich, die Läufe herum wirbelnd, und überholte noch im Sturz die panisch kreischende und noch immer rennende Ashley. Schwer landete der offensichtlich verwundete Körper
dieses Wesens vor dem Mädchen, die sich, zu Boden stürzend, bremsen musste, um nicht von den schweren Klauen dieses Tieres getroffen oder gar von dem stürzenden Tier erschlagen zu werden. Das war einfach zu viel für das Mädchen. Hysterisch schreiend blieb sie einfach nur noch am Boden liegen. Sie war außerstande zu realisieren was soeben passiert ist. Nicht begreifend, dass irgendwer dieses Monster mit einer Waffe getötet hat, lag sie nur noch da und schrie, um schließlich in einen quälenden Heulkrampf zu verfallen. Auch bemerkte sie nicht die schnellen Schritte, die sich ihr näherten.
Die Kinder lagen wimmernd in den Armen ihrer Mutter und schauten panisch in das Feuer, welches gerade von Maria noch ein wenig geschürt und mit Holz versorgt wurde. Wie ihren Kindern war auch Laura zum heulen und wimmern zumute. Zu schrecklich klangen diese markerschütternden Schreie der Tiere aus dem Wald. Was Laura fast gänzlich aus der Fassung brachte, waren die qualvollen Schreie von Ashley und Christian. Die Herzzerreißenden Schreie ihres Bruders und ihrer Cousine aus dem Wald zu hören, war für Laura fast noch schlimmer als die offensichtlichen Schmerzen, die
jene Schreie verursacht haben müssen. Als die wilden Tierschreie einsetzten saß Joe noch mit den beiden Frauen und den Kindern am Feuer, hatte ihnen doch zuvor Laura versichert, dass wirklich alle Tiere egal ob Raubtiere oder Fluchttiere Angst vor Feuer hätten. Das schloss auch die Chimären ein. Das hieß, dass es an einem Feuer für die Menschen am sichersten war. Doch dann waren da zuerst, tief aus dem Wald, die kreischenden Schreie von Ashley zu hören. Da hatte Joe, als einziger Mann am Strand, wohl keine andere Wahl mehr und begab sich, wenn auch nicht gerade freiwillig, auf die Suche nach den beiden Vermissten. Das
war vor zwanzig Minuten. Ganz verrückt wurde es, als auf einmal ein Schuss durch die Nacht peitschte. War das Joe? Und woher kam plötzlich die Waffe? Auf wen wurde da geschossen? Das Feuer loderte wieder helle und geräuschvoll prasselnd. So konnte sich die ebenso verängstigte Maria wieder neben Laura mit ihren beiden Kindern setzen. „Wer hat da geschossen Maria?“, fragte Laura ängstlich. „Das kann eigentlich nur Joe gewesen sein.“ „Joe?? Ja aber woher hat er denn...?“ „Ich weiß nicht wie, aber er muss irgendwie noch die Zeit gehabt haben, um
seinen Revolver aus der Kajüte holen zu können bevor die „Trinity“ unterging. Das ist jetzt aber auch egal! Wir können im Moment froh sein eine Waffe zu haben.“ Da mag Maria wohl recht haben!, dachte Laura und beschloss die in ihrem Hinterkopf schlummernden Fragen vorerst zu verdrängen. Im Moment war wichtig, dass die Waffe da war und mit ihrer Hilfe hoffentlich Christian und Ashley gerettet werden konnten. Plötzlich knackten im angrenzenden Wald einige kleinere Äste. Die Frauen fuhren herum und atmeten erleichtert auf. Es war Joe, auf seinen Schultern einen menschlichen Körper tragend. Sofort sprangen Laura und Maria auf und
liefen ihm entgegen. „Joe!“, rief Maria. „Wer ist es!“ „Es ist die Kleine! Wir müssen sie sofort ans Feuer legen. Das hält die Räuber vielleicht davon ab ihrer Blutspur bis hierher zu folgen.“ Sogleich kümmerten sich die beiden Frauen um Ashley. Sie sah schrecklich aus. Ihr Körper war übersät mit unzähligen Biss und Stichwunden, die zum Teil heftig bluteten. Das Mädchen hatte das Bewusstsein verloren. Behutsam knotete Laura dem Mädchen das zerrissene T-Shirt vor der Brust zusammen, als ihr auch eine tiefe Risswunde unterhalb ihrer Brust auffiel. Das war eindeutig keine
Tierattacke!
„Was ist da draußen nur passiert?“, fragte Laura sichtlich entsetzt.
„Ich habe keine Ahnung! Auf jeden Fall wimmelt der Wald scheinbar nur so vor lauter Monstern!“
„Und Christian?“ wagte es Laura kaum zu fragen, fürchtete sie die Antwort doch fast noch mehr als die Ungewissheit.
Joe schüttelte nur den Kopf. „Ich habe keine Ahnung! Bevor ich das Mädchen fragen konnte verfiel sie in Ohnmacht. Aber wir müssen wohl von dem Schlimmsten ausgehen.“
Laura brach in Tränen aus und wurde von Maria behutsam in den Arm genommen.
FindYourselF Hier ist ja ganz schön was los, da werde ich gleich mal den nächsten Teil lesen, jetzt bin ich ja neugierig. Sehr schöne Informationen auch, obwohl Bio echt nicht mein Fach ist :) LG |
PorterThomson Um ehrlich zu sein, ich musste mich auch erst ein wenig belesen. Aber trotzdem dank ich Dir für den netten Kommi und die Coins. :) |
thomasarndt Upps ... wieder mal ein kleines Meisterwerk ... und spannend! Viele Grüße aus Dem Allgäu Thomas Arndt |
PorterThomson Kurz, knackig und gut. Ich danke Dir für deinen netten Kommi. Ich hoffe es bleibt auch weiterhin spannend. Ich habe da noch so ein paar Ideen im Hinterkopf... |