1
Wie jeden Morgen klingelte Marias Wecker um 6 Uhr. Sie drückte missmutig die Schlummer-Taste, wie jeden Morgen. Sie musste wieder daran denken, dass Sie den Mickey-Maus Wecker seit ihrem 6. Geburtstag besaß, der zugleich der schlimmste Tag ihres Lebens geworden war. Doch wurde Maria durch das zweite Klingeln schnell aus ihren Gedanken gerissen, was ihr allerdings ganz recht war. Sie war noch immer müde denn die Nacht war kurz. Ihr Alptraum war wieder da gewesen. Das erste Mal seit Monaten wieder. Sie würde wieder zu Dr. Thompson gehen
müssen. Doch nun duschte sie erst einmal, zog sich an und hörte das Telefon ab. Es waren noch zwei Nachrichten darauf, denn gestern Nacht hatte Sie weder Lust noch Zeit gehabt. Die Müdigkeit hatte sie übermannt und sie hatte sich gleich nach ihrer Ankunft am frühen Morgen schlafen gelegt. Doch nun plärrte das blecherne Gerät die Nachrichten vor sich hin.
Die erste Nachricht war von Dr. Thompson, Dr. Peter Thompson, dem angesehensten Psychologen von New York. Sie hatte mal wieder einen Termin verpasst. Maria war es egal, er bekam sein Geld und sie ihre Ruhe. Doch nun würde sie hingehen müssen. Schon allein
des Traumes wegen. Seit 6 Monaten hatte Maria diesen Traum nicht mehr gehabt und seitdem war Sie auch nicht mehr bei Dr. Thompson gewesen. Seitdem ruft er jeden Monat an. Maria nahm die Anrufe nie an. Meistens war sie auch nicht da. Warum auch?
Die zweite war von Rachel, eine Einladung zur Party. Sie würde zusagen aber nicht hingehen, denn sie war eine dieser Personen die nicht Nein sagen konnte, egal was es war. Sie ließ sich von ihrem Chef mit Aufgaben zuschütten und machte bei allen nur verfügbaren Umfragen, Tests und ähnlichem mit. Mittlerweile war es für Maria schon zur
Sucht geworden solche Tests zu machen. Doch trotz zahlreichen Tests in diversen Frauenzeitschriften hatte sie noch immer nicht ihren Mr. Right gefunden. Es war aussichtslos. Wer will schon eine Mittdreißigerin mit psychischen Problemen die von früh bis in die Nacht arbeitete? Es gab in ihrem Leben nur einen der sie mochte und verstand. Ihren Kater Toffel. Er beschwerte sich nie wenn sie wieder erst in den frühen Morgenstunden nach Hause kam oder das Fernsehprogramm bestimmte. Er verstand Maria eben. Nicht wie Tom, dieser Arsch.
Nachdem Sie während des Abhörens ihrer Nachrichten verzweifelt ihre
Brieftasche gesucht hatte, hatte Sie sie nun endlich gefunden. Sie zog sich schnell eine leichte Sommerjacke an. Im Wetterbericht wurden für die nächsten Tage Temperaturen um die 18 Grad sowie leichte Regenfälle vorausgesagt.
2
Es ist still. Es ist dunkel. Es ist nass. Ich liege auf einem harten Steinboden. Langsam komme ich zu mir. Meine Hände und Füße sind gefesselt. Ich versuche mich zu Bewegen doch mir tut alles weh. Ich versuche nach Hilfe zu rufen doch mein Schreien verhallt. Der Raum muss groß sein, mindestens wie ein Football-Feld oder sogar größer? Eine Fabrik? Ein Lagerhaus? Ich versuche mich an die Geschehnisse zu erinnern doch mir will und will nichts einfallen. Ich bewege mich erneut, kämpfe gegen den Schmerz an und versuche den Boden abzutasten. Nichts.
Nur kalter, harter Stein. Ich schließe die Augen.
,, Du musst deine Kräfte sparen“, denke ich mir, ,,wer weiß wie lange du hier noch gefangen bist.“
Als ich die Augen wieder öffne ist immer noch alles dunkel doch ich spüre dass sich etwas verändert hat. Ich habe plötzlich das Gefühl dass ich nicht allein bin. ,,Einbildung“, sage ich mir, ,,du halluzinierst“. Ich höre Geräusche, es klingt beinahe wie Schritte. ,,Quatsch, hier ist niemand. Das sind bestimmt nur Mäuse oder gar der Wind.“ Ich versuche es mir einzureden, aber tief in mir glaube ich nicht daran. Ich weiß dass hier
jemand ist. Ich rufe ,,Hallo?“ und kurz darauf nochmal ,,Hallo? Ist da jemand?“.
Dann die Gewissheit. Ich höre die Schritte wieder, diesmal lauter und länger. Sie kommen näher. Als sie ganz in meiner Nähe sind verklingen sie. Ich nehme ein leises atmen wahr. ,,Hallo Schätzchen“, ertönt es plötzlich, ,,ich bin hier. Hast du mich vermisst?“ Die Stimme ist tief, es muss also ein Mann sein. Wie ich das schätze muss er etwa 2-3m von mir entfernt stehen. Dann wieder Schritte. Er kommt näher. Er legt seine Hand auf meine Schulter. Sie ist kräftig und brennt wie Feuer. Erst jetzt merke ich wie kalt es ist. Ich fühle mich wie gefroren. Sein warmer Atem kitzelt
meinen Hals. Er küsst mich auf den Hals und flüstert, ,,Wir werden noch viel Spaß miteinander haben, Schätzchen. Einer mehr der andere weniger…“. Nun wieder Schritte. Er geht. Ich höre eine Tür, kann aber weder die Richtung des Tos bestimmen noch irgendein Licht ausmachen das eventuell durch den Türspalt scheint.
Jetzt bin ich wieder allein. Ich kann nichts hören und nichts sehen. Mir ist kalt und keiner kann mich hören. Ich bin völlig allein. Zumindest hoffe ich das.
3
Maria rannte zur Bahn Station. Man brauchte ungefähr 5 Minuten von ihrer Wohnung bis zur Station in der Norwood Avenue, doch die Bahn kam schon in 3 Minuten. Also rannte sie. Doch war sie natürlich zu spät denn die Türen schlossen sich schon und so musste sie wohl oder übel warten. Zum Glück kam schon 2 min später die nächste. So fuhr Maria wie jeden Morgen, außer sonntags natürlich, denn da war sie zum Essen bei ihrer Mutter und ihrem Bruder eingeladen die in New Jersey wohnten, zuerst mit dem Nassau Street Express zur Arbeit.
Der Weg führte über die Williamsburg
Bridge und damit über den East River in welchem sich gerade die aufgehende Sonne spiegelte. An der Haltestelle Bowery stieg Maria aus und lief über die Kenmare Street bis zur Haltestelle Spring Street, wofür sie heute nur schlappe 5 Minuten benötigte. Weiter ging es über den berühmten Broadway auf dem am frühen Morgen genauso wenige Menschen zu sehen waren wie in der Bahn saßen. In manchen Geschäften brannte schon Licht oder die Leuchtreklamen begannen ihre Arbeit und spiegelten sich in den verdreckten fenstern der New Yorker S-Bahn. Dann endlich, nach 50 Minuten kam sie an der Haltestelle Wall Street an und stieg aus.
Sie strich sich kurz durchs Haar und schaute auf ihre Uhr: 7.13 Uhr. Sie war gerade noch pünktlich.
Nun betrat Maria das Gebäude, passierte einige Sicherheitskontrollen, grüßte Wachmann George, der den ersten Tag nach seinem Autounfall wieder da war, und ging zu ihrem Büro. An ihrer Tür hing ihr Namensschild: ,,Maria Dearing“ stand darauf. Sie war so stolz gewesen als sie vor 3 Jahren ihr eigenes Büro bekommen hatte. Mithilfe ihrer elektronischen Schlüsselkarte öffnete sie die Tür auf. Sie schloss die Tür und ging ans Fenster, denn Maria liebte den Ausblick den man von ihrem Büro aus hatte. Sie schaute auf die Skyline von
New York über der gerade die Sonne aufging. Dann ging sie zu ihrem Schreibtisch und schaltete den Computer ein. Maria aktivierte das Telefon und las die Klebenotiz die auf dem Hörer lag: ,,Tom Robson bittet um Rückruf.“ Die Notiz war von ihrer Sekretärin Michelle. Sie wusste noch nicht dass Maria nicht mehr mit Tom zusammen war und deshalb seine Anrufe seit über 1 Woche ignorierte. Und Maria hatte es noch nicht übers Herz gebracht es ihr zu sagen, da Maria und Tom für sie das Traumpaar schlechthin war und todunglücklich gewesen wäre wenn sie erfahren hätte dass sie sich getrennt haben. Doch nun war ihre Beziehung aus. Sie waren
einfach zu verschieden gewesen und liebten außerdem beide ihren Job mehr als den Partner. ,,Bitte Passwort eingeben“ stand auf dem Bildschirm und das tat sie auch.
Nun begann die Arbeit und sie endete erst gegen 23 Uhr. Sie hatte ein paar Mal darüber nachgedacht ob sie Tom anrufen sollte, hatte sich aber immer dagegen entschieden. Als sie etwa dreiviertel zwölf Zuhause ankam wartete Toffel schon geduldig auf sie oder einfach nur auf sein Futter, sie wusste es nicht. Maria klickte sich noch eine Weile durch das Netz, spielte einige Spiele und ging gegen 1 Uhr ins Bett. Morgen würde sie ausschlafen können denn sie hatte frei.
Sie würde wahrscheinlich den ganzen Tag nur Fernsehen.